Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 22 AL 1398/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 31/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Bedürftigkeitsprüfung ist vom Einkommen des Lebenspartners, der Betreuungsunterhalt erbringt, der Barunterhalt abzusetzen, wenn der vorrangig Verpflichtete keinen Barunterhalt leistet.
I. Das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 07.03.2005 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 11.07.2003 und 22.07.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2003 verpflich-tet, dem Kläger für die Zeit vom 28.06.2003 bis 27.07.2003 Arbeitslosenhilfe von wöchentlich insgesamt 152,74 EUR zu zahlen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten für die Zeit vom 28.06.2003 bis 27.07.2003 eine höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) von wöchentlich 81,90 EUR durch Gewährung eines Erhö-hungsbetrages i.S.d. § 194 Abs. 2 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) wegen der Unterhaltspflicht seiner Lebensgefährtin für ihre leiblichen Kinder.
Der am ...1965 geborene Kläger ist alleinerziehender Vater (J. H ..., geb ...1988). Er lebt seit 01.11.1999 mit der am 23.02.1967 geborenen Lebenspartnerin, A. E ... (A.E.), die beim Taxigeschäft D ... arbeitet, zusammen. A.E. hat zwei Kinder, I ... (geb ...1990) und C ... (geb ...1992) E ..., die mit im gemeinsamen Haushalt leben. Der Kindesvater zahlte im streitgegenständlichen Zeitraum für diese keinen Unterhalt.
Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) bis 15.03.2002 in Höhe von 193,48 EUR wö-chentlich (Leistungsgruppe A, ein Kind) bewilligte die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag vom 27.02.2003 mit Bescheid vom 21.03.2003 für die Zeit vom 16.03.2003 bis 15.03.2004 auf der Grundlage eines Bemessungsentgeltes von wöchentlich 415 EUR (Leis-tungsgruppe A , ein Kind) Alhi in Höhe von wöchentlich 152,74 EUR, die auch in dieser Höhe ausbezahlt wurde.
Vom 22.04.2003 bis 27.06.2003 war der Kläger als Baufacharbeiter bei der Firma S ... in E ... beschäftigt.
Am 24.06.2003 meldete sich der Kläger wieder arbeitslos und beantragte Alhi. Dabei legte er eine Bescheinigung des Arbeitgebers seiner Lebensgefährtin vor, wonach diese monatlich 1.082,99 EUR brutto bzw. 874,14 EUR netto verdient.
Mit Bescheid vom 11.07.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 28.06.2003 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 415,00 EUR und unter Abzug eines wöchentli-chen Anrechnungsbetrages Alhi in Höhe von wöchentlich 84,91 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 22.07.2003 bewilligte die Klägerin dem Beklagten für die Zeit vom 28.06.2003 bis 27.06.2004 Alhi in Höhe von wöchentlich 70,84 EUR, ausgehend von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 415 EUR, Leistungsgruppe A, wöchentli-chem Leistungsentgelt von 267,97 EUR, einem wöchentlichen Leistungssatz von 152, 74 EUR , von dem ein wöchentlicher Anrechnungsbetrag in Höhe von 81,90 EUR abgesetzt wurde.
Von dem monatlichen Nettoeinkommen der A.E. in Höhe von 885,62 EUR zog die Beklagte 33,18 EUR für Versicherungen, 13,68 EUR für Werbungskosten sowie einen Freibetrag von 495,21 EUR ab und rechnete den Rest in Höhe von 343,55 EUR monatlich bei der Alhi des Klä-gers an.
Dem Bewilligungsbescheid vom 11.07.2003 widersprach der Kläger am 15.07.2003. Er sei alleinerziehend mit einem Kind. Seine Lebensgefährtin sei auch alleinerziehend mit zwei Kindern und seit Jahren berufstätig. Von ihrem Einkommen würden monatlich 40 % auf seine Alhi angerechnet, ohne dass ihre Kinder in irgendeiner Weise berücksichtigt würden. Unterhalt vom leiblichen Vater gäbe es nicht.
