Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 215/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 77/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 12.04.2001 und der Bescheid der Beklagten vom 22.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.1998 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass beim Kläger ab 08.10.2001 eine Berufskrankheit der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt. Die Beigeladene zu 3) wird verurteilt, dem Kläger deswegen ab 13.01.2003 ei-ne Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. zu gewähren.
II. Die Beklagte und die Beigeladene zu 3) tragen die notwendigen außergerichtli-chen Kosten des Klägers für beide Instanzen je zur Hälfte. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei dem Wirbelsäulenleiden des Klägers um eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BK-Nr. 2108 BKV) handelt und dem Kläger deshalb eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Der am ...1949 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.1964 bis 31.08.1967 eine Lehre zum Fleischer und arbeitete hiernach bis zum 24.06.1968 im erlernten Beruf. Vom 01.07.1968 bis 31.08.1968 ging er einer Beschäftigung als Küchenfleischer und vom 02.09.1968 bis 25.10.1972 als Fleischer nach. Vom 01.05.1974 bis 18.04.1980 und vom 21.04.1980 bis 15.03.1982 war er als Koch und vom 16.03.1982 bis 09.07.1990 und vom 23.07.1990 bis 30.09.1992 wiederum als Küchenfleischer sowie vom 01.10.1992 bis zum 30.09.1994 als Küchenfleischer und Koch tätig. Vom 01.10.1994 bis 07.10.2001 und vom 13.01.2003 bis 20.02.2003 sowie vom 21.02.2003 bis zum 31.10.2003 war er ebenfalls als Koch beschäftigt. Vom 08.10.2001 bis zum 12.01.2003 und vom 21.02.2003 bis zum 24.08.2003 war er arbeitsunfähig geschrieben. Vom 13.01.2003 bis 20.02.2003 und vom 25.08.2003 bis zum 31.10.2003 befand sich der Kläger in einer Arbeitserprobung bzw. auf einem Schonarbeitsplatz. Wirbelsäulebelastende Tätigkeiten waren nicht mehr auszuüben. Seit 01.11.2003 bezieht er neben einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Leis-tungen der Bundesagentur für Arbeit.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten nahm am 28.06.1996 Stellung, der Kläger sei seit 01.10.1994 in einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten als Koch be-schäftigt gewesen. Im Rahmen dieser Tätigkeit seien gelegentlich, ca. 3 Mal je Arbeits-schicht, Speisenbehälter von bis zu 30 kg Lastgewicht zu transportieren gewesen. Diese Lasten habe der Kläger nur im Ausnahmefall allein bewältigt. Im Regelfall seien diese Behälter insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Rücksichtnahme auf die Vor-schädigung der Lendenwirbelsäule (LWS) des Klägers zu zweit transportiert worden. Der Kläger habe für den Zeitraum ab 01.10.1994 die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV nicht erfüllt.
Der TAD der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik äußerte sich am 30.05.1997, der Versicherte sei im Zeitraum vom 23.07.1990 bis 30.09.1994 bei den Stadtwerken A-Stadt bis 30.09.1992 als Küchenfleischer und hiernach als Koch tätig ge-wesen. Während der Arbeit als Küchenfleischer habe der Kläger am Morgen eines jeden Arbeitstages das benötigte Fleisch in Kunststoffkisten aus dem Kühlraum geholt. Das Ge-wicht der Kisten habe bis zu 30 kg betragen. Die Kisten seien auf einen Transportwagen gehoben worden. Die Verarbeitung sei in einem gesonderten Raum erfolgt. Fleischstücke für die Weiterverarbeitung seien auf Tabletts abgelegt worden. Ein gefülltes Tablett habe 26 bis 28 kg gewogen. Neben den eigentlichen Arbeiten als Küchenfleischer sei der Kläger zu 30 % der Arbeitszeit als Koch tätig gewesen. Außerdem habe er die Ware angenommen. Auch hierbei seien Gewichte über 25 kg gehoben und getragen worden. Die Annahme von Ware sei jedoch nicht täglich erfolgt. Während der Tätigkeit als Koch habe der Kläger Gemüsebehälter eines Gewichts von ca. 10 kg, Kartoffeln in 10-kg-Abpackungen sowie Mehl und Zucker in 25-kg-Abpackungen aus dem Kühl- bzw. Lagerraum geholt. Zudem seien Töpfe eines Gewichts von 40 kg gehoben worden. Der Transport eines Teils des Es-sens sei in acht Thermophoren an andere Ausgabestellen erfolgt. Diese hätten im gefüllten Zustand ein Gewicht von 50 bis 70 kg gehabt. Sie seien von zwei Personen gehoben und getragen worden. Dazu seien sie zunächst auf einen Transportwagen gestellt, mit diesem transportiert und in ein Fahrzeug eingeladen worden. Während der Tätigkeit als Koch habe der Kläger außerdem zu 15 % seiner Arbeitszeit Tätigkeiten eines Küchenfleischers ausge-führt. Bei der Arbeitsorganisation sei Rücksicht auf die LWS-Beschwerden des Klägers genommen worden. Der Kläger habe im maßgeblichen Zeitraum die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV nicht erfüllt.
Nach der Expositionsanalyse des TAD der Beigeladenen zu 1) vom 30.07.1997 sei der Kläger von 1982 bis 1990 in einem Kantinenbetrieb der W.- und V. GmbH A-Stadt tätig gewesen. Ein regelmäßiges Heben und Tragen schwerer Lasten i.S.d. BK-Nr. 2108 BKV sei während dieser Tätigkeit nicht erfolgt.
Die Gewerbeärztin E. hat den Kläger ausführlich zur Exposition während seines gesamten Berufslebens befragt und hierzu am 26.04.1999 Stellung genommen. Während der Lehre habe der Kläger von 1964 bis 1967 die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV erfüllt. Damals sei an sechs Tagen der Woche gearbeitet worden. An zwei Ta-gen der Woche habe der Kläger Unterricht an der Berufsschule erhalten. Täglich seien im Ausbildungsbetrieb 300 Schweine und dienstags ca. 70 bis 80 Rinder und 40 Kälber eben-erdig geschlachtet worden. Zudem sei die Be- und Entladung von Lieferfahrzeugen erfolgt. Während der Tätigkeit als Fleischer von 1967 bis 1968 seien die expositionellen Voraus-setzungen einer BK-Nr. 2108 BKV ebenfalls gegeben. Gleiches treffe für die Tätigkeit als Fleischer von 1968 bis 1972 zu. In der Küche, in der der Kläger beschäftigt gewesen sei, seien täglich 800 Portionen gekocht worden. Es seien mit ihm lediglich zwei Männer in der Küche beschäftigt gewesen. Der andere habe aufgrund seines Alters nicht mehr schwer heben können. Daher habe der Kläger alle schweren Transportarbeiten zu verrichten ge-habt. Thermophoren seien in der Regel zu zweit getragen worden. Zweimal pro Woche sei die Warenannahme erfolgt. Dabei seien Säcke mit Mehl eines Gewichts von bis zu 75 kg und mit Zucker eines Gewichts von bis zu 50 kg, zudem Erbsen und Sauerkraut sowie Quarkfässer, ferner Gemüse in Kisten, Konserven und Fleisch gehoben und getragen wor-den. Während des Grundwehrdienstes von 1972 bis 1974 und während seiner Tätigkeit als Koch bei D. (1974 bis 1980) habe der Kläger lediglich mittelschwere körperliche Arbeit verrichtet. Von 1982 bis 1990 sei der Kläger als Küchenfleischer in der Bauarbeiterversorgung tätig gewesen. Er sei der einzige Fleischer in einer Großküche, die täglich 800 Portionen Mit-tagessen gekocht habe, gewesen. Fleisch sei zweimal pro Woche in Kisten eines Gewichts von 30 bis 40 kg angeliefert worden. Die Kisten seien auf Paletten gestapelt und mittels Hubwagen ins Vorkühlhaus gefahren worden. Im Kühlhaus sei die Aufhängung des Fleischs erfolgt. Einmal pro Woche seien die Kisten im Froster umgestapelt worden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK-Nr. 2108 BKV seien auch bezüglich die-ses Zeitraumes erfüllt. Hiernach habe der Kläger keine Arbeiten mehr ausgeübt, die die Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV erfüllten.
Nach der Expositionsanalyse des TAD der Beigeladenen zu 1) vom 14.03.2005 seien im Zeitraum von 1982 bis 1990 beim Umsetzen von Grobstücken und Fleischkisten sowie beim Tragen schwerer Fleischkisten arbeitsbedingte Belastungen im Sinne einer BK-Nr. 2108 BKV erfolgt. Nicht ausreichend sei jedoch die Häufigkeit der Lastenbewegung pro Arbeitsschicht gewesen. Die Tagesbelastungsdosis habe lediglich 3726,48 Nh betragen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV lägen daher für den ge-nannten Zeitraum nicht vor.
In der daraufhin veranlassten Stellungnahme vom 20.04.2005 hat die Gewerbeärztin Dr. E. ausgeführt, die expositionellen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV seien lediglich im Zeitraum von 1964 bis 1972 erfüllt. Ihre Stellungnahme vom 26.04.1999 habe aus-schließlich auf den Angaben des Klägers beruht. Nach kritischer Überprüfung seien diese Angaben hinsichtlich der Beschäftigung im Zeitraum von 1982 bis 1990 nicht plausibel. In der Beurteilung des TAD der Beigeladenen zu 1) vom 14.03.2005 sei bei der Berechnung der Gesamtbelastungsdosis bereits sehr großzügig vorgegangen worden. Dennoch sei sie im Zeitraum von 1982 bis 1990 nicht ausreichend gewesen.
Der TAD der Beigeladenen zu 2) hat am 20.06.2005 nach intensiver Befragung des Klä-gers zu den Hebe- und Tragetätigkeiten während seines gesamten Berufslebens Stellung genommen. Der Kläger sei im Zeitraum vom 01.09.1964 bis 31.08.1967 einer Gesamtbe-lastungsdosis von 7,3 x 106 Nh, vom 01.09.1967 bis 24.06.1968 einer Dosis von 2,5 x 106 Nh und vom 02.09.1968 bis 25.10.1972 einer solchen von 7,3 x 106 Nh ausgesetzt gewe-sen. Im Zeitraum vom 01.05.1974 bis 31.10.2003 seien Tagesbelastungswerte von max. 4,4 Nh, mithin solche unterhalb des Tagesdosisrichtwertes nach dem MDD von 5.500 Nh, ermittelt worden. Er hat eine Gesamtbelastungsdosis für das Berufsleben des Klägers von 17,1 x 106 Nh ermittelt.
Der TAD der nicht am Verfahren beteiligten Fleischerei-Berufsgenossenschaft hat den Kläger zu den Belastungen in den Zeiträumen vom 02.09.1968 bis zum 25.10.1972 und vom 16.03.1982 bis zum 09.07.1990 befragt und am 17.11.2005 eingeschätzt, die Gesamt-belastungsdosis habe für den erstgenannten Zeitraum 7.242.519 Nh und für den zweitge-nannten Zeitraum 8.842.834 Nh betragen.
Nach den Berechnungen des TAD der Beigeladenen zu 3) vom 01.12.2005 habe im Zeit-raum vom 02.09.1968 bis 25.10.1972 eine Gesamtbelastungsdosis von 6,6 x 106 Nh vorge-legen.
Die Gewerbeärztin Dr. E. hat am 21.11.2005 eingeschätzt, die gegenüber dem TAD der Fleischerei-Berufsgenossenschaft gemachten Angaben des Klägers über die gehobenen und getragenen Lasten im Zeitraum vom 16.03.1982 bis 09.07.1990 seien nicht glaubhaft und wichen von den im bisherigen Verfahren gemachten Einlassungen ab. Sie gehe wei-terhin davon aus, dass im genannten Zeitraum die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV nicht vorlägen. Der TAD der Fleischerei-Berufsgenossenschaft hat am 15.12.2005 darauf hingewiesen, seine Berechnungen basierten auf den als wahr unterstellten Angaben des Klägers zu den gehobenen und getragenen Lasten.
Der Kläger gibt an, er leide seit 1968 unter LWS-Beschwerden. Ausweislich seiner Sozial-versicherungsausweise war er vom 05.01.1971 bis 17.01.1971 wegen Lumbalgie (Diagno-se-Nr. 728.7), am 13.08.1974 wegen sonstiger Formen des nicht artikulären Rheumatis-mus, u. a. Lumbago (Diagnose-Nr. 717), vom 17.06.1980 bis 27.06.1980 wegen sonstiger nicht näher bezeichneter Krankheiten des Rückens (Diagnose-Nr. 724) und vom 06.05.1983 bis 27.05.1983 wegen Lumbago (Diagnose-Nr. 724.2) arbeitsunfähig geschrie-ben. Nach einer Stellungnahme der AOK Sachsen bestand vom 11.05.1993 bis 18.05.1993 wegen Lumbalgien und am 17.11.1995 wegen sonstiger Affektionen des Rückens Arbeits-unfähigkeit. Nach den Krankenunterlagen des Allgemeinmediziners Andreas war der Klä-ger vom 25.02.1997 bis 21.03.1997 wegen Radikulärsyndroms, vom 16.11.1998 bis 04.12.1998 und vom 19.01.1999 bis 16.02.1999 wegen Radikulärsyndroms und Lumbal-gie, vom 08.04.1999 bis 20.08.1999 wegen Radikulärsyndroms und vom 30.11.2000 bis 04.12.2000 wegen Lumbago arbeitsunfähig.
Bei der Röntgenuntersuchung vom Juli 1977 wurde eine geringe Verschmälerung der Bandscheiben L4/5 und L5/S1 mit leichten spondylotischen Reaktionen und eine geringe Verschmälerung der Bandscheiben der Brustwirbelsäule (BWS) mit leichten degenerativen Randwulstbildungen festgestellt. Der Röntgenbefund vom 04.12.1995 ergab eine Osteo-chondrose der Segmente L4/5 und L5/S1 mit Bildung kleiner Osteophyten, eine geringe Höhenminderung der Bandscheibe L3/4, ausgeprägte Höhenminderungen der Bandschei-ben L4/5 und L5/S1 mit Bandscheibenprotrusionen an beiden Segmenten. Am Segment L3/4 bestehe ein Prolaps.
Die Gewerbeärztin E. nahm am 13.10.1997 - lediglich auf der Grundlage der Einschätzun-gen der TAD der Beklagten vom 28.06.1996, der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik vom 30.05.1997 und der Beigeladenen zu 1) vom 30.07.1997 - Stel-lung, eine BK-Nr. 2108 BKV liege wegen Fehlens der haftungsbegründenden Kausalität nicht vor.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.12.1997 Leistungen wegen einer BK der Wirbel-säule ab. Gegen eine berufsbedingte Verursachung des Wirbelsäulenleidens spreche, dass beim Kläger bereits während der Lehre Wirbelsäulenbeschwerden aufgetreten seien. Zu-dem seien nach den übereinstimmenden Erhebungen der technischen Aufsichtsbeamten die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV nicht erfüllt. Zudem verwies sie auf die Stellungnahme der Gewerbeärztin vom 13.10.1997. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.1998 zurück.
Sein Begehren hat der Kläger mit der am 17.07.1998 zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage weiter verfolgt.
Das SG hat mit Beschluss vom 28.06.1999 die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten gemäß § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – beigeladen.
Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr. D. am 21.10.1999 nach Untersuchung des Klägers ein Gutachten erstellt. Erste Kreuzschmerzen seien bereits im letzten Lehrjahr, vor allem bei Belastung, aufgetreten. Anfang der 90er Jahre hätten die Beschwerden begonnen, in das rechte Bein auszustrahlen. Im Halswirbelsäulen- (HWS-) und BWS-Bereich bestünden keine Beschwerden. Das Schobersche Zeichen betrage 10/11 cm, das Ottsche Zeichen 30/32 cm. Der Finger-Boden-Abstand liege bei 64 cm. Das Laségue-Zeichen sei beidseitig negativ. Beim Kläger bestehe eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS. Es lägen jedoch polysegmentale degenerative Veränderungen an allen Wirbelsäulensegmenten vor, so dass von einer endogenen Verursachung dieser Veränderungen auszugehen sei. Der frühe Beschwerdebeginn spreche zudem für einen schicksalhaften Verlauf der Erkrankung. Die Röntgenaufnahmen aus dem Jahre 1993 zeigten gewisse Stigmata, die für einen abge-laufenen Morbus Scheuermann sprächen. Es bestünden eine leichte Keilform der Lenden-wirbelkörper 1 bis 3, insbesondere des Lendenwirbelkörpers 2, sowie Abrundungen der vorderen Begrenzungen der Grund- und Deckplatten an den Lendenwirbelkörpern L4 und L5. Dies spreche ebenfalls für eine endogene Verursachung der Erkrankung. Zudem sei der Kläger noch als Koch beschäftigt. Eine BK-Nr. 2108 BKV liege nicht vor.
