L 7 RA 295/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 11 RA 360/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 RA 295/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem nach Nummer 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten des Klägers als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Dem Kläger war von der Technischen Hochschule D. mit Urkunde vom 13. April 1960 der akademische Grad eines Diplom-Ingenieurs verliehen worden. Der Kläger war vom 1. Februar 1960 bis zum 14. August 1961 beim VEB Flugzeugwerke D. als Versuchsingenieur, vom 15. August 1961 bis zum 31. Dezember 1966 bei der Hauptverwaltung Zivile Luftfahrt des Ministeriums für Verkehrswesen als Hauptreferent (für Wartung und Inspektion), vom 1. Januar 1969 bis zum 31. Oktober 1972 bei der Interflug Gesellschaft für Internationalen Luftverkehr mbH B-Stadt (im Folgenden: Interflug GmbH) als Gruppenleiter Wirtschaftsflug bzw. Abteilungsleiter wissenschaftlich-technische Entwicklung - Wirt-schaftsflug - im Bereich Wissenschaft und Technik und vom 1. November 1972 bis zum 21. Oktober 1990 bei der Interflug GmbH - Betrieb Agrarflug - zunächst als Abteilungsleiter wissenschaftlich-technische Entwicklung und seit 1. Januar 1977 als Technischer Di-rektor (Technischer Betriebsleiter, Leiter luftfahrttechnischer Betrieb LBA II-A502) beschäftigt.

Der Kläger war nicht in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen. Er gab im Antrag auf Überführung der Zusatzversorgungsanwartschaften an, nicht anerkannter Verfolgter im Sinne der Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet zu sein.

Den Antrag des Klägers, die Beschäftigungszeiten vom 1. Februar 1960 bis 21. Oktober 1990 als Zugehörigkeitszeiten zur Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die entsprechenden Arbeitsverdienste festzustellen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Juni 2002 ab. Den Widerspruch vom 24. Juni 2002 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2003 zurück, welcher dem Kläger am 18. Februar 2003 zugestellt worden ist.

Die am 13. März 2003 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 19. Juni 2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen habe. Der Kläger falle nicht unter den Anwendungsbereich des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes, weil er am 1. August 1991, dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes, weder einen Versorgungsanspruch noch eine Versorgungsanwartschaft gegen den Versorgungsträger gehabt habe. Auch habe er keinen Anspruch auf eine fiktive Versorgungsanwartschaft im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes besessen, weil er am maßgeblichen Stichtag, dem 30. Juni 1990, nicht in einem vom Versorgungssystem der technischen Intelligenz erfassten Betrieb be-schäftigt gewesen sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 17. Juli 2003 zugestellte Urteil am 14. August 2003 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Sozialge-richt undifferenziert auf die ein Beschäftigungsverhältnis mit der Interflug GmbH betref-fende Entscheidung des Bundessozialgerichtes (Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 3/02 R -) bezogen habe. Es habe nicht die von ihm vorgelegten, dem Bundessozialgericht bei sei-ner Entscheidung nicht bekannten Unterlagen berücksichtigt. Das Sozialgericht sei auch nicht auf die weiteren Argumente eingegangen. Er verweist insbesondere auf die Anord-nung des Ministers für Verkehr vom 14. August 1963.

Der Kläger beantragt:

Unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichtes Chemnitz vom 19. Juni 2003 wird der Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Zeitraum vom 1. April 1960 bis 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem der technischen In-telligenz nebst den erzielten Verdiensten festzustellen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialge-richtes,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genom-men.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil das Sozialgericht zu Recht die Klage abge-wiesen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2002 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 11. Februar 2003 ist rechtmäßig, weil der Kläger keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen hat.

In dem Verfahren nach § 8 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606, 1677; zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21. Juni 2005 [BGBl. I S. 1672]), das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) ähnlich und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführen ist (dazu stellvertretend: BSG, Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95 - SozR 3-8570 § 8 Nr. 2), ist die Beklagte nur dann zu den vom Kläger begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser dem persönlichen Anwendungsbereich des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 AAÜG unterfällt. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist in einem weiteren Schritt festzustellen, ob er Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die einem Zusatzversorgungssystem, hier der Zu-satzversorgung der technischen Intelligenz, zuzuordnen sind (§ 5 AAÜG).

Gemäß § 1 Abs. 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versor-gungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Bei-trittsgebiet erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssyste-me einen Verlust der Anwartschaft bei Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2).

1. Der Kläger war bei Inkrafttreten des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgeset-zes am 1. August 1991 nicht Inhaber einer erworbenen Versorgungsberechtigung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Einen "Anspruch" auf Versorgung (= Vollrecht) besaß er zu diesem Zeitpunkt nicht, weil schon kein "Versorgungsfall" (Alter, Invalidität) eingetreten war.

Er war zu diesem Zeitpunkt auch nicht Inhaber einer bestehenden Versorgungsanwart-schaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Dies hätte vorausgesetzt, dass er in das Ver-sorgungssystem einbezogen gewesen wäre. Eine solche Einbeziehung in das Zusatzversor-gungssystem der technischen Intelligenz konnte durch eine Versorgungszusage in Form eines nach Artikel 19 Satz 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889, ber. S 1239) bindend geblie-benen Verwaltungsaktes, durch eine Rehabilitierungsentscheidung auf der Grundlage von Artikel 17 des Einigungsvertrages oder durch eine Einzelentscheidung, zum Beispiel auf Grund eines Einzelvertrages (vgl. § 1 Abs. 3 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 [GBl. Nr. 62 S. 487; im Folgenden: 2. DB]) erfolgen. Keine dieser Voraussetzungen ist vorliegend erfüllt.

2. Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt. Der Kläger war zu keinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem einbezogen und vor Eintritt des Leistungsfalls ausgeschieden (Fall einer gesetzlich fingierten Versorgungsan-wartschaft).

3. Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsan-wartschaft im Sinne der vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urtei-le vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 14, vom 10. April 2002 - B 4 RA 34/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 3 S. 20; vom 10. April 2002 - B 4 RA 10/02 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 5 S. 33, vom 9. April 2002 - B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 40, vom 9. April 2002 - B 4 RA 3/02 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 7 S. 60, vom 10. April 2000 - B 4 RA 18/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 8 S. 74) vorgenommenen erweiternden ver-fassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG.

Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 in ein Versorgungssystem nicht einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht auf Grund originären Bundesrechts einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versor-gungszusage gehabt hätten. Ein solcher fiktiver Anspruch hängt im Bereich der Zusatzver-sorgung der technischen Intelligenz gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Al-tersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. Nr. 93 S. 844; im Folgenden: VO-AVItech) und der Zweiten Durchführungsbestimmung von drei Voraussetzungen ab, nämlich von (1) der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und (2) der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar (3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwe-sens im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung). Maßgeblich für das Sprachverständnis ist hierbei der staatliche Sprachgebrauch der Deut-schen Demokratischen Republik am 2. Oktober 1990 (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 2 S. 13).

Dieser Rechtsauslegung schließt sich der erkennende Senat an.

Ausgehend hiervon war der Kläger nicht Inhaber eines Anspruchs auf eine fiktive Versor-gungsanwartschaft. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger, der zuletzt als Direktor Technik und damit im Sinne von § 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 der 2. DB nicht ingenieurtech-nisch, sondern verwaltungstechnisch beschäftigt war, die sachliche Voraussetzung im Sin-ne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes erfüllt. Denn es ist zumindest die be-triebliche Voraussetzung nicht erfüllt.

a) Rechtsgrundlage für die Einbeziehung von Beschäftigten der Interflug GmbH in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz war entgegen der Auffassung des Klägers nicht die Anordnung des Ministers für Verkehr vom 14. Oktober 1963 (Verfügun-gen und Mitteilungen des Ministeriums für Verkehrswesen 1963, 2), wie er unter Bezug-nahme auf den Schriftsatz vom 9. Juni 2005 zu dem gegen das Urteil des Landessozialgerichtes B-Stadt vom 14. März 2005 (Az.: L 16 RA 31/05) gerichteten Nichtzulassungsbe-schwerdeverfahren ausführt.

Diese Anordnung wurde, wie sich aus deren Einleitung ergibt, zur Durchführung der Ver-ordnungen, die die zusätzliche Altersversorgung der technischen, pädagogischen und medizinischen Intelligenz betrafen, erlassen. Die Anordnung hat jedoch nicht den durch die Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 zur Konkretisierung der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 festgelegten Geltungsbereich erweitert. Denn für eine die genannte Ver-ordnung konkretisierende Regelung fehlte dem Minister für Verkehr die erforderliche Er-mächtigung.

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hat in § 5 VO-AVItech das Minis-terium der Finanzen ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Ministerium für Industrie und dem Ministerium für Arbeit und Gesundheit Durchführungsbestimmungen zu der Verord-nung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseige-nen und ihnen gleichgestellten Betrieben zu erlassen. Diese Ermächtigungsregelung ist mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes über den Ministerrat der Deutschen Demokratischen vom 17. April 1963 (GBl. I Nr. 6 S. 89; im Folgenden: Ministerratsgesetz) weder durch neueres Recht ersetzt worden, noch ist sie seit diesem Zeitpunkt dahingehend auszulegen, dass nunmehr der Minister für Verkehr eigenständig Regelungen erlassen konnte, die das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz betrafen.