Mit Schreiben vom 13.07.2003 teilte A.E. der Beklagten mit, dass sie gegenüber ihren zwei Kindern unterhaltspflichtig sei. Ihre Kinder erhielten keinen Unterhalt von ihrem leib-lichen Vater, da dieser selbst auch nur Alhi beziehe. Am 30.07.2003 legte der Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 22.07.2003 Wider-spruch ein.
Zum 28.07.2003 machte sich der Kläger mit der E ... Bau GbR selbständig und bekam mit Bescheid der Beklagten vom 02.09.2003 Überbrückungsgeld (Übg) in Höhe von 432,02 EUR monatlich bewilligt.
Mit Bescheid vom 16.09.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Freibetrag für die Kinder der Lebenspartnerin könne gem. § 194 Abs. 1 S. 3 SGB III nicht berücksichtigt werden, da keine rechtliche Unterhaltspflicht bestehe.
Hiergegen hat sich der Kläger am 15.10.2003 an das Sozialgericht Chemnitz (SG) ge-wandt.
Im Rahmen der Bemessung der dem Kläger zu gewährenden Alhi sei nach § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III zusätzlich zum Selbstbehalt vom Einkommen der Lebensgefährtin des Klä-gers ein Freibetrag in der Höhe abzusetzen, in der diese ihren beiden Kindern zur Leistung von Unterhalt rechtlich verpflichtet sei.
Mit Urteil vom 07.03.2005 hat das SG die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen zur Anrechnung eines erhöhten Freibetrages nach § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III nicht gegeben seien. Zutreffend sei von der Beklagten der erhöhte Freibetrag im Rahmen der Bedürftig-keitsprüfung beim Einkommen der Lebenspartnerin des Klägers nicht angerechnet worden. Zusätzlich zum Selbstbehalt sei nach § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III vom Einkommen des Partners ein Freibetrag in der Höhe abzusetzen, in der dieser Dritten, das heißt, anderen als dem Arbeitslosen, zur Leistung von Unterhalt rechtlich verpflichtet sei. Im vorliegenden Fall betreffe dies die zwei minderjährigen, leiblichen Kinder der Lebenspartnerin des Klä-gers. Der sogenannte Betreuungsunterhalt i.S.d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 Bürgerliches Gesetz-buch (BGB) sei nicht eine Unterhaltsleistung i.S.d. § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III. Der Betreuungsunterhalt führe zwar zu einer praktischen Belastung des Unterhaltsverpflichte-ten, da auch zur Pflege und Erziehung eines Kindes finanzielle Leistungen zu erbringen seien. Er könne jedoch dem Barunterhalt in Bezug auf die Bedürftigkeitsprüfung nach §§ 193 und 194 SGB III nicht gleichgesetzt werden. Es könne unbeachtlich bleiben, ob nun ein Lebenspartner Barunterhaltsleistungen für seine leiblichen Kinder als Alleinerziehen-der erhalte oder nicht.
Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.05.2005 mit der Rechtsmittelbelehrung, dass das Urteil mit der Berufung angefochten werden kann, zuge-stellt.
Am 16.06.2005 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Sächsischen Landessozi-algericht (LSG) Berufung eingelegt.
Auf die Anfrage des Gerichts vom 13.09.2005, ob angesichts des Wertes der Beschwer von unter 500,00 EUR die Berufung zurückgenommen werde, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 14.10.2005 gegen das Urteil des SG vom 07.03.2005 Nichtzulassungsbe-schwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 26. Januar 2006, Az. L 3 AL 19/06 NZB, hat das LSG die Berufung gegen das Urteil des SG vom 07.03.2005 zugelassen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 07.03.2005 aufzuheben und unter Ab-änderung der Bescheide der Beklagten vom 11.07.2005 und 22.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2005 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 28.06.2003 bis 27.07.2003 Arbeitslosenhilfe von wöchent-lich 152,74 EUR zu zahlen.