Auf Veranlassung des Klägers hat der Chirurg OMR Dr. H. am 27.12.2000 nach Untersu-chung des Klägers ein weiteres Gutachten erstattet. Das Schobersche Zeichen betrage 10/11 cm, das Ottsche Zeichen 30/31 cm und der Finger-Boden-Abstand 70 cm. Das Lasé-gue-Zeichen sei beidseitig negativ. Im Rahmen der Begutachtung hat der Röntgenologe Dr. K. am 27.11.2000 ein radiologisches Zusatzgutachten gefertigt. Darin hat er einen Bandscheibenvorfall am Segment L3/4 sowie degenerative Veränderungen an der BWS und LWS in Form einer Osteochondrose und Spondylosis deformans diagnostiziert. Die Erkrankung der LWS habe im Verlauf des Zeitraums von 1977 bis 1999 deutlich zuge-nommen. Es bestehe zum Teil ein altersvorauseilender Befund. Aus den Röntgenaufnah-men ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte für einen Morbus Scheuermann. Daraufhin ist Dr. H. zu der Schlussfolgerung gelangt, ein Morbus Scheuermann habe nie vorgelegen. Der Röntgenbefund vom 22.06.1993 stelle den klassischen Befund eines Schwerarbeiters dar. An den Segmenten L5/S1 und L4/5 bestünden starke Osteochondrosen. Bei L3 sei ein Segmentsprung vorhanden, d. h. es lägen an diesem Segment noch keine krankhaften Ver-änderungen vor. Schäden seien zudem am Segment L2/3 nachweisbar. Die Erkrankung an den unteren LWS-Segmenten sei wesentlich durch die berufliche Tätigkeit des Klägers verursacht. Außerberufliche Mitursachen bestünden nicht. Der Kläger habe keinerlei Hob-bys ausgeführt, die die Wirbelsäule belasteten. Eine BK-Nr. 2108 BKV sei gegeben. Die BK-bedingte MdE betrage seit 1996 40 v. H.
Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr. D. am 17.01.2001 ergänzend Stellung genommen. Der frühe Beschwerdebeginn spreche gegen eine BK. Die Kompensationsfähigkeit gerade des Jugendlichen führe trotz erheblicher Belastung regelmäßig nicht zu einer bedeutsamen Schmerzsymptomatik der LWS. Zudem spreche das Vorliegen von degenerativen Verän-derungen an allen Wirbelsäulensegmenten gegen eine BK. Die einzige Deformität, die eine Erklärung für den Verschleiß an der LWS liefere, sei die leichte Keilform an den LWK 1 bis 3. Ob man diese einem Morbus Scheuermann zuordne oder als Ossifikationsstörung auffasse, sei gleichgültig. Entscheidend sei, dass hier eine pathologisch-anatomische Fehl-form der LWS vorliege, die in keinem Fall beruflich bedingt sei. Eine MdE von 40 v. H. sei zudem völlig überhöht. Allenfalls sei eine MdE von 20 v. H. gerechtfertigt.
Das SG hat mit Urteil vom 12.04.2001 die Klage abgewiesen. Obwohl der Kläger die wir-belsäulenbelastende Tätigkeit noch nicht aufgegeben habe, sei das BK-Recht der RVO anzuwenden, weil er ab 17.11.1995 erstmals wegen Wirbelsäulenbeschwerden arbeitsun-fähig gewesen sei. Beim Kläger mangele es am typischen medizinischen Bild einer BK-Nr. 2108 BKV. Ein belastungskonformes Schadensbild, d. h. ein von unten nach oben abneh-mender Schaden, liege nicht vor. Beim Kläger seien neben den Veränderungen an der LWS auch Veränderungen an der HWS und BWS vorhanden. Dies spreche gegen eine wesentliche berufliche Verursachung des LWS-Leidens. Zudem bestehe an den Segmenten L1 bis L3 eine im Jugendalter abgelaufene Verknöcherungsstörung.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18.06.2001 zugestellte Urteil hat dieser am 10.07.2001 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Das SG habe die Darlegung des Sachverständigen Dr. H. unberücksichtigt gelassen. Die Rücken-beschwerden des Klägers im frühen Jugendalter könnten nicht gleichgesetzt werden mit den jetzigen Beschwerden nach entsprechender Exposition. Unter Beschwerden der Quali-tät, wie sie zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung bestünden, habe der Kläger erstmals 1974, hiernach zunächst in größeren Intervallen und später dann in erheblich kürzeren Ab-ständen gelitten.
Der Senat hat mit Beschlüssen vom 18.12.2003 und 07.09.2005 die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft und die Berufsgenossenschaft Metall Süd jeweils gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen, weil sie als leistungspflichtig in Betracht kommen.
Auf Veranlassung des Senats hat der Chirurg Prof. Dr. G. am 27.03.2004 nach Untersu-chung des Klägers ein weiteres Gutachten erstattet. Das Schobersche Zeichen betrage 10/13 cm, das Ottsche Zeichen 30/32 cm, der Finger-Boden-Abstand 46 cm. Beim Kläger bestehe eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, die alle Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV erfülle. Die degenerativen Veränderungen der HWS und BWS seien bis 1998 asymptomatisch und ohne Funktionsstörungen geblieben. Die Veränderungen an der BWS seien erst 1995 und die an der HWS erst 1999 aufgrund röntgenologischer Untersu-chungen, mithin nicht klinischer Symptomatik, entdeckt worden. Dagegen habe der Kläger bereits im 19. Lebensjahr unter klinisch relevanten Beschwerden im LWS-Bereich gelitten, die 1977 röntgenologisch bereits indirekt als Folge einer Bandscheibenerkrankung durch Nachweis einer Verschmälerung der Zwischenwirbelräume im unteren LWS-Bereich mit sekundären degenerativen Veränderungen (spondylotische Aufwulstungen) objektiviert worden seien. Diese symptomatischen degenerativen Veränderungen seien bei einem 28-jährigen Mann dem kalendarischen Alter weit vorauseilend gewesen. Außerberufliche wir-belsäulenbelastende Tätigkeiten und/oder die Wirbelsäule stark belastende Sportarten habe der Kläger nie ausgeführt. Der Radiologe Dr. K. und er hätten auf den Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für einen Morbus Scheuermann erkennen können. Schmorlsche Knorpel-knötchen seien weder 1977, 1993, 1995 noch 1999 röntgenologisch sichtbar gewesen. Auch die für das Spätstadium einer Scheuermannschen Erkrankung typischen röntgenolo-gischen Veränderungen - verstärkte Kyphose, Konturenunregelmäßigkeiten, sklerotisch verdichtete Wirbelabschlussflächen, relativ lange und niedrige Wirbelkörper, erhebliche degenerative Reaktionen, Verschmelzung vorderer Wirbelkörperanteile mit einem oder mehreren thorakalen oder thorakolumbalen Segmenten - fänden sich beim Kläger weder 1995 noch 2002. Bei ihm seien an den Segmenten L5/S1, L4/5 und L3/4 belastungsadapti-ve Reaktionen nachweisbar. Für den Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Belas-tung und Erkrankung der unteren drei LWS-Segmente sprächen folgende Argumente: Der Kläger sei schon sehr frühzeitig einer extremen Belastung der Wirbelsäule ausgesetzt ge-wesen. Die Rückenbeschwerden am Ende der Lehrzeit seien die ersten Warn- und Leit-symptome für eine unphysiologische Belastung gewesen. Es bestehe ein belastungstypi-sches Schadensbild mit von unten nach oben abnehmenden Schäden an der LWS. Eine zeitliche Korrelation zwischen beruflicher Belastung und ersten Beschwerden liege vor. Bereits im 28. Lebensjahr habe beim Kläger ein vorauseilender Verschleiß der Zwischen-wirbelscheiben der LWS bestanden. Konkurrierende Ursachen aus dem privaten Bereich seien nicht vorhanden. Die beim Kläger vorliegende anlagebedingte geringe Bogenschluss-störung am 5. LWK und die anlagebedingte geringe Abrundung der Vorderkanten der LWS hätten keinen Einfluss auf die Ausbildung der degenerativen Erkrankung der LWS. Dies ergebe sich daraus, dass sich nachweislich der 3 mm große Spaltraum seit 1977 nicht vergrößert habe und somit eine mechanische Instabilität des Bewegungssegments ausge-schlossen sei. Der Kläger sei seit September 2001 zur Unterlassung aller Tätigkeiten ge-zwungen gewesen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die BK-bedingte MdE betrage seit Sep-tember 2001 20 v. H. und seit 08.03.2004 25 v. H.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 12.04.2001 und den Bescheid der Be-klagten vom 22.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.1998 aufzuheben, festzustellen, dass beim Kläger ab 08.10.2001eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt und die Beigeladene zu 3) zu verurteilen, ihm deswegen ab 13.01.2003 eine Verletztenrente nach einer Minde-rung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte, die Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) beantragen jeweils,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 3) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Beigeladene zu 3) richtet, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) erachten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Beigeladene zu 3) ist der Auffassung, nicht die zuständige Berufsgenossen-schaft zu sein. Zudem stehe einer Verurteilung die Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV) entgegen.
Der Einzelrichterin des Senats liegen die Verfahrensakten beiden Instanzen, die Verwal-tungsakte der Beklagten und die Akte des Amtes für Familie und Soziales A-Stadt vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin gemäß § 155 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig und begründet. Daher waren das Urteil des SG vom 12.04.2001 und der Bescheid der Be-klagten vom 22.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.1998 auf-zuheben. Ferner war festzustellen, dass der Kläger unter einer BK-Nr. 2108 BKV leidet. Die Beigeladene zu 3) war zu verurteilen, dem Kläger ab 13.01.2003 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren.
I.
Beim Kläger liegt der Versicherungsfall einer BK-Nr. 2108 BKV vor. Die Zwischenwir-belraumerniedrigung, die Osteochondrose und die Spondylosis deformans an den Segmen-ten L5/S1, L4/5 und L3/4 sind Folgen dieser BK.
Vorliegend ist die BK-Nr. 2108 BKV i. V. m. § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) maßgeblich, weil der Versicherungsfall am 08.10.2001, mithin nach dem 01.01.1997 eingetreten ist. Eingetreten ist der Versicherungsfall einer BK zu dem Zeit-punkt, zu dem sich die Gefährdungen realisiert haben, vor denen die gesetzliche Unfallver-sicherung Schutz gewähren soll, somit zu dem Zeitpunkt des Eintritts des Gesundheits-schadens, der die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale einer BK erfüllt (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand: 1/2004, Rn. 42 zu § 9). Diese sind gegeben, wenn die schädigende Einwirkung einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszu-stand verursacht hat, der die Krankheitsmerkmale eines Berufskrankheiten-Tatbestandes erfüllt und wenn gegebenenfalls erforderliche besondere Merkmale, insbesondere die Un-terlassung aller gefährdenden Tätigkeiten vorliegen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 6/2004, Rn. 7 zu § 9). Das Merkmal des Unterlassens aller ge-fährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu einer Erkran-kung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entste-hung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein kön-nen, tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt. Das Merkmal der Aufgabe der belastenden Tätigkeit ist erst dann erfüllt ist, wenn alle belastenden Tätigkeiten in vollem Maße aufgegeben worden sind (Bundessozi-algericht - BSG -, Urteil vom 22.06.2000, Az.: B 2 U 34/99 R, zitiert nach JURIS).
Der Kläger hat die gefährdende Tätigkeit am 08.10.2001 völlig aufgegeben. Ab diesem Zeitpunkt war er arbeitsunfähig erkrankt und hat hiernach auch nicht wieder eine wirbel-säulenbelastende Tätigkeit ausgeübt, so dass als Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungs-falls nur der 08.10.2001 in Betracht kommt. Vom 13.01.2003 bis 20.02.2003 und vom 25.08.2003 bis zum 31.10.2003 befand sich der Kläger in einer Arbeitserprobung bzw. auf einem Schonarbeitsplatz. Wirbelsäulenbelastende Tätigkeit hat er während dieser Zeiträu-me nach seiner glaubhaften Einlassung nicht mehr ausgeübt.
Eine Berufskrankheit nach BK-Nr. 2108 BKV liegt vor, wenn der Versicherte an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS leidet, die durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehal-tung verursacht worden ist, und der Versicherte durch die Erkrankung gezwungen wird, alle Tätigkeiten zu unterlassen, die ursächlich für die Entstehung oder die Verschlimme-rung dieser Erkrankung waren oder noch ursächlich sein können.
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammen-hang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (so genannte haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Tätigkeit und der Erkrankung andererseits (so genannte haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädi-genden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreichen (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2000, Az.: B 2 U 34/99 R, zitiert nach JURIS).
Der Kläger hat die von der BK-Nr. 2108 BKV geforderten arbeitstechnischen Vorausset-zungen zumindest grenzwertig erfüllt. Der Senat hat bereits mit Teil-Urteil vom 24.06.2004, Az.: L 2 U 54/03, zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der genannten BK Folgendes entschieden, dass sich die Einzelrichterin des Senats auch für das vorliegen-de Verfahren zu Eigen macht:
"Allein nach dem Wortlaut der BK-Nr. 2108 BKV kann nicht exakt bestimmt werden, was unter den Begriffen einer ‚schweren’ Last, einer ‚langjährigen’ Tätigkeit und einer ‚extre-men’ Rumpfbeugehaltung zu verstehen ist. Es ist jedoch in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung unbestritten, dass gerade bei schwierigen, insbesondere wissenschaftlich-technischen Zusammenhängen wegen der Komplexität der Materie eine bis ins Detail ge-hende Regelung im Gesetzes- oder Verordnungstext nicht zu erfolgen braucht (Entschei-dungen des BVerfG vom 08.01.1981 – 2 BvL 3/77, 9/77 – BVerfGE 56, 1, 12; vom 09.11.1988 – 1 BVR 243/86 – BVerfGE 79, 106,120). Dass sich die Frage, in welchem Ausmaß ein Zusammenhang zwischen langjährigem schweren Heben und Tragen bzw. einer entsprechenden Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung und der Entstehung band-scheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule besteht, als wissenschaftlich schwierig zu beurteilen erweist, belegt ihre vielfältige Behandlung sowohl in der unfallver-sicherungsrechtlichen als auch in der arbeitsmedizinischen Literatur. Es bleibt daher fest-zustellen, dass der Verordnungsgeber nicht gehindert war, die Klärung solcher Gesichts-punkte zunächst der Verwaltung und Rechtsprechung zu überlassen. Er durfte durch die gezielte Verwendung auslegungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe die Norm für zukünftige Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft öffnen (BSG, Urteil vom 02.05.2001 – B 2 U 16/00 R – SozR 3-2200 § 551 Nr. 16, S. 82 m.w.N.).
Dies besagt nicht, dass zwischenzeitlich alle erheblichen Fragen abschließend geklärt wä-ren. Maßgebend für die Entscheidung dieser Streitsache ist, dass die Regelung in BK-Nr. 2108 BKV aufgrund des derzeitigen Standes der medizinischen Erkenntnisse eine hinrei-chend bestimmte Grundlage für eine gleichmäßige Rechtsanwendung bietet. Gegenwärtig kommt dabei dem MDD besondere Bedeutung zu.
Das BSG hat die Anwendung des im Wesentlichen von Seiten der Verwaltung entwickel-ten MDD zur notwendigen Konkretisierung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK-Nr. 2108 BKV im Sinne einer Ermittlung der tatsächlichen Belastung des Versicherten (grundlegend dazu Jäger, Luttmann, Bolm-Audorff, Schäfer, Hartung, Kuhn, Paul, Francks, ASUMed 1999, S. 101 ff., 112 ff. und 143 ff.), das zwischenzeitlich für weite Bereiche eingeführt wurde (vgl. Fröde, Sozialer Fortschritt 2001, 117, 120; Hofmann, Bolm-Audorff, Dupuis, Rehder, ZblArbeitsmed 2200, 78, 86 f.) in zwei Urteilen vom 18.03.2003 (B 2 U 13/02 R – SozR 4-2700 § 9 Nr. 1) und vom 19.08.2003 (B 2 U 1/02 R) nicht beanstandet. Dieser Rechtsprechung, die auf zwei, dass MDD als geeignete Entschei-dungsgrundlage ansehenden Urteilen des LSG für das Saarland beruht, folgt der Senat.
Das MDD dient der Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe ‚langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten’. Es basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass band-scheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch äußere Einwirkungen verursacht werden können und dafür eine gewisse Belastungsdosis im Sinne eines Drucks auf die Bandschei-ben notwendig ist. Insofern handelt es sich um die Zusammenfassung medizinischer Erfah-rungstatsachen. Die gerichtliche Anwendung des MDD beruht daher auf einer tatsächli-chen Feststellung dahin, dass es diese Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsa-chen gibt.
