L 3 AL 226/04 NZB

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 21 AL 2075/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 226/04 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27.07.2004 (Az.: S 21 AL 2075/03) wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27. Juli 2004 (Az.: S 21 AL 2075/03). In der Hauptsache stritten die Beteiligten um die Höhe einer Erstattungsforderung über aus Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds gewährtes Unterhaltsgeld (ESF-Uhg).

Dem am 18. August 1953 geborenen Beschwerdeführer (Bf.) war von der Beschwerdegeg-nerin (Bg.) für die Dauer seiner Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme (Maßnahmeziel: Außendienstmitarbeiter) mit einer vorgesehenen Dauer vom 8. Februar 2001 bis zum 7. Februar 2002 ESF-Uhg in Höhe von monatlich 1.110,00 DM bewilligt worden. Die erste Zahlung für Februar 2001 sollte in Höhe von 21/30 dieses Monatsbetrages (777,00 DM) und die letzte Zahlung für Februar 2002 in Höhe von 7/30 dieses Monatsbe-trages (259,00 DM) erfolgen. Fahrtkosten wurden für den gesamten Zeitraum in Höhe von 1.260,84 DM bewilligt. Diese wurden in monatlichen Raten im Voraus in Höhe von 105,07 DM gezahlt.

Nach der Bescheinigung des Maßnahmeträgers vom 9. Juli 2001 hatte der Bf. zuletzt am 06. Juli 2001 an der Maßnahme teilgenommen. Am 9. Juli 2001 nahm er eine versiche-rungspflichtige Beschäftigung auf.

Mit dem streitigen Bescheid vom 11. März 2002 hob die Bg die Entscheidung über die Bewilligung von ESF-Uhg und Fahrtkosten ab 7. Juli 2001 ganz auf. Für die von der Auf-hebung betroffene Zeit vom 7. Juli 2001 bis 31. Juli 2001 habe der Bf. 888,00 DM = 454,02 EUR ESF-Uhg zu Unrecht erhalten. Dieser Betrag sei ? ebenso wie Fahr-geld in Höhe von 98,42 DM = 50,32 EUR - gemäß § 50 SGB X zu erstatten.

Den hiergegen vom Bf. mit der Begründung eingelegten Widerspruch, der Rückzahlungs-betrag sei zu hoch, denn für drei Wochen müsse er mehr zurückzahlen, als er erhalten habe, wies die Bg. mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2003 zurück. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit ab dem 7. Juli 2001 sei zu Recht erfolgt, denn der Bf. habe ab dem 7. Juli 2001 nicht mehr an der Maßnahme teilgenom-men. Für Juli 2001 sei ihm ESF-Uhg in Höhe von 1.110,00 DM gezahlt worden. Da ihm in diesem Monat jedoch nur für sechs Tage Anspruch auf diese Leistung zugestanden habe, sei der Monatsbetrag durch 30 zu dividieren und mit 6 zu multiplizieren gewesen. Der den so ermittelten zustehenden Betrag von 222,00 DM übersteigende Zahlbetrag (888,00 DM) sei zu erstatten. Fahrtkosten hätten im Zeitraum von 8. Februar 2001 bis 6. Juli 2001 für hundert Unterrichtstage zugestanden. Bei 14 Kilometer Fahrstrecke und einer Kilometer-pauschale von 0,38 DM errechneten sich 532,00 DM Fahrtkosten. Gezahlt worden seien aber sechs Monatsraten á 105,07 DM, mithin 630,42 DM. Der überschießende Betrag von 98,42 DM = 50,32 EUR sei zu erstatten.