Der Vater der Kinder seiner Lebenspartnerin sei nicht zahlungsfähig. Es gebe einen Titel hinsichtlich des Mindestsatzes. Vollstreckungsversuche seien erfolglos gewesen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwal-tungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da der Senat die Berufung mit Beschluss vom 26.01.2006 zugelassen hat.
Sie ist auch begründet. Dem Kläger steht höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu, als von der Beklagten in dem ange-fochtenen Bescheid festgestellt. Die Beklagte hat die Alhi wegen fehlender Bedürftigkeit des Klägers zu Unrecht gemindert. Die Bedürftigkeit entfällt im vorliegenden Fall allein, soweit nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Einkommen der Lebenspartnerin zu be-rücksichtigen ist. Als zu berücksichtigendes Einkommen gilt nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III Ein-kommen des Lebenspartners, soweit es den Freibetrag übersteigt. Freibetrag ist nach dieser Vorschrift ein Betrag in Höhe der Alhi, die dem Einkommen der Lebenspartnerin ent-spricht. Ein "Mindestfreibetrag" ist in Höhe des Betrages in Ansatz zu bringen, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden Einkommenssteuer nicht festzusetzen wäre (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz – EstG -). Schließlich erhöht sich der Freibetrag um Unterhaltsleistungen, die die Lebenspartnerin Dritten auf Grund einer recht-lichen Pflicht zu erbringen hat (§ 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III).
Dem SG ist darin zuzustimmen, dass es sich bei dem von der Lebenspartnerin des Klägers geleisteten "Betreuungsunterhalt" i.S.d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht um eine Unter-haltsleistung i.S.d. § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III handelt, die zur Erhöhung des Selbstbe-halts führt. Mit der Formulierung "Unterhaltsleistung" deutet bereits der Wortlaut der Vorschrift darauf hin, dass lediglich der "Barunterhalt" zur Erhöhung des Freibetrages zu-zulassen ist, obwohl die Kindesbetreuung dem Barunterhalt regelmäßig gleichwertig ist. Entscheidend ist, ob der Lebensunterhalt der Lebenspartnerin des Klägers während des Zeitraums gesichert ist, für den Alhi beansprucht wird. Es kommt also bei der Bedürftig-keitsprüfung auf die tatsächlich zu ermittelnden Einkommensverhältnisse an, fiktive Aus-gaben haben grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Das gesetzliche Merkmal "Pflege und Erziehung" in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erstreckt sich auf grundsätzlich persönlich zu erbringende Dienstleistungen (Vgl. zum Begriff Luthin in Münchner Kommentar BGB, 4. Auflage 2002, § 1606 RNr. 19). Damit führt der Betreuungsunterhalt zwar zu einer faktischen Belastung des Unterhaltsverpflichteten, kann jedoch dem Barunterhalt in Bezug auf die Bedürftigkeitsprüfung nicht gleichgesetzt wer-den (BSG, Urteil vom 10.07.2003, Az.: B 11 AL 71/02 R). In dem dieser BSG- Entschei-dung zu Grunde liegenden Fall hat der leibliche Vater für sein Kind Barunterhalt gezahlt.
