Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 18 AS 49/06 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 64/06 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 10. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg.), ihm darle-hensweise die Reisekosten für den Besuch des erkrankten Vaters in Russland zu gewähren.
Der 1969 in Russland geborene Bf. besitzt in Deutschland eine bis 07.06.2007 befristete Aufenthaltserlaubnis und ist erwerbsfähig. Bis 31.12.2004 bezog er Sozialhilfe, seine Ehe-frau E ... G ... (E.G.) Arbeitslosenhilfe (Alhi). Seit 01.01.2005 gewährt die Bg. dem Bf. und E.G. Leistungen zur Sicherung des Lebens-unterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 18.11.2005 bewilligte die Bg. der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.11.2005 bis 31.03.2006 Leistungen in Höhe von insgesamt 1.065,24 EUR monatlich.
Am 10.01.2006 beantragte der Bf. bei der Bg. eine einmalige Leistung in Höhe von 457,80 EUR. Sein Vater, H ... A ... L ..., sei seit langem ernst erkrankt. Ein Bekannter habe ihm am 08.01.2006 telefonisch mitgeteilt, dass sein Vater nicht mehr aufstehen könne. Aus diesem Grund habe er vor, nach Russland (Siedlung T ..., 3.500 km von Deutschland entfernt) zu reisen. Er beabsichtige am 28.01.2006 mit dem Zug zu reisen. Die Reisekosten setzten sich wie folgt zusammen: 348,80 EUR Preis für die Fahrkarte (hin und zurück) 40,00 EUR Visum 69,00 EUR Reisepass Dem Antrag fügte er Kopien einer ärztlichen Bescheinigung, wonach A ... L ... H ..., geboren 1937, an diszirkular Enzefolopia (wohl Enzephalopathie) II. – III. Grades, einer Atherosklerose der Arterien des Gehirns und einer Stenokardie Grad II – III leidet, sowie der Reiseauskunft der Bahn vom 05.01.2006 bei. E.G. stellte ebenfalls einen Antrag auf Übernahme der Reisekosten in gleicher Höhe.
Am 11.01.2006 hat der Bf. beim Sozialgericht Leipzig (SG) Antrag auf Erlass einer einst-weiligen Anordnung gestellt und beantragt, die Bg. im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, die Kosten für die Reise nach Russland i. H. v. 457,80 EUR darle-hensweise zu übernehmen. Sein Vater habe wegen der Schwere der Erkrankung möglicherweise nicht mehr lange zu leben. Er habe beschlossen, am 28.01.2006 mit dem Zug nach Russland zu fahren, um sei-nen Vater vielleicht zum letzten Mal lebend zu sehen. Die Bg. sei entsprechend den zum Bundessozialhilfegesetz entwickelten Grundsätzen zur Übernahme von Fahrtkosten aus besonderen Anlässen, wozu neben Hochzeiten, Taufen, Konfirmationen insbesondere auch ernste Erkrankungen von Verwandten 1. Grades zählen, verpflichtet. Ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache sei wegen der schweren Erkrankung nicht zumutbar.
Mit Bescheid vom 11.01.2006 lehnte die Bg. den Antrag des Bf. auf einmalige Leistungen ab, da diese im SGB II nicht vorgesehen seien und sie für Bewilligungen nach dem Zwölf-ten Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) nicht zuständig sei.
Dagegen legte der Bf. am 27.01.2006 Widerspruch ein. Nach der Rechtsprechung zum Bundessozialhilfegesetz sei anerkannt, dass Kosten im Zu-sammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts zum notwendigen Lebensunterhalt gehörten, so dass diese auch nach dem SGB II zu erbringen seien. Ein Anspruch gemäß § 73 SGB XII bestehe wegen des grundsätzlichen Ausschlusses von Leistungen nach dem SGB XII gemäß § 5 SGB II nicht.
Mit Beschluss vom 10. Februar 2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Nach summarischer Prüfung bestehe kein Anordnungsanspruch. Als mögliche Anspruchs-grundlage für die begehrte Leistung komme allein § 23 Abs. 1 SGB II in Betracht. Der Besuch des in ca. 3.500 km Entfernung lebenden, erkrankten Vaters sei jedoch einem der Bedarfstatbestände des notwendigen Lebensunterhaltes im Sinne des § 20 Abs. 1 SGB II nicht mehr zuzuordnen. Auch lägen die Voraussetzungen für eine abweichende Leistungs-erbringung gemäß § 23 Abs. 2 SGB II nicht vor. Die Neukonzeption des SGB II führe da-zu, dass die Kosten für Bedarfe, die früher als einmalige Leistungen finanziert wurden, nunmehr mit der Regelleistung erbracht würden und es daher dem Leistungsempfänger obliege, einen Teil der monatlich gewährten Regelleistung anzusparen, um bei einem ent-stehenden Bedarf auch größere Aufwendungen tätigen zu können. Eine Leistungsgewäh-rung käme daher lediglich nach § 73 SGB XII in Betracht.
