Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 14 KN 404/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KN 94/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 11. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Nichtbescheidung eines Antrages auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 1. Dezember 1993 durch die Be-klagte.
Der am ... 1933 geborene Kläger beantragte am 1. Dezember 1993 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres bei der Beklagten. Gleichzei-tig stellte er den Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszei-ten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung auf dem Vordruck der Beklagten mit der Nr. 22640 für seine Söhne T. S. , geboren am ... 1961, U. S ..., geboren am ... 1962 und C. S ..., geboren am ... 1971 und begehrte eine Zuordnung dieser Zeiten.
Mit Schreiben vom 18. Januar 1994 "widerrief" der Kläger die beantragte Zuordnung von Kindererziehungszeiten und erklärte, dass eine Zuordnung bei seinem Ehepartner erfolgen solle. Das Schreiben vom 18. Januar 1994 hat folgenden Wortlaut: "Sehr geehrte Damen und Herren, die im Rentenantrag vom 1. Dezember 1993 geltendge-machte Zuordnung von Kindererziehungszeiten (Vordruck 22640) wird hiermit widerru-fen. Eine Zuordnung soll bei meinem Ehepartner erfolgen!".
Mit Bescheid vom 2. August 1994 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Oktober 1993 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von monatlich 2.536,74 DM. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger keinen Widerspruch. Mit Schreiben vom 20. August 1997 und 28. Oktober 1997 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 2. August 1994. Eine Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichti-gungszeiten machte er hierbei jedoch nicht geltend. Auch in einem weiteren Überprü-fungsantrag vom 25. Oktober 1998 fand den Bescheid der Beklagten vom 2. August 1994 sowie den zwischenzeitlich am 14. Januar 1998 erlassenen Rentenneufeststellungsbescheid betreffend, die Berücksichtigung von Kindeserziehungszeiten keine Erwähnung. Die Ü-berprüfungsanträge lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31. März 1999 ab.
Erstmals im Jahr 2000 führte der Kläger aus, dass ihm Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung zuzuordnen seien. Über diesen Antrag auf Neufeststellung der Altersrente unter Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung traf die Beklagte durch Bescheid vom 09. April 2002, der dem Kläger am 11. April 2002 zugegangen ist, eine Entscheidung.
Am 13. August 2003 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) Untätigkeits-klage erhoben und sein Begehren auf Bescheidung seines Antrages auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 1. Dezember 1993 gegenüber der Beklagten weiterverfolgt. Er hat vortragen lassen, dass die Beklagte bis zum heutigen Tage nicht über seinen Antrag vom 1. Dezember 1993 entschieden habe. Mit Schreiben vom 18. Januar 1994 habe er sei-nen Antrag lediglich eingeschränkt; eine Entscheidung über den Antrag auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 57 SGB VI sei von dem Widerruf im Schreiben vom 18. Januar 1994 nicht erfasst. Der streitige Bescheid hätte dar-über hinaus eine Drittwirkung gegenüber der miterziehenden Kindesmutter entfaltet und hätte dieser gegenüber bekannt gegeben werden müssen. Als Drittbetroffene stünde ihr ein eigenes Recht der Anfechtungsklage zu. Da eine vorgeschriebene Anhörung der Kindes-mutter vor Erlass des Rentenbescheides unterblieben sei, führe dieser Verstoß bereits zu einem Aufhebungsanspruch gegenüber dem Kläger.
Die Beklagte hat dargetan, dass sie auf Grund des Antrages vom 1. Dezember 1993 mit Datum vom 2. August 1994 den Bescheid über die Gewährung der Altersrente wegen Ar-beitslosigkeit ab dem 1. Oktober 1993 gemäß § 38 SGB VI erlassen habe. Gegen diesen Bescheid sei der Kläger nicht in Widerspruch gegangen, so dass der Bescheid Bestands-kraft erlangt habe. Erstmals mit Schriftsatz vom 23. November 2000 habe der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Neufeststellung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit gemäß § 44 SGB X gestellt. Mit Bescheid vom 9. April 2002 habe die Beklagte über den Antrag des Klägers auf Neufeststellung der Altersrente ent-schieden. Den Erhalt dieses Bescheides habe die Prozessbevollmächtigte des Klägers be- stätigt. Die Beklagte könne daher nicht erkennen, dass sie noch nicht über den Antrag auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung entschieden haben soll. Darüber hinaus stelle sich die Frage, wieso der Kläger selbst, insbesondere im Zeitrahmen nach Erlass des Ursprungsbescheides vom 2. August 1994 bis zum Zeitpunkt der Beantra-gung der Neufeststellung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit-arbeit, das Verfahren im Jahr 2000 wegen Anrechnung von Berücksichtigungszeiten nicht weiterbetrieben habe und nunmehr nach über 9 Jahren eine Klage wegen angeblicher Untä-tigkeit einreiche.
Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2004 abgewiesen und ausgeführt, dass die formgerecht eingelegte Klage unzulässig sei. Nach § 88 Abs. 1 SGG sei eine Verpflichtungsklage in der Form der Untätigkeitsklage zulässig, wenn die Behörde auf einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden habe. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage nach § 88 Abs. 1 SGG sei daher zunächst ein An-trag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 88 Rz. 3). An einem solchen Antrag fehle es hier. Zwar habe der Kläger den Antrag auf Feststel-lung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (Vor-druck Nr. 22640 der Beklagten) im Rahmen seiner Rentenantragstellung ausgefüllt und zum Bestandteil seines Rentenantrages gemacht. Durch den Schriftsatz vom 16. Januar 1994 sei dieser Antrag aber zurückgenommen worden. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich hierbei nicht um eine Einschränkung des Antrages vom 1. Dezember 1993 dahingehend, dass die Beklagte (nur) noch über Be-rücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gem. § 57 SGB VI entscheiden solle. Viel-mehr habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass der gesamte Antrag vom 1. Dezember 1993 auf dem Vordruck Nr. 22640 zurückgenommen werde solle. Es habe auch kein An-lass bestanden, etwa durch eine Nachfrage bei dem Kläger eventuelle Unrichtigkeiten zu beseitigen oder den Kläger auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuweisen. Der Kläger habe vielmehr durch die Formulierung, dass eine Zuordnung bei seinem Ehegatten erfol-gen solle, eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er an seinem ursprünglichen Begehren, für die Erziehung seiner drei Söhne Berücksichtigungs- bzw. Anrechnungszeiten feststel-len zu lassen, nicht mehr festhalte. Nach § 57 SGB VI sei die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendeten zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksich-tigungszeit, soweit die Vorsaussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Eine gesonderte Entscheidung zu Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gem. § 57 SGB VI sei damit unter keinen Umständen mehr in Be-tracht gekommen. Ein Zuordnungsantrag hätte nur Sinn gemacht, wenn die Zurechnung bei dem anderen Ehegatten nicht erfolgen sollte. Ausweislich seines Schreibens vom 18. Januar 1994 habe der Kläger jedoch eine Zurechnung bei seiner Ehegattin gewollt. Mangels eines Antrages auf Vornahme eines Verwaltungsaktes sei die Untätigkeitsklage bereits deswegen als unzulässig abzuweisen. Die Klage sei überdies auch unzulässig, weil die Beklagte durch Bescheid vom 9. April 2002, dem Kläger am 11. April 2002 zugegangen, über die Anrechnung von Berücksichti-gungszeiten wegen Kindererziehung entschieden habe. Die Klage wäre auch als unzulässig abzuweisen gewesen, wenn die Beklagte den Bescheid vom 9. April 2002 nicht erlassen hätte. Die Klageerhebung sei rechtsmissbräuchlich, da der Kläger sein Klagerecht verwirkt habe. Werde Untätigkeitsklage sehr spät, unter Um-ständen erst nach Jahren erhoben, müsse das Gericht prüfen, ob die Klageerhebung rechtsmissbräuchlich und das Klagerecht verwirkt sei (vgl. Begr. zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 7/4224 S.13, Meyer-Ladewig, a.a.O., § 88, Rz. 13). Eine solche Verwirkung setzte neben dem Zeitmoment auch ein Umstandmoment voraus. Nach Ablauf von über 9 Jahren sei das Zeitmoment offensichtlich gegeben. Daneben lägen auch besondere Umstände vor, die die Klage als rechtsmissbräuchlich erscheinen liesen. Zum einen sei, wie bereits darge-legt, der Antrag vom 1. Dezember 1993 durch Schreiben vom 18. Januar 1994 zurückge-nommen worden. Überdies sei von der Beklagten am 2. August 1994 ein Bescheid über die Gewährung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit am 1. Oktober 1993 erlassen und erst-mals im Jahr 2001 ein neuer Antrag auf Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vom Kläger gestellt worden. Schließlich wäre die Klage auch deshalb unbegründet, da das Recht auf Bescheidung nicht Selbstzweck sei, sondern der Durchsetzung materiellrechlticher Ansprüche diene, so dass mangels Vorliegen eines solchen Anspruches die Klage abzuweisen sei (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 88, Rz. 9; Landessozialgericht für das Land Niedersachsen, Urteil vom 26. November 1997, Az.: L 4 Kr 99/96). Trotz mehrfacher Hinweise des Gerichts, dass eine Bescheidung für den Kläger keinerlei materiell-rechtliche Ansprüche sichern würde, habe der Kläger weiterhin auf einer Entscheidung bestanden.