Auf einem am 16. Juni 2003 bei der Bg. eingegangenen Schreiben mit dem Betreff "Mit-teilung zum Widerspruchsbescheid vom 02.06.03" führte der Bf. aus, er habe Fahrtkosten-anspruch für 101 Tage (537,32 DM) und einen Anspruch auf ESF-Uhg von insgesamt 5.550,00 DM. Er könne die von der Bg. gemachte Rechenoperation nicht nachvollziehen. Die Bg. könne nach seiner Berechnung lediglich 870,10 DM = 444,88 EUR zurückfordern. Er bitte, ihm zu ermöglichen, diesen Betrag ab Juli 2003 in vier Raten á 111,22 EUR zurückzu-zahlen. Mit Schreiben vom 20. Juni 2003 verwies die Bg. den Bf. für den Fall, dass er Einwen-dungen gegen den Widerspruchsbescheid habe, auf die Klagemöglichkeit entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung. Über den Antrag auf Ratenzahlung werde das zuständige Team entscheiden.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2003 wandte sich der Bf. erneut an die Bg. und erklärte, ein falscher Rückforderungsbescheid werde nicht richtiger, wenn er "durch wer weiß wie viele mögliche Instanzen gejagt" werde.

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2003 wandte sich der Bf. mit einer Dienstaufsichtsbe-schwerde erneut an die Bg. mit dem Ziel der Abänderung der bisherigen Berechnung.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2003 teilte das Arbeitsamt Dresden dem Bf. mit, die Rück-forderung sei auf Grund des Widerspruchs abschließend mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2003 überprüft worden. Ihm sei mit der Rechtsbehelfsbelehrung sowie in weiteren Schreiben mitgeteilt worden, dass er die Möglichkeit habe, hiergegen Klage vor dem Sozi-algerichts erheben. Eine nochmalige Überprüfung werde daher nicht mehr vorgenommen.

Am 27. November 2003 hat der Bf. beim Sozialgerichts Dresden (SG) "Klage wegen un- korrekter Rückforderung von Unterhaltsgeld ..." erhoben und mitgeteilt, er werde den sachlich und rechnerisch nachvollziehbaren Rückforderungsbetrag von 444,88 EUR an das Arbeitsamt Dresden überweisen. Nach Hinweis des SG auf die aus seiner Sicht verspätete Klageerhebung teilte der Bf. mit, er habe mit Schreiben vom 11. Juni 2003 Widerspruch zum Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2003 eingelegt. Er sei davon ausgegangen, dass der Widerspruchsbescheid erneut geprüft werde. Die Bg. habe dieses Schreiben als Klage ansehen und weiterleiten müssen. Mit Gerichtsbescheid vom 28. April 2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Diese sei we-gen Verfristung unzulässig. Ein Anfechtungswille im Sinne einer Klage sei dem Schreiben vom 11. Juni 2003 nicht zu entnehmen. Die Bg. habe auch mit Schreiben vom 20. Juni 2003 ausdrücklich auf die Klageerhebung hingewiesen. Unter Berücksichtigung der Dreitagesfiktion des § 37 Abs. 2 SGB X habe der Bf. auch ab dem 23. Juni 2003 noch rechtzeitig Klage erheben können. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Ver-säumung der Klagefrist sei nicht zu gewähren. Nachdem der Bf. Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hatte, hat das SG die Klage mit Urteil vom 27. Juli 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Begründung des Gerichtsbescheides Bezug genommen. Dem Urteil war die Rechtsmittelbelehrung beige-geben, die Nichtzulassung der Berufung könne durch Beschwerde angefochten werden.

Gegen das ihm am 20. August 2004 zugestellte Urteil hat der Bf. wegen der nicht zugelas-senen Berufung die am 15. September 2004 beim Sächsischen Landessozialgericht einge-gangene Beschwerde erhoben. Der Rückforderungsbetrag sei unkorrekt. Der im Urteil beschriebene Tatbestand der Auf-hebung und Erstattung entspreche nicht der Sachlage. Durch das Urteil werde er rechne-risch benachteiligt.

Er beantragt sinngemäß,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27. Juli 2004 (Az.: S 21 AL 2075/03) zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor. Auch sei vom Bf. auf keinen der in § 144 Abs. 2 SGG formulieren Zulassungsgründe hingewie-sen worden. Ein solcher Zulassungsgrund sei auch nicht ersichtlich.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft; sie ist auch fristgerecht erhoben (§ 145 des Sozialgerichtsge-setzes (SGG)).