Gegen diesen am 14.02.2006 zugestellten Beschluss hat der Bf. am 16.02.2006 beim Säch-sischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II lägen vor.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 10.02.2006 aufzuheben und die Be-schwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kos-ten für die Reise nach Russland in Höhe von 457,80 EUR darlehensweise zu überneh-men.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Ver-waltungsakte der Beschwerdegegnerin und die Gerichtsakten beider Verfahrenszüge Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft; sie ist auch form- und fristgerecht erhoben (§§ 172, 173 Sozi-algerichtsgesetz – SGG –).
Die Beschwerde war jedoch zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist. Das SG hat zu Recht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 SGG).
Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsgrund und ein Anord-nungsanspruch glaubhaft gemacht werden (§ 86 Abs. 2 Sätze 3 und 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO –). Ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Dringlichkeit der Entscheidung fehlt nicht schon deshalb, weil die Reise konkret für den 28.01.2006 geplant war und demnach die rückwirkende Gewährung von Leistungen begehrt würde. Der Antrag des Bf. ist – wegen des von der Rechtsprechung entwickelten Meistbegünstigungsprinzips – vielmehr dahingehend auszulegen, dass dieser überhaupt die Gewährung der Reisekosten für einen Besuch des erkrankten Vaters in Russland begehrt.
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist hier jedoch ein Anordnungsanspruch, d. h. ein Anspruch im Sinne des materiellen Rechts, zumindest gegenüber der Bg. nicht gegeben. Im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung spricht mehr dagegen als dafür, dass die begehrten Reisekosten der Hilfe zum Lebensunterhalt zuzuordnen sind.
Unter dem bis zum 31.12.2004 geltenden Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) wurden Rei-sekosten für einen besonderen Zweck der Hilfe in anderen besonderen Lebenslagen (§ 27 Abs. 2 BSHG) zugeordnet.
§ 73 SGB XII entspricht § 27 Abs. 2 BSHG. Diese Vorschrift befand sich im Abschnitt 3 des BSHG, dem Abschnitt über die Hilfe in besonderen Lebenslagen, der zu unterscheiden war von der Hilfe zum Lebensunterhalt, die in §§ 11 bis 26 BSHG geregelt war. Obwohl das SGB XII diese ausdrückliche Unterscheidung zwischen Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht mehr kennt, ist sie jedoch von der Sache beibehal-ten worden: In den §§ 47 bis 74 SGB XII befinden sich die Regelungen, die der Hilfe in besonderen Lebenslagen des BSHG entsprechen.
Zwar ist grundsätzlich der Kontakt zu Verwandten unter das Merkmal "Beziehungen zur Umwelt" des § 20 SGB II zu subsumieren, jedoch sind Besuchsreisen zu einem 3.500 km entfernt lebenden nahen Verwandten nicht von der Regelleistung zur Sicherung des Le-bensunterhaltes umfasst. Leistungen für solche Reisen unterfallen auch nicht den Ausnah-metatbeständen des § 23 Abs. 3 SGB II.
Die Absicht des Gesetzgebers mit der Neuregelung durch das SGB II, die Gewährung ein-malige bzw. besondere Bedarfslagen abzuschaffen, darf nicht unterlaufen werden. Soweit der Bf. darauf verweist, dass die mit dem Umgangsrecht verbundenen Aufwendun-gen notfalls vom staatlichen Fürsorgesystem zu übernehmen sind, liegt da die Besonderheit vor, dass das Umgangsrecht (§ 1684 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – ) unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) steht.
Ob möglicherweise eine Übernahme der Reisekosten gemäß § 73 SGB XII durch den Trä-ger der Sozialhilfe in Betracht kommt, ist im vorliegenden Verfahren nicht mit zu prüfen. Da es sich bei der Bewilligung von Leistungen nach § 73 SGB XII um eine Ermessensent-scheidung handelt und kein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, hat der Bf. gegen die Bg. als zuerst angegangenen Leistungsträger auch nach § 43 Abs. 1 SGB I kei-nen Anspruch auf vorläufige Leistungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss unterliegt nicht der Anfechtung, § 177 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg.), ihm darle-hensweise die Reisekosten für den Besuch des erkrankten Vaters in Russland zu gewähren.