Hiergegen richtet sich die am 21. Juni 2004 beim Sächsischen LSG eingelegte Berufung des Klägers, die er damit begründen lies, dass das SG den Sachverhalt nicht hinreichend gründlich von Amts wegen erforscht und insbesondere nicht die Verwaltungsakte der Ehe-frau des Klägers von der BfA beigezogen habe. Ferner habe die Beklagte den Kläger im Hinblick auf die ihr obliegenden Beratungspflicht nach § 16 Abs. 3 SGB I nicht hinreichend über die Widersprüchlichkeit seiner Angaben und Erklärungen aufgeklärt und auf sachdienliche Anträge hingewirkt. Auch hätte im Rahmen des Rentenverfahrens des Klägers eine Beteiligung der Kindsmut-ter erfolgen müssen, die von der Beklagten zu veranlassen gewesen wäre, da es sich um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung handele. Eine solche Beteiligung sei nicht erfolgt und der nachgehend erlassenen Rentenbescheid vom 2. August 2004 auf Grund des Ver-stoßes gegen § 42 S. 2 SGB I rechtswidrig. Der Kläger habe bereits aus diesem Grunde einen Aufhebungsanspruch.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 11.05.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag auf Feststellung von Berücksichtigungszei-ten wegen Kindererziehung vom 01.12.1993 zu bescheiden sowie dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und auf die ihrer Ansicht nach zutref-fenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand des Rechtsstreites gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialge-richtsgesetz -SGG-) ist nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, weil im Ergebnis ein Anspruch des Klägers auf Verbescheidung seines am 1. Dezember 1993 gestellten Antrages nicht besteht.
Gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG ist eine Untätigkeitsklage nach Ablauf von sechs Monaten zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden wurde.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit der Erhebung der Untätigkeitsklage am 13. August 2003 hinsichtlich der Verbescheidung seines Antrages aus dem Jahre 1993 sein Klagerecht auf Untätigkeit verwirkt hat, denn die Untätigkeitsklage ist bereits mangels eines Antrages unzulässig. Zwar hat der Kläger am 1. Dezember 1993 einen Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten gestellt und den entsprechenden Vordruck Nr. 22640 ausgefüllt. Dabei hat der Kläger jedoch lediglich Angaben hinsichtlich der Zuord-nung von Kindererziehungszeiten zum Vater gemacht (Punkt 16.1 bis 16.3 des Antrages ausgefüllt), jedoch nicht zur Zuordnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererzie-hung (Punkt 16.4 des Antrages nicht ausgefüllt). Damit hat der Kläger am 1. Dezember 1993 keinen Antrag gestellt, der unbeschieden geblieben wäre. Die Untätigkeitsklage scheitert daher bereits daran, dass kein Antrag vom 1. Dezember 1993 (und nur dessen Bescheidung ist nach der unmissverständlichen Antragstellung begehrt) existent ist. Es kann somit auch dahingestellt bleiben, ob die weiteren ergangenen Rentenbescheide etwa wegen der von der Bevollmächtigten vorgetragenen vermeintlichen Verletzung von Ver-fahrensrecht (insbesondere im Hinblick eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung) nicht wirksam wurden. Im Rahmen der Prüfung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gibt es keinen An-haltspunkt, dass der Kläger sich mit einem Beratungsersuchen an die Beklagte gewandt. Ferner bieten die eindeutigen Willenserklärungen des Klägers keinen Anlass für eine Spontanberatung der Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG; Gründe für die Zulassung der Revi-sion (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
II. Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Nichtbescheidung eines Antrages auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 1. Dezember 1993 durch die Be-klagte.
