S 9 AS 460/06.ER.Ko

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 460/06.ER.Ko
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Erinnerung der Klägerin vom 21.12.2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.12.2006 wird abgeholfen.
II. Die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen der Klägerin werden auf 600,88 Euro (in Worten: Sechshundert) festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei durchschnittlichem Umfang und durchschnittlicher Schwierigkeit die Verfahrensgebühr als Mittelgebühr anzusetzen ist.

Die Klägerbevollmächtigte hat die Klägerin in dem Antragsverfahren S 9 AS 460/06 ER vor dem Sozialgericht Würzburg vertreten. Dieses hat mit Beschluss vom 23.10.2006 der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und die Prozessbevollmächtigte beigeordnet.

Das mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 19.09.2006 eingeleitete Antragsverfahren wurde im Termin vom 23.10.2006 durch Rücknahme beendet.

Am 26.10.2006 hat die Klägerbevollmächtigte einen Kostenerstattungsantrag für Prozesskostenhilfe gestellt und unter anderem als Verfahrensgebühr für Verfahren vor dem Sozialgericht die Mittelgebühr nach § 49 Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 250,00 Euro geltend gemacht.

Am 14.12.2006 hat die Kostenbeamtin des Sozialgerichts Würzburg als Verfahrensgebühr einen Betrag von 125,00 Euro festgesetzt. Im Übrigen ist sie im Wesentlichen dem Antrag der Klägerbevollmächtigten gefolgt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass unter Berücksichtigung aller Umstände die Ansetzung einer Gebühr in Höhe von 125,00 Euro für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausreichend und angemessen sei. Der geringe Umfang des Verfahrens - im Vergleich zu Verfahren in der Hauptsache - sei bei der Bemessung der Gebühr gemäß § 14 RVG zu berücksichtigen.

Hiergegen hat die Klägerbevollmächtigte am 21.12.2006 Erinnerung eingelegt und im Hinblick auf die umfangreiche Antragsschrift (allein 22 Anlagen) und den darin erfolgten Berechnungen, die einen erheblichen Zeitaufwnad erforderten, die Ansetzung der Verfahrensgebühr als Mittelgebühr für angemessen erachtet.

Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und den Vorgang zur Entscheidung dem für die Kostenentscheidung zuständigen Kostenrichter vorgelegt (§ 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ).

II.

Die rechtzeitig eingelegte Erinnerung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.

Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Bei der Festsetzung der Rahmengebühr nach § 14 Abs. 1 RVG darf und muss der Rechtsanwalt im Rahmen der Ermessensausübung alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Um eine einigermaßen gleichmäßige Berechnungspraxis sicherzustellen, ist dabei grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen (LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.04.2006 - L B 4/05 KR SF).

Die Bestimmung der Gebühr durch die Klägerbevollmächtigte ist nicht unbillig im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. Das durch den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eingeleitete Verfahren löst unabhängig vom Verfahren der Hauptsache eigenständig einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch aus (BSG vom 06.09.1993 - 6 RKA 25/91). Das Sozialgericht Hildesheim hat am 15.11.2005 (S 12 SF 49/05) ausgeführt, dass sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine individuelle Einzelfallbetrachtung der gebührenrechtlichen Bestimmungsmerkmale vorzunehmen sei. Während dies im Hauptsacheverfahren in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle zu der Festsetzung der Mittelgebühr führe, fielen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren oftmals niedrigere Gebühren als im Hauptsacheverfahren an. Ein Gebührenansatz oberhalb der Drittelgebühr sei in der Regel unbillig.

Das LSG Mainz vertrat am 11.11.2004 - L 5 ER 75/04 KA die Auffassung, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel ein niedrigerer Streitwert festzusetzen sei als im Hauptsacheverfahren, da es dabei nur um eine vorläufige Regelung gehe. Grundsätzlich sei 1/4 des Streitwerts des Hauptsacheverfahrens angemessen.

Dieser Rechtsprechung, die von der Kostenbeamtin in ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss dem Grunde nach angewendet wurde, folgt die 2. Kammer nicht. Bei durchschnittlichem Umfang der Tätigkeit und durchschnittlicher Schwierigkeit ist auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Ansatz der "Mittelgebühr" nicht unbillig. Denn der Rechtsanwalt ist berechtigt, den vom Gesetzgeber vorgesehenen Gebührenrahmen entsprechend den Kriterien des § 14 RVG auszufüllen und die für den konkreten Einzelfall angemessene Gebühr zu bestimmen. Der Gesetzgeber geht in allen erstinstanzlichen Verfahren vor den Sozialgerichten von der Anwendbarkeit des Gebührenrahmens der Nr. 3102 VV RVG bzw. Nr. 3103 VV RVG aus. Der Gesetzgeber unterscheidet nicht zwischen Hauptsacheverfahren und Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz.

Dass bei der Festsetzung der Gebühr nicht zwischen Hauptsacheverfahren und Antragsverfahren zu unterscheiden ist, hat auch das Bayerische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 18.01.2007 - L 15 B 224/06 AS Ko - ausgeführt. Wenn ausschließlich die Einleitung eines Antragsverfahrens erforderlich geworden ist, ohne dass es zu einem (parallelen) Widerspruchs- oder gar Hauptverfahren gekommen ist, dann fällt nur die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG an, wobei ein Ansatz der "Mittelgebühr" von 250,00 Euro nicht unbillig im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist.

Zwar ist der o. g. Rechtsprechung des Sozialgerichts Hildesheim und des LSG Mainz darin zuzustimmen, dass im einstweiligen Rechtsschutzverfahren oftmals nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage stattfindet, was eine erheblich geringere Ermittlungstiefe zur Folge hat und nur eine vorläufige Regelung getroffen wird.

Nach einer Entscheidung des schleswig-holsteinischen Landessozialgerichts vom 12.09.2006, L 1 B 320/05 SF SK läuft das normale sozialgerichtliche Verfahren so ab, dass der Kläger durch seinen Anwalt eine Klageschrift einreicht und sich dann ein Schriftwechsel zwischen den Beteiligten entwickelt. Sehr häufig erfolgen gerichtliche Ermittlungen, zu denen die Beteiligten Stellung beziehen können.

In dem vorliegenden Verfahren ist ein Teil dieser Arbeit für die Klägerbevollmächtigte nicht angefallen. Im Hinblick auf den umfangreichen und mit vielen Details versehenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zuzüglich der Anlagen erscheint die Ansetzung der Mittelgebühr jedoch nicht unbillig. Es ergibt sich damit folgende Berechnung:

Verfahrensgebühr 250,00 Euro
Terminsgebühr 200,00 Euro
Auslagenpauschale 20,00 Euro
Fahrtkosten 48,00 Euro
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insgesamt 518,00 Euro
+ 16 % Mehrwertsteuer 82,88 Euro
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Gesamtbetrag 600,88 Euro

Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs.2 Sätze 2 und 3 RVG). Ein Rechtsmittel ist nicht zulässig (§ 197 Abs. 2 Halbsatz 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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