Der 1969 in Russland geborene Bf. besitzt in Deutschland eine bis 07.06.2007 befristete Aufenthaltserlaubnis und ist erwerbsfähig. Bis 31.12.2004 bezog er Sozialhilfe, seine Ehe-frau E ... G ... (E.G.) Arbeitslosenhilfe (Alhi). Seit 01.01.2005 gewährt die Bg. dem Bf. und E.G. Leistungen zur Sicherung des Lebens-unterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 18.11.2005 bewilligte die Bg. der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.11.2005 bis 31.03.2006 Leistungen in Höhe von insgesamt 1.065,24 EUR monatlich.
Am 10.01.2006 beantragte der Bf. bei der Bg. eine einmalige Leistung in Höhe von 457,80 EUR. Sein Vater, H ... A ... L ..., sei seit langem ernst erkrankt. Ein Bekannter habe ihm am 08.01.2006 telefonisch mitgeteilt, dass sein Vater nicht mehr aufstehen könne. Aus diesem Grund habe er vor, nach Russland (Siedlung T ..., 3.500 km von Deutschland entfernt) zu reisen. Er beabsichtige am 28.01.2006 mit dem Zug zu reisen. Die Reisekosten setzten sich wie folgt zusammen: 348,80 EUR Preis für die Fahrkarte (hin und zurück) 40,00 EUR Visum 69,00 EUR Reisepass Dem Antrag fügte er Kopien einer ärztlichen Bescheinigung, wonach A ... L ... H ..., geboren 1937, an diszirkular Enzefolopia (wohl Enzephalopathie) II. – III. Grades, einer Atherosklerose der Arterien des Gehirns und einer Stenokardie Grad II – III leidet, sowie der Reiseauskunft der Bahn vom 05.01.2006 bei. E.G. stellte ebenfalls einen Antrag auf Übernahme der Reisekosten in gleicher Höhe.
Am 11.01.2006 hat der Bf. beim Sozialgericht Leipzig (SG) Antrag auf Erlass einer einst-weiligen Anordnung gestellt und beantragt, die Bg. im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, die Kosten für die Reise nach Russland i. H. v. 457,80 EUR darle-hensweise zu übernehmen. Sein Vater habe wegen der Schwere der Erkrankung möglicherweise nicht mehr lange zu leben. Er habe beschlossen, am 28.01.2006 mit dem Zug nach Russland zu fahren, um sei-nen Vater vielleicht zum letzten Mal lebend zu sehen. Die Bg. sei entsprechend den zum Bundessozialhilfegesetz entwickelten Grundsätzen zur Übernahme von Fahrtkosten aus besonderen Anlässen, wozu neben Hochzeiten, Taufen, Konfirmationen insbesondere auch ernste Erkrankungen von Verwandten 1. Grades zählen, verpflichtet. Ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache sei wegen der schweren Erkrankung nicht zumutbar.
Mit Bescheid vom 11.01.2006 lehnte die Bg. den Antrag des Bf. auf einmalige Leistungen ab, da diese im SGB II nicht vorgesehen seien und sie für Bewilligungen nach dem Zwölf-ten Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) nicht zuständig sei.
Dagegen legte der Bf. am 27.01.2006 Widerspruch ein. Nach der Rechtsprechung zum Bundessozialhilfegesetz sei anerkannt, dass Kosten im Zu-sammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts zum notwendigen Lebensunterhalt gehörten, so dass diese auch nach dem SGB II zu erbringen seien. Ein Anspruch gemäß § 73 SGB XII bestehe wegen des grundsätzlichen Ausschlusses von Leistungen nach dem SGB XII gemäß § 5 SGB II nicht.
Mit Beschluss vom 10. Februar 2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Nach summarischer Prüfung bestehe kein Anordnungsanspruch. Als mögliche Anspruchs-grundlage für die begehrte Leistung komme allein § 23 Abs. 1 SGB II in Betracht. Der Besuch des in ca. 3.500 km Entfernung lebenden, erkrankten Vaters sei jedoch einem der Bedarfstatbestände des notwendigen Lebensunterhaltes im Sinne des § 20 Abs. 1 SGB II nicht mehr zuzuordnen. Auch lägen die Voraussetzungen für eine abweichende Leistungs-erbringung gemäß § 23 Abs. 2 SGB II nicht vor. Die Neukonzeption des SGB II führe da-zu, dass die Kosten für Bedarfe, die früher als einmalige Leistungen finanziert wurden, nunmehr mit der Regelleistung erbracht würden und es daher dem Leistungsempfänger obliege, einen Teil der monatlich gewährten Regelleistung anzusparen, um bei einem ent-stehenden Bedarf auch größere Aufwendungen tätigen zu können. Eine Leistungsgewäh-rung käme daher lediglich nach § 73 SGB XII in Betracht.