Der am ... 1933 geborene Kläger beantragte am 1. Dezember 1993 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres bei der Beklagten. Gleichzei-tig stellte er den Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszei-ten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung auf dem Vordruck der Beklagten mit der Nr. 22640 für seine Söhne T. S. , geboren am ... 1961, U. S ..., geboren am ... 1962 und C. S ..., geboren am ... 1971 und begehrte eine Zuordnung dieser Zeiten.
Mit Schreiben vom 18. Januar 1994 "widerrief" der Kläger die beantragte Zuordnung von Kindererziehungszeiten und erklärte, dass eine Zuordnung bei seinem Ehepartner erfolgen solle. Das Schreiben vom 18. Januar 1994 hat folgenden Wortlaut: "Sehr geehrte Damen und Herren, die im Rentenantrag vom 1. Dezember 1993 geltendge-machte Zuordnung von Kindererziehungszeiten (Vordruck 22640) wird hiermit widerru-fen. Eine Zuordnung soll bei meinem Ehepartner erfolgen!".
Mit Bescheid vom 2. August 1994 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Oktober 1993 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von monatlich 2.536,74 DM. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger keinen Widerspruch. Mit Schreiben vom 20. August 1997 und 28. Oktober 1997 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 2. August 1994. Eine Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichti-gungszeiten machte er hierbei jedoch nicht geltend. Auch in einem weiteren Überprü-fungsantrag vom 25. Oktober 1998 fand den Bescheid der Beklagten vom 2. August 1994 sowie den zwischenzeitlich am 14. Januar 1998 erlassenen Rentenneufeststellungsbescheid betreffend, die Berücksichtigung von Kindeserziehungszeiten keine Erwähnung. Die Ü-berprüfungsanträge lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31. März 1999 ab.
Erstmals im Jahr 2000 führte der Kläger aus, dass ihm Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung zuzuordnen seien. Über diesen Antrag auf Neufeststellung der Altersrente unter Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung traf die Beklagte durch Bescheid vom 09. April 2002, der dem Kläger am 11. April 2002 zugegangen ist, eine Entscheidung.
Am 13. August 2003 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) Untätigkeits-klage erhoben und sein Begehren auf Bescheidung seines Antrages auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 1. Dezember 1993 gegenüber der Beklagten weiterverfolgt. Er hat vortragen lassen, dass die Beklagte bis zum heutigen Tage nicht über seinen Antrag vom 1. Dezember 1993 entschieden habe. Mit Schreiben vom 18. Januar 1994 habe er sei-nen Antrag lediglich eingeschränkt; eine Entscheidung über den Antrag auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 57 SGB VI sei von dem Widerruf im Schreiben vom 18. Januar 1994 nicht erfasst. Der streitige Bescheid hätte dar-über hinaus eine Drittwirkung gegenüber der miterziehenden Kindesmutter entfaltet und hätte dieser gegenüber bekannt gegeben werden müssen. Als Drittbetroffene stünde ihr ein eigenes Recht der Anfechtungsklage zu. Da eine vorgeschriebene Anhörung der Kindes-mutter vor Erlass des Rentenbescheides unterblieben sei, führe dieser Verstoß bereits zu einem Aufhebungsanspruch gegenüber dem Kläger.
Die Beklagte hat dargetan, dass sie auf Grund des Antrages vom 1. Dezember 1993 mit Datum vom 2. August 1994 den Bescheid über die Gewährung der Altersrente wegen Ar-beitslosigkeit ab dem 1. Oktober 1993 gemäß § 38 SGB VI erlassen habe. Gegen diesen Bescheid sei der Kläger nicht in Widerspruch gegangen, so dass der Bescheid Bestands-kraft erlangt habe. Erstmals mit Schriftsatz vom 23. November 2000 habe der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Neufeststellung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit gemäß § 44 SGB X gestellt. Mit Bescheid vom 9. April 2002 habe die Beklagte über den Antrag des Klägers auf Neufeststellung der Altersrente ent-schieden. Den Erhalt dieses Bescheides habe die Prozessbevollmächtigte des Klägers be- stätigt. Die Beklagte könne daher nicht erkennen, dass sie noch nicht über den Antrag auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung entschieden haben soll. Darüber hinaus stelle sich die Frage, wieso der Kläger selbst, insbesondere im Zeitrahmen nach Erlass des Ursprungsbescheides vom 2. August 1994 bis zum Zeitpunkt der Beantra-gung der Neufeststellung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit-arbeit, das Verfahren im Jahr 2000 wegen Anrechnung von Berücksichtigungszeiten nicht weiterbetrieben habe und nunmehr nach über 9 Jahren eine Klage wegen angeblicher Untä-tigkeit einreiche.
Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2004 abgewiesen und ausgeführt, dass die formgerecht eingelegte Klage unzulässig sei. Nach § 88 Abs. 1 SGG sei eine Verpflichtungsklage in der Form der Untätigkeitsklage zulässig, wenn die Behörde auf einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden habe. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage nach § 88 Abs. 1 SGG sei daher zunächst ein An-trag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 88 Rz. 3). An einem solchen Antrag fehle es hier. Zwar habe der Kläger den Antrag auf Feststel-lung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (Vor-druck Nr. 22640 der Beklagten) im Rahmen seiner Rentenantragstellung ausgefüllt und zum Bestandteil seines Rentenantrages gemacht. Durch den Schriftsatz vom 16. Januar 1994 sei dieser Antrag aber zurückgenommen worden. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich hierbei nicht um eine Einschränkung des Antrages vom 1. Dezember 1993 dahingehend, dass die Beklagte (nur) noch über Be-rücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gem. § 57 SGB VI entscheiden solle. Viel-mehr habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass der gesamte Antrag vom 1. Dezember 1993 auf dem Vordruck Nr. 22640 zurückgenommen werde solle. Es habe auch kein An-lass bestanden, etwa durch eine Nachfrage bei dem Kläger eventuelle Unrichtigkeiten zu beseitigen oder den Kläger auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuweisen. Der Kläger habe vielmehr durch die Formulierung, dass eine Zuordnung bei seinem Ehegatten erfol-gen solle, eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er an seinem ursprünglichen Begehren, für die Erziehung seiner drei Söhne Berücksichtigungs- bzw. Anrechnungszeiten feststel-len zu lassen, nicht mehr festhalte. Nach § 57 SGB VI sei die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendeten zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksich-tigungszeit, soweit die Vorsaussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Eine gesonderte Entscheidung zu Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gem. § 57 SGB VI sei damit unter keinen Umständen mehr in Be-tracht gekommen. Ein Zuordnungsantrag hätte nur Sinn gemacht, wenn die Zurechnung bei dem anderen Ehegatten nicht erfolgen sollte. Ausweislich seines Schreibens vom 18. Januar 1994 habe der Kläger jedoch eine Zurechnung bei seiner Ehegattin gewollt. Mangels eines Antrages auf Vornahme eines Verwaltungsaktes sei die Untätigkeitsklage bereits deswegen als unzulässig abzuweisen. Die Klage sei überdies auch unzulässig, weil die Beklagte durch Bescheid vom 9. April 2002, dem Kläger am 11. April 2002 zugegangen, über die Anrechnung von Berücksichti-gungszeiten wegen Kindererziehung entschieden habe. Die Klage wäre auch als unzulässig abzuweisen gewesen, wenn die Beklagte den Bescheid vom 9. April 2002 nicht erlassen hätte. Die Klageerhebung sei rechtsmissbräuchlich, da der Kläger sein Klagerecht verwirkt habe. Werde Untätigkeitsklage sehr spät, unter Um-ständen erst nach Jahren erhoben, müsse das Gericht prüfen, ob die Klageerhebung rechtsmissbräuchlich und das Klagerecht verwirkt sei (vgl. Begr. zum Gesetzentwurf, BT-Drucks. 7/4224 S.13, Meyer-Ladewig, a.a.O., § 88, Rz. 13). Eine solche Verwirkung setzte neben dem Zeitmoment auch ein Umstandmoment voraus. Nach Ablauf von über 9 Jahren sei das Zeitmoment offensichtlich gegeben. Daneben lägen auch besondere Umstände vor, die die Klage als rechtsmissbräuchlich erscheinen liesen. Zum einen sei, wie bereits darge-legt, der Antrag vom 1. Dezember 1993 durch Schreiben vom 18. Januar 1994 zurückge-nommen worden. Überdies sei von der Beklagten am 2. August 1994 ein Bescheid über die Gewährung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit am 1. Oktober 1993 erlassen und erst-mals im Jahr 2001 ein neuer Antrag auf Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten vom Kläger gestellt worden. Schließlich wäre die Klage auch deshalb unbegründet, da das Recht auf Bescheidung nicht Selbstzweck sei, sondern der Durchsetzung materiellrechlticher Ansprüche diene, so dass mangels Vorliegen eines solchen Anspruches die Klage abzuweisen sei (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 88, Rz. 9; Landessozialgericht für das Land Niedersachsen, Urteil vom 26. November 1997, Az.: L 4 Kr 99/96). Trotz mehrfacher Hinweise des Gerichts, dass eine Bescheidung für den Kläger keinerlei materiell-rechtliche Ansprüche sichern würde, habe der Kläger weiterhin auf einer Entscheidung bestanden.
Hiergegen richtet sich die am 21. Juni 2004 beim Sächsischen LSG eingelegte Berufung des Klägers, die er damit begründen lies, dass das SG den Sachverhalt nicht hinreichend gründlich von Amts wegen erforscht und insbesondere nicht die Verwaltungsakte der Ehe-frau des Klägers von der BfA beigezogen habe. Ferner habe die Beklagte den Kläger im Hinblick auf die ihr obliegenden Beratungspflicht nach § 16 Abs. 3 SGB I nicht hinreichend über die Widersprüchlichkeit seiner Angaben und Erklärungen aufgeklärt und auf sachdienliche Anträge hingewirkt. Auch hätte im Rahmen des Rentenverfahrens des Klägers eine Beteiligung der Kindsmut-ter erfolgen müssen, die von der Beklagten zu veranlassen gewesen wäre, da es sich um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung handele. Eine solche Beteiligung sei nicht erfolgt und der nachgehend erlassenen Rentenbescheid vom 2. August 2004 auf Grund des Ver-stoßes gegen § 42 S. 2 SGB I rechtswidrig. Der Kläger habe bereits aus diesem Grunde einen Aufhebungsanspruch.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 11.05.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag auf Feststellung von Berücksichtigungszei-ten wegen Kindererziehung vom 01.12.1993 zu bescheiden sowie dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und auf die ihrer Ansicht nach zutref-fenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand des Rechtsstreites gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialge-richtsgesetz -SGG-) ist nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, weil im Ergebnis ein Anspruch des Klägers auf Verbescheidung seines am 1. Dezember 1993 gestellten Antrages nicht besteht.
Gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG ist eine Untätigkeitsklage nach Ablauf von sechs Monaten zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden wurde.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit der Erhebung der Untätigkeitsklage am 13. August 2003 hinsichtlich der Verbescheidung seines Antrages aus dem Jahre 1993 sein Klagerecht auf Untätigkeit verwirkt hat, denn die Untätigkeitsklage ist bereits mangels eines Antrages unzulässig. Zwar hat der Kläger am 1. Dezember 1993 einen Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten gestellt und den entsprechenden Vordruck Nr. 22640 ausgefüllt. Dabei hat der Kläger jedoch lediglich Angaben hinsichtlich der Zuord-nung von Kindererziehungszeiten zum Vater gemacht (Punkt 16.1 bis 16.3 des Antrages ausgefüllt), jedoch nicht zur Zuordnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererzie-hung (Punkt 16.4 des Antrages nicht ausgefüllt). Damit hat der Kläger am 1. Dezember 1993 keinen Antrag gestellt, der unbeschieden geblieben wäre. Die Untätigkeitsklage scheitert daher bereits daran, dass kein Antrag vom 1. Dezember 1993 (und nur dessen Bescheidung ist nach der unmissverständlichen Antragstellung begehrt) existent ist. Es kann somit auch dahingestellt bleiben, ob die weiteren ergangenen Rentenbescheide etwa wegen der von der Bevollmächtigten vorgetragenen vermeintlichen Verletzung von Ver-fahrensrecht (insbesondere im Hinblick eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung) nicht wirksam wurden. Im Rahmen der Prüfung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gibt es keinen An-haltspunkt, dass der Kläger sich mit einem Beratungsersuchen an die Beklagte gewandt. Ferner bieten die eindeutigen Willenserklärungen des Klägers keinen Anlass für eine Spontanberatung der Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG; Gründe für die Zulassung der Revi-sion (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved