L 6 B 140/04 SB-PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 5 SB 33/04
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 B 140/04 SB-PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.) Der im PKH-Antrag angegebene eigene Beitrag zur Gesamtmiete (Kaltmiete) bildet die Obergrenze des hierfür berücksichtigungsfähigen Betrages. 2.) Ein Mehrbedarfszuschlag für Verpflegungsmehraufwand bei der Erforderlichkeit einer speziellen Diät errechnet sich grundsätzlich nach den im Lande geltenden Sozialhilferichtlinien. Ergänzend die "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge herangezogen werden. 3.) Die kosten für die Anschaffung und Haltung eines Kraftfahrzeuges sind dann im Rahmen der Prozesskostenhilfe als einkommenswirkend zu berücksichtigen, wenn auch sozialhilferechtlich die Notwendigkeit eines Kraftfahrzeuges bejaht werden muss.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 07.07.2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Im Hauptsacheverfahren ist der Grad der Behinderung streitig. Gleichzeitig mit der Klage beantragte die Klägerin Prozesskostenhilfe. In der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gab die Klägerin unter anderem an, dass die Miete monatlich 500 EUR betrage, zusammen mit Nebenkosten seien 700 EUR zu leisten. Sie zahle auf diese Summe den Betrag von 300 EUR, ihr Ehegatte den Betrag von 400 EUR. Ihre eigene Altersrente gab sie mit 892 EUR, die des Ehegatten mit 966,32 EUR an. Auf Grund des vorgelegten Rentenbescheides setzte das Sozialgericht eine (Netto-) Rente von 837,97 EUR an und ermittelte abzüglich des Unterhaltsfreibetrages von 364 EUR, den Mietkosten in Höhe von 250 EUR sowie von Versicherungskosten in Höhe von 20,10 EUR und Bausparbeiträgen in Höhe von 10,00 EUR sowie eines "ernährungsbedingten Mehrbedarfs" in Höhe von 100 EUR (ein ärztliches Attest hatte eine "Hyperlipoproteinämie mit Steatosis hepatis" bescheinigt) ein einsetzbares Einkommen von 93 EUR und setzte die Raten auf 30 EUR fest (Beschluss vom 27.04.2004).

Auf die Beschwerde der Klägerin, mit welcher vor allem vorgebracht wurde, es sei zu Unrecht lediglich die Kaltmiete in Abzug gebracht worden und außerdem seien die KFZ-Versicherungskosten noch in Abzug zu bringen, half das Sozialgericht mit Beschluss vom 07.07.2004 der Beschwerde insoweit teilweise ab, als die Monatsraten auf 15 EUR festgesetzt wurden.

Das Sozialgericht hatte nach umfangreichen Ermittlungen und der Vorlage diverser Belege anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 312,43 EUR ermittelt. Hierbei waren die monatlichen Kosten für Festbrennstoff (Holz) mit 55,01 EUR, die Grundsteuer mit 0,29625 EUR, die Schornsteinfegerkosten mit 2,4354 EUR und die Abfallentsorgungsgebühren mit 1,4233 EUR monatlich in Ansatz gebracht worden, wobei davon ausgegangen worden war, dass von den nachgewiesenen Kosten jeweils die Hälfte auf die Klägerin entfalle. Die Klägerin hat daraufhin die Beschwerde nicht für erledigt erklärt.

Der Bezirksrevisor beim Sächsischen Landessozialgericht hat im Gegensatz zum Sozialgericht die Versicherungskosten nicht mit 20,10 EUR monatlich, sondern mit 26,16 EUR monatlich angesetzt, wobei diese Differenz darauf beruht, dass - vermutlich versehentlich - die Kosten für die Rechtsschutzversicherung nicht geteilt wurden, sondern voll umfänglich als Ausgaben der Klägerin angesehen wurden. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass der Senat zu prüfen habe, ob die Rechtsschutzversicherung nicht vielleicht doch - entgegen den Angaben der Klägerin in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - für den vorliegenden Rechtsstreit einstandspflichtig sei. Außerdem ermittelte der Bezirksrevisor im Gegensatz zum Sozialgericht Kosten für das Brennholz in Höhe von monatlich nur 50,00 (statt 55,01) EUR. Den Hauptunterschied in dieser Berechnung macht jedoch die Ermittlung der Mietkosten aus. Nach Auffassung des Bezirksrevisors ist eine Kaltmiete von 500 EUR bei einer Wohnungsgröße von 68 Quadratmetern (7,35 EUR pro Quadratmeter) überhöht. Die Mietzahlung sei damit nicht mehr angemessen. Es müsse eine Kaltmiete von 5 EUR je Quadratmeter angenommen werden. Bei einer so erreichneten Kaltmiete von 340 EUR ergebe sich für die Klägerin ein Beitrag von 170 EUR, der sich unter Berücksichtigung der laut Mietvertrag in der Gesamtkaltmiete von 500 EUR enthaltenen 71,79 EUR für Gebäudeversicherung noch einmal um (71,79:24=) 2,99 EUR erhöhte. Somit ergibt sich aus Sicht des Bezirksrevisors ein einsetzbares Einkommen von 202,99 EUR, welches eine Ratenzahlung von 75 EUR monatlich als zutreffend erscheinen lasse.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Geht man bei den verschiedenen in diesem Verfahren angestellten Berechnungen jeweils von dem für die Klägerin günstigerem Ansatz aus, so liegt das einzusetzende Einkommen gleichwohl nicht unter der Grenze von 15 EUR, so dass also eine ratenfreie Bewilligung nicht in Betracht kommt. Die Klägerin, Sozialgericht und Bezirksrevisor stimmen darin überein, dass der aktualisierte Rentenbetrag von 830,28 EUR zu Grunde zu legen und hiervon der Unterhaltsfreibetrag in Höhe von 364 EUR sowie für den Bausparvertrag 10 EUR abzuziehen sind. In dem Abhilfebeschluss hatte das Sozialgericht Mietkosten in Höhe von 312,43 EUR (Warmmiete einschließlich Nebenkosten) angesetzt. Die Obergrenze des berücksichtigungsfähigen Betrages bildet jedoch der Betrag, der von der Klägerin in ihrem Antrag als eigener Beitrag angegeben wurde: dies sind 300 EUR. Geht man weiterhin davon aus, dass tatsächlich, wie vom Bezirksrevisor angenommen, die Rechtsschutzversicherung als eigene Ausgabe der Klägerin anzusehen ist (Versicherungskosten also 26,16 statt 20,10 EUR) und bewilligt man außerdem den vom Sozialgericht pauschal angenommenen ernährungsbedingten Mehraufwand von 100 EUR, so ergibt sich gleichwohl ein einzusetzendes Einkommen von 30 EUR, welches nach der Tabelle zu § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO Monatsraten in Höhe von 15 EUR rechtfertigt.

Es muss jedoch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass ein pauschaler ernährungsbedingter Mehrbetrag wegen erhöhter Blutfettwerte bei Fettleber kaum zu rechtfertigen ist.

Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit bei der Erforderlichkeit einer Zuckerdiät solche Pauschalen angenommen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 05.07.1988 - 1 WF 73/88 -: 100 DM). Inzwischen dürften aber am ehesten die Sächsischen Sozialhilferichtlinien ein Anhaltspunkt dafür sein, welche Beträge nach § 23 Abs. 4 BSHG bzw. 30 Abs. 5 SGB XII für den krankheits- bzw. ernährungsbedingten Mehrbedarf anzusetzen sind. So sehen die Sozialhilferichtlinien bei Hyperlipidämie einen Mehrbedarf von 35,79 EUR vor. Im Übrigen können auch bei der Entscheidung über den Mehrbedarfszuschlag die "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge herangezogen werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 13.10.2003 - 12 LA 385/03 -).