Sie ist aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Berufung nicht zugelassen.

1. Die Berufung bedurfte der ausdrücklichen Zulassung. Denn sie bedarf der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleis-tung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betraf, 500,00 EUR nicht übersteigt, § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 SGG; dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufen-de Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Die Klage betraf nur die Differenz zwischen der von der Bg. erhobenen Erstattungsforderung in Höhe von ins-gesamt 504,34 EUR und dem von dem Bf. als zutreffend angesehenen Betrag von 444,88 EUR. Der Wert der Beschwer beträgt damit 59,46 EUR.

2. Das Sozialgericht hat die Berufung weder ausdrücklich noch konkludent zugelassen.

3. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfah-rensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann, § 144 Abs. 2 SGG. Keiner der Zulassungsgründe liegt vor.

a) Es liegt keine Abweichung zur Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts vor. Denn das Sozialgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die erst am 27. November 2003 erhobene Klage verfristet gewesen sei. Wie-dereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG sei nicht zu gewähren gewesen. Ein Urteil des Bundessozialgerichts oder des Sächsischen Landessozialgerichts, aus dem sich für einen Sachverhalt wie dem vorliegenden zwingend die Gewährung von Wiedereinset-zung in den vorigen Stand ergibt, ist weder ersichtlich noch benannt. Im Übrigen würde ein Fehler bei der konkreten Rechtsanwendung keine Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Ziff. 2 SGG begründen, weil das Gericht von der höhergerichtlichen Rechtsprechung eben nicht abweicht, sondern dessen Grundsätze allenfalls falsch anwendet. Soweit das SG die Auffassung vertreten hat, das Schreiben des Bf. vom 11. Juni 2003 habe keinen Klagewil-len erkennen lassen, ist dies eine tatrichterlich vertretbare Auffassung. Insoweit liegt auch keine Divergenz zu dem Urteil des BSG vom 31. Januar 1974 – SozR 1500 § 92 SGG Nr. 1 – vor. Im Gegensatz zu dem dort entschiedenen Sachverhalt hatte die Bg. hier gerade auf die Klagemöglichkeit hingewiesen. Auch zur Entscheidung des BSG vom 28. Oktober 1975 – SozR 1500 § 92 SGG Nr. 2 – besteht keine Divergenz. Ob eine Klage erhoben wer-den soll, ist durch Auslegung des entsprechenden Schriftstückes zu ermitteln (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. Rdnr. 4 zu § 90). Die Ausführungen des Bf. in dem genannten Schreiben und dem weiteren Schreiben vom 21.07.2003 enthielten keinen Hinweis darauf, dass der Bf. die Überprüfung des Widerspruchsbescheides durch eine weisungsfreie Stelle begehrt hätte. Hieraus ergibt sich zwangsläufig die Rechtsfolge, dass dieses Schreiben nicht gemäß § 91 Abs. 2 SGG als Klageschrift an das SG abzugeben war. b) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dafür müsste die entscheidungser-hebliche Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben und nicht schon durch Rechtsprechung geklärt sein (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 144, Rz. 28). Sowohl die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Tatfrage der Berechnung einer Erstattungsforderung als auch die in dem Urteil entschiedene Tatfrage der Auslegung eines Schreibens als Klageschrift haben keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

Die Streitsache wirft keine bisher nicht geklärte Rechtsfrage auf, deren Klärung im allge-meinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse allein genügt nicht (Zeihe, SGG-Kommentar, § 144 Rz. 46). Die Rechtsfrage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausreichend durch die Rechtsprechung aller Gerichtsbarkeiten geklärt; angesichts der Besonderheiten des Einzelfalles ist auch keine grundsätzliche Klärung jenseits dieses Einzelfalles zu er-warten.

c) Einen Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Ziff. 3 SGG hat der Bf. nicht gerügt. Ein solcher ist auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG; der Beschluss ist gemäß § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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