Nach Auffassung des BSG ist das MDD zumindest derzeit ein geeignetes Modell, um – worauf es hier ankommt – die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjäh-riges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen (Hinweis des BSG auf B., BG 2001, 365, 368; ASUMed 1999, 101, 102). Zwar arbeitet dieses Modell mit gewissen Vorgaben, etwa indem die Langjährigkeit mit mindestens 7 Jahren angesetzt wird (Hinweis des BSG auf ASUMed 1999, 112, 113) und nach Geschlecht und Lebensalter differenziert bestimmte Mindestlastgewichte festgelegt werden (Hinweis des BSG auf ASUMed 1999, a.a.O.). Diese Vorgaben sind jedoch nicht frei gegriffen, sondern sind ih-rerseits wiederum medizinische Erfahrungstatsachen, die sich an den in epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe (Pflege, Bau, Transport) gewonnenen Werten ori-entieren (Hinweis des BSG auf ASUMed 1999, 101, 104, 105). Sie knüpfen zudem an das vom seinerzeit zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) he-rausgegebene Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK-Nr. 2108 BKV (BArbBl 3/93, S. 50) an (Hinweis des BSG auf Jäger, Luttmann, Bolm-Audorff, Schäfer, Hartung, Kuhn, Paul, Francks, ASUMed 1999, 101, 103; Becker, SGB 2100, 488, 490). Dieses Merkblatt ist zwar nicht in erster Linie als juristische Arbeitshilfe, sondern als Hilfsmittel für die ärztliche Untersuchung gedacht (BSG, Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 34/99 R – SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; Becker, SGB 2001, 488, 489); es beansprucht daher weder in irgendeiner Weise eine rechtliche Verbindlichkeit noch gibt es zwingend den neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Forschungsstand wieder (BSG, a.a.O.). Aller-dings ist nicht zu übersehen, dass das Merkblatt über weite Passagen wortgleich mit der amtlichen Begründungseinführung der BK in der BR-Drucks. 773/92 ist. Das bedeutet, dass das MDD wichtige Eckpunkte einbezieht, die als Motive für den seinerzeitigen Ver-ordnungsgeber wegweisend waren.
Dadurch, dass das MDD darüber hinaus auch weitere, nach Erlass der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) gewonnene Forschungsergebnisse, etwa das Prinzip des quadratischen Ansatzes (Hinweis des BSG auf ASUMed 1999, 101, 107) berücksichtigt, und daraus entscheidende Schlussfolgerungen, nämlich die Aufstellung von Richtwerten, zieht (Hinweis des BSG auf ASUMed 1999, 101, 109), bewegt es sich nicht über den im Hinblick auf den Bestimmt-heitsgrundsatz mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu erschließenden Normbereich hinaus. Es ist gerade in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich bereits der Verordnungsgeber des Problemfeldes der ‚Ursache-Wirkungs-Beziehung’ bzw. ‚Dosis-Häufigkeitsbeziehung’ bewusst war (BR-Drucks. 773/92 S. 8).
Allerdings steht das MDD nach wie vor aus verschiedenen Gründen, etwa im Hinblick auf die wissenschaftlichen Grundlagen des Modells, den konkreten Berechnungsmodus, die ‚Richtwerte’ bzw. die fehlende Berücksichtigung der individuellen Konstitution in der Kri-tik (vgl. Becker, SGB 2001, 488, 491; Liebers, Caffier, ASUMed 2001, 447, 450; zusam-menfassend Hartmann, ASUMed 2200, 580), die von seinen Befürwortern zum Teil aner-kannt wird (vgl. Schäfer, Hartung, Bolm-Audorff, Luttmann, Jäger, SGB 2002, 202, 203). Dennoch wird das Modell auch von seinen Kritikern regelmäßig als ein Ansatz angesehen, der weiter verfolgt werden sollte (Liebers, Caffier, a.a.O., 456; Becker, a.a.O., 491, 492; Hartmann, a.a.O.). Darüber, wie dies im Einzelnen geschehen sollte, gehen zwar die Mei-nungen auseinander; grundsätzlich kann jedoch aus den wissenschaftlichen Diskussionen des MDD (vgl. gegen die Kritiker: Jäger, Luttmann, Bolm-Audorff, Schäfer, Hartung, Kuhn, Paul, Francks, ASUMed 2200, 580; Schäfer, Hartung, Bolm-Audorff, Luttmann, Jäger, SGb 2002, 202) der Schluss gezogen werden, dass jedenfalls durch das Modell – natürlich mit Abstrichen – erstmals eine von den Unfallversicherungsträgern einheitlich angewandte praktikable Arbeitsgrundlage für die Bemessung der belastungsbedingten Do-sis in Bezug auf ein Erkrankungsrisiko zur Verfügung steht. Weitere ‚epidemiologische Fall-Kontroll-Studien zur Untersuchung von Dosis-Wirkung-Beziehungen bei der BK-Nr. 2108 BKV’ werden derzeit durchgeführt (vgl. Bolm-Audorff, ZblArbeitsmed 2300, 11, 14). Er überprüft damit die Vorgaben des MDD und erwartet wesentlich vertiefte Erkennt-nisse über den Verlauf der Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen beruflichen Wirbelsäulen-belastungen und bandscheibenbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankungen (Bolm-Audorff, a.a.O.). Aus heutiger Sicht ist damit eine Verbreitung der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erwarten, die zu einer weiter verbesserten Eingrenzung der unbestimmten Rechtsbegriffe der BK-Nr. 2108 BKV beitragen kann.
Zwar sind die im MDD zusammengefassten Dosiswerte für die arbeitstägliche Druckbelas-tung der Bandscheiben im LWS-Bereich und der Gesamtdosiswert keine festen Grenzwer-te, sondern allenfalls Orientierungswerte. Das MDD selbst spricht insoweit von Schwel-lenwerten oder Richtwerten. Das ist rechtlich zutreffend. Grenzwerte, bei deren Über-schreitung die Kausalität im Einzelfall stets auszuschließen ist bzw. bei deren Erreichen sie u.U. – erleichtert – angenommen werden kann, können nur im Wege der Rechtssetzung durch den Verordnungsgeber in die BKV eingeführt werden. Das ist hier bei der BK-Nr. 2108 BKV schon im Hinblick auf die insoweit noch nicht ausreichenden Erkenntnisse noch nicht geschehen. Das MDD ist keine Rechtsnorm, sondern eine Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen und damit eine Hilfe bei der Beurteilung des Kausalzu-sammenhangs (vgl. Krasney, ZblArbeitsmed 2003, 45) und kann daher keine festen Grenzwerte vorsehen.
Das BSG hat unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das MDD eine vielversprechen-de, aber noch nicht ausgereifte Methode zur Beurteilung der berufsbedingten LWS-Belastung ist, in seinem Urteil vom 19.08.2003 (B 2 U 1/02 R) das die BK-Nr. 2108 BKV verneinende Urteil des LSG für das Saarland nicht beanstandet, das ausgehend von einer Gesamtbelastungsdosis von 12,5 x 106 Nh das Vorliegen eines ausreichenden Ausmaßes von Versicherteneinwirkungen i. S. der BK-Nr. 2108 BKV beim Kläger verneint hat. Wird nur die Hälfte der nach dem MDD erforderlichen Gesamtdosis von 25 x 106 Nh erreicht, soll grundsätzlich eine weitere Ermittlung zum Krankheitsbild oder dem medizinischen Kausalzusammenhang nicht erforderlich sein. Denn dieser Wert von 12,5 x 106 Nh sei nicht einmal ‚grenzwertig’.
Der Senat geht davon aus, dass angesichts des vom BSG differenziert geschilderten derzei-tigen Erkenntnisstandes zur Validität des MDD und des bloßen Orientierungscharakters seiner Dosiswerte bis auf Weiteres und vorbehaltlich neuerer Erkenntnisse eine Einzelfall-prüfung unter Berücksichtigung der arbeitstechnischen und medizinischen Besonderheiten des jeweiligen Sachverhaltes bereits dann vorzunehmen ist, wenn die individuelle Gesamt-belastungsdosis nicht bloß unerheblich mehr als die Hälfte des Orientierungswertes be-trägt, der vom MDD als "Mindest-Gesamtdosis" angenommen wird. Dieser Ansatz trägt dem nach wie vor bestehenden Erprobungscharakter des MDD Rechnung und vermeidet eine Festlegung auf einen anderen Orientierungswert, der sich in der Praxis der Berufsge-nossenschaften und der Tatsachengerichte doch wie ein Grenzwert auswirken würde. Wenn ein Sozialgericht einen Wert zwischen 12,5 und 25 x 106 Nh billigt, unterhalb des-sen grundsätzlich keine weiteren Ermittlungen mehr vorzunehmen sind - vorausgesetzt dieser Belastungswert steht in seinen tatsächlichen Grundlagen außer Streit -, und dieser Wert von den Rechtsanwendern akzeptiert wird (werden muss), legt es de facto richter-rechtlich doch einen Grenzwert fest, selbst wenn es die Wirkung dieser Festlegung sprach-lich nicht als Grenzwert formuliert.
Ziel des Senates ist es einerseits, dem MDD, schon um die Gleichbehandlung von Sach-verhalten zu verbessern, die Entwicklungsmöglichkeiten zu belassen. Es soll aber anderer-seits die gerade unter Geltung der sozialrechtlichen Kausallehre besonders betonte Einzel-fallbetrachtung bei noch nicht endgültig gesicherten empirischen Grundlagen des MDD mit ‚faktischen Grenzwerten’ des MDD oder anderen willkürlich angenommenen geringe-ren Werten nicht beiseite geschoben werden. Gerade die Postulierung von Orientierungs-werten unterhalb des MDD-Gesamtdosiswertes ist allenfalls im Hinblick auf eine sehr deutliche Unterschreitung dieses Wertes aus sich heraus begründbar. Für den Senat war in diesem Zusammenhang der Umstand beachtlich, dass ein Maurer unter Zugrundelegung der Ausführungen bei Schäfer, Hartung u. a. in SGb 2002, 202 bei arbeitstypischer Wirbel-säulenbelastung über 18 Jahre benötigen würde, um den Wert von 25 x 106 Nh zu errei-chen. Dies bedeutet eine beträchtliche Anhebung der Langjährigkeit Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die bisherigen epidemiologischen Studien es rechtfertigen, von einer im Merkblatt angenommenen, normativ nicht verbindlichen Mindestexpositionszeit von 10 Jahren in einem für die Einführung der BK-Nr. 2108 BKV typischen Beruf deutlich (um 80 %) nach oben abzuweichen. Allerdings bedeutet eine Unterschreitung des MDD-Orientierungswertes, dass besondere Anforderungen an die medizinische Beurteilung des Kausalzusammenhanges zu stellen sind ...
Der Kläger war hier einer Gesamtbelastungsdosis von 18,86 x 106 Nh ausgesetzt, also etwa ¾ des MDD-Orientierungswertes. Es ist daher eine Einzelfallbetrachtung geboten."
Im vorliegenden Verfahren war der Kläger nach den Feststellungen des TAD der Beigela-denen zu 2) einer Gesamtbelastungsdosis von 17,1 x 106 Nh - und unter Zugrundelegung der durch die Beigeladene zu 3) für den Zeitraum vom 02.09.1968 bis 25.10.1972 ermittel-ten Belastung einer Gesamtbelastungsdosis von 16,4 x 106 Nh - ausgesetzt, also etwas we-niger als ¾ des MDD-Orientierungswertes. Die individuelle Gesamtbelastungsdosis des Klägers hat jedoch die Hälfte des Orientierungswertes von 25 x 106 nicht bloß unerheblich überschritten. Es ist daher unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats auch hier eine Einzelfallbetrachtung geboten.
Der Kläger leidet an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in Form von Zwi-schenwirbelraumerniedrigungen, Osteochondrosen und einer Spondylosis deformans der LWS-Segmente L5/S1, L4/5 und L3/4. Dies haben die Gutachter Prof. Dr. G., Prof. Dr. D., Dr. K. und Dr. H. übereinstimmend zur vollen Überzeugung der Einzelrichterin des Se-nats festgestellt.
Diese Erkrankungen haben zu einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit ab 08.10.2001 und der Aufgabe der schädigenden Tätigkeit geführt. Diese bandscheibenbedingte Erkran-kung wurde auch mit Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Tätigkeit des Klägers als Fleischerlehrling und Fleischer wesentlich (mit-)verursacht.
Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS sind regelmäßig nicht monokausal erklär-bar, weil nicht nur berufliche Belastungen auf die LWS einwirken, sondern immer auch eine Disposition (Vulnerabilität) eine Rolle spielen kann. Dann, wenn schon unter "norma-len" Belastungen des täglichen Lebens bandscheibenbedingte Erkrankungen auftreten, ist immer damit zu rechnen, dass auch Versicherte, die langjährig den in BK-Nr. 2108 BKV genannten Belastungen ausgesetzt sind, zu jenem Personenkreis gehören, dessen Band-scheibengewebe allgemein weniger widerstandsfähig ist. Bei solch kausaler Konkurrenz ist nach der im Sozialrecht geltenden Kausalitätstheorie unter Abwägung des Werts der ein-zelnen Bedingungen festzustellen, ob das versicherte Risiko (mit Wahrscheinlichkeit) rechtlich wesentlich zum Erfolg beigetragen hat. Dabei schließt die Mitwirkung (einer oder mehrerer) rechtlich wesentlicher Ursachen aus dem unversicherten Bereich den Versiche-rungsschutz nicht aus. Das ist nur dann der Fall, wenn solche Umstände rechtlich allein wesentlich sind. Sie müssen die versicherten Umstände überragen oder - anders ausge-drückt - in den Hintergrund drängen. Rechtlich wesentlich sind die beruflichen Ursachen mithin nicht nur dann, wenn sie im Vergleich zu den übrigen Bedingungen gleichwertig oder annähernd gleichwertig sind, sondern bereits auch dann, wenn sie zwar nicht gleich-wertig, aber auch nicht völlig zu vernachlässigen sind. Dabei muss die jeweilige Beziehung zum Erfolg nicht sicher feststehen, sondern nur wahrscheinlich sein. Diese Grundsätze sind auch auf die Kausalitätsbetrachtung von berufsbedingten Bandscheibenerkrankungen der LWS und deren weiteren Folgen anzuwenden (Urteil des Senats vom 25.10.2002, Az.: L 2 U 41/99). Die Einzelrichterin des Senats geht davon aus, dass der versicherten Tätigkeit eine solchermaßen umschriebene wesentliche Bedeutung zukommt, weil die anderen be-rufskrankheitsunabhängigen Ursachenbeiträge nicht von überragender Bedeutung sind.
Zwar liegen beim Kläger auch Verschleißerscheinungen an der HWS und BWS vor. So leidet der Kläger an einer geringen Spondylosis deformans des HWS-Segments C5/6, einer Osteochondrose und Zwischenwirbelraumverschmälerung des Segments C6/7, einer Oste-ochondrose der BWS-Segmente Th 7 bis 9 und einer spangenbildenden Spondylosis de-formans der Segmente Th 6 bis 9.
Nach Auffassung des Senats, dem die Einzelrichterin angehört und die sie teilt, ist es nicht zulässig, zu fordern, dass der nicht berufsbedingt exponierte Abschnitt der Wirbelsäule nicht oder nur weniger degenerativ verändert ist als der belastete. Häufig wird sich dieser Argumentation bedient, wenn sowohl die LWS als auch die HWS und BWS bandschei-benbedingte Erkrankungen aufweisen. Diese These ist, nach ständiger Rechtsprechung des 2. Senat des Sächsischen LSG (u. a. Urteil vom 25.10.2002, Az.: L 2 U 175/99), jedoch nicht plausibel. Denn sie würde zum einen nur dann ein verlässliches Ausschlusskriterium darstellen, wenn bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS und BWS auch ohne be-rufliche Exposition der LWS nahezu immer mit einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS einhergingen, also nicht isoliert aufträten. Dies ist nirgends belegt. Zudem geht die These, wonach schwerwiegende Veränderungen im beruflich nicht exponierten HWS-Bereich einen Rückschluss auf die berufsunabhängige Entstehung im beruflich exponierten LWS-Bereich zuließen, von der stillschweigenden Voraussetzung aus, dass das gesamte Bandscheibengewebe im Einzelfall aus ansonsten nicht näher bekannten und vorab er-kennbaren Gründen anlagebedingt minderwertig(er) sei. Es handelt sich also um ein indi-rektes Verfahren. Da aber jede Bandscheibe durch langjährige Einwirkung von schwerem Heben und Tragen von Lasten belastet wird, aber nicht bei jedem Exponierten eine ent-sprechende bandscheibenbedingte Erkrankung auftritt, setzt die Entstehung einer Berufs-krankheit immer - individuell verschiedene - Vulnerabilität gegenüber beruflichen Einwir-kungen voraus. Sind die Veränderungen deutlich unterschiedlich und der nicht oder we-sentlich geringer exponierte Wirbelsäulenbereich wesentlich stärker degenerativ verändert als der beruflich stark belastete Wirbelsäulenbereich, kann nicht plausibel auf eine generel-le Minderbelastbarkeit des Bandscheibengewebes geschlossen werden. Denn dann müssten im exponierten Wirbelsäulenabschnitt erst recht degenerative Veränderungen nachweisbar sein. Bei in etwa gleichwertiger degenerativer Veränderung von HWS, BWS und LWS gilt nichts anderes. Geht man in derartigen Fällen von der These der generalisierten Minder-wertigkeit des Bandscheibengewebes aus, müsste der exponierte Wirbelsäulenabschnitt einen stärkeren Befund aufweisen als der nicht exponierte. Sind aber die Bandscheiben der beruflich exponierten LWS noch stärker degenerativ verändert als die Bandscheiben der HWS und BWS, legt dies die Annahme im Einzelfall nahe, dass das Bandscheibengewebe zwar physiologisch minderwertig ist, jedoch die berufliche Exposition gleichwohl eine wesentliche Teilursache darstellt. Daraus folgt, dass ein Vergleich zwischen exponierten und nicht exponierten Wirbelsäulenabschnitt nur geeignet ist, einen Kausalzusammenhang unter bestimmten Voraussetzungen zu stützen, nicht jedoch, ihn in Zweifel zu ziehen, ohne die eigenen gedanklichen Prämissen zu verletzen.
Die Wirbelsäulensegmente L5/S1 und L4/5 (sowie L3/4) des Klägers, die nachweisbar erheblich beruflich exponiert waren, waren früher und sind stärker degenerativ verändert als diejenigen der HWS und BWS. Dies ergibt sich insbesondere aus dem radiologischen Gutachten von Dr. K. , aber auch den Gutachten von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. G ... Die degenerativen Veränderungen der HWS und BWS sind - nach den Feststellungen von Prof. Dr. G., denen die Einzelrichterin des Senats folgt - bis 1998 asymptomatisch und ohne Funktionsstörungen geblieben. Die Veränderungen an der BWS sind erst 1995 und die an der HWS erst 1999 aufgrund röntgenologischer Untersuchungen, mithin nicht klinischer Symptomatik, entdeckt worden. Dagegen hat der Kläger bereits 1977 unter einer röntgeno-logisch nachgewiesenen Verschmälerung der Zwischenwirbelräume im unteren LWS-Bereich mit sekundären degenerativen Veränderungen (spondylotische Aufwulstungen) gelitten. Diese symptomatischen degenerativen Veränderungen waren bei einem 28-jährigen Mann dem kalendarischen Alter weit vorauseilend. Es kann daher – wenn man das Differenzargument als gültig ansieht – gefolgert werden, dass gerade die erheblichen beruflichen Belastungen maßgeblich zum vorzeitigen Verschleiß des exponierten Wirbelsäulenabschnitts geführt haben. Das Differenzargument stützt folglich im vor-liegenden Fall die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs.
Daneben besteht beim Kläger entsprechend der übereinstimmenden Feststellungen durch die Gutachter Prof. Dr. D., Dr. H. und Prof. Dr. G. eine geringe Skoliose, die jedoch sta-tisch nicht relevant ist.
Eine Scheuermannsche Erkrankung ließ sich beim Kläger nach den übereinstimmenden und schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. G., Dr. K. und Dr. H. nicht nachweisen. Prof. Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.01.2001 die zunächst vertretene Auffassung, ein Morbus Scheuermann sei beim Kläger gegeben, nicht mehr aufrechterhal-ten.
Auch die Tatsache, dass erste LWS-Beschwerden, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führten, bereits 1971 und 1974 auftraten, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Zum einen war der Kläger 1971 lediglich 12 Tage und 1974 lediglich einen Tag arbeitsunfähig geschrieben, so dass von einem durchgängig bestehenden Leidenszustand nicht die Rede sein kann. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits sehr früh, nämlich im Alter von 14 Jahren, wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten aufnahm.
Da – wie oben bereits dargestellt – der Kläger langjährig beruflichen Belastungen durch Heben und Tragen von Lasten ausgesetzt war und die Entwicklung der Beschwerden mit den Belastungen durch Heben und Tragen korrelierte, spricht auch nach Auffassung der Einzelrichterin des Senats mehr für als gegen eine wesentliche Teilverursachung der band-scheibenbedingten Erkrankung in den unteren LWS-Segmenten durch die berufliche Expo-sition. Andere konstitutionelle bzw. anlagebedingte Ursachen, die das Auftreten der Ge-sundheitsstörungen in den drei unteren LWS-Segmenten allein wesentlich plausibel erklä-ren, liegen nicht vor. Sie ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem von Prof. Dr. D. gefertigten Gutachten. Außerberufliche wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten und/oder die Wirbelsäule stark belastende Sportarten hat der Kläger nach dem für die Einzelrichterin des Senat schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. G. nicht ausgeführt.
Die Verletztenrente ist ab 13.01.2003 zu gewähren. Die Verletztenrente ist gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII von dem Tag an zu zahlen, der auf den Tag folgt, an dem der An-spruch auf Verletztengeld endet. Das Verletztengeld endet gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Beim Kläger bestand ausweislich der Stellungnahmen der AOK Sachsen vom 02.09.2005 und vom 26.05.2003 BK-bedingte Arbeitsunfähigkeit bis 12.01.2003.
Angesichts der LWS-Beschwerden ist - wie von Prof. Dr. G. in seinem Gutachten und von Prof. Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme übereinstimmend und für die Einzelrich-terin des Senats nachvollziehbar eingeschätzt - die MdE ab Rentenbeginn mit 20 v. H. zu bewerten. Beim Kläger bestand bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. D. am 20.10.1999 ein Schobersches Zeichen von 10/11 cm. Der Finger-Boden-Abstand be-trug 64 cm. Das Laségue-Zeichen war als Pseudolaségue beidseitig bei 60° positiv. Dr. H. erhob im Rahmen der Untersuchung für sein am 27.12.2000 erstelltes Gutachten ebenfalls ein Schobersches Zeichen von 10/11 cm. Der Finger-Boden-Abstand betrug 70 cm. Das Laségue-Zeichen war als Pseudolaségue bei 65° positiv. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. G. betrug das Schobersche Zeichen 10/13 cm. Der Finger-Boden-Abstand lag bei 46 cm. Folglich ist eine starke Funktionseinschränkung der LWS nachgewiesen. Ein chroni-sches Wurzelreizsyndrom bestand jedoch nicht. Daher war der MdE-Einschätzung von Dr. H. nicht zu folgen. Die von Prof. Dr. G. in seinem Gutachten ausgewiesene Erhöhung der MdE ab 08.03.2004 auf 25 v. H. ist wegen der Regelung des § 73 Abs. 3 SGB VII nicht beachtlich.
II.
Die Beigeladene zu 3) ist zur Gewährung einer Verletztenrente gem. § 75 Abs. 5 SGG zu verurteilen, weil sie gemäß § 134 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 2 und § 3 der Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten vom 01.04.1994 (HV-Info 13/1995 S. 1078) in der ab 01.01.1997 geltenden Fassung (Mehrtens/Perlebach, a.a.O., Stand: 02/2004, F 1) der zuständige Unfallversicherungsträger ist.
Gem. § 134 SGB VII richtet sich die Zuständigkeit nach dem Unternehmen, in dem die gefährdende Tätigkeit zuletzt ausgeübt wurde; die Unfallversicherungsträger können Nähe-res, auch Abweichendes, durch Vereinbarung regeln. Nach § 3 der auf dieser Rechtsgrund-lage erlassenen o.g. Vereinbarung ist der Unfallversicherungsträger, auf den die letzte ge-fährdende Tätigkeit vor der Meldung entfällt, für die Feststellung (und Entschädigung) der BK zuständig. Gem. § 2 der Vereinbarung gelten als gefährdende Tätigkeit alle Arbeiten, die ihrer Art nach geeignet waren, die BK zu verursachen. Die Beurteilung erfolgt nach objektiven Kriterien entsprechend dem aktuellen Stand der Erkenntnisse.
Zu der genannten Vereinbarung der Berufsgenossenschaften existieren Erläuterungen (vgl. Mehrtens/Perlebach, a.a.O.). Nach Ziffer 5.1.1 der Erläuterungen ist für eine ab 01.04.2002 gemeldete BK-Nr. 2108 BKV von einer gefährdenden Tätigkeit im Sinne des § 2 der Ver-einbarung auszugehen, wenn der Versicherte an mindestens 60 Tagen (Arbeitsschichten) pro Jahr eine Tätigkeit mit einer Belastung von mindestens 5.500 Nh bei Männern und 3.500 Nh bei Frauen verrichtet hat. Ziffer 5.2.1 der Erläuterungen regelt, dass für Meldun-gen vor dem 01.04.2002 weiterhin die in dem Merkblatt zur jeweiligen BK-Nr. genannten Lastgewichte/Arbeitsbedingungen maßgeblich sind.
Es kann dahinstehen, ob die genannten Erläuterungen im Widerspruch zur Regelung in § 2 der Vereinbarung stehen. Dafür spricht, dass nach § 2 der Vereinbarung auf die objektiven Kriterien entsprechend dem aktuellen Stand der Erkenntnisse abzustellen ist. Das oben bereits ausführlich erläuterte MDD wurde in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entwi-ckelt und entspricht spätestens seit 1999 dem aktuellen Stand der Erkenntnisse zur Ermitt-lung der gefährdenden Tätigkeit i.S. einer BK-Nr. 2108 BKV (Jäger/Luttmann/Bolm-Audorff/Schäfer/Hartung/Kuhn/Paul/Francks, Mainz-Dortmunder Dosismodell zur Beur-teilung der Belastung der LWS durch Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch Tä-tigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bei Verdacht auf Berufskrankheit Nr. 2108, Teil 1, 1999; Hartung/Schäfer/Jäger/Luttmann/Bolm-Audorff/Kuhn/Paul/Francks, Mainz-Dortmunder Dosismodell zur Beurteilung der Belastung der LWS durch Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bei Verdacht auf Berufskrankheit Nr. 2108, Teil 2, 1999; Schäfer/Hartung/Bolm-Audorff/Luttmann/Jäger, SGb 2002, S. 202). Nach ihm wird seither – unabhängig vom Zeitpunkt der Meldung der BK – ermittelt, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV vor-liegen. Es ist kein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich, in Fällen, in denen das Vor-liegen einer ausreichenden Exposition nach dem MDD beurteilt wird, bei der Frage der Zuständigkeit nach einem hiervon abweichenden Maßstab – nämlich bei Meldung vor dem 01.04.2002 gem. Ziffer 5.2.1 der Erläuterungen nach den im Merkblatt zur BK-Nr. 2108 BKV genannten Lastgewichten/Arbeitsbedingungen – mithin einem veralteten und nicht gleichermaßen exakten Maßstab vorzugehen. Das kann – wie vorliegend – doppelte Er-mittlungen erfordern und sogar zu nicht im Einklang mit dem aktuellen Stand der Erkennt-nisse stehenden Ergebnissen führen (z.B. Anforderungen nach dem Merkblatt, nicht jedoch nach dem MDD, erfüllt). Zudem ist vorliegend nicht abschließend darauf einzugehen, ob die o.g. Erläuterungen für die Gerichte maßgeblich sind.
Vorliegend hat der Kläger die letzte gefährdende Tätigkeit sowohl bei einem Abstellen auf den aktuellen Stand der Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, mithin das MDD, das eine Tätigkeit nur dann als gefährdende Tätigkeit bei der Berechnung der Gesamtbelastungsdosis berücksichtigt, wenn die Tagesdosis mindestens 5.500 Nh beträgt (so auch Ziff. 5.1.1 der Erläuterungen), als auch bei einem Abstellen auf die Arbeitsbedin-gungen und Lastgewichte nach dem Merkblatt (Ziff. 5.2.1 der Erläuterungen) bis zum 25.10.1972 ausgeübt.
Nach den übereinstimmenden, nachvollziehbaren und für die Einzelrichterin des Senats plausiblen Ermittlungen der TAD der Beigeladenen zu 1) und 2) hat lediglich bis zum 25.10.1972 eine Tagesdosis von mindestens 5.500 Nh (an mindestens 60 Tagen pro Jahr) vorgelegen. Im Zeitraum vom 16.03.1982 bis zum 09.07.1990 hat der Kläger hingegen lediglich eine Tagesdosis von maximal 4.400 Nh erreicht. Insbesondere der TAD der Bei-geladenen zu 2) hat seine Einschätzung nach sehr gründlichen Ermittlungen auf der Basis einer ausführlichen Befragung des Klägers durch die Gewerbeärztin und nach eigener in-tensiver Befragung getroffen. Die Beurteilung stimmt zudem mit der abschließenden Ein-schätzung der Gewerbeärztin überein.
Der Einschätzung des TAD der Fleischerei-Berufsgenossenschaft vom 17.11.2005 folgt die Einzelrichterin des Senats hinsichtlich der Berechnung der Belastung im Zeitraum von 16.03.1982 bis 09.07.1990 nicht. Diese basiert auf Angaben des Klägers, die für die Ein-zelrichterin des Senats - die insoweit die von der Gewerbeärztin geäußerte Auffassung teilt - nicht glaubhaft sind. So hatte der Kläger nach dieser Stellungnahme im genannten Zeit-raum auch Kartoffeln auf- und abzuladen, Getränkekisten umzusetzen, Nährmittel und Gemüsekonserven zu heben und zu tragen. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den bishe-rigen Ermittlungen. Nach der vom Kläger im Rahmen der Ermittlungen des TAD der Bei-geladenen zu 2) erarbeiteten und unterschriebenen Stellungnahme vom 02.06.2005 war er von 1982 bis 1990 als Fleischer in einer von der Küche räumlich abgetrennten Fleischerei tätig und hat lediglich Fleisch verarbeitet und auch lediglich dieses gehoben und getragen. Dies entspricht auch den Erhebungen der Gewerbeärztin, die – wie bereits erwähnt – auf einer persönlichen Befragung des Klägers beruhen.
Auch bei einem Abstellen auf die Arbeitsbedingungen und Lastgewichte nach dem Merk-blatt (Ziff. 5.2.1 der Erläuterungen) ergibt sich kein anderes Ergebnis. Der Kläger hat nach den übereinstimmenden und für die Einzelrichterin des Senats schlüssigen Einschätzung des TAD der Beigeladenen zu 1) vom 30.07.1997 sowie der korrigierten Beurteilung durch die Gewerbeärztin Dr. E. vom 20.04.2005 und ihrer abschließenden Einschätzung vom 21.11.2005 im Zeitraum vom 16.03.1982 bis 09.07.1990 nicht in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten in der nach dem Merkblatt erforderlichen Häufigkeit - nach dem Merkblatt sind ca. 40 Hebe- und Tragelasten erforderlich - schwere Lasten gehoben und getragen. Nach den für die Einzelrichterin des Senats plausiblen übereinstimmenden Erhe-bungen der Gewerbeärztin und des TAD der Beigeladenen zu 2) war eine ausreichende Häufigkeit der Hebe- und Trageleistungen lediglich an den maximal zwei Anlieferungsta-gen pro Woche gegeben. An den übrigen Arbeitstagen hat der Kläger nach den Erhebun-gen der Beigeladenen zu 2) und den Einschätzungen der Gewerbeärztin lediglich 34 (am Tag, an dem neben der normalen Fleischertätigkeit die im Froster befindlichen Kisten um-gestapelt wurden) bzw. 4 ausreichende Hebe- und Trageleistungen ausgeführt (zu den nach dem Merkblatt erforderlichen Lastgewichten vgl. Mehrtens/Perlebach, a.a.O., Merkblatt zur BK-Nr. 2108 BKV, Ziff. IV).
Aus der Stellungnahme des TAD der Beigeladenen zu 1) vom 14.03.2005 ergibt sich nichts anderes. In der verbalen Einschätzung ist dort ebenfalls ausgeführt: "Nach den Er-läuterungen im ärztlichen Merkblatt zu der BK war das Kriterium der schweren Last er-füllt. Nicht gegeben war die Häufigkeit der Lastenhandhabung pro Arbeitsschicht." Betrachtet man die beigefügte Tabelle der Berechnung nach dem MDD ist zu berücksichti-gen, dass das Heben und Tragen von Fleischkisten nach den o.g. Ermittlungen – auf die sich die Einzelrichterin des Senats stützt – lediglich an maximal zwei Tagen pro Woche (den Anlieferungstagen) in ausreichender Häufigkeit erfolgte. Ein Umstapeln von Kisten im Froster fand lediglich an einem Tag pro Woche statt. Sofern in der Stellungnahme hier-von abweichende Angaben zur Häufigkeit ausgewiesen sind, ist die Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) nicht schlüssig. Darüber hinaus stimmen diese Angaben mit der oben zitierten verbalen Einschätzung der Beigeladenen zu 1) nicht überein.
Die letzte gefährdende Tätigkeit des Klägers endete folglich nach beiden Varianten am 25.10.1972. Es handelt sich um die Beschäftigung des Klägers beim VEB G. K. in W ... Für das Rechtsnachfolgeunternehmen dieses VEB ist die Beigeladene zu 3) zuständig.
Die Zuständigkeit richtet sich nicht nach den Regelungen über die Verteilung der Arbeits-unfälle nach dem Einigungsvertrag, weil der Versicherungsfall weder bis zum 31.12.1990 eingetreten ist noch bis zum 31.12.1994 angezeigt wurde.
Für die Anwendung der Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 3 BKV ist ebenso kein Raum. Nach § 6 Abs. 3 BKV ist, wenn ein Versicherter am 01.01.1993 an einer Krankheit gelitten hat, die erst aufgrund der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 (BGBl. I Seite 2343) als BK anerkannt werden konnte, die Krankheit auf Antrag als BK anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Zum Ei-nen hat der Kläger am 01.01.1993 noch nicht an einer BK-Nr. 2108 BKV gelitten. Eine BK-Nr. 2108 BKV lag bei ihm – wie oben ausführlich erläutert – erst ab 08.10.2001 vor. Zum Anderen ist der Versicherungsfall nicht vor dem 31.03.1988 – sondern eben erst am 08.10.2001 – eingetreten.
Nach alledem waren das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufzuheben und antragsgemäß zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
II. Die Beklagte und die Beigeladene zu 3) tragen die notwendigen außergerichtli-chen Kosten des Klägers für beide Instanzen je zur Hälfte. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei dem Wirbelsäulenleiden des Klägers um eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BK-Nr. 2108 BKV) handelt und dem Kläger deshalb eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Der am ...1949 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.1964 bis 31.08.1967 eine Lehre zum Fleischer und arbeitete hiernach bis zum 24.06.1968 im erlernten Beruf. Vom 01.07.1968 bis 31.08.1968 ging er einer Beschäftigung als Küchenfleischer und vom 02.09.1968 bis 25.10.1972 als Fleischer nach. Vom 01.05.1974 bis 18.04.1980 und vom 21.04.1980 bis 15.03.1982 war er als Koch und vom 16.03.1982 bis 09.07.1990 und vom 23.07.1990 bis 30.09.1992 wiederum als Küchenfleischer sowie vom 01.10.1992 bis zum 30.09.1994 als Küchenfleischer und Koch tätig. Vom 01.10.1994 bis 07.10.2001 und vom 13.01.2003 bis 20.02.2003 sowie vom 21.02.2003 bis zum 31.10.2003 war er ebenfalls als Koch beschäftigt. Vom 08.10.2001 bis zum 12.01.2003 und vom 21.02.2003 bis zum 24.08.2003 war er arbeitsunfähig geschrieben. Vom 13.01.2003 bis 20.02.2003 und vom 25.08.2003 bis zum 31.10.2003 befand sich der Kläger in einer Arbeitserprobung bzw. auf einem Schonarbeitsplatz. Wirbelsäulebelastende Tätigkeiten waren nicht mehr auszuüben. Seit 01.11.2003 bezieht er neben einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Leis-tungen der Bundesagentur für Arbeit.
Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten nahm am 28.06.1996 Stellung, der Kläger sei seit 01.10.1994 in einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten als Koch be-schäftigt gewesen. Im Rahmen dieser Tätigkeit seien gelegentlich, ca. 3 Mal je Arbeits-schicht, Speisenbehälter von bis zu 30 kg Lastgewicht zu transportieren gewesen. Diese Lasten habe der Kläger nur im Ausnahmefall allein bewältigt. Im Regelfall seien diese Behälter insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Rücksichtnahme auf die Vor-schädigung der Lendenwirbelsäule (LWS) des Klägers zu zweit transportiert worden. Der Kläger habe für den Zeitraum ab 01.10.1994 die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV nicht erfüllt.
Der TAD der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik äußerte sich am 30.05.1997, der Versicherte sei im Zeitraum vom 23.07.1990 bis 30.09.1994 bei den Stadtwerken A-Stadt bis 30.09.1992 als Küchenfleischer und hiernach als Koch tätig ge-wesen. Während der Arbeit als Küchenfleischer habe der Kläger am Morgen eines jeden Arbeitstages das benötigte Fleisch in Kunststoffkisten aus dem Kühlraum geholt. Das Ge-wicht der Kisten habe bis zu 30 kg betragen. Die Kisten seien auf einen Transportwagen gehoben worden. Die Verarbeitung sei in einem gesonderten Raum erfolgt. Fleischstücke für die Weiterverarbeitung seien auf Tabletts abgelegt worden. Ein gefülltes Tablett habe 26 bis 28 kg gewogen. Neben den eigentlichen Arbeiten als Küchenfleischer sei der Kläger zu 30 % der Arbeitszeit als Koch tätig gewesen. Außerdem habe er die Ware angenommen. Auch hierbei seien Gewichte über 25 kg gehoben und getragen worden. Die Annahme von Ware sei jedoch nicht täglich erfolgt. Während der Tätigkeit als Koch habe der Kläger Gemüsebehälter eines Gewichts von ca. 10 kg, Kartoffeln in 10-kg-Abpackungen sowie Mehl und Zucker in 25-kg-Abpackungen aus dem Kühl- bzw. Lagerraum geholt. Zudem seien Töpfe eines Gewichts von 40 kg gehoben worden. Der Transport eines Teils des Es-sens sei in acht Thermophoren an andere Ausgabestellen erfolgt. Diese hätten im gefüllten Zustand ein Gewicht von 50 bis 70 kg gehabt. Sie seien von zwei Personen gehoben und getragen worden. Dazu seien sie zunächst auf einen Transportwagen gestellt, mit diesem transportiert und in ein Fahrzeug eingeladen worden. Während der Tätigkeit als Koch habe der Kläger außerdem zu 15 % seiner Arbeitszeit Tätigkeiten eines Küchenfleischers ausge-führt. Bei der Arbeitsorganisation sei Rücksicht auf die LWS-Beschwerden des Klägers genommen worden. Der Kläger habe im maßgeblichen Zeitraum die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV nicht erfüllt.
Nach der Expositionsanalyse des TAD der Beigeladenen zu 1) vom 30.07.1997 sei der Kläger von 1982 bis 1990 in einem Kantinenbetrieb der W.- und V. GmbH A-Stadt tätig gewesen. Ein regelmäßiges Heben und Tragen schwerer Lasten i.S.d. BK-Nr. 2108 BKV sei während dieser Tätigkeit nicht erfolgt.
Die Gewerbeärztin E. hat den Kläger ausführlich zur Exposition während seines gesamten Berufslebens befragt und hierzu am 26.04.1999 Stellung genommen. Während der Lehre habe der Kläger von 1964 bis 1967 die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV erfüllt. Damals sei an sechs Tagen der Woche gearbeitet worden. An zwei Ta-gen der Woche habe der Kläger Unterricht an der Berufsschule erhalten. Täglich seien im Ausbildungsbetrieb 300 Schweine und dienstags ca. 70 bis 80 Rinder und 40 Kälber eben-erdig geschlachtet worden. Zudem sei die Be- und Entladung von Lieferfahrzeugen erfolgt. Während der Tätigkeit als Fleischer von 1967 bis 1968 seien die expositionellen Voraus-setzungen einer BK-Nr. 2108 BKV ebenfalls gegeben. Gleiches treffe für die Tätigkeit als Fleischer von 1968 bis 1972 zu. In der Küche, in der der Kläger beschäftigt gewesen sei, seien täglich 800 Portionen gekocht worden. Es seien mit ihm lediglich zwei Männer in der Küche beschäftigt gewesen. Der andere habe aufgrund seines Alters nicht mehr schwer heben können. Daher habe der Kläger alle schweren Transportarbeiten zu verrichten ge-habt. Thermophoren seien in der Regel zu zweit getragen worden. Zweimal pro Woche sei die Warenannahme erfolgt. Dabei seien Säcke mit Mehl eines Gewichts von bis zu 75 kg und mit Zucker eines Gewichts von bis zu 50 kg, zudem Erbsen und Sauerkraut sowie Quarkfässer, ferner Gemüse in Kisten, Konserven und Fleisch gehoben und getragen wor-den. Während des Grundwehrdienstes von 1972 bis 1974 und während seiner Tätigkeit als Koch bei D. (1974 bis 1980) habe der Kläger lediglich mittelschwere körperliche Arbeit verrichtet. Von 1982 bis 1990 sei der Kläger als Küchenfleischer in der Bauarbeiterversorgung tätig gewesen. Er sei der einzige Fleischer in einer Großküche, die täglich 800 Portionen Mit-tagessen gekocht habe, gewesen. Fleisch sei zweimal pro Woche in Kisten eines Gewichts von 30 bis 40 kg angeliefert worden. Die Kisten seien auf Paletten gestapelt und mittels Hubwagen ins Vorkühlhaus gefahren worden. Im Kühlhaus sei die Aufhängung des Fleischs erfolgt. Einmal pro Woche seien die Kisten im Froster umgestapelt worden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK-Nr. 2108 BKV seien auch bezüglich die-ses Zeitraumes erfüllt. Hiernach habe der Kläger keine Arbeiten mehr ausgeübt, die die Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV erfüllten.
Nach der Expositionsanalyse des TAD der Beigeladenen zu 1) vom 14.03.2005 seien im Zeitraum von 1982 bis 1990 beim Umsetzen von Grobstücken und Fleischkisten sowie beim Tragen schwerer Fleischkisten arbeitsbedingte Belastungen im Sinne einer BK-Nr. 2108 BKV erfolgt. Nicht ausreichend sei jedoch die Häufigkeit der Lastenbewegung pro Arbeitsschicht gewesen. Die Tagesbelastungsdosis habe lediglich 3726,48 Nh betragen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV lägen daher für den ge-nannten Zeitraum nicht vor.
In der daraufhin veranlassten Stellungnahme vom 20.04.2005 hat die Gewerbeärztin Dr. E. ausgeführt, die expositionellen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV seien lediglich im Zeitraum von 1964 bis 1972 erfüllt. Ihre Stellungnahme vom 26.04.1999 habe aus-schließlich auf den Angaben des Klägers beruht. Nach kritischer Überprüfung seien diese Angaben hinsichtlich der Beschäftigung im Zeitraum von 1982 bis 1990 nicht plausibel. In der Beurteilung des TAD der Beigeladenen zu 1) vom 14.03.2005 sei bei der Berechnung der Gesamtbelastungsdosis bereits sehr großzügig vorgegangen worden. Dennoch sei sie im Zeitraum von 1982 bis 1990 nicht ausreichend gewesen.
Der TAD der Beigeladenen zu 2) hat am 20.06.2005 nach intensiver Befragung des Klä-gers zu den Hebe- und Tragetätigkeiten während seines gesamten Berufslebens Stellung genommen. Der Kläger sei im Zeitraum vom 01.09.1964 bis 31.08.1967 einer Gesamtbe-lastungsdosis von 7,3 x 106 Nh, vom 01.09.1967 bis 24.06.1968 einer Dosis von 2,5 x 106 Nh und vom 02.09.1968 bis 25.10.1972 einer solchen von 7,3 x 106 Nh ausgesetzt gewe-sen. Im Zeitraum vom 01.05.1974 bis 31.10.2003 seien Tagesbelastungswerte von max. 4,4 Nh, mithin solche unterhalb des Tagesdosisrichtwertes nach dem MDD von 5.500 Nh, ermittelt worden. Er hat eine Gesamtbelastungsdosis für das Berufsleben des Klägers von 17,1 x 106 Nh ermittelt.
Der TAD der nicht am Verfahren beteiligten Fleischerei-Berufsgenossenschaft hat den Kläger zu den Belastungen in den Zeiträumen vom 02.09.1968 bis zum 25.10.1972 und vom 16.03.1982 bis zum 09.07.1990 befragt und am 17.11.2005 eingeschätzt, die Gesamt-belastungsdosis habe für den erstgenannten Zeitraum 7.242.519 Nh und für den zweitge-nannten Zeitraum 8.842.834 Nh betragen.
Nach den Berechnungen des TAD der Beigeladenen zu 3) vom 01.12.2005 habe im Zeit-raum vom 02.09.1968 bis 25.10.1972 eine Gesamtbelastungsdosis von 6,6 x 106 Nh vorge-legen.
Die Gewerbeärztin Dr. E. hat am 21.11.2005 eingeschätzt, die gegenüber dem TAD der Fleischerei-Berufsgenossenschaft gemachten Angaben des Klägers über die gehobenen und getragenen Lasten im Zeitraum vom 16.03.1982 bis 09.07.1990 seien nicht glaubhaft und wichen von den im bisherigen Verfahren gemachten Einlassungen ab. Sie gehe wei-terhin davon aus, dass im genannten Zeitraum die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV nicht vorlägen. Der TAD der Fleischerei-Berufsgenossenschaft hat am 15.12.2005 darauf hingewiesen, seine Berechnungen basierten auf den als wahr unterstellten Angaben des Klägers zu den gehobenen und getragenen Lasten.
Der Kläger gibt an, er leide seit 1968 unter LWS-Beschwerden. Ausweislich seiner Sozial-versicherungsausweise war er vom 05.01.1971 bis 17.01.1971 wegen Lumbalgie (Diagno-se-Nr. 728.7), am 13.08.1974 wegen sonstiger Formen des nicht artikulären Rheumatis-mus, u. a. Lumbago (Diagnose-Nr. 717), vom 17.06.1980 bis 27.06.1980 wegen sonstiger nicht näher bezeichneter Krankheiten des Rückens (Diagnose-Nr. 724) und vom 06.05.1983 bis 27.05.1983 wegen Lumbago (Diagnose-Nr. 724.2) arbeitsunfähig geschrie-ben. Nach einer Stellungnahme der AOK Sachsen bestand vom 11.05.1993 bis 18.05.1993 wegen Lumbalgien und am 17.11.1995 wegen sonstiger Affektionen des Rückens Arbeits-unfähigkeit. Nach den Krankenunterlagen des Allgemeinmediziners Andreas war der Klä-ger vom 25.02.1997 bis 21.03.1997 wegen Radikulärsyndroms, vom 16.11.1998 bis 04.12.1998 und vom 19.01.1999 bis 16.02.1999 wegen Radikulärsyndroms und Lumbal-gie, vom 08.04.1999 bis 20.08.1999 wegen Radikulärsyndroms und vom 30.11.2000 bis 04.12.2000 wegen Lumbago arbeitsunfähig.
Bei der Röntgenuntersuchung vom Juli 1977 wurde eine geringe Verschmälerung der Bandscheiben L4/5 und L5/S1 mit leichten spondylotischen Reaktionen und eine geringe Verschmälerung der Bandscheiben der Brustwirbelsäule (BWS) mit leichten degenerativen Randwulstbildungen festgestellt. Der Röntgenbefund vom 04.12.1995 ergab eine Osteo-chondrose der Segmente L4/5 und L5/S1 mit Bildung kleiner Osteophyten, eine geringe Höhenminderung der Bandscheibe L3/4, ausgeprägte Höhenminderungen der Bandschei-ben L4/5 und L5/S1 mit Bandscheibenprotrusionen an beiden Segmenten. Am Segment L3/4 bestehe ein Prolaps.
Die Gewerbeärztin E. nahm am 13.10.1997 - lediglich auf der Grundlage der Einschätzun-gen der TAD der Beklagten vom 28.06.1996, der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik vom 30.05.1997 und der Beigeladenen zu 1) vom 30.07.1997 - Stel-lung, eine BK-Nr. 2108 BKV liege wegen Fehlens der haftungsbegründenden Kausalität nicht vor.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.12.1997 Leistungen wegen einer BK der Wirbel-säule ab. Gegen eine berufsbedingte Verursachung des Wirbelsäulenleidens spreche, dass beim Kläger bereits während der Lehre Wirbelsäulenbeschwerden aufgetreten seien. Zu-dem seien nach den übereinstimmenden Erhebungen der technischen Aufsichtsbeamten die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV nicht erfüllt. Zudem verwies sie auf die Stellungnahme der Gewerbeärztin vom 13.10.1997. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.1998 zurück.
Sein Begehren hat der Kläger mit der am 17.07.1998 zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage weiter verfolgt.
Das SG hat mit Beschluss vom 28.06.1999 die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten gemäß § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – beigeladen.
Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr. D. am 21.10.1999 nach Untersuchung des Klägers ein Gutachten erstellt. Erste Kreuzschmerzen seien bereits im letzten Lehrjahr, vor allem bei Belastung, aufgetreten. Anfang der 90er Jahre hätten die Beschwerden begonnen, in das rechte Bein auszustrahlen. Im Halswirbelsäulen- (HWS-) und BWS-Bereich bestünden keine Beschwerden. Das Schobersche Zeichen betrage 10/11 cm, das Ottsche Zeichen 30/32 cm. Der Finger-Boden-Abstand liege bei 64 cm. Das Laségue-Zeichen sei beidseitig negativ. Beim Kläger bestehe eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS. Es lägen jedoch polysegmentale degenerative Veränderungen an allen Wirbelsäulensegmenten vor, so dass von einer endogenen Verursachung dieser Veränderungen auszugehen sei. Der frühe Beschwerdebeginn spreche zudem für einen schicksalhaften Verlauf der Erkrankung. Die Röntgenaufnahmen aus dem Jahre 1993 zeigten gewisse Stigmata, die für einen abge-laufenen Morbus Scheuermann sprächen. Es bestünden eine leichte Keilform der Lenden-wirbelkörper 1 bis 3, insbesondere des Lendenwirbelkörpers 2, sowie Abrundungen der vorderen Begrenzungen der Grund- und Deckplatten an den Lendenwirbelkörpern L4 und L5. Dies spreche ebenfalls für eine endogene Verursachung der Erkrankung. Zudem sei der Kläger noch als Koch beschäftigt. Eine BK-Nr. 2108 BKV liege nicht vor.