Anders ist dies aber dann, wenn für das betreffende Kind vom vorrangig Verpflichteten Barunterhalt nicht erbracht wird. Dann würde die Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Deckung (auch) des finanziellen Bedarfs des Kindes durch den Betreuungsunterhalt ent-richtenden Elternteil zu einer nicht nur fiktiven finanziellen Belastung dieses Elternteils führen, die dessen tatsächliche Leistungsfähigkeit deutlich überstiege. In Anbetracht des-sen, dass er aber seinem minderjährigen Kind gegenüber rechtlich zum Unterhalt gesteigert verpflichtet ist, seinem Lebensgefährten gegenüber hingegen nicht, würde dieses Ergebnis dem Gefüge unserer Rechtsordnung widersprechen. In diesem Fall muss zur Vermeidung eines solchen Ergebnisses der Regelunterhalt des Kindes bei der Berechnung des anzu-rechnenden Einkommens des Lebenspartners als Abzugsbetrag angesetzt werden. So auch hier: Die Lebensgefährtin des Klägers hat im streitgegenständlichen Zeitraum vom leiblichen Vater ihrer Kinder keinerlei Unterhaltsleistungen für ihre Kinder erhalten. Diese ist gemäß § 1601 BGB verpflichtet, ihren Kindern, die bedürftig sind, Lebensunterhalt zu gewähren. Zwar erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Der betreuende Elternteil muss sich jedoch – bei entspre-chender Leistungsfähigkeit – am Barunterhalt beteiligen, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil tatsächlich keinen Unterhalt an seine Kinder zahlt und der Lebensbedarf der un-terhaltsberechtigten Kinder gefährdet wäre. Die Lebenspartnerin des Klägers A.E. musste also neben der persönlich zu erbringenden Dienstleistungen der "Pflege und Erziehung" auch noch allein die finanziellen Belastungen für ihre Kinder tragen. Sie war also nicht nur fiktiv, sondern auch tatsächlich als Unterhaltsverpflichtete belastet, so dass es sich um eine Unterhaltsbelastung i.S.d. § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III handelt. Von den verbliebenen 495,51 EUR konnte A.E. in der Zeit vom 28.06.2003 bis 27.07.2003 ihren eigenen und den Lebensunterhalt ihrer beiden Töchter nicht bestreiten. Laut Tabelle in Anlage 1 der Unterhaltsrichtlinien des Oberlandesgerichts Dresden vom 01.07.2003 betrug im streitgegenständlichen Zeitraum der Regelunterhalt für ein 11-jähriges Kind 222,00 EUR und für ein 13-jähjriges 262,00 EUR. A.E. benötigte demnach ihr gesamtes monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 885,62 EUR zur Sicherung des laufenden Lebensunterhaltes für sich und ihre Kinder.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind aufgrund der Gesetzesänderung zum 01.01.2005 nicht – mehr – gegeben.
II. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 11.07.2003 und 22.07.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2003 verpflich-tet, dem Kläger für die Zeit vom 28.06.2003 bis 27.07.2003 Arbeitslosenhilfe von wöchentlich insgesamt 152,74 EUR zu zahlen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten für die Zeit vom 28.06.2003 bis 27.07.2003 eine höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) von wöchentlich 81,90 EUR durch Gewährung eines Erhö-hungsbetrages i.S.d. § 194 Abs. 2 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) wegen der Unterhaltspflicht seiner Lebensgefährtin für ihre leiblichen Kinder.
Der am ...1965 geborene Kläger ist alleinerziehender Vater (J. H ..., geb ...1988). Er lebt seit 01.11.1999 mit der am 23.02.1967 geborenen Lebenspartnerin, A. E ... (A.E.), die beim Taxigeschäft D ... arbeitet, zusammen. A.E. hat zwei Kinder, I ... (geb ...1990) und C ... (geb ...1992) E ..., die mit im gemeinsamen Haushalt leben. Der Kindesvater zahlte im streitgegenständlichen Zeitraum für diese keinen Unterhalt.
Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) bis 15.03.2002 in Höhe von 193,48 EUR wö-chentlich (Leistungsgruppe A, ein Kind) bewilligte die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag vom 27.02.2003 mit Bescheid vom 21.03.2003 für die Zeit vom 16.03.2003 bis 15.03.2004 auf der Grundlage eines Bemessungsentgeltes von wöchentlich 415 EUR (Leis-tungsgruppe A , ein Kind) Alhi in Höhe von wöchentlich 152,74 EUR, die auch in dieser Höhe ausbezahlt wurde.
Vom 22.04.2003 bis 27.06.2003 war der Kläger als Baufacharbeiter bei der Firma S ... in E ... beschäftigt.
