Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 76/03.Ko
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Erinnerung der Antragsgegnerin vom 17.07.2007 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.07.2007 wird abgeholfen.
II. Die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden auf 121,75 EUR (in Worten: Einhunderteinundzwanzig) festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob eine Verhandlungsgebühr sowie eine Beweisgebühr angefallen ist.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin (Ast - Klägerin) hat diese im Verfahren S 3 KR 76/03 vor dem Sozialgericht Würzburg vertreten. Im Gerichtsverfahren hat das Sozialgericht die Akten der Antragsgegnerin (Ag -Beklagten) einschließlich der Unterlagen des MDK beigezogen. Im Verfahren war streitig, ob die Ag verpflichtet ist, an die Ast 941,49 EUR nebst 10 % Zinsen hieraus seit dem 24.09.2002 sowie 6,- EUR vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen. Die erkennende Kammer hat am 27.01.2006 der Ag mitgeteilt, dass Dr. M. vom MDK H. aufgrund des ärztlichen Entlassungsberichts die Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten Dassau für den Zeitraum vom 15.04.2001 bis 02.05.2001 ausdrücklich bejaht habe. Das Gericht sehe deshalb keine Veranlassung ein medizinisches Gutachten einzuholen. Daraufhin hat die Ag die geltend gemachte Hauptforderung am 17.02.2006 anerkannt und sich auch bereit erklärt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Ast zu tragen (Schreiben vom 07.03.2006). Daraufhin hat die Ast am 27.03.2006 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und bis zum Abschluss der Angelegenheit die Zinsen fallen gelassen. Die Vorsitzende der 3. Kammer hat am 28.03.2006 den Streitwert auf 941,49 EUR festgesetzt.
Am 28.04.2003 hat der Bevollmächtigte der Ast u.a. folgende außergerichtliche Kosten gemäß §§ 116 Abs. 2, 31 BRAGO geltend gemacht:
10/10 Prozessgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO: 85,- EUR
10/10 Beweisgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO: 85,- EUR
5/10 Verhandlungsgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO: 52,50EUR
Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO: 20,- EUR
---
Zwischensumme 232,50EUR
+ 16 % MwSt gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO: 37,20EUR
---
Gesamtbetrag 269,70EUR
Die Ag beanstandete mit Schreiben vom 16.05.2006 die Kostennote. Sie machte insbesondere geltend, dass weder eine Beweisgebühr noch eine Verhandlungsgebühr angefallen sei.
Die Ast hat an der Kostennote vom 28.04.2003 festgehalten. Der zuständige Urkundsbeamte ist im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.07.2007 der Kostennote der Ast vom 28.04.2003 für das Sozialgerichtsverfahren 1. Instanz im Wesentlichen gefolgt. Er hat lediglich statt der beantragten Prozessgebühr von 85,- EUR eine Prozessgebühr in Höhe von 84,96 EUR (Differenz von 4 Cent) berechnet. Zur Verhandlungsgebühr hat er ausgeführt, dass aufgrund des klägerischen Verweisungsschriftsatzes vom 02.01.2003 an das zuständige Sozialgericht Würzburg ein Fall des § 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO vorliege, da es die Ast nicht zu einem Abweisungsantrag habe kommen lassen. Vielmehr sei umgehend Verweisung beantragt worden. Es liege somit eine unstreitige Verhandlung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO vor.
Zur Beweisgebühr hat der Urkundsbeamte ausgeführt, dass die Akten der Ag durch das Gericht beigezogen worden seien. Seines Erachtens reiche es aus, dass die Verwertung durch das Gericht statt Beweis bereits in einem früheren Stadium stattfinde. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn das Gericht dies im Rahmen seiner Hinweis- und Aufklärungspflicht zu erkennen gebe. Hier bleibe es dem Gericht unbenommen, Urkunden und andere Beweismittel nicht in seine Entscheidung, sondern im Rahmen der Beilegung des Rechtsstreits als Beweis zu verwerten. Das Gericht habe sich im Schreiben vom 27.01.2006 unter Hinweis auf das Gutachten des MDK H. um eine Beilegung des anhängigen Klageverfahrens bemüht. Demnach sei die Beweisgebühr angefallen.
Mit Schriftsatz vom 17.07.2007 legte die Ag gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung ein. Sie führte aus, dass gerade im hier streitigen Fall eine Verhandlungsgebühr nicht habe anfallen können. Es sei bereits so, dass das eingeleitete Mahnverfahren unzulässig gewesen sei. Im Übrigen sei auch keine Beweisgebühr entstanden. Selbstverständlich seien die Beklagtenakten durch das Gericht beigezogen worden. Dies sei bei Prozessen der vorliegenden Art regelmäßig der Fall. Nach der Auffassung des Urkundsbeamten fiele in jedem Fall eine Beweisgebühr an, weil die Akten der Parteien regelmäßig beigezogen würden. Das Gericht treffe im sozialgerichtlichen Verfahren eine Amtsermittlungspflicht, die es mit der Anforderung von Akten erfülle.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und den Vorgang zur Entscheidung dem für die Kostenentscheidung zuständigen Kostenrichter vorgelegt (§ 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die nach § 573 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), § 197 Abs. 2 SGG zulässige Erinnerung der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 02.07.2007 ist zulässig. Sie ist auch begründet. Die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin geltend gemachten Beweisgebühr und Verhandlungsgebühr sind nicht angefallen. Unstreitig sind die Gebührenvorschriften der bis 30.06.2004 geltenden BRAGO anzuwenden. 1.
Beweisaufnahme ist die Tätigkeit eines Gerichts innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die zum Ziel hat, beweisbedürftige (als des Beweises bedürftig angesehene) erhebliche Umstände, die in der Regel tatsächlicher Natur sind, mittels Beweismitteln zu klären (vgl. Gerold/Schmidt/von Eigen/Mattert, BRAGO 14. Auflage, § 31 Rdnr. 83). Aufgrund des im Verfahren des Sozialgerichts geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) muss sich eine Beweisaufnahme im Sozialgerichtsprozess nicht notwendig mit streitigen Tatsachen im Sinne der ZPO befassen. Im Sozialgerichtsprozess kommt es grundsätzlich darauf an, was das Gericht für erheblich oder für noch nicht geklärt hält; es muss ermittelt werden. Allerdings ist nicht jede Ermittlung von Amts wegen eine Beweisaufnahme.
Die Anhörung eines Beteiligten lässt eine Beweisgebühr daher nur dann entstehen, wenn das Gericht die Angaben nicht allein zur Erläuterung oder Ergänzung des bisherigen Sachvortrags oder zur Beseitigung von Lücken, Unklarheiten oder Widersprüchen des Vorbringens der Beteiligten entgegennimmt, sondern sich erst durch weitere Ermittlungen als solche von der Richtigkeit einer Behauptung überzeugen will. Die Einsichtnahme in die Beklagtenakten, die regelmäßig im sozialgerichtlichen Verfahren erfolgt, stellt deshalb keine eigenständige Beweiserhebung dar, die den Ansatz einer eigenen Beweisgebühr rechtfertigen würde, sondern ist lediglich Teil der Untersuchungsmaxime des § 103 SGG.
Vorliegend hat das Gericht keinen Beweisbeschluss erlassen, sondern sich lediglich durch die Einsichtnahme in die Beklagtenakte ein Bild vom bisherigen Sachstand gemacht.
Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Urkundsbeamten, wie sie in Gerold ... a.a.O. zu § 34 Rdnr. 17 festgehalten ist, dass es bereits als Beweiserhebung anzusehen ist, wenn das Gericht seine Überzeugung im Rahmen seiner Hinweis- und Aufklärungspflicht zu erkennen gibt, und hierdurch die Klage ihre Erledigung findet.
Die vom Urkundsbeamten vertretene Auffassung würde dazu führen, dass im sozialgerichtlichen Verfahren wegen der Amtsermittlungspflicht regelmäßig eine Beweisgebühr anfallen würde. Dies lässt sich nicht mit dem Sinn und Zweck der Gebühr vereinbaren, die den Mehraufwand "für das Mitwirken bei Beweisaufnahmen" honorieren soll, rechtfertigen. Die im vorliegenden Verfahren erforderliche Tätigkeit der Bevollmächtigten ist mit der Geschäftsgebühr des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO ("Betreiben des Geschäfts") abgegolten. Diese Auslegung ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 BRAGO, wonach der Rechtsanwalt die Beweisgebühr nicht erhält, wenn die Beweisaufnahme lediglich in der Vorlegung der in den Händen des Beweisführers oder des Gegners befindlichen Urkunde besteht.
2.
Nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO erhält der zum Prozessbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt eine volle Gebühr für die mündliche Verhandlung (Verhandlungsgebühr). Für eine nicht streitige Verhandlung erhält der Rechtsanwalt nur eine halbe Verhandlungsgebühr (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO). Wird in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden, so erhält der Rechtsanwalt die gleichen Gebühren wie in einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung (§ 35 BRAGO).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Voraussetzung für die Verhandlungsgebühr im Sinne der BRAGO ist grundsätzlich, dass die Beteiligten auch vor Gericht verhandeln. Verhandeln ist die Tätigkeit der Beteiligten, bei der sie vor dem Richter den Rechtsstreit mündlich von entgegengesetztem Standpunkt aus erörtern und jeder Beteiligte diejenigen tatsächlichem Umstände, rechtlichen Ausführungen und Anträge vorbringt, durch die er eine seinen Absichten entsprechende Entscheidung des Richters herbeiführen will. Die Verhandlungsgebühr ist dazu bestimmt, dass von dem allgemeinen Geschäftsbetrieb sich abhebendes besonderes Tätigwerden des Rechtsanwalts in der mündlichen Verhandlung abzugelten. Im vorliegenden Verfahren fand weder eine streitige noch eine nichtstreitige Verhandlung statt. Auch wurde der Rechtsstreit nicht durch eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren entschieden.
Die vom Urkundsbeamten für seine Entscheidung herangezogene Kommentarstelle Gerold ... a.a.O. § 31 Rdnr. 55 setzt eine mündliche Verhandlung voraus, die im vorliegenden Fall nicht stattgefunden hat.
Die außergerichtlichen Kosten berechnen sich daher wie folgt:
Prozessgebühr: 84,96 EUR
Auslagenpauschale: 20,- EUR
Zwischensumme: 104,96 EUR
16 % Mehrwertsteuer 16,79 EUR
---
Gesamtbetrag: 121,75 EUR.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 Gerichtskostengesetz - GKG). Die Entscheidung ist endgültig (§ 197 a SGG, § 66 Abs. 2 GKG), da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- EUR nicht übersteigt.
II. Die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden auf 121,75 EUR (in Worten: Einhunderteinundzwanzig) festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob eine Verhandlungsgebühr sowie eine Beweisgebühr angefallen ist.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin (Ast - Klägerin) hat diese im Verfahren S 3 KR 76/03 vor dem Sozialgericht Würzburg vertreten. Im Gerichtsverfahren hat das Sozialgericht die Akten der Antragsgegnerin (Ag -Beklagten) einschließlich der Unterlagen des MDK beigezogen. Im Verfahren war streitig, ob die Ag verpflichtet ist, an die Ast 941,49 EUR nebst 10 % Zinsen hieraus seit dem 24.09.2002 sowie 6,- EUR vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen. Die erkennende Kammer hat am 27.01.2006 der Ag mitgeteilt, dass Dr. M. vom MDK H. aufgrund des ärztlichen Entlassungsberichts die Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten Dassau für den Zeitraum vom 15.04.2001 bis 02.05.2001 ausdrücklich bejaht habe. Das Gericht sehe deshalb keine Veranlassung ein medizinisches Gutachten einzuholen. Daraufhin hat die Ag die geltend gemachte Hauptforderung am 17.02.2006 anerkannt und sich auch bereit erklärt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Ast zu tragen (Schreiben vom 07.03.2006). Daraufhin hat die Ast am 27.03.2006 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und bis zum Abschluss der Angelegenheit die Zinsen fallen gelassen. Die Vorsitzende der 3. Kammer hat am 28.03.2006 den Streitwert auf 941,49 EUR festgesetzt.
Am 28.04.2003 hat der Bevollmächtigte der Ast u.a. folgende außergerichtliche Kosten gemäß §§ 116 Abs. 2, 31 BRAGO geltend gemacht:
10/10 Prozessgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO: 85,- EUR
10/10 Beweisgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO: 85,- EUR
5/10 Verhandlungsgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO: 52,50EUR
Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO: 20,- EUR
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Zwischensumme 232,50EUR
+ 16 % MwSt gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO: 37,20EUR
---
Gesamtbetrag 269,70EUR
Die Ag beanstandete mit Schreiben vom 16.05.2006 die Kostennote. Sie machte insbesondere geltend, dass weder eine Beweisgebühr noch eine Verhandlungsgebühr angefallen sei.
Die Ast hat an der Kostennote vom 28.04.2003 festgehalten. Der zuständige Urkundsbeamte ist im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.07.2007 der Kostennote der Ast vom 28.04.2003 für das Sozialgerichtsverfahren 1. Instanz im Wesentlichen gefolgt. Er hat lediglich statt der beantragten Prozessgebühr von 85,- EUR eine Prozessgebühr in Höhe von 84,96 EUR (Differenz von 4 Cent) berechnet. Zur Verhandlungsgebühr hat er ausgeführt, dass aufgrund des klägerischen Verweisungsschriftsatzes vom 02.01.2003 an das zuständige Sozialgericht Würzburg ein Fall des § 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO vorliege, da es die Ast nicht zu einem Abweisungsantrag habe kommen lassen. Vielmehr sei umgehend Verweisung beantragt worden. Es liege somit eine unstreitige Verhandlung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO vor.
Zur Beweisgebühr hat der Urkundsbeamte ausgeführt, dass die Akten der Ag durch das Gericht beigezogen worden seien. Seines Erachtens reiche es aus, dass die Verwertung durch das Gericht statt Beweis bereits in einem früheren Stadium stattfinde. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn das Gericht dies im Rahmen seiner Hinweis- und Aufklärungspflicht zu erkennen gebe. Hier bleibe es dem Gericht unbenommen, Urkunden und andere Beweismittel nicht in seine Entscheidung, sondern im Rahmen der Beilegung des Rechtsstreits als Beweis zu verwerten. Das Gericht habe sich im Schreiben vom 27.01.2006 unter Hinweis auf das Gutachten des MDK H. um eine Beilegung des anhängigen Klageverfahrens bemüht. Demnach sei die Beweisgebühr angefallen.
Mit Schriftsatz vom 17.07.2007 legte die Ag gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung ein. Sie führte aus, dass gerade im hier streitigen Fall eine Verhandlungsgebühr nicht habe anfallen können. Es sei bereits so, dass das eingeleitete Mahnverfahren unzulässig gewesen sei. Im Übrigen sei auch keine Beweisgebühr entstanden. Selbstverständlich seien die Beklagtenakten durch das Gericht beigezogen worden. Dies sei bei Prozessen der vorliegenden Art regelmäßig der Fall. Nach der Auffassung des Urkundsbeamten fiele in jedem Fall eine Beweisgebühr an, weil die Akten der Parteien regelmäßig beigezogen würden. Das Gericht treffe im sozialgerichtlichen Verfahren eine Amtsermittlungspflicht, die es mit der Anforderung von Akten erfülle.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und den Vorgang zur Entscheidung dem für die Kostenentscheidung zuständigen Kostenrichter vorgelegt (§ 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die nach § 573 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), § 197 Abs. 2 SGG zulässige Erinnerung der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 02.07.2007 ist zulässig. Sie ist auch begründet. Die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin geltend gemachten Beweisgebühr und Verhandlungsgebühr sind nicht angefallen. Unstreitig sind die Gebührenvorschriften der bis 30.06.2004 geltenden BRAGO anzuwenden. 1.
Beweisaufnahme ist die Tätigkeit eines Gerichts innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die zum Ziel hat, beweisbedürftige (als des Beweises bedürftig angesehene) erhebliche Umstände, die in der Regel tatsächlicher Natur sind, mittels Beweismitteln zu klären (vgl. Gerold/Schmidt/von Eigen/Mattert, BRAGO 14. Auflage, § 31 Rdnr. 83). Aufgrund des im Verfahren des Sozialgerichts geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) muss sich eine Beweisaufnahme im Sozialgerichtsprozess nicht notwendig mit streitigen Tatsachen im Sinne der ZPO befassen. Im Sozialgerichtsprozess kommt es grundsätzlich darauf an, was das Gericht für erheblich oder für noch nicht geklärt hält; es muss ermittelt werden. Allerdings ist nicht jede Ermittlung von Amts wegen eine Beweisaufnahme.
Die Anhörung eines Beteiligten lässt eine Beweisgebühr daher nur dann entstehen, wenn das Gericht die Angaben nicht allein zur Erläuterung oder Ergänzung des bisherigen Sachvortrags oder zur Beseitigung von Lücken, Unklarheiten oder Widersprüchen des Vorbringens der Beteiligten entgegennimmt, sondern sich erst durch weitere Ermittlungen als solche von der Richtigkeit einer Behauptung überzeugen will. Die Einsichtnahme in die Beklagtenakten, die regelmäßig im sozialgerichtlichen Verfahren erfolgt, stellt deshalb keine eigenständige Beweiserhebung dar, die den Ansatz einer eigenen Beweisgebühr rechtfertigen würde, sondern ist lediglich Teil der Untersuchungsmaxime des § 103 SGG.
Vorliegend hat das Gericht keinen Beweisbeschluss erlassen, sondern sich lediglich durch die Einsichtnahme in die Beklagtenakte ein Bild vom bisherigen Sachstand gemacht.
Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Urkundsbeamten, wie sie in Gerold ... a.a.O. zu § 34 Rdnr. 17 festgehalten ist, dass es bereits als Beweiserhebung anzusehen ist, wenn das Gericht seine Überzeugung im Rahmen seiner Hinweis- und Aufklärungspflicht zu erkennen gibt, und hierdurch die Klage ihre Erledigung findet.
Die vom Urkundsbeamten vertretene Auffassung würde dazu führen, dass im sozialgerichtlichen Verfahren wegen der Amtsermittlungspflicht regelmäßig eine Beweisgebühr anfallen würde. Dies lässt sich nicht mit dem Sinn und Zweck der Gebühr vereinbaren, die den Mehraufwand "für das Mitwirken bei Beweisaufnahmen" honorieren soll, rechtfertigen. Die im vorliegenden Verfahren erforderliche Tätigkeit der Bevollmächtigten ist mit der Geschäftsgebühr des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO ("Betreiben des Geschäfts") abgegolten. Diese Auslegung ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 BRAGO, wonach der Rechtsanwalt die Beweisgebühr nicht erhält, wenn die Beweisaufnahme lediglich in der Vorlegung der in den Händen des Beweisführers oder des Gegners befindlichen Urkunde besteht.
2.
Nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO erhält der zum Prozessbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt eine volle Gebühr für die mündliche Verhandlung (Verhandlungsgebühr). Für eine nicht streitige Verhandlung erhält der Rechtsanwalt nur eine halbe Verhandlungsgebühr (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO). Wird in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden, so erhält der Rechtsanwalt die gleichen Gebühren wie in einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung (§ 35 BRAGO).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Voraussetzung für die Verhandlungsgebühr im Sinne der BRAGO ist grundsätzlich, dass die Beteiligten auch vor Gericht verhandeln. Verhandeln ist die Tätigkeit der Beteiligten, bei der sie vor dem Richter den Rechtsstreit mündlich von entgegengesetztem Standpunkt aus erörtern und jeder Beteiligte diejenigen tatsächlichem Umstände, rechtlichen Ausführungen und Anträge vorbringt, durch die er eine seinen Absichten entsprechende Entscheidung des Richters herbeiführen will. Die Verhandlungsgebühr ist dazu bestimmt, dass von dem allgemeinen Geschäftsbetrieb sich abhebendes besonderes Tätigwerden des Rechtsanwalts in der mündlichen Verhandlung abzugelten. Im vorliegenden Verfahren fand weder eine streitige noch eine nichtstreitige Verhandlung statt. Auch wurde der Rechtsstreit nicht durch eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren entschieden.
Die vom Urkundsbeamten für seine Entscheidung herangezogene Kommentarstelle Gerold ... a.a.O. § 31 Rdnr. 55 setzt eine mündliche Verhandlung voraus, die im vorliegenden Fall nicht stattgefunden hat.
Die außergerichtlichen Kosten berechnen sich daher wie folgt:
Prozessgebühr: 84,96 EUR
Auslagenpauschale: 20,- EUR
Zwischensumme: 104,96 EUR
16 % Mehrwertsteuer 16,79 EUR
---
Gesamtbetrag: 121,75 EUR.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 Gerichtskostengesetz - GKG). Die Entscheidung ist endgültig (§ 197 a SGG, § 66 Abs. 2 GKG), da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- EUR nicht übersteigt.
Rechtskraft
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