Nach § 9 Abs. 4 des Ministerratsgesetzes erließen die Mitglieder des Ministerrates, d.h. unter anderem die Minister (vgl. § 3 des Ministerratsgesetzes), "auf der Grundlage und zur Durchführung der Beschlüsse des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, die die staatliche Tätigkeit betreffen, der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer, der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates sowie der Verordnungen und Beschlüsse des Ministerrates Anordnungen und Durchführungsbestimmungen, die allge-mein verbindlich sind." Daraus folgt, dass für die Kompetenz zum Erlass von Anordnun-gen und Durchführungsbestimmungen im jeweiligen Einzelfall entscheidend war, ob es "Grundlagen", d.h. besondere Ermächtigungsregelungen, gab. Wenn es spezialgesetzliche Ermächtigungen gab, gingen diese der Regelung in § 9 Abs. 4 des Ministerratsgesetzes vor. Für das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz bestand eine solche be-sondere Ermächtigungsregelung in § 5 VO-AVItech. Auch nach dem In-Kraft-Treten wur-den besondere Ermächtigungsregelungen geschaffen, wofür zum Beispiel § 38 der Verord-nung über die Energiewirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik - Energiever-ordnung - vom 30. Oktober 1980 (GBl. I Nr. 33 S. 321), § 17 der Verordnung über das Bestattungs- und Friedhofswesen vom 17. April 1980 (GBl. I Nr. 18 S. 159) oder § 38 der Verordnung über Kurorte, Erholungsorte und natürliche Heilmittel -Kurortverordnung - vom 3. August 1967 (GBl. II Nr. 88 S. 653) Belege sind.

Bis zum In-Kraft-Treten des Ministerratsgesetzes erlassene besondere Ermächtigungsbe-stimmungen wurden durch dieses Gesetz nicht außer Kraft gesetzt. Zum einen enthält das Gesetz keine entsprechende Aufhebungs- oder Außerkraftsetzungsregelung. Zum anderen belegt gerade auch § 9 Abs. 4 des Ministerratsgesetzes und die nachfolgende Normset-zungspraxis, dass die bisherige Normsetzungspraxis und die bestehenden Regelungen nicht geändert, sondern fortgeführt werden sollten. Das Ministerratsgesetz ließ somit § 5 VO-AVItech unberührt.

Die Ermächtigungsregelung in § 5 VO-AVItech wurde auch nicht dadurch obsolet, dass es die beiden vom Ministerium der Finanzen zu beteiligenden Ministerien seit November 1950 nicht mehr in dieser Form und mit dieser Bezeichnung gab. Nach § 5 VO-AVItech erließ das Ministerium der Finanzen Durchführungsbestimmungen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Industrie und dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen. Die beiden zuletzt genannten Ministerien bestanden auf der Grundlage von Artikel 2 des Gesetzes über die provisorische Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 (GBl. Nr. 1 S. 2). Mit § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vom 8. November 1950 (GBl. Nr. 127 S. 1135) tra-ten an die Stelle des Ministeriums für Industrie die drei Ministerien für Schwerindustrie, Maschinenbau und Leichtindustrie. An die Stelle des Ministeriums für Arbeit und Gesund-heitswesen traten das Ministerium für Arbeit und das Ministerium für Gesundheitswesen. Mit dieser Neugliederung der Ministerien sind keine Zuständigkeiten und Geschäftsbereiche untergegangen, sondern nur neu zugeordnet worden. Die Ermächtigungsregelung in § 5 VO-AVItech ist deshalb nicht statisch dahingehend auszulegen, dass die dort verwand-ten Ministeriumsbezeichnungen nur die Ministerien mit einer bestimmten Bezeichnung und einem bestimmten Zuschnitt des Geschäftsbereiches erfassen sollten. Vielmehr ist § 5 VO-AVItech dynamisch dahingehend auszulegen, dass das Ministerium der Finanzen beim Erlass von Durchführungsbestimmungen das Einvernehmen mit denjenigen Ministerien herzustellen hatte, auf die die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Zuständig-keiten und Geschäftsbereiche des Ministeriums für Industrie und des Ministeriums für Ar-beit und Gesundheitswesen übergegangen sind. Das Ministerium für Verkehr, das bereits in Artikel 2 des Gesetzes über die provisorische Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949, war von den beschriebenen Neustrukturierungen nicht betroffen.

Selbst wenn dem Kläger entgegen der vorstehenden Ausführungen zu folgen wäre, dass sich für Ministerien eine grundsätzliche Kompetenz für den Erlass von Anordnungen und Durchführungsbestimmungen aus § 9 Abs. 4 des Ministerratesgesetzes in Verbindung mit dem jeweiligen Statut des Ministeriums herleiten ließ, bietet der Beschluss des Ministerra-tes über das Statut des Ministeriums für Verkehrswesen vom 14. August 1975 (GBl. I Nr. 34 S. 621) keine Grundlage für die Kompetenz des Ministers für Verkehr, Regelungen betreffend die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz zu treffen. Aus keiner Rege-lung des Statuts ergibt sich, dass der Minister für Verkehr befugt war, auf dem Gebiet der Altersversorgung Regelungen zu erlassen. Insbesondere der im Beschwerdeschriftsatz vom 9. Juni 2005 in Bezug genommene § 9 des Statuts kann hierfür nicht dienbar gemacht wer-den. Diese Vorschrift hat die Rechnungsführung, die Betriebswirtschaft, die Haushalts-, Valuta- und Finanzwirtschaft sowie das Tarif- und Preiswesen zum Gegenstand.

b) Aus den genannten Gründen sind somit auch für die Beschäftigten der Interflug GmbH, die einen Anspruch auf eine fiktive Versorgungsanwartschaft geltend machen, die Rege-lungen in der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelli-genz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 in Verbindung mit der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzli-che Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichge-stellten Betrieben vom 24. Mai 1951 maßgeblich. Voraussetzung ist danach unter anderem eine Beschäftigung in einem volkseigenen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb. Die Interflug GmbH erfüllt keine dieser beiden Voraussetzungen (ebenso bereits: BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 3/02 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 7; LSG B-Stadt, Urteile vom 15. November 2001 - L 3 RA 18/01 - SGb 2002, 52 - und vom 14. Januar 2004 - L 6 RA 33/02 - JURIS-Dokument; Sächsisches LSG, Urteil vom 25. November 2003 - L 4 RA 46/03 - JURIS-Dokument).

Von dem volkseigenen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB unterscheidet sich die Interflug GmbH sowohl hinsichtlich der Rechts- bzw. Gesellschaftsform als auch der einschlägigen Rechtsgrundlagen (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 3/02 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 7, insbesondere S. 61). Die Interflug GmbH zählt auch nicht zu den gleich-gestellten Betrieben im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB. Der Begriff der "gleichgestellten Betriebe" im versorgungsrechtlichen Sinne ist in dieser Vorschrift erstmals und abschlie-ßend (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 4 RA 23/04 R - SozR 4-8570 § 1 Nr. 6 RdNr. 19 = JURIS-Dokument RdNr. 21) definiert worden. Aus dem Bereich des Verkehrswesens sind dort nur die Institute und Betriebe der Eisenbahn und der Schifffahrt aufgeführt.

Eine Erweiterung des Kreises der gleichgestellten Betriebe ist nicht möglich. Das Bundes-sozialgericht hat wiederholt darauf hingewiesen (vgl. BSG, Urt. vom 9. April 2002 - B 4 RA 3/02 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 7 S. 68), dass eine nachträgliche Korrektur der im Be-reich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 geltenden abstrakt-generellen Regelungen der DDR, auch soweit sie willkürlich gewesen sein sollten, durch die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt nicht zulässig ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat die in nunmehr ständiger Rechtsprechung des Bundes-sozialgerichts aufgestellten Grundsätze im Hinblick auf Artikel 3 des Grundgesetz nicht beanstandet (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05 - und vom 4. August 2004 - 1 BvR 1557/01NVwZ 2005, 81). Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts war es zulässig, dass sich das Bun-dessozialgericht am Wortlaut der Versorgungsordnung orientiert hat und nicht an eine Pra-xis oder an diese Praxis möglicherweise steuernde unveröffentlichte Richtlinien der Deut-schen Demokratischen Republik angeknüpft hat.

c) Da es sich bei den im Berufungsverfahren in Streit stehenden Fragen um reine Rechts-fragen handelte, die an Hand allgemein zugängliche Unterlagen oder an Hand von Materia-lien, die dem Gericht und den Beteiligten vorlagen, beantwortet werden konnten, bedurfte es keiner weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Insbesondere sieht das Sozialgesetzbuch nicht vor, dass Ermittlungen dazu durchgeführt werden, auf welcher Erkenntnislage ein Gericht, dessen Rechtsprechung präjudizielle Wirkung für das anhängige Verfahren hat, seine einschlägigen Entscheidungen getroffen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Der erkennende Senat weicht nicht im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG von einer Entschei-dung des Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichtes ab. Auch hat die Rechtssache nicht im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Der Umstand, dass sich das Revisionsgericht noch nicht mit einer bestimmten, mit den üblichen Mitteln der juristi-schen Methodik zu beantwortenden Rechtsfrage befasst hat, ist für eine Revisionszulassung noch nicht ausreichend.
Rechtskraft
Aus
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