Am 24.06.2003 meldete sich der Kläger wieder arbeitslos und beantragte Alhi. Dabei legte er eine Bescheinigung des Arbeitgebers seiner Lebensgefährtin vor, wonach diese monatlich 1.082,99 EUR brutto bzw. 874,14 EUR netto verdient.
Mit Bescheid vom 11.07.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 28.06.2003 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 415,00 EUR und unter Abzug eines wöchentli-chen Anrechnungsbetrages Alhi in Höhe von wöchentlich 84,91 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 22.07.2003 bewilligte die Klägerin dem Beklagten für die Zeit vom 28.06.2003 bis 27.06.2004 Alhi in Höhe von wöchentlich 70,84 EUR, ausgehend von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 415 EUR, Leistungsgruppe A, wöchentli-chem Leistungsentgelt von 267,97 EUR, einem wöchentlichen Leistungssatz von 152, 74 EUR , von dem ein wöchentlicher Anrechnungsbetrag in Höhe von 81,90 EUR abgesetzt wurde.
Von dem monatlichen Nettoeinkommen der A.E. in Höhe von 885,62 EUR zog die Beklagte 33,18 EUR für Versicherungen, 13,68 EUR für Werbungskosten sowie einen Freibetrag von 495,21 EUR ab und rechnete den Rest in Höhe von 343,55 EUR monatlich bei der Alhi des Klä-gers an.
Dem Bewilligungsbescheid vom 11.07.2003 widersprach der Kläger am 15.07.2003. Er sei alleinerziehend mit einem Kind. Seine Lebensgefährtin sei auch alleinerziehend mit zwei Kindern und seit Jahren berufstätig. Von ihrem Einkommen würden monatlich 40 % auf seine Alhi angerechnet, ohne dass ihre Kinder in irgendeiner Weise berücksichtigt würden. Unterhalt vom leiblichen Vater gäbe es nicht.
Mit Schreiben vom 13.07.2003 teilte A.E. der Beklagten mit, dass sie gegenüber ihren zwei Kindern unterhaltspflichtig sei. Ihre Kinder erhielten keinen Unterhalt von ihrem leib-lichen Vater, da dieser selbst auch nur Alhi beziehe. Am 30.07.2003 legte der Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 22.07.2003 Wider-spruch ein.
Zum 28.07.2003 machte sich der Kläger mit der E ... Bau GbR selbständig und bekam mit Bescheid der Beklagten vom 02.09.2003 Überbrückungsgeld (Übg) in Höhe von 432,02 EUR monatlich bewilligt.
Mit Bescheid vom 16.09.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Freibetrag für die Kinder der Lebenspartnerin könne gem. § 194 Abs. 1 S. 3 SGB III nicht berücksichtigt werden, da keine rechtliche Unterhaltspflicht bestehe.
Hiergegen hat sich der Kläger am 15.10.2003 an das Sozialgericht Chemnitz (SG) ge-wandt.
Im Rahmen der Bemessung der dem Kläger zu gewährenden Alhi sei nach § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III zusätzlich zum Selbstbehalt vom Einkommen der Lebensgefährtin des Klä-gers ein Freibetrag in der Höhe abzusetzen, in der diese ihren beiden Kindern zur Leistung von Unterhalt rechtlich verpflichtet sei.
