Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 13 U 1055/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 11/3 U 1544/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 33/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 13.12.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.1996 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger aufgrund einer Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 RVO in Verbindung mit Nr. 2108 der Anlage zur BKV eine Rente nach einer MdE von 20 v.H. zu zahlen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Anerkennung und Entschädigung von Wirbelsäulenschäden des Klägers als Berufskrankheit im Streit.
Der im Jahre 1935 geborene Kläger war seit 01.03.1950 als Maurer und Verputzer beschäftigt. Er beendete seine Tätigkeit zum 30.11.1993. Mit Schreiben vom 19.07.1994 beantragte er die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit. Die Beklagte holte Befundberichte ein bei Dr. C., Dr. D. und Dr. E. Beigefügt war unter anderem der Heilverfahrensentlassungsbericht vom 04.06.1992, in dem angegeben wurde, dass der Kläger aufgrund der deutlichen Hüftgelenksarthrose links, der leichten Gonarthrose und der Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule nicht mehr in der Lage sei, den Beruf des Maurers auszuüben.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Beratungsarztes F. vom 18.10.1995 ein, der eine schicksalshafte Erkrankung der Wirbelsäule feststellte. Der Hessische Landesgewerbearzt führte in seiner Stellungnahme vom 24.11.1995 aus, dass keine Berufskrankheit vorliege.
Mit Bescheid vom 13.12.1995 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab. Für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule) lägen die medizinischen Voraussetzungen nicht vor. Für die Berufskrankheit 2109 der Anlage zur BKV (bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule) fehle es an der Voraussetzung, dass der Kläger langjährig Lasten auf der Schulter getragen habe.
Dem widersprach der Kläger am 08.01.1996. Die Beklagte holte daraufhin eine weitere Stellungnahme bei Dr. G. ein. Dieser führte aus, dass bezüglich der Berufskrankheit 2108 keine belastungsadäquate Lokalisation vorliege. Die Segmente L5/S1 und L4/5 zeigten keine altersnormüberschreitenden degenerativen Veränderungen. Im HWS-Bereich zeigten sich zudem stärkere Verschleißerscheinungen. Der Kläger brachte im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens vor, dass er Zementsäcke über 50 kg bis in die 70iger Jahre hinein getragen habe und die Voraussetzungen für die Berufskrankheit 2109 somit vorlägen.
Mit Bescheid vom 01.09.1996 wies die Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass es an einem belastungskonformen Schadensbild fehle.
Hiergegen richtet sich die am 11.10.1996 bei dem Sozialgericht Wiesbaden eingegangene Klage, zu deren Begründung der Kläger zunächst vorgetragen hat, dass die beruflichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit 2109 vorlägen.
Nachdem das Gericht Beweis erhoben und Zeugen zu den Tragetätigkeiten des Klägers vernommen hat, hat der Kläger erklärt, die Berufskrankheit 2109 nicht weiterhin geltend zu machen, da er über den Stichtag 31.03.1988 hinaus keine Belastung von 51 kg mehr getragen habe. Er ist indes weiterhin der Auffassung, dass die Berufskrankheit 2108 vorliege und zu entschädigen sei und sieht sich in seiner Auffassung durch die gerichtliche Beweiserhebung bestätigt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 13.12.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund einer Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 RVO in Verbindung mit Ziffer 2108 der Anlage zur BKV eine Rente nach einer MdE von 20. v.H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass dem Gerichtsgutachten nicht zu folgen sei.
Das Gericht hat Beweis erhoben und ein medizinisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. H. eingeholt, einschließlich eines orthopädischen Zusatzgutachtens bei Dr. J. Prof. Dr. H. führt in seinem Gutachten vom 13.09.1999 aus, dass beim Kläger ein degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom über mehrere Segmente in der Ausprägung von unten nach oben abnehmend vorliege bei computertomographisch nachgewiesenen Bandscheibenvorwölbungen L3/4 und L4/5 sowie einem Bandscheibenvorfall L5/S1 und Zeichen einer Instabilität L2/3. Im Halswirbelsäulenbereich zeige sich weder ein Bandscheibenvorfall noch eine Protrusion. Die Wirbelkörper seien normal geformt. HWS und LWS zeigten insoweit kein vergleichbares Schadensbild. Die MdE betrage ab 1996 20 v.H.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten und bezieht sich auf eine Stellungnahme des Herrn F. vom 20.12.1999, demzufolge der jetzt festgestellte Prolaps L5/S1 im Jahre 1993 noch nicht vorgelegen habe, sondern erst nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit. Die deutlich Progredienz nach Tätigkeitsaufgabe spreche für ein anlagebedingtes Leiden.
Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. H. eingeholt. Dieser führt unter dem 07.02.2000 aus, dass Bandscheibendegenerationen einen kontinuierlichen Prozess darstellten.
Nachdem Beratungsarzt F. für die Beklagte ausgeführt hat, dass die Frage des Unterlassungszwanges ungeklärt sei, da die LWS-Beschwerden auch im Heilverfahrensentlassungsbericht aus dem Jahre 1992 nur als Nebendiagnosen aufgeführt seien, hat das Gericht eine weitere Stellungnahme bei Prof. Dr. H. eingeholt. Dieser stellt unter dem 05.07.2000 fest, dass ein schadensadäquates Bild vorliege und aus ärztlicher Sicht bereits im Jahre 1993 ein Zwang zur Berufsaufgabe bestanden habe.
Die Beklagte ist dem wiederum entgegengetreten unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Dr. K. vom 18.09.2000. Dieser führt aus, dass röntgenologisch keine Befundänderung zwischen 1993 und 1999 eingetreten sei. Es fehle ein belastungskonformes Schadensbild. Eine Bandscheibenzermürbung L4/5 und L5/S1 liege nicht vor. Eine Computertomographie und/oder Kernspintomographie sei erforderlich, um den Degenerationsgrad der Lendenbandscheiben zu bestimmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet, nachdem der Kläger lediglich noch die bandscheibenbedingten Erkrankungen seiner Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit geltend macht.
Beim Kläger liegt eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vor.
Nach § 551 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 RVO gilt als Arbeitsunfall mit entsprechender Entschädigungspflicht auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer nach § 539 RVO versicherten beruflichen Tätigkeit erleidet. Vorliegend gelten noch die Regelungen der RVO, da der Versicherungsfall vor dem 01. Januar 1997 eingetreten ist (Artikel 36 des Unfallversicherungseinordnungsgesetztes, § 212 SGB VII).
Nach Nr. 2108 werden als Berufskrankheit anerkannt bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten, oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben einer Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die berufliche Voraussetzung "langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten" im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 ist für den Kläger erfüllt. Das ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig und steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der langjährigen Tätigkeit des Klägers als Maurer und Verputzer fest.
Der Kläger leidet auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. Dieser stellt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule in Form degenerativer Veränderungen mit Spondylose, Spondylarthrose sowie Osteochondrose L3/4, L4/5 und L5/S1 fest. Darüber hinaus bestehen beim Kläger ein Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 sowie Bandscheibenvorwölbungen in den Segmenten L3/4 und L4/5. Das Segment L2/3 weist darüber hinaus eine Instabilität auf. Diese bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers ist auch durch dessen berufliche Tätigkeit im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung verursacht worden. Auszugehen ist von den schädigenden Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit. Haben (auch) diese den Schaden verursacht, d. h. mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine conditio sine qua non für seine Entstehung gesetzt, was zu bejahen ist, wenn der Gesundheitsschaden in der vorliegenden Art und Ausprägung ohne diese schädigenden Einwirkungen nicht bestehen würde, sind diese zumindest eine wesentliche Teilursache für die Entstehung. Eine andere Beurteilung ist nur zulässig, wenn die Schadensanlage die schädigenden Einwirkungen an Bedeutung für den Schadenseintritt so eindeutig überwiegt, dass sie als die allein wesentliche Ursache gewichtet werden muss. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schadensanlage so stark ausgeprägt und so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen aus der versicherten Tätigkeit bedurft hat, sondern der Gesundheitsschaden wahrscheinlich auch ohne diese Einwirkungen durch beliebig austauschbare Einwirkungen des unversicherten Alltagslebens zu gleicher Zeit entstanden wäre (vgl. Erlenkämper, DieBG 96, 846, 847 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75. 84, 91 und weiteren Nachweisen).
