S 4 AL 692/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 692/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte.

Der am 1961 geborene Kläger war von 1994 bis zum 07.10.2001 als Bürovorsteher in einer Rechtsanwaltskanzlei versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, zuletzt in einer Teilzeittätigkeit. Die Arbeitszeit konnte der Kläger dabei weitgehend frei gestalten und die Durchführung von umfangreichen Nebentätigkeiten war ihm gestattet. Dieses Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber wegen umstrukturierungsbedingtem Wegfall des Arbeitsplatzes gekündigt.

Am 11.10.2001 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte fertigte einen Aktenvermerk, aus dem sich ergab, dass der Kläger überwiegend vormittags beschäftigt gewesen sei, da er noch überwiegend eine selbständige Tätigkeit von 40 bis 50 Stunden wöchentlich ausübe. Er habe drei Firmen, in denen er auf Honorarbasis tätig werde, Software entwickele und Buchhaltungsvorgänge abwickele. Dem Kläger sei erklärt worden, dass wegen der umfangreichen selbständigen Tätigkeit Arbeitslosengeldzahlung nicht in Betracht komme. Er sei darauf hingewiesen worden, dass er bis zur rechtlichen Entscheidung als Arbeitsloser gewertet werde. In einer am 16.04.2004 eingegangenen Zweitschrift des Arbeitslosengeldantrages ist angegeben, dass die wöchentliche Arbeitszeit auf 35 Stunden beschränkt sei, die montags bis freitags in der Zeit von 0 Uhr bis 7.00 Uhr erbracht werden könnte.

Am 08.04.2002 und am 16.04.2002 wurde der Kläger durch die Beklagte zu Meldeterminen mit entsprechender Rechtsfolgenbelehrung vorgeladen. Eine gegen diese Meldeaufforderungen gerichtete Klage (S 7 AL 274/02) wurde durch Klagerücknahme beendet.

Mit einem offensichtlich auf dem 21.04.2004 datierten Bescheid lehnte die Beklagte den Antrag auf Arbeitslosengeld ab, da der Kläger eine mehr als kurzzeitige selbständige Tätigkeit ausübe. Mit weiterem Bescheid vom 23.04.2004 lehnte die Beklagte den Antrag erneut ab, da der Kläger der Arbeitsvermittlung wegen der Einschränkung auf ungewöhnliche Arbeitszeiten nicht zur Verfügung gestanden habe.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger mit Schreiben vom 21.05.2004 Widerspruch ein. Er argumentierte damit, dass ein grundsätzlich fehlender Leistungsanspruch bei vorher bestehender Versicherungspflicht als verfassungswidrig anzusehen sei. Ferner sei es ihm bei der Darstellung der Lage der Arbeitszeit nur darum gegangen, dass er eine entsprechend flexible Zeiteinteilung benötige, um nebenher seine selbständigen Tätigkeiten wie in den Vorjahren verrichten zu können. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2004, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger mit Telefax vom 20.10.2004 Klage zum Sozialgericht Würzburg.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 21.04.2004 sowie 23.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2004 verurteilt, dem Kläger ab 11.10.2001 Arbeitslosengeld zu gewähren.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen waren die Leistungsakten der Beklagten, die Sozialgerichtsakte S 7 AL 274/02 und die Arbeitsgerichtsakten 10 Ca 1642/01 und 10 Ca 1692/01. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Klage ist jedoch nicht begründet, da der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld hat.

Nach § 117 Abs. 1 des 3. Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) a.F. war für einen derartigen Anspruch Voraussetzung, dass ein Arbeitnehmer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Zwischen den Beteiligten ist in erster Linie strittig, ob beim Kläger seinerzeit Arbeitslosigkeit vorlag. Dies war in § 118 Abs. 1 SGB III a.F. dahingehend definiert, dass ein Arbeitnehmer arbeitslos ist, wenn er vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Das Merkmal der Beschäftigungssuche ist beim Kläger zu bejahen. Dagegen lag beim Kläger trotz des Verlustes seines bisherigen Arbeitsplatzes das Merkmal der Beschäftigungslosigkeit nicht vor. § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. legte fest, dass die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung Beschäftigungslosigkeit nicht ausschließe. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine Beschäftigung von 15 Stunden und mehr in der Woche Beschäftigungslosigkeit grundsätzlich ausschließt. Hierbei war nach § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. eine selbständige Tätigkeit einer Beschäftigung gleichgestellt. Der Umfang der selbständigen Tätigkeit des Klägers im Zeitraum nach der Antragstellung lag deutlich über dieser Zeitgrenze.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass er die selbständige Tätigkeit bereits neben seiner abhängigen Beschäftigung ausgeübt habe und somit nur eine Fortführung einer schon immer bestehenden selbständigen Tätigkeit vorliege, hat der Gesetzgeber in § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III a.F. eine Sonderregelung geschaffen, wonach die Ausübung einer derartigen selbständigen Tätigkeit von bis zu 18 Stunden wöchentlich Beschäftigungslosigkeit nicht ausschließe. Da der Umfang der selbständigen Tätigkeit des Klägers jedoch auch deutlich über 18 Stunden in der Woche lag, hat die Beklagte in Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften zutreffend das Vorliegen von Arbeitslosigkeit und damit das Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld verneint.

Das Gericht konnte sich auch nicht der Auffassung des Klägers anschließen, dass hier ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Grundgesetz (GG) vorliege. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass wegen der ausdrücklichen Regelung für die Fortführung einer selbständigen Tätigkeit, keine Regelungslücke verblieben ist, die das Gericht im Rahmen einer verfassungsmäßigen Auslegung hätte schließen können. Die gesetzliche Regelung differenziert auch zwischen diesen Sachverhalten und knüpft hierbei an diese unterschiedlichen Sachverhalte unterschiedliche Rechtsfolgen. Auch erscheint dem Gericht eine Anknüpfung an den zeitlichen Umfang der (Neben-)Beschäftigung als sachgerecht, wobei auch die Fernwirkung auf die Anrechnungsvorschriften des § 141 Abs. 3 SGB III a.F. mitzuberücksichtigen ist.

Soweit die Klägerseite damit argumentiert, dass der Kläger einerseits zu Pflichtbeiträgen verpflichtet worden sei und andererseits keine Chance gehabt habe, aus diesen Leistungen zu erlangen, so könnte dieses Argument eher dazu dienen, die Beitragspflicht anzuzweifeln, als eine über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehende Leistungspflicht für geboten anzusehen. Aus Sicht des Gerichtes liegt darin jedoch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung Selbständiger, da auch bei der Ausübung mehrerer versicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse von jeweils über 15 Stunden in der Woche der Wegfall einer Beschäftigung nicht zu Beschäftigungslosigkeit und damit nicht zu einem Leistungsanspruch führt. Der Kläger ist nach Auffassung des Gerichtes auch nicht grundsätzlich und in jedem Fall von der Gewährung von Leistungen ausgeschlossen. Er hätte aus seinen gezahlten Beiträgen nämlich dann einen Leistungsanspruch gehabt, wenn durch Hinzutreten weiterer Zustände im möglichen Leistungszeitraum die selbständige Tätigkeit weggefallen gewesen wäre oder zumindest unter die Zeitgrenze gelangt wäre. So hat bereits das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 28.10.1987 (Az.: 7 RAr 28/86) bezüglich der Vorgängerregelung deren Anwendbarkeit bestätigt.

Eine Ablehnung des Anspruches hätte dagegen aus Sicht des Gerichtes nicht auf fehlende Verfügbarkeit gestützt werden können. Zwar hat sich die Beklagte ausweislich der Akte aufgrund ihrer Kenntnisse des Arbeitsmarktes dahingehend geäußert, dass für den Kläger in der Zeit von 0.00 bis 7.00 Uhr keine adäquaten Arbeitsplätze vorhanden gewesen wären. Ob er auch zu anderen Zeiten zur Verfügung gestanden hätte und diese Nennung der Arbeitszeit nur beispielhaft für das Erfordernis einer flexiblen Arbeitszeit gedacht gewesen war, wäre unbeachtlicht, wenn die Beklagte - ohne dass es ihr vorwerfbar gewesen wäre - davon ausgegangen wäre, dass der Kläger nur in der Zeit von 0.00 bis 7.00 Uhr vermittelbar gewesen sei. Allerdings ergibt sich aufgrund der Aktenlage, dass die Beklagte in den Jahren 2001 und 2002 davon ausging, dass der Kläger für einen Arbeitsplatz ab 7.00 Uhr zur Verfügung stünde. Somit war der Kläger seinerzeit sowohl objektiv - wegen der Bereitschaft zu flexiblen Arbeitszeiten -, als auch aus Sicht der Beklagten - wegen der Nichtberücksichtigung der Einschränkung auf die Zeit von 0.00 bis 7.00 Uhr - verfügbar.

In der Zeit ab dem 08.04.2002 käme eine Leistungsverpflichtung der Beklagten im Übrigen wegen der Säumnis des Klägers an zwei aufeinanderfolgenden Meldeterminen und der daraus resultierenden Folgen einschließlich des Wegfalls der Arbeitslosmeldung ohnehin nicht mehr in Betracht, da sich der Kläger in der Folgezeit nicht erneut persönlich arbeitslos gemeldet hatte (§§ 145 Abs. 1 und 2 SGB III a.F.).

Auch wenn das Nebeneinander von zwei unterschiedlich begründeten Bescheiden zum selben Antragsgegenstand ungewöhnlich sein mag, so war aus Sicht des Gerichtes die Entscheidung der Beklagten, wie sie im Widerspruchsbescheid letztlich Gestalt gefunden hatte, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dementsprechend war die Klage abzuweisen.

Aus der Klageabweisung ergibt sich die Kostenfolge (§ 193 SGG).
Rechtskraft
Aus
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