S 4 AL 621/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 621/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Gewährung von Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz (ATG -1996) aufgrund von Altersteilzeit der Mitarbeiterin der Klägerin, Frau G. P., abgelehnt hat.

Die Klägerin hat am 05.09.2003 bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 4 ATG-1996 gestellt. Es handele sich um die Wiederbesetzung mit einem arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer. Die zuletzt vereinbarte Arbeitszeit mit der Altersteilzeiterin habe 38,5 Stunden betragen. Es sei ein Blockmodell mit einer Freistellung ab 01.11.2003 gewählt worden. Die Wiederbesetzung sei mit einem arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer am 01.09.2003 erfolgt und zwar auf einem durch Umsetzung frei gewordenen Arbeitsplatz. Der arbeitslos gemeldete Arbeitnehmer werde mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden als Erzieherin beschäftigt. Auf den Platz der Altersteilzeiterin werde Frau G. K. nachrücken. Vorgelegt wurde der Arbeitsvertrag für Altersteilzeitarbeit vom 30.03.2001 von Frau G. P. sowie der Arbeitsvertrag, mit dem Frau S. K. ab 01.09.2003 bis zum 31.08.2004 mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden eingestellt wurde. Der Vertrag datierte vom 30.07.2003.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 29.09.2003 fest, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ATG-1996 nicht erfüllt seien und daher keine Leistungen nach dem ATG-1996 gewährt werden könnten. Da die Altersteilzeiterin eine Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich gehabt habe und die Wiederbesetzerin nur 24 Stunden wöchentlich arbeite, liege der notwendige zeitliche Umfang nicht vor.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 06.10.2003 Widerspruch ein. Es liege eine Wiederbesetzungskette vor, die die gleiche Stundenzahl gehalten habe. Die bisherige Besetzung seien eine Vollzeitstelle und eine Teilzeitstelle mit 38,5 Stunden bzw. 24 Stunden gewesen, die durch die Frauen P. und K. besetzt gewesen seien. Die neue Situation sei ebenfalls eine Vollzeitstelle und eine Teilzeitstelle mit 38,5 Stunden, bzw. 24 Stunden, die nunmehr durch die Frauen K. und K. besetzt seien.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2003, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, zurück. Die unmittelbare Wiederbesetzerin Frau K., die ab 01.11.2003 38,5 Stunden vollzeitbeschäftigt werde, sei beim Arbeitsamt nicht arbeitslos gemeldet gewesen. Die Arbeitnehmerin S. K. sei zwar vor Besetzung des Arbeitsplatzes von Frau K. beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet gewesen, sie arbeite jedoch nur wöchentlich 24 Stunden. Das Arbeitszeitvolumen weiche auch nicht nur geringfügig ab.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Telefax am 10.11.2003 Klage zum Sozialgericht Würzburg. Die Klägerin trug vor, dass der vorliegende Fall nach Sinn und Zweck des Altersteilzeitgesetzes förderungsfähig sei. Das Altersteilzeitgesetz wolle einerseits ein gleitendes Ausscheiden aus dem Berufsleben für ältere Beschäftigte ermöglichen und andererseits eine finanzielle Förderung derjenigen Arbeitgeber vornehmen, die die Altersteilzeit nicht zum Stellenabbau, sondern zur Wiedereingliederung Arbeitsloser in das Berufsleben nutzen. Das Altersteilzeitgesetz verlange nicht, dass der arbeitslos Gemeldete der gleichen Stundenzahl beschäftigt werden müsse wie mit der aufgrund Altersteilzeit ausgeschiedene ehemalige Mitarbeiter. Das Gesetz verlange nur, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegen müsse.

Die Beklagte verwies in ihrer Erwiderung auf ein Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.10.2003 (S 7 AL 162/00). Die Klägerin sah keine ausreichende Vergleichbarkeit zum vorliegenden Fall, da hier anders als in dem in Bezug genommenen Urteil die Gesamtarbeitszeit im Rahmen der Wiederbesetzungskette vollständig erhalten geblieben sei. Die Beklagte wies auch noch auf ein weiteres Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 31.01.2005 (S 16 AL 696/02) und ein Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.06.2004 (L 8 AL 297/03) hin.

Die Beteiligten erklärten in einem Erörterungstermin am 23.05.2006 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.

Die Klägerin beantragte:

I. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für ihre Arbeitnehmerin Frau G. P. unter Aufhebung des Bescheides vom 29.09.2003 und des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2003 Leistungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Altersteilzeitgesetz zu gewähren.

Hilfsweise wird beantragt: II. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2003 verurteilt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen waren die Akte der Beklagten und die Archivakte S 10 AL 318/03. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Klage ist auch entscheidungsreif, wobei das Gericht im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, da die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt hatten.

Die Klage ist zur Überzeugung des Gerichts nicht begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen aus dem Altersteilzeitgesetz.

Leistungen nach § 4 ATG-1996 setzen die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 3 ATG-1996 voraus. Hierzu gehört auch, dass der Arbeitgeber aus Anlass des Übergangs des Arbeitnehmers in die Altersteilzeitarbeit einen beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer oder einen Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung auf den freigemachten oder auf einem in diesem Zusammenhang durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz versicherungspflicht im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch beschäftigt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 a ATG-1996).

Die Beklagte hat zur Überzeugung des Gerichts zu Recht diese Voraussetzungen beim Übergang der Arbeitnehmerin P. in die Freistellungsphase zum 01.11.2003 nicht als erfüllt angesehen.

Dabei hat die Beklagte zunächst auf der Grundlage der von der Klägerin mitgeteilten Angaben entschieden, wonach die Arbeitszeit vor Beginn der Altersteilzeit 38,5 Stunden pro Woche betragen habe und die Wiederbesetzerin S. K. mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden eingestellt worden sei. Eine Wiedereinstellung in einem derartig reduzierten Rahmen wäre jedenfalls förderschädlich gewesen, weil sie mit Personalabbau verknüpft ist und sich nicht im Rahmen einer geringfügigen Arbeitszeitunterschreitung entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 2 ATG-1996 gehalten hätte (vgl. Rittweger, Kommentar zur Altersteilzeit, § 3 Rdnr. 53).

Soweit die Klägerin im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens und des Klageverfahrens eine Wiederbesetzungskette geltend macht, ist ihr darin zuzustimmen, dass es nicht zu einer förderschädlichen Verkürzung der Personalstellen gekommen ist. Auch ist zu beachten, dass es dem Gesetzgeber darum ging einen flexiblen Stellenzuschnitt zu erhalten, sodass bei der Wiederbesetzung durchaus ein freigewordener Arbeitsplatz in zwei Arbeitsplätze aufgeteilt werden kann (vgl. Rittweger a.a.O. Rdnr. 46). Soweit die Beklagte aus dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (L 8 AL 297/03 v. 24.06.2004) entnehmen will, dass eine Aufteilung der Wiederbesetzung in Anteile, die durch die Wiederbesetzerin K. und Anteile die durch die Wiederbesetzerin K. erfüllt wurden, unzulässig wäre, folgt das Gericht diesen Überlegungen nicht.

Bei einer solchen aufgeteilten Wiederbesetzung reicht es aber nicht aus, wenn eine der Wiederbesetzerinnen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 a ATG-1996 erfüllt, sondern alle Wiederbesetzerinnen müssen dies tun, zumindest für den Anteil, in dem sie nicht nur Teil einer Wiederbesetzungskette im Rahmen von Umsetzungen sind, sondern tatsächlich eine Wiederbesetzung vornehmen. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Arbeitnehmerin S. K. die Voraussetzungen für einen zeitlichen Umfang von 24 Wochenstunden erfüllen muss und die Arbeitnehmerin Gabriele Kohlhepp die Voraussetzungen für einen die Differenz von 24 Wochenstunden zu 38,5 Wochenstunden auffüllenden Anteil zu erfüllen hat.

Bei der Wiederbesetzerin S. K. ist zu beachten, dass diese nach der Aktenlage tatsächlich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet war, jedoch bereits zwei Monate vor Beginn der Freistellungsphase der Altersteilzeiterin eingestellt wurde. Dabei wird es als unschädlich angesehen, wenn z.B. durch Arbeitszeitguthaben oder wie im vorliegenden Fall durch noch einzubringenden Urlaub die Arbeitsphase des Altersteilzeiters früher endet und die Wiederbesetzung zu diesem Zeitpunkt vorgenommen wird (vgl. Rittweger a.a.O. Rdnr. 66). Dies wäre im Fall der Altersteilzeiterin P. nach den von der Klägerin mitgeteilten Daten der 01.10.2003 gewesen. Eine zeitlich frühere Einstellung zum 01.09.2003 könnte zwar zur Einarbeitung erforderlich sein. Im vorliegenden Fall kannte sich die Wiederbesetzerin an der im Zuge der Umsetzungskette freigewordenen Stelle jedoch bereits gut aus und die frühere Einstellung war aus anderen Gründen - Krankheitsausfall einer anderen Mitarbeiterin - erfolgt. Ob dies noch einen ausreichenden Zusammenhang darstellt, kann aus Sicht des Gerichtes dahingestellt bleiben, da jedenfalls für die übrige (fiktive) Teilzeitstelle die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Diese würde im Rahmen der Wiederbesetzungskette durch Aufstockung der Arbeitszeit der Beschäftigten K. wiederbesetzt. Diese Beschäftigte gehörte jedoch nicht dem in § 3 Abs. 1 Nr. 2 a ATG-1996 genannten Personenkreis an. Sie war nicht bei der Beklagten arbeitslos bzw. arbeitssuchend gemeldet gewesen. Eine solche Arbeitslosmeldung ist jedoch auch für Berufsrück- kehrer erforderlich (vgl. Rittweger a.a.O Rdnr. 75). Dem Gesetzgeber kam es nicht nur darauf an, dass im Zuge der Altersteilzeitregelungen kein Arbeitsplatzabbau erfolgte, sondern auch, dass bestimmten Personenkreisen diese Stellen zu Gute kommen. Dabei bestand ein Interesse insbesondere daran, Leistungsbezieher oder potentielle Leistungsbezieher aus der Arbeitslosenversicherung abzubauen, aber auch deutlich zu machen, dass durch dieses Instrument ein Rückgang der in der Arbeitslosenstatistik erfassten Personenzahl erfolgt ist. Dementsprechend sieht das Gericht keinen Ansatzpunkt dafür, auf das Merkmal der vorherigen Arbeitslosmeldung verzichten zu können.

Nachdem zwischen der Klägerin und der Beklagten vor der Antragstellung kein entsprechender Kontakt erfolgt war, sieht das Gericht auch keinen Ansatzpunkt für das Vorliegen eines Beratungsmangels, wonach die Beklagte die Klägerin darauf hätte hinweisen müssen, dass Leistungen nur in Betracht kämen, wenn sämtliche in die Wiederbesetzung unmittelbar involvierte Personen zuvor arbeitslos gemeldet waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, da im vorliegenden Fall § 197 a SGG nicht zur Anwendung kommt, weil die Klägerin als Antragstellerin des Förderantrags in diesem Verfahren potentielle Leistungsempfängerin im Sinne von § 183 SGG ist (vgl. BSG, Beschl. v. 22.09.04, B 11 AL 33/03 R).
Rechtskraft
Aus
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