Zwar ist unstreitig, dass beim Kläger auch anlagebedingte Verschleißerkrankungen in Form von Polyarthrosen der Hände, einer Gon- und Coxarthrose sowie degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule bestehen. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen zur Frage der Wesentlichkeit der Ursachen folgt das Gericht indes hier den überzeugenden Feststellungen von Prof. Dr. H. Dieser bestätigt zwar, dass beim Kläger anlagebedingte Faktoren vorliegen. Gleichwohl ist er der Auffassung, dass diese in den Hintergrund treten unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger über 40 Jahre lang schwere Lasten gehoben und getragen hat. Dem schließt sich das Gericht aus seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung in vollem Umfang an. Denn für eine mindestens gleichwertige Verursachung der Wirbelsäulenerkrankung durch berufliche Einwirkungen spricht, dass vorliegend ein schadenskonformes Krankheitsbild gegeben ist. Wie Prof. Dr. H. ausführt, sind insbesondere beim Heben und Tragen schwerer Lasten die unteren Lendenwirbelsäulensegmente betroffen, und es findet sich die Ausprägung der Bandscheibenerkrankung von unten nach oben abnehmend. Genau dieses Krankheitsbild ist beim Kläger vorzufinden. Das unterste Segment L5/S1 weist einen Bandscheibenvorfall auf, die Segmente L3/4 und L4/5 zeigen Bandscheibenvorwölbungen, und im Segment L2/3 sind Zeichen einer Instabilität zu finden, darüber hinaus Spondylosen, Spodylarthrosen sowie Osteochondrosen in den Segmenten L3/4, L4/5 und L5/S1. Der Sachverständige hat diese Befunde unter Einbeziehung des von Dr. J. erstellten orthopädischen Zusatzgutachtens umfassend erhoben und sorgfältig dokumentiert. Das Gericht hat daher keinerlei Bedenken, diesen Feststellungen zu folgen. Insbesondere steht dem nicht die Feststellung des Dr. K. entgegen, der eine Wuchsformstörung im Segment L3/4 angibt und ein Ungleichwachstum L5. Soweit er darüber hinaus eine Chondrose oder Osteochondrose in den Segmenten L4/5 und L5/S1 verneint, steht dies in krassem Gegensatz zu den Feststellungen einmal von Prof. Dr. H./Dr. J. und zum anderen des behandelnden Orthopäden Dr. D. Dieser hat bereits in seinem Befundbericht vom 28.08.1992 eine diffuse Spondylose L5/S1 angegeben, darüber hinaus im November 1993 sowohl eine Osteochondrose als auch eine Spondylarthrose in den Segmenten L4/5 und L5/S1 bestätigt. Soweit Dr. K. darüber hinaus der Meinung ist, dass allein aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen ein Ursachenzusammenhang zwischen Gesundheitsschaden und beruflichen Einwirkungen nicht gegeben sei, ist dies wenig überzeugend. Denn es ist, wie bereits ausgeführt, nicht allein beim Vorhandensein etwaiger konkurrierender Ursachen der Kausalzusammenhang zu verneinen. Vielmehr ist eine Prüfung erforderlich, inwieweit die beruflichen Einwirkungen neben etwaigen anderen Ursachen zur Wirbelsäulenerkrankung geführt haben. Diesbezügliche Erörterungen seitens des Dr. K. fehlen völlig und können insoweit die Feststellungen des Gerichtsgutachters nicht entkräften. Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass Dr. K. zur Klärung der Bandscheibenerkrankung ein Computertomogramm bzw. eine Kernspintomographie für erforderlich gehalten hat. Diese ist indes, wie sich insbesondere aus dem orthopädischen Zusatzgutachten des Dr. J. ergibt, durchgeführt worden. Dabei wurden sowohl die genannten Bandscheibenprotrusionen als auch der Prolaps festgestellt, darüber hinaus die bereits von Dr. D. im November 1993 angegebenen Osteochondrosen.
Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht die Argumentation der Beklagten entgegen, dass der Prolaps erst lange Jahre nach der Tätigkeitsaufgabe festgestellt worden sei. Auch insoweit folgt das Gericht den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. H., der angegeben hat, dass sich die degenerativen Veränderungen erfahrungsgemäß auch über den Zeitpunkt der Beendigung der lendenwirbelsäulenbelastenden Tätigkeit hinaus verstärkten. In diesem Zusammenhang ist für das Gericht eine progrediente Entwicklung ebenfalls durch die beiden Berichte des Dr. D. belegt. Dieser stellt noch im August 1992 einen präsakralen Reklinationsschmerz bei L/5 fest. Im November 1993 beschreibt er einen präsakralen Reklinationsschmerz bei L5 und diagnostiziert darüber hinaus die bereits genannten Osteochondrosen und Spondylarthrose. Darüber hinaus fand sich bereits im August 1992 nach seinen Angaben eine "diffuse Spondylose" L5/S1. Vor dem Hintergrund dieser Befunderhebungen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich die Bandscheibendegenerationen, wie vom Gerichtsgutachter ausgeführt, weiter entwickelt haben. Der Umstand, dass der Bandscheibenvorfall letztendlich durch das Computertomogramm, erstellt im Gerichtsgutachten, dokumentiert ist, spricht somit nicht gegen eine berufliche Verursachung. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil, wie ausgeführt, bereits in 1992 eine entsprechende Schmerzsymptomatik dokumentiert ist. Unstreitig ist darüber hinaus, dass der Kläger laut Befundbericht des Dr. C. bereits im Jahre 1988 an einer akuten Lumbalgie litt und auch im Heilverfahrensentlassungsbericht vom 04.06.1992 Schmerzen an der Lendenwirbelsäule beim Bücken angegeben werden.
Darüber hinaus steht der Annahme einer beruflich bedingten Wirbelsäulenerkrankung nicht entgegen, dass der Kläger auch im HWS-Bereich Beschwerden aufweist, die in den Behandlungsberichten als Zervikalsyndrom diagnostiziert werden. Denn es wird zwar die Auffassung vertreten, dass ein gleichmäßiges degeneratives Verteilungsmuster über die gesamte Wirbelsäule dagegen spricht, dass die Lendenwirbelsäulenbeschäden beruflich bedingt sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, S. 537). Diese Situation ist vorliegend indes nicht gegeben. Denn Prof. Dr. H. führt aus, dass im HWS-Bereich weder ein Bandscheibenvorfall noch eine Protrusion festzustellen sei. Darüber hinaus stellt er eine normale Form der Wirbelkörper fest und kommt vor diesem Hintergrund zu der Beurteilung, dass HWS und LWS kein vergleichbares Schadensbild aufweisen. Insoweit fehlt es vorliegend an einem gleichmäßigen Verteilungsmuster.
Schließlich war der Kläger durch die bandscheibenbedingte LWS-Erkrankung auch gezwungen, seine berufliche Tätigkeit ab 01.12.1993 zu unterlassen und erfüllt insoweit die in Nr. 2108 der Anlage zur BKV formulierte Voraussetzung des Unterlassungszwangs. Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass im Heilverfahrensentlassungsbericht vom 04.06.1992 als erste Diagnose die Coxarthrose angegeben ist. Denn in dem Bericht wird explizit ausgeführt, dass der Kläger seine Tätigkeit als Maurer wegen der Hüftgelenksarthrose und der Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule nicht mehr ausüben kann. Insoweit ist die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers zumindest als gleichwertig dafür anzusehen, dass der Kläger den über 40 Jahre ausgeübten Beruf des Maurers nicht mehr verrichten kann.
Soweit bei dem Kläger somit eine Berufskrankheit 2108 der Anlage zur BKV anzunehmen ist, ist diese nach einer MdE von 20 v.H. zu entschädigen. Auch insoweit folgt das Gericht den Ausführungen von Prof. Dr. H., die in Übereinstimmung mit den Vorgaben zur Bewertung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule stehen. Denn beim Kläger zeigt sich sowohl eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule als auch ein Bewegungsschmerz und lokaler Druckschmerz. Es liegen Verschmälerungen der Zwischenwirbelräume vor. Die Erniedrigung der Bandscheibenhöhe führt zu einer zentralen Störung des Gefügesegmentes, wodurch es zu Koordinations- und Stabilitätsstörungen im gesamten Gefügesegment kommt, die wiederum zu einer Überlastung von Band- und Muskelapparat und der Gelenke führen. Vor dem Hintergrund, dass vorliegend 4 Segmente befallen sind, stellt sich die Bewertung der MdE mit 20 v.H. als angemessen dar.
Nach alledem war zu entscheiden wie erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Anerkennung und Entschädigung von Wirbelsäulenschäden des Klägers als Berufskrankheit im Streit.
Der im Jahre 1935 geborene Kläger war seit 01.03.1950 als Maurer und Verputzer beschäftigt. Er beendete seine Tätigkeit zum 30.11.1993. Mit Schreiben vom 19.07.1994 beantragte er die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit. Die Beklagte holte Befundberichte ein bei Dr. C., Dr. D. und Dr. E. Beigefügt war unter anderem der Heilverfahrensentlassungsbericht vom 04.06.1992, in dem angegeben wurde, dass der Kläger aufgrund der deutlichen Hüftgelenksarthrose links, der leichten Gonarthrose und der Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule nicht mehr in der Lage sei, den Beruf des Maurers auszuüben.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Beratungsarztes F. vom 18.10.1995 ein, der eine schicksalshafte Erkrankung der Wirbelsäule feststellte. Der Hessische Landesgewerbearzt führte in seiner Stellungnahme vom 24.11.1995 aus, dass keine Berufskrankheit vorliege.
Mit Bescheid vom 13.12.1995 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab. Für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule) lägen die medizinischen Voraussetzungen nicht vor. Für die Berufskrankheit 2109 der Anlage zur BKV (bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule) fehle es an der Voraussetzung, dass der Kläger langjährig Lasten auf der Schulter getragen habe.
Dem widersprach der Kläger am 08.01.1996. Die Beklagte holte daraufhin eine weitere Stellungnahme bei Dr. G. ein. Dieser führte aus, dass bezüglich der Berufskrankheit 2108 keine belastungsadäquate Lokalisation vorliege. Die Segmente L5/S1 und L4/5 zeigten keine altersnormüberschreitenden degenerativen Veränderungen. Im HWS-Bereich zeigten sich zudem stärkere Verschleißerscheinungen. Der Kläger brachte im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens vor, dass er Zementsäcke über 50 kg bis in die 70iger Jahre hinein getragen habe und die Voraussetzungen für die Berufskrankheit 2109 somit vorlägen.
Mit Bescheid vom 01.09.1996 wies die Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass es an einem belastungskonformen Schadensbild fehle.
Hiergegen richtet sich die am 11.10.1996 bei dem Sozialgericht Wiesbaden eingegangene Klage, zu deren Begründung der Kläger zunächst vorgetragen hat, dass die beruflichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Berufskrankheit 2109 vorlägen.
Nachdem das Gericht Beweis erhoben und Zeugen zu den Tragetätigkeiten des Klägers vernommen hat, hat der Kläger erklärt, die Berufskrankheit 2109 nicht weiterhin geltend zu machen, da er über den Stichtag 31.03.1988 hinaus keine Belastung von 51 kg mehr getragen habe. Er ist indes weiterhin der Auffassung, dass die Berufskrankheit 2108 vorliege und zu entschädigen sei und sieht sich in seiner Auffassung durch die gerichtliche Beweiserhebung bestätigt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 13.12.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund einer Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 RVO in Verbindung mit Ziffer 2108 der Anlage zur BKV eine Rente nach einer MdE von 20. v.H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass dem Gerichtsgutachten nicht zu folgen sei.
Das Gericht hat Beweis erhoben und ein medizinisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. H. eingeholt, einschließlich eines orthopädischen Zusatzgutachtens bei Dr. J. Prof. Dr. H. führt in seinem Gutachten vom 13.09.1999 aus, dass beim Kläger ein degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom über mehrere Segmente in der Ausprägung von unten nach oben abnehmend vorliege bei computertomographisch nachgewiesenen Bandscheibenvorwölbungen L3/4 und L4/5 sowie einem Bandscheibenvorfall L5/S1 und Zeichen einer Instabilität L2/3. Im Halswirbelsäulenbereich zeige sich weder ein Bandscheibenvorfall noch eine Protrusion. Die Wirbelkörper seien normal geformt. HWS und LWS zeigten insoweit kein vergleichbares Schadensbild. Die MdE betrage ab 1996 20 v.H.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten und bezieht sich auf eine Stellungnahme des Herrn F. vom 20.12.1999, demzufolge der jetzt festgestellte Prolaps L5/S1 im Jahre 1993 noch nicht vorgelegen habe, sondern erst nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit. Die deutlich Progredienz nach Tätigkeitsaufgabe spreche für ein anlagebedingtes Leiden.
Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. H. eingeholt. Dieser führt unter dem 07.02.2000 aus, dass Bandscheibendegenerationen einen kontinuierlichen Prozess darstellten.
Nachdem Beratungsarzt F. für die Beklagte ausgeführt hat, dass die Frage des Unterlassungszwanges ungeklärt sei, da die LWS-Beschwerden auch im Heilverfahrensentlassungsbericht aus dem Jahre 1992 nur als Nebendiagnosen aufgeführt seien, hat das Gericht eine weitere Stellungnahme bei Prof. Dr. H. eingeholt. Dieser stellt unter dem 05.07.2000 fest, dass ein schadensadäquates Bild vorliege und aus ärztlicher Sicht bereits im Jahre 1993 ein Zwang zur Berufsaufgabe bestanden habe.
Die Beklagte ist dem wiederum entgegengetreten unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Dr. K. vom 18.09.2000. Dieser führt aus, dass röntgenologisch keine Befundänderung zwischen 1993 und 1999 eingetreten sei. Es fehle ein belastungskonformes Schadensbild. Eine Bandscheibenzermürbung L4/5 und L5/S1 liege nicht vor. Eine Computertomographie und/oder Kernspintomographie sei erforderlich, um den Degenerationsgrad der Lendenbandscheiben zu bestimmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet, nachdem der Kläger lediglich noch die bandscheibenbedingten Erkrankungen seiner Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit geltend macht.
Beim Kläger liegt eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vor.
Nach § 551 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 RVO gilt als Arbeitsunfall mit entsprechender Entschädigungspflicht auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer nach § 539 RVO versicherten beruflichen Tätigkeit erleidet. Vorliegend gelten noch die Regelungen der RVO, da der Versicherungsfall vor dem 01. Januar 1997 eingetreten ist (Artikel 36 des Unfallversicherungseinordnungsgesetztes, § 212 SGB VII).
Nach Nr. 2108 werden als Berufskrankheit anerkannt bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten, oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben einer Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die berufliche Voraussetzung "langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten" im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 ist für den Kläger erfüllt. Das ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig und steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der langjährigen Tätigkeit des Klägers als Maurer und Verputzer fest.
Der Kläger leidet auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. Dieser stellt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule in Form degenerativer Veränderungen mit Spondylose, Spondylarthrose sowie Osteochondrose L3/4, L4/5 und L5/S1 fest. Darüber hinaus bestehen beim Kläger ein Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 sowie Bandscheibenvorwölbungen in den Segmenten L3/4 und L4/5. Das Segment L2/3 weist darüber hinaus eine Instabilität auf. Diese bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers ist auch durch dessen berufliche Tätigkeit im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung verursacht worden. Auszugehen ist von den schädigenden Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit. Haben (auch) diese den Schaden verursacht, d. h. mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine conditio sine qua non für seine Entstehung gesetzt, was zu bejahen ist, wenn der Gesundheitsschaden in der vorliegenden Art und Ausprägung ohne diese schädigenden Einwirkungen nicht bestehen würde, sind diese zumindest eine wesentliche Teilursache für die Entstehung. Eine andere Beurteilung ist nur zulässig, wenn die Schadensanlage die schädigenden Einwirkungen an Bedeutung für den Schadenseintritt so eindeutig überwiegt, dass sie als die allein wesentliche Ursache gewichtet werden muss. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schadensanlage so stark ausgeprägt und so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen aus der versicherten Tätigkeit bedurft hat, sondern der Gesundheitsschaden wahrscheinlich auch ohne diese Einwirkungen durch beliebig austauschbare Einwirkungen des unversicherten Alltagslebens zu gleicher Zeit entstanden wäre (vgl. Erlenkämper, DieBG 96, 846, 847 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75. 84, 91 und weiteren Nachweisen).
Zwar ist unstreitig, dass beim Kläger auch anlagebedingte Verschleißerkrankungen in Form von Polyarthrosen der Hände, einer Gon- und Coxarthrose sowie degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule bestehen. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen zur Frage der Wesentlichkeit der Ursachen folgt das Gericht indes hier den überzeugenden Feststellungen von Prof. Dr. H. Dieser bestätigt zwar, dass beim Kläger anlagebedingte Faktoren vorliegen. Gleichwohl ist er der Auffassung, dass diese in den Hintergrund treten unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger über 40 Jahre lang schwere Lasten gehoben und getragen hat. Dem schließt sich das Gericht aus seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung in vollem Umfang an. Denn für eine mindestens gleichwertige Verursachung der Wirbelsäulenerkrankung durch berufliche Einwirkungen spricht, dass vorliegend ein schadenskonformes Krankheitsbild gegeben ist. Wie Prof. Dr. H. ausführt, sind insbesondere beim Heben und Tragen schwerer Lasten die unteren Lendenwirbelsäulensegmente betroffen, und es findet sich die Ausprägung der Bandscheibenerkrankung von unten nach oben abnehmend. Genau dieses Krankheitsbild ist beim Kläger vorzufinden. Das unterste Segment L5/S1 weist einen Bandscheibenvorfall auf, die Segmente L3/4 und L4/5 zeigen Bandscheibenvorwölbungen, und im Segment L2/3 sind Zeichen einer Instabilität zu finden, darüber hinaus Spondylosen, Spodylarthrosen sowie Osteochondrosen in den Segmenten L3/4, L4/5 und L5/S1. Der Sachverständige hat diese Befunde unter Einbeziehung des von Dr. J. erstellten orthopädischen Zusatzgutachtens umfassend erhoben und sorgfältig dokumentiert. Das Gericht hat daher keinerlei Bedenken, diesen Feststellungen zu folgen. Insbesondere steht dem nicht die Feststellung des Dr. K. entgegen, der eine Wuchsformstörung im Segment L3/4 angibt und ein Ungleichwachstum L5. Soweit er darüber hinaus eine Chondrose oder Osteochondrose in den Segmenten L4/5 und L5/S1 verneint, steht dies in krassem Gegensatz zu den Feststellungen einmal von Prof. Dr. H./Dr. J. und zum anderen des behandelnden Orthopäden Dr. D. Dieser hat bereits in seinem Befundbericht vom 28.08.1992 eine diffuse Spondylose L5/S1 angegeben, darüber hinaus im November 1993 sowohl eine Osteochondrose als auch eine Spondylarthrose in den Segmenten L4/5 und L5/S1 bestätigt. Soweit Dr. K. darüber hinaus der Meinung ist, dass allein aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen ein Ursachenzusammenhang zwischen Gesundheitsschaden und beruflichen Einwirkungen nicht gegeben sei, ist dies wenig überzeugend. Denn es ist, wie bereits ausgeführt, nicht allein beim Vorhandensein etwaiger konkurrierender Ursachen der Kausalzusammenhang zu verneinen. Vielmehr ist eine Prüfung erforderlich, inwieweit die beruflichen Einwirkungen neben etwaigen anderen Ursachen zur Wirbelsäulenerkrankung geführt haben. Diesbezügliche Erörterungen seitens des Dr. K. fehlen völlig und können insoweit die Feststellungen des Gerichtsgutachters nicht entkräften. Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass Dr. K. zur Klärung der Bandscheibenerkrankung ein Computertomogramm bzw. eine Kernspintomographie für erforderlich gehalten hat. Diese ist indes, wie sich insbesondere aus dem orthopädischen Zusatzgutachten des Dr. J. ergibt, durchgeführt worden. Dabei wurden sowohl die genannten Bandscheibenprotrusionen als auch der Prolaps festgestellt, darüber hinaus die bereits von Dr. D. im November 1993 angegebenen Osteochondrosen.
Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht die Argumentation der Beklagten entgegen, dass der Prolaps erst lange Jahre nach der Tätigkeitsaufgabe festgestellt worden sei. Auch insoweit folgt das Gericht den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. H., der angegeben hat, dass sich die degenerativen Veränderungen erfahrungsgemäß auch über den Zeitpunkt der Beendigung der lendenwirbelsäulenbelastenden Tätigkeit hinaus verstärkten. In diesem Zusammenhang ist für das Gericht eine progrediente Entwicklung ebenfalls durch die beiden Berichte des Dr. D. belegt. Dieser stellt noch im August 1992 einen präsakralen Reklinationsschmerz bei L/5 fest. Im November 1993 beschreibt er einen präsakralen Reklinationsschmerz bei L5 und diagnostiziert darüber hinaus die bereits genannten Osteochondrosen und Spondylarthrose. Darüber hinaus fand sich bereits im August 1992 nach seinen Angaben eine "diffuse Spondylose" L5/S1. Vor dem Hintergrund dieser Befunderhebungen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich die Bandscheibendegenerationen, wie vom Gerichtsgutachter ausgeführt, weiter entwickelt haben. Der Umstand, dass der Bandscheibenvorfall letztendlich durch das Computertomogramm, erstellt im Gerichtsgutachten, dokumentiert ist, spricht somit nicht gegen eine berufliche Verursachung. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil, wie ausgeführt, bereits in 1992 eine entsprechende Schmerzsymptomatik dokumentiert ist. Unstreitig ist darüber hinaus, dass der Kläger laut Befundbericht des Dr. C. bereits im Jahre 1988 an einer akuten Lumbalgie litt und auch im Heilverfahrensentlassungsbericht vom 04.06.1992 Schmerzen an der Lendenwirbelsäule beim Bücken angegeben werden.
Darüber hinaus steht der Annahme einer beruflich bedingten Wirbelsäulenerkrankung nicht entgegen, dass der Kläger auch im HWS-Bereich Beschwerden aufweist, die in den Behandlungsberichten als Zervikalsyndrom diagnostiziert werden. Denn es wird zwar die Auffassung vertreten, dass ein gleichmäßiges degeneratives Verteilungsmuster über die gesamte Wirbelsäule dagegen spricht, dass die Lendenwirbelsäulenbeschäden beruflich bedingt sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, S. 537). Diese Situation ist vorliegend indes nicht gegeben. Denn Prof. Dr. H. führt aus, dass im HWS-Bereich weder ein Bandscheibenvorfall noch eine Protrusion festzustellen sei. Darüber hinaus stellt er eine normale Form der Wirbelkörper fest und kommt vor diesem Hintergrund zu der Beurteilung, dass HWS und LWS kein vergleichbares Schadensbild aufweisen. Insoweit fehlt es vorliegend an einem gleichmäßigen Verteilungsmuster.
Schließlich war der Kläger durch die bandscheibenbedingte LWS-Erkrankung auch gezwungen, seine berufliche Tätigkeit ab 01.12.1993 zu unterlassen und erfüllt insoweit die in Nr. 2108 der Anlage zur BKV formulierte Voraussetzung des Unterlassungszwangs. Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass im Heilverfahrensentlassungsbericht vom 04.06.1992 als erste Diagnose die Coxarthrose angegeben ist. Denn in dem Bericht wird explizit ausgeführt, dass der Kläger seine Tätigkeit als Maurer wegen der Hüftgelenksarthrose und der Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule nicht mehr ausüben kann. Insoweit ist die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers zumindest als gleichwertig dafür anzusehen, dass der Kläger den über 40 Jahre ausgeübten Beruf des Maurers nicht mehr verrichten kann.
Soweit bei dem Kläger somit eine Berufskrankheit 2108 der Anlage zur BKV anzunehmen ist, ist diese nach einer MdE von 20 v.H. zu entschädigen. Auch insoweit folgt das Gericht den Ausführungen von Prof. Dr. H., die in Übereinstimmung mit den Vorgaben zur Bewertung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule stehen. Denn beim Kläger zeigt sich sowohl eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule als auch ein Bewegungsschmerz und lokaler Druckschmerz. Es liegen Verschmälerungen der Zwischenwirbelräume vor. Die Erniedrigung der Bandscheibenhöhe führt zu einer zentralen Störung des Gefügesegmentes, wodurch es zu Koordinations- und Stabilitätsstörungen im gesamten Gefügesegment kommt, die wiederum zu einer Überlastung von Band- und Muskelapparat und der Gelenke führen. Vor dem Hintergrund, dass vorliegend 4 Segmente befallen sind, stellt sich die Bewertung der MdE mit 20 v.H. als angemessen dar.
Nach alledem war zu entscheiden wie erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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