Mit Urteil vom 07.03.2005 hat das SG die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen zur Anrechnung eines erhöhten Freibetrages nach § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III nicht gegeben seien. Zutreffend sei von der Beklagten der erhöhte Freibetrag im Rahmen der Bedürftig-keitsprüfung beim Einkommen der Lebenspartnerin des Klägers nicht angerechnet worden. Zusätzlich zum Selbstbehalt sei nach § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III vom Einkommen des Partners ein Freibetrag in der Höhe abzusetzen, in der dieser Dritten, das heißt, anderen als dem Arbeitslosen, zur Leistung von Unterhalt rechtlich verpflichtet sei. Im vorliegenden Fall betreffe dies die zwei minderjährigen, leiblichen Kinder der Lebenspartnerin des Klä-gers. Der sogenannte Betreuungsunterhalt i.S.d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 Bürgerliches Gesetz-buch (BGB) sei nicht eine Unterhaltsleistung i.S.d. § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III. Der Betreuungsunterhalt führe zwar zu einer praktischen Belastung des Unterhaltsverpflichte-ten, da auch zur Pflege und Erziehung eines Kindes finanzielle Leistungen zu erbringen seien. Er könne jedoch dem Barunterhalt in Bezug auf die Bedürftigkeitsprüfung nach §§ 193 und 194 SGB III nicht gleichgesetzt werden. Es könne unbeachtlich bleiben, ob nun ein Lebenspartner Barunterhaltsleistungen für seine leiblichen Kinder als Alleinerziehen-der erhalte oder nicht.
Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.05.2005 mit der Rechtsmittelbelehrung, dass das Urteil mit der Berufung angefochten werden kann, zuge-stellt.
Am 16.06.2005 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Sächsischen Landessozi-algericht (LSG) Berufung eingelegt.
Auf die Anfrage des Gerichts vom 13.09.2005, ob angesichts des Wertes der Beschwer von unter 500,00 EUR die Berufung zurückgenommen werde, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 14.10.2005 gegen das Urteil des SG vom 07.03.2005 Nichtzulassungsbe-schwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 26. Januar 2006, Az. L 3 AL 19/06 NZB, hat das LSG die Berufung gegen das Urteil des SG vom 07.03.2005 zugelassen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 07.03.2005 aufzuheben und unter Ab-änderung der Bescheide der Beklagten vom 11.07.2005 und 22.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2005 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 28.06.2003 bis 27.07.2003 Arbeitslosenhilfe von wöchent-lich 152,74 EUR zu zahlen.
Der Vater der Kinder seiner Lebenspartnerin sei nicht zahlungsfähig. Es gebe einen Titel hinsichtlich des Mindestsatzes. Vollstreckungsversuche seien erfolglos gewesen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwal-tungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da der Senat die Berufung mit Beschluss vom 26.01.2006 zugelassen hat.
Sie ist auch begründet. Dem Kläger steht höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu, als von der Beklagten in dem ange-fochtenen Bescheid festgestellt. Die Beklagte hat die Alhi wegen fehlender Bedürftigkeit des Klägers zu Unrecht gemindert. Die Bedürftigkeit entfällt im vorliegenden Fall allein, soweit nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Einkommen der Lebenspartnerin zu be-rücksichtigen ist. Als zu berücksichtigendes Einkommen gilt nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III Ein-kommen des Lebenspartners, soweit es den Freibetrag übersteigt. Freibetrag ist nach dieser Vorschrift ein Betrag in Höhe der Alhi, die dem Einkommen der Lebenspartnerin ent-spricht. Ein "Mindestfreibetrag" ist in Höhe des Betrages in Ansatz zu bringen, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden Einkommenssteuer nicht festzusetzen wäre (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz – EstG -). Schließlich erhöht sich der Freibetrag um Unterhaltsleistungen, die die Lebenspartnerin Dritten auf Grund einer recht-lichen Pflicht zu erbringen hat (§ 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III).
Dem SG ist darin zuzustimmen, dass es sich bei dem von der Lebenspartnerin des Klägers geleisteten "Betreuungsunterhalt" i.S.d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht um eine Unter-haltsleistung i.S.d. § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III handelt, die zur Erhöhung des Selbstbe-halts führt. Mit der Formulierung "Unterhaltsleistung" deutet bereits der Wortlaut der Vorschrift darauf hin, dass lediglich der "Barunterhalt" zur Erhöhung des Freibetrages zu-zulassen ist, obwohl die Kindesbetreuung dem Barunterhalt regelmäßig gleichwertig ist. Entscheidend ist, ob der Lebensunterhalt der Lebenspartnerin des Klägers während des Zeitraums gesichert ist, für den Alhi beansprucht wird. Es kommt also bei der Bedürftig-keitsprüfung auf die tatsächlich zu ermittelnden Einkommensverhältnisse an, fiktive Aus-gaben haben grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Das gesetzliche Merkmal "Pflege und Erziehung" in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erstreckt sich auf grundsätzlich persönlich zu erbringende Dienstleistungen (Vgl. zum Begriff Luthin in Münchner Kommentar BGB, 4. Auflage 2002, § 1606 RNr. 19). Damit führt der Betreuungsunterhalt zwar zu einer faktischen Belastung des Unterhaltsverpflichteten, kann jedoch dem Barunterhalt in Bezug auf die Bedürftigkeitsprüfung nicht gleichgesetzt wer-den (BSG, Urteil vom 10.07.2003, Az.: B 11 AL 71/02 R). In dem dieser BSG- Entschei-dung zu Grunde liegenden Fall hat der leibliche Vater für sein Kind Barunterhalt gezahlt.
Anders ist dies aber dann, wenn für das betreffende Kind vom vorrangig Verpflichteten Barunterhalt nicht erbracht wird. Dann würde die Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Deckung (auch) des finanziellen Bedarfs des Kindes durch den Betreuungsunterhalt ent-richtenden Elternteil zu einer nicht nur fiktiven finanziellen Belastung dieses Elternteils führen, die dessen tatsächliche Leistungsfähigkeit deutlich überstiege. In Anbetracht des-sen, dass er aber seinem minderjährigen Kind gegenüber rechtlich zum Unterhalt gesteigert verpflichtet ist, seinem Lebensgefährten gegenüber hingegen nicht, würde dieses Ergebnis dem Gefüge unserer Rechtsordnung widersprechen. In diesem Fall muss zur Vermeidung eines solchen Ergebnisses der Regelunterhalt des Kindes bei der Berechnung des anzu-rechnenden Einkommens des Lebenspartners als Abzugsbetrag angesetzt werden. So auch hier: Die Lebensgefährtin des Klägers hat im streitgegenständlichen Zeitraum vom leiblichen Vater ihrer Kinder keinerlei Unterhaltsleistungen für ihre Kinder erhalten. Diese ist gemäß § 1601 BGB verpflichtet, ihren Kindern, die bedürftig sind, Lebensunterhalt zu gewähren. Zwar erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Der betreuende Elternteil muss sich jedoch – bei entspre-chender Leistungsfähigkeit – am Barunterhalt beteiligen, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil tatsächlich keinen Unterhalt an seine Kinder zahlt und der Lebensbedarf der un-terhaltsberechtigten Kinder gefährdet wäre. Die Lebenspartnerin des Klägers A.E. musste also neben der persönlich zu erbringenden Dienstleistungen der "Pflege und Erziehung" auch noch allein die finanziellen Belastungen für ihre Kinder tragen. Sie war also nicht nur fiktiv, sondern auch tatsächlich als Unterhaltsverpflichtete belastet, so dass es sich um eine Unterhaltsbelastung i.S.d. § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III handelt. Von den verbliebenen 495,51 EUR konnte A.E. in der Zeit vom 28.06.2003 bis 27.07.2003 ihren eigenen und den Lebensunterhalt ihrer beiden Töchter nicht bestreiten. Laut Tabelle in Anlage 1 der Unterhaltsrichtlinien des Oberlandesgerichts Dresden vom 01.07.2003 betrug im streitgegenständlichen Zeitraum der Regelunterhalt für ein 11-jähriges Kind 222,00 EUR und für ein 13-jähjriges 262,00 EUR. A.E. benötigte demnach ihr gesamtes monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 885,62 EUR zur Sicherung des laufenden Lebensunterhaltes für sich und ihre Kinder.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind aufgrund der Gesetzesänderung zum 01.01.2005 nicht – mehr – gegeben.
Rechtskraft
Aus
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FSS
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