Gemäß § 115 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG sind vom Einkommen Beiträge zu privaten Versicherungen abzusetzen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben sind. Unbeschadet dieser Formulierung gilt allerdings auch hier der Grundsatz, dass nur Ausgaben für sozialhilferechtlich notwendige Versicherungen berücksichtigt werden können (vgl. Schellhorn BSHG § 76 Rd.-Nr. 37). Haftpflichtversicherungsbeiträge für Kraftfahrzeuge können daher nur dann abgesetzt werden, wenn die Haltung des Fahrzeugs zum Beispiel für Fahrten zur Arbeitsstätte notwendig ist (vgl. OVG Lüneburg, FEVS 42, 104). Nur wenn das Kraftfahrzeug zu sozialhilferechtlich relevanten Zwecken benötigt wird, können die damit in Zusammenhang stehenden Kosten auch im Rahmen der Prozesskostenhilfe einkommensmindernd berücksichtigt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 05.06.2003 - L 6 B 80/03 KN-PKH). Die Schwelle zum sozialhilferechtlich nicht Notwendigen ist nicht erst dann überschritten, wenn das Halten des Kraftfahrzeuges sozialhilferechtlich als unwirtschaftliches Verhalten im Sinne des § 25 Abs. 2 Nr. 2 BSHG angesehen werden muss. Sozialhilferechtlich gibt es auf der einen Seite den Extremfall, dass eine Obliegenheit bestünde, das Fahrzeug stillzulegen; der andere Extremfall ist der, dass die Sozialhilfebehörde verpflichtet wäre, dem Hilfesuchenden ein Fahrzeug zur Verfügung zu stellen. Nur in dem letzteren Fall können die anfallenden Kosten auch im Rahmen der Prozesskostenhilfe geltend gemacht werden. In der - hier gegebenen - "weder/noch - Konstellation" wird davon ausgegangen, dass die Fahrzeughaltungskosten vom eigenen Unterhaltsbetrag mit abgedeckt sind. Sozialhilferechtlich kann die Beschaffung eines Kraftfahrzeuges vor allen Dingen in Betracht kommen, wenn dies zur Erreichung der Arbeitsstätte notwendig ist (§ 30 BSHG bzw. § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG i.V.m. § 8 EinglHVO). Für Pflegebedürftige kann ein Kraftfahrzeug im Rahmen der Hilfe zur Pflege als atypisches Hilfsmittel im Sinne des § 68 BSHG nur in besonderen Ausnahmefällen gewährt werden (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.10.1977 - V C15/77 - ZfSH 1978, 220). Entsprechendes gilt auch für die Übernahme der Anschaffungskosten für ein Kraftfahrzeug der Pflegeperson (BVerwG, a.a.O.). Eine hausärztliche Bescheinigung des Inhaltes, dass die Klägerin auf Grund zum Teil körperbehindernder chronischer Erkrankungen auf das ständige Vorhandensein eines Privat-PKW zur regelmäßigen und kurzfristigen Inanspruchnahme der Einrichtungen des Gesundheitswesens angewiesen ist, kann daher die sozialhilferechtliche Notwendigkeit eines Kraftfahrzeuges nicht begründen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Ansicht des Bezirksrevisors, es müsste eine fiktive marktübliche Miete angesetzt werden, nicht gefolgt wird. Nicht absetzbar sind die Mietkosten ausnahmsweise dann, soweit sie in auffallendem Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen des Antragsstellers stehen. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie, gemessen an seinem gesamten Lebenszuschnitt, ohne verständlichen Grund außerordentlich überhöht sind (Thomas-Putzo-Reinhold, § 115 ZPO Rd.-Nr. 12 m.w.N.). Eine solche Situation ist ersichtlich nicht gegeben, wenn ein Ehepaar in einer Wohnung von 68 Quadratmetern wohnt. Der Umstand, dass der Vermieter der Sohn der Klägerin ist, eröffnet nicht die Möglichkeit einer Fiktivberechnung. Eine dem § 134 Abs. 2 Ziff. 1 SGB III entsprechende Vorschrift ist im Recht der Prozesskostenhilfe nicht vorgesehen. Allenfalls im Falle - nachgewiesenen - kollusiven Zusammenwirkens - wäre daran zu denken, denjenigen Teil der Mietzahlungen, die fälschlich als Mietzahlung deklariert wurden, in Wahrheit jedoch einem anderen Zweck dienen oder überhaupt nicht geleistet werden, in Abzug zu bringen.

Die in den PKH-Akten befindliche Quittung über "435 EUR für 3mal 7000 Quadratmeter Wiese mähen und Gras abtransportieren" ist, wie es offenbar auch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin sieht, prozesskostenhilferechtlich ohne Belang.

Auf Grund des auch im PKH-Beschwerdeverfahrens geltenden Verbots der Reformatio in peius (vgl. Senat, Beschluss vom 05.06.2003, L 6 B 80/03 KN-PKH, Thüringer LSG SGb. 2003, 578) kann es dahinstehen, ob bei korrekter Berechnung höhere Ratenzahlungen zu erbringen wären; fest steht jedenfalls, dass die von der Beschwerdeführerin beabsichtigte ratenfreie Bewilligung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt denkbar ist.

Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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