Auf Veranlassung des Klägers hat der Chirurg OMR Dr. H. am 27.12.2000 nach Untersu-chung des Klägers ein weiteres Gutachten erstattet. Das Schobersche Zeichen betrage 10/11 cm, das Ottsche Zeichen 30/31 cm und der Finger-Boden-Abstand 70 cm. Das Lasé-gue-Zeichen sei beidseitig negativ. Im Rahmen der Begutachtung hat der Röntgenologe Dr. K. am 27.11.2000 ein radiologisches Zusatzgutachten gefertigt. Darin hat er einen Bandscheibenvorfall am Segment L3/4 sowie degenerative Veränderungen an der BWS und LWS in Form einer Osteochondrose und Spondylosis deformans diagnostiziert. Die Erkrankung der LWS habe im Verlauf des Zeitraums von 1977 bis 1999 deutlich zuge-nommen. Es bestehe zum Teil ein altersvorauseilender Befund. Aus den Röntgenaufnah-men ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte für einen Morbus Scheuermann. Daraufhin ist Dr. H. zu der Schlussfolgerung gelangt, ein Morbus Scheuermann habe nie vorgelegen. Der Röntgenbefund vom 22.06.1993 stelle den klassischen Befund eines Schwerarbeiters dar. An den Segmenten L5/S1 und L4/5 bestünden starke Osteochondrosen. Bei L3 sei ein Segmentsprung vorhanden, d. h. es lägen an diesem Segment noch keine krankhaften Ver-änderungen vor. Schäden seien zudem am Segment L2/3 nachweisbar. Die Erkrankung an den unteren LWS-Segmenten sei wesentlich durch die berufliche Tätigkeit des Klägers verursacht. Außerberufliche Mitursachen bestünden nicht. Der Kläger habe keinerlei Hob-bys ausgeführt, die die Wirbelsäule belasteten. Eine BK-Nr. 2108 BKV sei gegeben. Die BK-bedingte MdE betrage seit 1996 40 v. H.
Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr. D. am 17.01.2001 ergänzend Stellung genommen. Der frühe Beschwerdebeginn spreche gegen eine BK. Die Kompensationsfähigkeit gerade des Jugendlichen führe trotz erheblicher Belastung regelmäßig nicht zu einer bedeutsamen Schmerzsymptomatik der LWS. Zudem spreche das Vorliegen von degenerativen Verän-derungen an allen Wirbelsäulensegmenten gegen eine BK. Die einzige Deformität, die eine Erklärung für den Verschleiß an der LWS liefere, sei die leichte Keilform an den LWK 1 bis 3. Ob man diese einem Morbus Scheuermann zuordne oder als Ossifikationsstörung auffasse, sei gleichgültig. Entscheidend sei, dass hier eine pathologisch-anatomische Fehl-form der LWS vorliege, die in keinem Fall beruflich bedingt sei. Eine MdE von 40 v. H. sei zudem völlig überhöht. Allenfalls sei eine MdE von 20 v. H. gerechtfertigt.
Das SG hat mit Urteil vom 12.04.2001 die Klage abgewiesen. Obwohl der Kläger die wir-belsäulenbelastende Tätigkeit noch nicht aufgegeben habe, sei das BK-Recht der RVO anzuwenden, weil er ab 17.11.1995 erstmals wegen Wirbelsäulenbeschwerden arbeitsun-fähig gewesen sei. Beim Kläger mangele es am typischen medizinischen Bild einer BK-Nr. 2108 BKV. Ein belastungskonformes Schadensbild, d. h. ein von unten nach oben abneh-mender Schaden, liege nicht vor. Beim Kläger seien neben den Veränderungen an der LWS auch Veränderungen an der HWS und BWS vorhanden. Dies spreche gegen eine wesentliche berufliche Verursachung des LWS-Leidens. Zudem bestehe an den Segmenten L1 bis L3 eine im Jugendalter abgelaufene Verknöcherungsstörung.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18.06.2001 zugestellte Urteil hat dieser am 10.07.2001 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Das SG habe die Darlegung des Sachverständigen Dr. H. unberücksichtigt gelassen. Die Rücken-beschwerden des Klägers im frühen Jugendalter könnten nicht gleichgesetzt werden mit den jetzigen Beschwerden nach entsprechender Exposition. Unter Beschwerden der Quali-tät, wie sie zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung bestünden, habe der Kläger erstmals 1974, hiernach zunächst in größeren Intervallen und später dann in erheblich kürzeren Ab-ständen gelitten.
Der Senat hat mit Beschlüssen vom 18.12.2003 und 07.09.2005 die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft und die Berufsgenossenschaft Metall Süd jeweils gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen, weil sie als leistungspflichtig in Betracht kommen.
Auf Veranlassung des Senats hat der Chirurg Prof. Dr. G. am 27.03.2004 nach Untersu-chung des Klägers ein weiteres Gutachten erstattet. Das Schobersche Zeichen betrage 10/13 cm, das Ottsche Zeichen 30/32 cm, der Finger-Boden-Abstand 46 cm. Beim Kläger bestehe eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS, die alle Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV erfülle. Die degenerativen Veränderungen der HWS und BWS seien bis 1998 asymptomatisch und ohne Funktionsstörungen geblieben. Die Veränderungen an der BWS seien erst 1995 und die an der HWS erst 1999 aufgrund röntgenologischer Untersu-chungen, mithin nicht klinischer Symptomatik, entdeckt worden. Dagegen habe der Kläger bereits im 19. Lebensjahr unter klinisch relevanten Beschwerden im LWS-Bereich gelitten, die 1977 röntgenologisch bereits indirekt als Folge einer Bandscheibenerkrankung durch Nachweis einer Verschmälerung der Zwischenwirbelräume im unteren LWS-Bereich mit sekundären degenerativen Veränderungen (spondylotische Aufwulstungen) objektiviert worden seien. Diese symptomatischen degenerativen Veränderungen seien bei einem 28-jährigen Mann dem kalendarischen Alter weit vorauseilend gewesen. Außerberufliche wir-belsäulenbelastende Tätigkeiten und/oder die Wirbelsäule stark belastende Sportarten habe der Kläger nie ausgeführt. Der Radiologe Dr. K. und er hätten auf den Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für einen Morbus Scheuermann erkennen können. Schmorlsche Knorpel-knötchen seien weder 1977, 1993, 1995 noch 1999 röntgenologisch sichtbar gewesen. Auch die für das Spätstadium einer Scheuermannschen Erkrankung typischen röntgenolo-gischen Veränderungen - verstärkte Kyphose, Konturenunregelmäßigkeiten, sklerotisch verdichtete Wirbelabschlussflächen, relativ lange und niedrige Wirbelkörper, erhebliche degenerative Reaktionen, Verschmelzung vorderer Wirbelkörperanteile mit einem oder mehreren thorakalen oder thorakolumbalen Segmenten - fänden sich beim Kläger weder 1995 noch 2002. Bei ihm seien an den Segmenten L5/S1, L4/5 und L3/4 belastungsadapti-ve Reaktionen nachweisbar. Für den Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Belas-tung und Erkrankung der unteren drei LWS-Segmente sprächen folgende Argumente: Der Kläger sei schon sehr frühzeitig einer extremen Belastung der Wirbelsäule ausgesetzt ge-wesen. Die Rückenbeschwerden am Ende der Lehrzeit seien die ersten Warn- und Leit-symptome für eine unphysiologische Belastung gewesen. Es bestehe ein belastungstypi-sches Schadensbild mit von unten nach oben abnehmenden Schäden an der LWS. Eine zeitliche Korrelation zwischen beruflicher Belastung und ersten Beschwerden liege vor. Bereits im 28. Lebensjahr habe beim Kläger ein vorauseilender Verschleiß der Zwischen-wirbelscheiben der LWS bestanden. Konkurrierende Ursachen aus dem privaten Bereich seien nicht vorhanden. Die beim Kläger vorliegende anlagebedingte geringe Bogenschluss-störung am 5. LWK und die anlagebedingte geringe Abrundung der Vorderkanten der LWS hätten keinen Einfluss auf die Ausbildung der degenerativen Erkrankung der LWS. Dies ergebe sich daraus, dass sich nachweislich der 3 mm große Spaltraum seit 1977 nicht vergrößert habe und somit eine mechanische Instabilität des Bewegungssegments ausge-schlossen sei. Der Kläger sei seit September 2001 zur Unterlassung aller Tätigkeiten ge-zwungen gewesen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die BK-bedingte MdE betrage seit Sep-tember 2001 20 v. H. und seit 08.03.2004 25 v. H.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 12.04.2001 und den Bescheid der Be-klagten vom 22.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.1998 aufzuheben, festzustellen, dass beim Kläger ab 08.10.2001eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt und die Beigeladene zu 3) zu verurteilen, ihm deswegen ab 13.01.2003 eine Verletztenrente nach einer Minde-rung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte, die Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) beantragen jeweils,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 3) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Beigeladene zu 3) richtet, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) erachten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Beigeladene zu 3) ist der Auffassung, nicht die zuständige Berufsgenossen-schaft zu sein. Zudem stehe einer Verurteilung die Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV) entgegen.
Der Einzelrichterin des Senats liegen die Verfahrensakten beiden Instanzen, die Verwal-tungsakte der Beklagten und die Akte des Amtes für Familie und Soziales A-Stadt vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin gemäß § 155 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig und begründet. Daher waren das Urteil des SG vom 12.04.2001 und der Bescheid der Be-klagten vom 22.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.1998 auf-zuheben. Ferner war festzustellen, dass der Kläger unter einer BK-Nr. 2108 BKV leidet. Die Beigeladene zu 3) war zu verurteilen, dem Kläger ab 13.01.2003 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren.
I.
Beim Kläger liegt der Versicherungsfall einer BK-Nr. 2108 BKV vor. Die Zwischenwir-belraumerniedrigung, die Osteochondrose und die Spondylosis deformans an den Segmen-ten L5/S1, L4/5 und L3/4 sind Folgen dieser BK.
Vorliegend ist die BK-Nr. 2108 BKV i. V. m. § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) maßgeblich, weil der Versicherungsfall am 08.10.2001, mithin nach dem 01.01.1997 eingetreten ist. Eingetreten ist der Versicherungsfall einer BK zu dem Zeit-punkt, zu dem sich die Gefährdungen realisiert haben, vor denen die gesetzliche Unfallver-sicherung Schutz gewähren soll, somit zu dem Zeitpunkt des Eintritts des Gesundheits-schadens, der die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale einer BK erfüllt (Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand: 1/2004, Rn. 42 zu § 9). Diese sind gegeben, wenn die schädigende Einwirkung einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszu-stand verursacht hat, der die Krankheitsmerkmale eines Berufskrankheiten-Tatbestandes erfüllt und wenn gegebenenfalls erforderliche besondere Merkmale, insbesondere die Un-terlassung aller gefährdenden Tätigkeiten vorliegen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand: 6/2004, Rn. 7 zu § 9). Das Merkmal des Unterlassens aller ge-fährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu einer Erkran-kung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entste-hung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein kön-nen, tatsächlich objektiv aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt. Das Merkmal der Aufgabe der belastenden Tätigkeit ist erst dann erfüllt ist, wenn alle belastenden Tätigkeiten in vollem Maße aufgegeben worden sind (Bundessozi-algericht - BSG -, Urteil vom 22.06.2000, Az.: B 2 U 34/99 R, zitiert nach JURIS).
Der Kläger hat die gefährdende Tätigkeit am 08.10.2001 völlig aufgegeben. Ab diesem Zeitpunkt war er arbeitsunfähig erkrankt und hat hiernach auch nicht wieder eine wirbel-säulenbelastende Tätigkeit ausgeübt, so dass als Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungs-falls nur der 08.10.2001 in Betracht kommt. Vom 13.01.2003 bis 20.02.2003 und vom 25.08.2003 bis zum 31.10.2003 befand sich der Kläger in einer Arbeitserprobung bzw. auf einem Schonarbeitsplatz. Wirbelsäulenbelastende Tätigkeit hat er während dieser Zeiträu-me nach seiner glaubhaften Einlassung nicht mehr ausgeübt.
Eine Berufskrankheit nach BK-Nr. 2108 BKV liegt vor, wenn der Versicherte an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS leidet, die durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehal-tung verursacht worden ist, und der Versicherte durch die Erkrankung gezwungen wird, alle Tätigkeiten zu unterlassen, die ursächlich für die Entstehung oder die Verschlimme-rung dieser Erkrankung waren oder noch ursächlich sein können.
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammen-hang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (so genannte haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Tätigkeit und der Erkrankung andererseits (so genannte haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädi-genden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreichen (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2000, Az.: B 2 U 34/99 R, zitiert nach JURIS).
Der Kläger hat die von der BK-Nr. 2108 BKV geforderten arbeitstechnischen Vorausset-zungen zumindest grenzwertig erfüllt. Der Senat hat bereits mit Teil-Urteil vom 24.06.2004, Az.: L 2 U 54/03, zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der genannten BK Folgendes entschieden, dass sich die Einzelrichterin des Senats auch für das vorliegen-de Verfahren zu Eigen macht:
"Allein nach dem Wortlaut der BK-Nr. 2108 BKV kann nicht exakt bestimmt werden, was unter den Begriffen einer ‚schweren’ Last, einer ‚langjährigen’ Tätigkeit und einer ‚extre-men’ Rumpfbeugehaltung zu verstehen ist. Es ist jedoch in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung unbestritten, dass gerade bei schwierigen, insbesondere wissenschaftlich-technischen Zusammenhängen wegen der Komplexität der Materie eine bis ins Detail ge-hende Regelung im Gesetzes- oder Verordnungstext nicht zu erfolgen braucht (Entschei-dungen des BVerfG vom 08.01.1981 – 2 BvL 3/77, 9/77 – BVerfGE 56, 1, 12; vom 09.11.1988 – 1 BVR 243/86 – BVerfGE 79, 106,120). Dass sich die Frage, in welchem Ausmaß ein Zusammenhang zwischen langjährigem schweren Heben und Tragen bzw. einer entsprechenden Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung und der Entstehung band-scheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule besteht, als wissenschaftlich schwierig zu beurteilen erweist, belegt ihre vielfältige Behandlung sowohl in der unfallver-sicherungsrechtlichen als auch in der arbeitsmedizinischen Literatur. Es bleibt daher fest-zustellen, dass der Verordnungsgeber nicht gehindert war, die Klärung solcher Gesichts-punkte zunächst der Verwaltung und Rechtsprechung zu überlassen. Er durfte durch die gezielte Verwendung auslegungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe die Norm für zukünftige Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft öffnen (BSG, Urteil vom 02.05.2001 – B 2 U 16/00 R – SozR 3-2200 § 551 Nr. 16, S. 82 m.w.N.).
Dies besagt nicht, dass zwischenzeitlich alle erheblichen Fragen abschließend geklärt wä-ren. Maßgebend für die Entscheidung dieser Streitsache ist, dass die Regelung in BK-Nr. 2108 BKV aufgrund des derzeitigen Standes der medizinischen Erkenntnisse eine hinrei-chend bestimmte Grundlage für eine gleichmäßige Rechtsanwendung bietet. Gegenwärtig kommt dabei dem MDD besondere Bedeutung zu.
Das BSG hat die Anwendung des im Wesentlichen von Seiten der Verwaltung entwickel-ten MDD zur notwendigen Konkretisierung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK-Nr. 2108 BKV im Sinne einer Ermittlung der tatsächlichen Belastung des Versicherten (grundlegend dazu Jäger, Luttmann, Bolm-Audorff, Schäfer, Hartung, Kuhn, Paul, Francks, ASUMed 1999, S. 101 ff., 112 ff. und 143 ff.), das zwischenzeitlich für weite Bereiche eingeführt wurde (vgl. Fröde, Sozialer Fortschritt 2001, 117, 120; Hofmann, Bolm-Audorff, Dupuis, Rehder, ZblArbeitsmed 2200, 78, 86 f.) in zwei Urteilen vom 18.03.2003 (B 2 U 13/02 R – SozR 4-2700 § 9 Nr. 1) und vom 19.08.2003 (B 2 U 1/02 R) nicht beanstandet. Dieser Rechtsprechung, die auf zwei, dass MDD als geeignete Entschei-dungsgrundlage ansehenden Urteilen des LSG für das Saarland beruht, folgt der Senat.
Das MDD dient der Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe ‚langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten’. Es basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass band-scheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch äußere Einwirkungen verursacht werden können und dafür eine gewisse Belastungsdosis im Sinne eines Drucks auf die Bandschei-ben notwendig ist. Insofern handelt es sich um die Zusammenfassung medizinischer Erfah-rungstatsachen. Die gerichtliche Anwendung des MDD beruht daher auf einer tatsächli-chen Feststellung dahin, dass es diese Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsa-chen gibt.
Nach Auffassung des BSG ist das MDD zumindest derzeit ein geeignetes Modell, um – worauf es hier ankommt – die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjäh-riges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen (Hinweis des BSG auf B., BG 2001, 365, 368; ASUMed 1999, 101, 102). Zwar arbeitet dieses Modell mit gewissen Vorgaben, etwa indem die Langjährigkeit mit mindestens 7 Jahren angesetzt wird (Hinweis des BSG auf ASUMed 1999, 112, 113) und nach Geschlecht und Lebensalter differenziert bestimmte Mindestlastgewichte festgelegt werden (Hinweis des BSG auf ASUMed 1999, a.a.O.). Diese Vorgaben sind jedoch nicht frei gegriffen, sondern sind ih-rerseits wiederum medizinische Erfahrungstatsachen, die sich an den in epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe (Pflege, Bau, Transport) gewonnenen Werten ori-entieren (Hinweis des BSG auf ASUMed 1999, 101, 104, 105). Sie knüpfen zudem an das vom seinerzeit zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) he-rausgegebene Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK-Nr. 2108 BKV (BArbBl 3/93, S. 50) an (Hinweis des BSG auf Jäger, Luttmann, Bolm-Audorff, Schäfer, Hartung, Kuhn, Paul, Francks, ASUMed 1999, 101, 103; Becker, SGB 2100, 488, 490). Dieses Merkblatt ist zwar nicht in erster Linie als juristische Arbeitshilfe, sondern als Hilfsmittel für die ärztliche Untersuchung gedacht (BSG, Urteil vom 22.08.2000 – B 2 U 34/99 R – SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; Becker, SGB 2001, 488, 489); es beansprucht daher weder in irgendeiner Weise eine rechtliche Verbindlichkeit noch gibt es zwingend den neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Forschungsstand wieder (BSG, a.a.O.). Aller-dings ist nicht zu übersehen, dass das Merkblatt über weite Passagen wortgleich mit der amtlichen Begründungseinführung der BK in der BR-Drucks. 773/92 ist. Das bedeutet, dass das MDD wichtige Eckpunkte einbezieht, die als Motive für den seinerzeitigen Ver-ordnungsgeber wegweisend waren.
Dadurch, dass das MDD darüber hinaus auch weitere, nach Erlass der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) gewonnene Forschungsergebnisse, etwa das Prinzip des quadratischen Ansatzes (Hinweis des BSG auf ASUMed 1999, 101, 107) berücksichtigt, und daraus entscheidende Schlussfolgerungen, nämlich die Aufstellung von Richtwerten, zieht (Hinweis des BSG auf ASUMed 1999, 101, 109), bewegt es sich nicht über den im Hinblick auf den Bestimmt-heitsgrundsatz mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu erschließenden Normbereich hinaus. Es ist gerade in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich bereits der Verordnungsgeber des Problemfeldes der ‚Ursache-Wirkungs-Beziehung’ bzw. ‚Dosis-Häufigkeitsbeziehung’ bewusst war (BR-Drucks. 773/92 S. 8).
Allerdings steht das MDD nach wie vor aus verschiedenen Gründen, etwa im Hinblick auf die wissenschaftlichen Grundlagen des Modells, den konkreten Berechnungsmodus, die ‚Richtwerte’ bzw. die fehlende Berücksichtigung der individuellen Konstitution in der Kri-tik (vgl. Becker, SGB 2001, 488, 491; Liebers, Caffier, ASUMed 2001, 447, 450; zusam-menfassend Hartmann, ASUMed 2200, 580), die von seinen Befürwortern zum Teil aner-kannt wird (vgl. Schäfer, Hartung, Bolm-Audorff, Luttmann, Jäger, SGB 2002, 202, 203). Dennoch wird das Modell auch von seinen Kritikern regelmäßig als ein Ansatz angesehen, der weiter verfolgt werden sollte (Liebers, Caffier, a.a.O., 456; Becker, a.a.O., 491, 492; Hartmann, a.a.O.). Darüber, wie dies im Einzelnen geschehen sollte, gehen zwar die Mei-nungen auseinander; grundsätzlich kann jedoch aus den wissenschaftlichen Diskussionen des MDD (vgl. gegen die Kritiker: Jäger, Luttmann, Bolm-Audorff, Schäfer, Hartung, Kuhn, Paul, Francks, ASUMed 2200, 580; Schäfer, Hartung, Bolm-Audorff, Luttmann, Jäger, SGb 2002, 202) der Schluss gezogen werden, dass jedenfalls durch das Modell – natürlich mit Abstrichen – erstmals eine von den Unfallversicherungsträgern einheitlich angewandte praktikable Arbeitsgrundlage für die Bemessung der belastungsbedingten Do-sis in Bezug auf ein Erkrankungsrisiko zur Verfügung steht. Weitere ‚epidemiologische Fall-Kontroll-Studien zur Untersuchung von Dosis-Wirkung-Beziehungen bei der BK-Nr. 2108 BKV’ werden derzeit durchgeführt (vgl. Bolm-Audorff, ZblArbeitsmed 2300, 11, 14). Er überprüft damit die Vorgaben des MDD und erwartet wesentlich vertiefte Erkennt-nisse über den Verlauf der Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen beruflichen Wirbelsäulen-belastungen und bandscheibenbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankungen (Bolm-Audorff, a.a.O.). Aus heutiger Sicht ist damit eine Verbreitung der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erwarten, die zu einer weiter verbesserten Eingrenzung der unbestimmten Rechtsbegriffe der BK-Nr. 2108 BKV beitragen kann.
Zwar sind die im MDD zusammengefassten Dosiswerte für die arbeitstägliche Druckbelas-tung der Bandscheiben im LWS-Bereich und der Gesamtdosiswert keine festen Grenzwer-te, sondern allenfalls Orientierungswerte. Das MDD selbst spricht insoweit von Schwel-lenwerten oder Richtwerten. Das ist rechtlich zutreffend. Grenzwerte, bei deren Über-schreitung die Kausalität im Einzelfall stets auszuschließen ist bzw. bei deren Erreichen sie u.U. – erleichtert – angenommen werden kann, können nur im Wege der Rechtssetzung durch den Verordnungsgeber in die BKV eingeführt werden. Das ist hier bei der BK-Nr. 2108 BKV schon im Hinblick auf die insoweit noch nicht ausreichenden Erkenntnisse noch nicht geschehen. Das MDD ist keine Rechtsnorm, sondern eine Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen und damit eine Hilfe bei der Beurteilung des Kausalzu-sammenhangs (vgl. Krasney, ZblArbeitsmed 2003, 45) und kann daher keine festen Grenzwerte vorsehen.
Das BSG hat unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das MDD eine vielversprechen-de, aber noch nicht ausgereifte Methode zur Beurteilung der berufsbedingten LWS-Belastung ist, in seinem Urteil vom 19.08.2003 (B 2 U 1/02 R) das die BK-Nr. 2108 BKV verneinende Urteil des LSG für das Saarland nicht beanstandet, das ausgehend von einer Gesamtbelastungsdosis von 12,5 x 106 Nh das Vorliegen eines ausreichenden Ausmaßes von Versicherteneinwirkungen i. S. der BK-Nr. 2108 BKV beim Kläger verneint hat. Wird nur die Hälfte der nach dem MDD erforderlichen Gesamtdosis von 25 x 106 Nh erreicht, soll grundsätzlich eine weitere Ermittlung zum Krankheitsbild oder dem medizinischen Kausalzusammenhang nicht erforderlich sein. Denn dieser Wert von 12,5 x 106 Nh sei nicht einmal ‚grenzwertig’.
Der Senat geht davon aus, dass angesichts des vom BSG differenziert geschilderten derzei-tigen Erkenntnisstandes zur Validität des MDD und des bloßen Orientierungscharakters seiner Dosiswerte bis auf Weiteres und vorbehaltlich neuerer Erkenntnisse eine Einzelfall-prüfung unter Berücksichtigung der arbeitstechnischen und medizinischen Besonderheiten des jeweiligen Sachverhaltes bereits dann vorzunehmen ist, wenn die individuelle Gesamt-belastungsdosis nicht bloß unerheblich mehr als die Hälfte des Orientierungswertes be-trägt, der vom MDD als "Mindest-Gesamtdosis" angenommen wird. Dieser Ansatz trägt dem nach wie vor bestehenden Erprobungscharakter des MDD Rechnung und vermeidet eine Festlegung auf einen anderen Orientierungswert, der sich in der Praxis der Berufsge-nossenschaften und der Tatsachengerichte doch wie ein Grenzwert auswirken würde. Wenn ein Sozialgericht einen Wert zwischen 12,5 und 25 x 106 Nh billigt, unterhalb des-sen grundsätzlich keine weiteren Ermittlungen mehr vorzunehmen sind - vorausgesetzt dieser Belastungswert steht in seinen tatsächlichen Grundlagen außer Streit -, und dieser Wert von den Rechtsanwendern akzeptiert wird (werden muss), legt es de facto richter-rechtlich doch einen Grenzwert fest, selbst wenn es die Wirkung dieser Festlegung sprach-lich nicht als Grenzwert formuliert.
Ziel des Senates ist es einerseits, dem MDD, schon um die Gleichbehandlung von Sach-verhalten zu verbessern, die Entwicklungsmöglichkeiten zu belassen. Es soll aber anderer-seits die gerade unter Geltung der sozialrechtlichen Kausallehre besonders betonte Einzel-fallbetrachtung bei noch nicht endgültig gesicherten empirischen Grundlagen des MDD mit ‚faktischen Grenzwerten’ des MDD oder anderen willkürlich angenommenen geringe-ren Werten nicht beiseite geschoben werden. Gerade die Postulierung von Orientierungs-werten unterhalb des MDD-Gesamtdosiswertes ist allenfalls im Hinblick auf eine sehr deutliche Unterschreitung dieses Wertes aus sich heraus begründbar. Für den Senat war in diesem Zusammenhang der Umstand beachtlich, dass ein Maurer unter Zugrundelegung der Ausführungen bei Schäfer, Hartung u. a. in SGb 2002, 202 bei arbeitstypischer Wirbel-säulenbelastung über 18 Jahre benötigen würde, um den Wert von 25 x 106 Nh zu errei-chen. Dies bedeutet eine beträchtliche Anhebung der Langjährigkeit Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die bisherigen epidemiologischen Studien es rechtfertigen, von einer im Merkblatt angenommenen, normativ nicht verbindlichen Mindestexpositionszeit von 10 Jahren in einem für die Einführung der BK-Nr. 2108 BKV typischen Beruf deutlich (um 80 %) nach oben abzuweichen. Allerdings bedeutet eine Unterschreitung des MDD-Orientierungswertes, dass besondere Anforderungen an die medizinische Beurteilung des Kausalzusammenhanges zu stellen sind ...
Der Kläger war hier einer Gesamtbelastungsdosis von 18,86 x 106 Nh ausgesetzt, also etwa ¾ des MDD-Orientierungswertes. Es ist daher eine Einzelfallbetrachtung geboten."
Im vorliegenden Verfahren war der Kläger nach den Feststellungen des TAD der Beigela-denen zu 2) einer Gesamtbelastungsdosis von 17,1 x 106 Nh - und unter Zugrundelegung der durch die Beigeladene zu 3) für den Zeitraum vom 02.09.1968 bis 25.10.1972 ermittel-ten Belastung einer Gesamtbelastungsdosis von 16,4 x 106 Nh - ausgesetzt, also etwas we-niger als ¾ des MDD-Orientierungswertes. Die individuelle Gesamtbelastungsdosis des Klägers hat jedoch die Hälfte des Orientierungswertes von 25 x 106 nicht bloß unerheblich überschritten. Es ist daher unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats auch hier eine Einzelfallbetrachtung geboten.
Der Kläger leidet an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in Form von Zwi-schenwirbelraumerniedrigungen, Osteochondrosen und einer Spondylosis deformans der LWS-Segmente L5/S1, L4/5 und L3/4. Dies haben die Gutachter Prof. Dr. G., Prof. Dr. D., Dr. K. und Dr. H. übereinstimmend zur vollen Überzeugung der Einzelrichterin des Se-nats festgestellt.
Diese Erkrankungen haben zu einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit ab 08.10.2001 und der Aufgabe der schädigenden Tätigkeit geführt. Diese bandscheibenbedingte Erkran-kung wurde auch mit Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Tätigkeit des Klägers als Fleischerlehrling und Fleischer wesentlich (mit-)verursacht.
Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS sind regelmäßig nicht monokausal erklär-bar, weil nicht nur berufliche Belastungen auf die LWS einwirken, sondern immer auch eine Disposition (Vulnerabilität) eine Rolle spielen kann. Dann, wenn schon unter "norma-len" Belastungen des täglichen Lebens bandscheibenbedingte Erkrankungen auftreten, ist immer damit zu rechnen, dass auch Versicherte, die langjährig den in BK-Nr. 2108 BKV genannten Belastungen ausgesetzt sind, zu jenem Personenkreis gehören, dessen Band-scheibengewebe allgemein weniger widerstandsfähig ist. Bei solch kausaler Konkurrenz ist nach der im Sozialrecht geltenden Kausalitätstheorie unter Abwägung des Werts der ein-zelnen Bedingungen festzustellen, ob das versicherte Risiko (mit Wahrscheinlichkeit) rechtlich wesentlich zum Erfolg beigetragen hat. Dabei schließt die Mitwirkung (einer oder mehrerer) rechtlich wesentlicher Ursachen aus dem unversicherten Bereich den Versiche-rungsschutz nicht aus. Das ist nur dann der Fall, wenn solche Umstände rechtlich allein wesentlich sind. Sie müssen die versicherten Umstände überragen oder - anders ausge-drückt - in den Hintergrund drängen. Rechtlich wesentlich sind die beruflichen Ursachen mithin nicht nur dann, wenn sie im Vergleich zu den übrigen Bedingungen gleichwertig oder annähernd gleichwertig sind, sondern bereits auch dann, wenn sie zwar nicht gleich-wertig, aber auch nicht völlig zu vernachlässigen sind. Dabei muss die jeweilige Beziehung zum Erfolg nicht sicher feststehen, sondern nur wahrscheinlich sein. Diese Grundsätze sind auch auf die Kausalitätsbetrachtung von berufsbedingten Bandscheibenerkrankungen der LWS und deren weiteren Folgen anzuwenden (Urteil des Senats vom 25.10.2002, Az.: L 2 U 41/99). Die Einzelrichterin des Senats geht davon aus, dass der versicherten Tätigkeit eine solchermaßen umschriebene wesentliche Bedeutung zukommt, weil die anderen be-rufskrankheitsunabhängigen Ursachenbeiträge nicht von überragender Bedeutung sind.
Zwar liegen beim Kläger auch Verschleißerscheinungen an der HWS und BWS vor. So leidet der Kläger an einer geringen Spondylosis deformans des HWS-Segments C5/6, einer Osteochondrose und Zwischenwirbelraumverschmälerung des Segments C6/7, einer Oste-ochondrose der BWS-Segmente Th 7 bis 9 und einer spangenbildenden Spondylosis de-formans der Segmente Th 6 bis 9.
Nach Auffassung des Senats, dem die Einzelrichterin angehört und die sie teilt, ist es nicht zulässig, zu fordern, dass der nicht berufsbedingt exponierte Abschnitt der Wirbelsäule nicht oder nur weniger degenerativ verändert ist als der belastete. Häufig wird sich dieser Argumentation bedient, wenn sowohl die LWS als auch die HWS und BWS bandschei-benbedingte Erkrankungen aufweisen. Diese These ist, nach ständiger Rechtsprechung des 2. Senat des Sächsischen LSG (u. a. Urteil vom 25.10.2002, Az.: L 2 U 175/99), jedoch nicht plausibel. Denn sie würde zum einen nur dann ein verlässliches Ausschlusskriterium darstellen, wenn bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS und BWS auch ohne be-rufliche Exposition der LWS nahezu immer mit einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS einhergingen, also nicht isoliert aufträten. Dies ist nirgends belegt. Zudem geht die These, wonach schwerwiegende Veränderungen im beruflich nicht exponierten HWS-Bereich einen Rückschluss auf die berufsunabhängige Entstehung im beruflich exponierten LWS-Bereich zuließen, von der stillschweigenden Voraussetzung aus, dass das gesamte Bandscheibengewebe im Einzelfall aus ansonsten nicht näher bekannten und vorab er-kennbaren Gründen anlagebedingt minderwertig(er) sei. Es handelt sich also um ein indi-rektes Verfahren. Da aber jede Bandscheibe durch langjährige Einwirkung von schwerem Heben und Tragen von Lasten belastet wird, aber nicht bei jedem Exponierten eine ent-sprechende bandscheibenbedingte Erkrankung auftritt, setzt die Entstehung einer Berufs-krankheit immer - individuell verschiedene - Vulnerabilität gegenüber beruflichen Einwir-kungen voraus. Sind die Veränderungen deutlich unterschiedlich und der nicht oder we-sentlich geringer exponierte Wirbelsäulenbereich wesentlich stärker degenerativ verändert als der beruflich stark belastete Wirbelsäulenbereich, kann nicht plausibel auf eine generel-le Minderbelastbarkeit des Bandscheibengewebes geschlossen werden. Denn dann müssten im exponierten Wirbelsäulenabschnitt erst recht degenerative Veränderungen nachweisbar sein. Bei in etwa gleichwertiger degenerativer Veränderung von HWS, BWS und LWS gilt nichts anderes. Geht man in derartigen Fällen von der These der generalisierten Minder-wertigkeit des Bandscheibengewebes aus, müsste der exponierte Wirbelsäulenabschnitt einen stärkeren Befund aufweisen als der nicht exponierte. Sind aber die Bandscheiben der beruflich exponierten LWS noch stärker degenerativ verändert als die Bandscheiben der HWS und BWS, legt dies die Annahme im Einzelfall nahe, dass das Bandscheibengewebe zwar physiologisch minderwertig ist, jedoch die berufliche Exposition gleichwohl eine wesentliche Teilursache darstellt. Daraus folgt, dass ein Vergleich zwischen exponierten und nicht exponierten Wirbelsäulenabschnitt nur geeignet ist, einen Kausalzusammenhang unter bestimmten Voraussetzungen zu stützen, nicht jedoch, ihn in Zweifel zu ziehen, ohne die eigenen gedanklichen Prämissen zu verletzen.
Die Wirbelsäulensegmente L5/S1 und L4/5 (sowie L3/4) des Klägers, die nachweisbar erheblich beruflich exponiert waren, waren früher und sind stärker degenerativ verändert als diejenigen der HWS und BWS. Dies ergibt sich insbesondere aus dem radiologischen Gutachten von Dr. K. , aber auch den Gutachten von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. G ... Die degenerativen Veränderungen der HWS und BWS sind - nach den Feststellungen von Prof. Dr. G., denen die Einzelrichterin des Senats folgt - bis 1998 asymptomatisch und ohne Funktionsstörungen geblieben. Die Veränderungen an der BWS sind erst 1995 und die an der HWS erst 1999 aufgrund röntgenologischer Untersuchungen, mithin nicht klinischer Symptomatik, entdeckt worden. Dagegen hat der Kläger bereits 1977 unter einer röntgeno-logisch nachgewiesenen Verschmälerung der Zwischenwirbelräume im unteren LWS-Bereich mit sekundären degenerativen Veränderungen (spondylotische Aufwulstungen) gelitten. Diese symptomatischen degenerativen Veränderungen waren bei einem 28-jährigen Mann dem kalendarischen Alter weit vorauseilend. Es kann daher – wenn man das Differenzargument als gültig ansieht – gefolgert werden, dass gerade die erheblichen beruflichen Belastungen maßgeblich zum vorzeitigen Verschleiß des exponierten Wirbelsäulenabschnitts geführt haben. Das Differenzargument stützt folglich im vor-liegenden Fall die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs.
Daneben besteht beim Kläger entsprechend der übereinstimmenden Feststellungen durch die Gutachter Prof. Dr. D., Dr. H. und Prof. Dr. G. eine geringe Skoliose, die jedoch sta-tisch nicht relevant ist.
Eine Scheuermannsche Erkrankung ließ sich beim Kläger nach den übereinstimmenden und schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. G., Dr. K. und Dr. H. nicht nachweisen. Prof. Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.01.2001 die zunächst vertretene Auffassung, ein Morbus Scheuermann sei beim Kläger gegeben, nicht mehr aufrechterhal-ten.
Auch die Tatsache, dass erste LWS-Beschwerden, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führten, bereits 1971 und 1974 auftraten, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Zum einen war der Kläger 1971 lediglich 12 Tage und 1974 lediglich einen Tag arbeitsunfähig geschrieben, so dass von einem durchgängig bestehenden Leidenszustand nicht die Rede sein kann. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits sehr früh, nämlich im Alter von 14 Jahren, wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten aufnahm.
Da – wie oben bereits dargestellt – der Kläger langjährig beruflichen Belastungen durch Heben und Tragen von Lasten ausgesetzt war und die Entwicklung der Beschwerden mit den Belastungen durch Heben und Tragen korrelierte, spricht auch nach Auffassung der Einzelrichterin des Senats mehr für als gegen eine wesentliche Teilverursachung der band-scheibenbedingten Erkrankung in den unteren LWS-Segmenten durch die berufliche Expo-sition. Andere konstitutionelle bzw. anlagebedingte Ursachen, die das Auftreten der Ge-sundheitsstörungen in den drei unteren LWS-Segmenten allein wesentlich plausibel erklä-ren, liegen nicht vor. Sie ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem von Prof. Dr. D. gefertigten Gutachten. Außerberufliche wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten und/oder die Wirbelsäule stark belastende Sportarten hat der Kläger nach dem für die Einzelrichterin des Senat schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. G. nicht ausgeführt.
Die Verletztenrente ist ab 13.01.2003 zu gewähren. Die Verletztenrente ist gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII von dem Tag an zu zahlen, der auf den Tag folgt, an dem der An-spruch auf Verletztengeld endet. Das Verletztengeld endet gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Beim Kläger bestand ausweislich der Stellungnahmen der AOK Sachsen vom 02.09.2005 und vom 26.05.2003 BK-bedingte Arbeitsunfähigkeit bis 12.01.2003.
Angesichts der LWS-Beschwerden ist - wie von Prof. Dr. G. in seinem Gutachten und von Prof. Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme übereinstimmend und für die Einzelrich-terin des Senats nachvollziehbar eingeschätzt - die MdE ab Rentenbeginn mit 20 v. H. zu bewerten. Beim Kläger bestand bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. D. am 20.10.1999 ein Schobersches Zeichen von 10/11 cm. Der Finger-Boden-Abstand be-trug 64 cm. Das Laségue-Zeichen war als Pseudolaségue beidseitig bei 60° positiv. Dr. H. erhob im Rahmen der Untersuchung für sein am 27.12.2000 erstelltes Gutachten ebenfalls ein Schobersches Zeichen von 10/11 cm. Der Finger-Boden-Abstand betrug 70 cm. Das Laségue-Zeichen war als Pseudolaségue bei 65° positiv. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. G. betrug das Schobersche Zeichen 10/13 cm. Der Finger-Boden-Abstand lag bei 46 cm. Folglich ist eine starke Funktionseinschränkung der LWS nachgewiesen. Ein chroni-sches Wurzelreizsyndrom bestand jedoch nicht. Daher war der MdE-Einschätzung von Dr. H. nicht zu folgen. Die von Prof. Dr. G. in seinem Gutachten ausgewiesene Erhöhung der MdE ab 08.03.2004 auf 25 v. H. ist wegen der Regelung des § 73 Abs. 3 SGB VII nicht beachtlich.
II.
Die Beigeladene zu 3) ist zur Gewährung einer Verletztenrente gem. § 75 Abs. 5 SGG zu verurteilen, weil sie gemäß § 134 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 2 und § 3 der Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten vom 01.04.1994 (HV-Info 13/1995 S. 1078) in der ab 01.01.1997 geltenden Fassung (Mehrtens/Perlebach, a.a.O., Stand: 02/2004, F 1) der zuständige Unfallversicherungsträger ist.
Gem. § 134 SGB VII richtet sich die Zuständigkeit nach dem Unternehmen, in dem die gefährdende Tätigkeit zuletzt ausgeübt wurde; die Unfallversicherungsträger können Nähe-res, auch Abweichendes, durch Vereinbarung regeln. Nach § 3 der auf dieser Rechtsgrund-lage erlassenen o.g. Vereinbarung ist der Unfallversicherungsträger, auf den die letzte ge-fährdende Tätigkeit vor der Meldung entfällt, für die Feststellung (und Entschädigung) der BK zuständig. Gem. § 2 der Vereinbarung gelten als gefährdende Tätigkeit alle Arbeiten, die ihrer Art nach geeignet waren, die BK zu verursachen. Die Beurteilung erfolgt nach objektiven Kriterien entsprechend dem aktuellen Stand der Erkenntnisse.
Zu der genannten Vereinbarung der Berufsgenossenschaften existieren Erläuterungen (vgl. Mehrtens/Perlebach, a.a.O.). Nach Ziffer 5.1.1 der Erläuterungen ist für eine ab 01.04.2002 gemeldete BK-Nr. 2108 BKV von einer gefährdenden Tätigkeit im Sinne des § 2 der Ver-einbarung auszugehen, wenn der Versicherte an mindestens 60 Tagen (Arbeitsschichten) pro Jahr eine Tätigkeit mit einer Belastung von mindestens 5.500 Nh bei Männern und 3.500 Nh bei Frauen verrichtet hat. Ziffer 5.2.1 der Erläuterungen regelt, dass für Meldun-gen vor dem 01.04.2002 weiterhin die in dem Merkblatt zur jeweiligen BK-Nr. genannten Lastgewichte/Arbeitsbedingungen maßgeblich sind.
Es kann dahinstehen, ob die genannten Erläuterungen im Widerspruch zur Regelung in § 2 der Vereinbarung stehen. Dafür spricht, dass nach § 2 der Vereinbarung auf die objektiven Kriterien entsprechend dem aktuellen Stand der Erkenntnisse abzustellen ist. Das oben bereits ausführlich erläuterte MDD wurde in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entwi-ckelt und entspricht spätestens seit 1999 dem aktuellen Stand der Erkenntnisse zur Ermitt-lung der gefährdenden Tätigkeit i.S. einer BK-Nr. 2108 BKV (Jäger/Luttmann/Bolm-Audorff/Schäfer/Hartung/Kuhn/Paul/Francks, Mainz-Dortmunder Dosismodell zur Beur-teilung der Belastung der LWS durch Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch Tä-tigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bei Verdacht auf Berufskrankheit Nr. 2108, Teil 1, 1999; Hartung/Schäfer/Jäger/Luttmann/Bolm-Audorff/Kuhn/Paul/Francks, Mainz-Dortmunder Dosismodell zur Beurteilung der Belastung der LWS durch Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bei Verdacht auf Berufskrankheit Nr. 2108, Teil 2, 1999; Schäfer/Hartung/Bolm-Audorff/Luttmann/Jäger, SGb 2002, S. 202). Nach ihm wird seither – unabhängig vom Zeitpunkt der Meldung der BK – ermittelt, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV vor-liegen. Es ist kein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich, in Fällen, in denen das Vor-liegen einer ausreichenden Exposition nach dem MDD beurteilt wird, bei der Frage der Zuständigkeit nach einem hiervon abweichenden Maßstab – nämlich bei Meldung vor dem 01.04.2002 gem. Ziffer 5.2.1 der Erläuterungen nach den im Merkblatt zur BK-Nr. 2108 BKV genannten Lastgewichten/Arbeitsbedingungen – mithin einem veralteten und nicht gleichermaßen exakten Maßstab vorzugehen. Das kann – wie vorliegend – doppelte Er-mittlungen erfordern und sogar zu nicht im Einklang mit dem aktuellen Stand der Erkennt-nisse stehenden Ergebnissen führen (z.B. Anforderungen nach dem Merkblatt, nicht jedoch nach dem MDD, erfüllt). Zudem ist vorliegend nicht abschließend darauf einzugehen, ob die o.g. Erläuterungen für die Gerichte maßgeblich sind.
Vorliegend hat der Kläger die letzte gefährdende Tätigkeit sowohl bei einem Abstellen auf den aktuellen Stand der Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, mithin das MDD, das eine Tätigkeit nur dann als gefährdende Tätigkeit bei der Berechnung der Gesamtbelastungsdosis berücksichtigt, wenn die Tagesdosis mindestens 5.500 Nh beträgt (so auch Ziff. 5.1.1 der Erläuterungen), als auch bei einem Abstellen auf die Arbeitsbedin-gungen und Lastgewichte nach dem Merkblatt (Ziff. 5.2.1 der Erläuterungen) bis zum 25.10.1972 ausgeübt.
Nach den übereinstimmenden, nachvollziehbaren und für die Einzelrichterin des Senats plausiblen Ermittlungen der TAD der Beigeladenen zu 1) und 2) hat lediglich bis zum 25.10.1972 eine Tagesdosis von mindestens 5.500 Nh (an mindestens 60 Tagen pro Jahr) vorgelegen. Im Zeitraum vom 16.03.1982 bis zum 09.07.1990 hat der Kläger hingegen lediglich eine Tagesdosis von maximal 4.400 Nh erreicht. Insbesondere der TAD der Bei-geladenen zu 2) hat seine Einschätzung nach sehr gründlichen Ermittlungen auf der Basis einer ausführlichen Befragung des Klägers durch die Gewerbeärztin und nach eigener in-tensiver Befragung getroffen. Die Beurteilung stimmt zudem mit der abschließenden Ein-schätzung der Gewerbeärztin überein.
Der Einschätzung des TAD der Fleischerei-Berufsgenossenschaft vom 17.11.2005 folgt die Einzelrichterin des Senats hinsichtlich der Berechnung der Belastung im Zeitraum von 16.03.1982 bis 09.07.1990 nicht. Diese basiert auf Angaben des Klägers, die für die Ein-zelrichterin des Senats - die insoweit die von der Gewerbeärztin geäußerte Auffassung teilt - nicht glaubhaft sind. So hatte der Kläger nach dieser Stellungnahme im genannten Zeit-raum auch Kartoffeln auf- und abzuladen, Getränkekisten umzusetzen, Nährmittel und Gemüsekonserven zu heben und zu tragen. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den bishe-rigen Ermittlungen. Nach der vom Kläger im Rahmen der Ermittlungen des TAD der Bei-geladenen zu 2) erarbeiteten und unterschriebenen Stellungnahme vom 02.06.2005 war er von 1982 bis 1990 als Fleischer in einer von der Küche räumlich abgetrennten Fleischerei tätig und hat lediglich Fleisch verarbeitet und auch lediglich dieses gehoben und getragen. Dies entspricht auch den Erhebungen der Gewerbeärztin, die – wie bereits erwähnt – auf einer persönlichen Befragung des Klägers beruhen.
Auch bei einem Abstellen auf die Arbeitsbedingungen und Lastgewichte nach dem Merk-blatt (Ziff. 5.2.1 der Erläuterungen) ergibt sich kein anderes Ergebnis. Der Kläger hat nach den übereinstimmenden und für die Einzelrichterin des Senats schlüssigen Einschätzung des TAD der Beigeladenen zu 1) vom 30.07.1997 sowie der korrigierten Beurteilung durch die Gewerbeärztin Dr. E. vom 20.04.2005 und ihrer abschließenden Einschätzung vom 21.11.2005 im Zeitraum vom 16.03.1982 bis 09.07.1990 nicht in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten in der nach dem Merkblatt erforderlichen Häufigkeit - nach dem Merkblatt sind ca. 40 Hebe- und Tragelasten erforderlich - schwere Lasten gehoben und getragen. Nach den für die Einzelrichterin des Senats plausiblen übereinstimmenden Erhe-bungen der Gewerbeärztin und des TAD der Beigeladenen zu 2) war eine ausreichende Häufigkeit der Hebe- und Trageleistungen lediglich an den maximal zwei Anlieferungsta-gen pro Woche gegeben. An den übrigen Arbeitstagen hat der Kläger nach den Erhebun-gen der Beigeladenen zu 2) und den Einschätzungen der Gewerbeärztin lediglich 34 (am Tag, an dem neben der normalen Fleischertätigkeit die im Froster befindlichen Kisten um-gestapelt wurden) bzw. 4 ausreichende Hebe- und Trageleistungen ausgeführt (zu den nach dem Merkblatt erforderlichen Lastgewichten vgl. Mehrtens/Perlebach, a.a.O., Merkblatt zur BK-Nr. 2108 BKV, Ziff. IV).
Aus der Stellungnahme des TAD der Beigeladenen zu 1) vom 14.03.2005 ergibt sich nichts anderes. In der verbalen Einschätzung ist dort ebenfalls ausgeführt: "Nach den Er-läuterungen im ärztlichen Merkblatt zu der BK war das Kriterium der schweren Last er-füllt. Nicht gegeben war die Häufigkeit der Lastenhandhabung pro Arbeitsschicht." Betrachtet man die beigefügte Tabelle der Berechnung nach dem MDD ist zu berücksichti-gen, dass das Heben und Tragen von Fleischkisten nach den o.g. Ermittlungen – auf die sich die Einzelrichterin des Senats stützt – lediglich an maximal zwei Tagen pro Woche (den Anlieferungstagen) in ausreichender Häufigkeit erfolgte. Ein Umstapeln von Kisten im Froster fand lediglich an einem Tag pro Woche statt. Sofern in der Stellungnahme hier-von abweichende Angaben zur Häufigkeit ausgewiesen sind, ist die Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) nicht schlüssig. Darüber hinaus stimmen diese Angaben mit der oben zitierten verbalen Einschätzung der Beigeladenen zu 1) nicht überein.
Die letzte gefährdende Tätigkeit des Klägers endete folglich nach beiden Varianten am 25.10.1972. Es handelt sich um die Beschäftigung des Klägers beim VEB G. K. in W ... Für das Rechtsnachfolgeunternehmen dieses VEB ist die Beigeladene zu 3) zuständig.
Die Zuständigkeit richtet sich nicht nach den Regelungen über die Verteilung der Arbeits-unfälle nach dem Einigungsvertrag, weil der Versicherungsfall weder bis zum 31.12.1990 eingetreten ist noch bis zum 31.12.1994 angezeigt wurde.
Für die Anwendung der Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 3 BKV ist ebenso kein Raum. Nach § 6 Abs. 3 BKV ist, wenn ein Versicherter am 01.01.1993 an einer Krankheit gelitten hat, die erst aufgrund der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 18.12.1992 (BGBl. I Seite 2343) als BK anerkannt werden konnte, die Krankheit auf Antrag als BK anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Zum Ei-nen hat der Kläger am 01.01.1993 noch nicht an einer BK-Nr. 2108 BKV gelitten. Eine BK-Nr. 2108 BKV lag bei ihm – wie oben ausführlich erläutert – erst ab 08.10.2001 vor. Zum Anderen ist der Versicherungsfall nicht vor dem 31.03.1988 – sondern eben erst am 08.10.2001 – eingetreten.
Nach alledem waren das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufzuheben und antragsgemäß zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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FSS
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