Gegen diesen am 14.02.2006 zugestellten Beschluss hat der Bf. am 16.02.2006 beim Säch-sischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II lägen vor.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 10.02.2006 aufzuheben und die Be-schwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kos-ten für die Reise nach Russland in Höhe von 457,80 EUR darlehensweise zu überneh-men.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Ver-waltungsakte der Beschwerdegegnerin und die Gerichtsakten beider Verfahrenszüge Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft; sie ist auch form- und fristgerecht erhoben (§§ 172, 173 Sozi-algerichtsgesetz – SGG –).
Die Beschwerde war jedoch zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist. Das SG hat zu Recht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 SGG).
Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsgrund und ein Anord-nungsanspruch glaubhaft gemacht werden (§ 86 Abs. 2 Sätze 3 und 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO –). Ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Dringlichkeit der Entscheidung fehlt nicht schon deshalb, weil die Reise konkret für den 28.01.2006 geplant war und demnach die rückwirkende Gewährung von Leistungen begehrt würde. Der Antrag des Bf. ist – wegen des von der Rechtsprechung entwickelten Meistbegünstigungsprinzips – vielmehr dahingehend auszulegen, dass dieser überhaupt die Gewährung der Reisekosten für einen Besuch des erkrankten Vaters in Russland begehrt.
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist hier jedoch ein Anordnungsanspruch, d. h. ein Anspruch im Sinne des materiellen Rechts, zumindest gegenüber der Bg. nicht gegeben. Im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung spricht mehr dagegen als dafür, dass die begehrten Reisekosten der Hilfe zum Lebensunterhalt zuzuordnen sind.
Unter dem bis zum 31.12.2004 geltenden Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) wurden Rei-sekosten für einen besonderen Zweck der Hilfe in anderen besonderen Lebenslagen (§ 27 Abs. 2 BSHG) zugeordnet.
§ 73 SGB XII entspricht § 27 Abs. 2 BSHG. Diese Vorschrift befand sich im Abschnitt 3 des BSHG, dem Abschnitt über die Hilfe in besonderen Lebenslagen, der zu unterscheiden war von der Hilfe zum Lebensunterhalt, die in §§ 11 bis 26 BSHG geregelt war. Obwohl das SGB XII diese ausdrückliche Unterscheidung zwischen Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht mehr kennt, ist sie jedoch von der Sache beibehal-ten worden: In den §§ 47 bis 74 SGB XII befinden sich die Regelungen, die der Hilfe in besonderen Lebenslagen des BSHG entsprechen.
Zwar ist grundsätzlich der Kontakt zu Verwandten unter das Merkmal "Beziehungen zur Umwelt" des § 20 SGB II zu subsumieren, jedoch sind Besuchsreisen zu einem 3.500 km entfernt lebenden nahen Verwandten nicht von der Regelleistung zur Sicherung des Le-bensunterhaltes umfasst. Leistungen für solche Reisen unterfallen auch nicht den Ausnah-metatbeständen des § 23 Abs. 3 SGB II.
Die Absicht des Gesetzgebers mit der Neuregelung durch das SGB II, die Gewährung ein-malige bzw. besondere Bedarfslagen abzuschaffen, darf nicht unterlaufen werden. Soweit der Bf. darauf verweist, dass die mit dem Umgangsrecht verbundenen Aufwendun-gen notfalls vom staatlichen Fürsorgesystem zu übernehmen sind, liegt da die Besonderheit vor, dass das Umgangsrecht (§ 1684 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – ) unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) steht.
Ob möglicherweise eine Übernahme der Reisekosten gemäß § 73 SGB XII durch den Trä-ger der Sozialhilfe in Betracht kommt, ist im vorliegenden Verfahren nicht mit zu prüfen. Da es sich bei der Bewilligung von Leistungen nach § 73 SGB XII um eine Ermessensent-scheidung handelt und kein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, hat der Bf. gegen die Bg. als zuerst angegangenen Leistungsträger auch nach § 43 Abs. 1 SGB I kei-nen Anspruch auf vorläufige Leistungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss unterliegt nicht der Anfechtung, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved