L 3 B 414/06 AS-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 15 AS 1825/06 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 414/06 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ausbildungsförderung nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ist eine teilweise zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II.

2. Es ist im Einzelfall nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln eine Aufteilung der auf den Unterhalt und auf die Ausbildung entfallenden Anteile vorzunehmen. Für eine gerelle pauschalierende Quotelung bietet weder § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II noch § 11 Abs. 1 BAföG eine Stütze.

3. Als zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II ist der Anteil der Ausbildungsförderung zu berücksichtigen, der mit Nachweisen belegt und in angemessenem Umfang auf die Ausbildungsförderung entfällt.
I. Auf die Beschwerde werden die Ziffern I und III des Beschlusses des Sozialgerichts Leipzig vom 17. November 2006 aufgehoben.
II. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 6. November 2006 gegen den Änderungsbescheid des Antragsgegnerin vom 18. September 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2006 wird angeordnet.
III. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtliche Kosten der Antragstel-lerin in beiden Rechtszügen zu tragen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 17. November 2006. In diesem lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid, mit dem die gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) abgesenkt wurden, ab. Die Beteiligten streiten im Kern um die Frage, ob bei der Berücksichtigung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesgesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) als Einkommen nach § 11 SGB II eine generelle Pauschalierung des Ausbildungsbedarfes ohne die Möglichkeit des Nachweises des konkreten Ausbildungsbedarfes rechtmäßig ist.

Die Antragsgegnerin bewilligte der 1967 geborenen Antragstellerin und ihrem mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden, 1989 geborenen Sohn mit Bescheid vom 20. Juli 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Die Leistungen betrugen 356,48 EUR monatlich für die Zeit vom 1. August 2006 bis 31. Oktober 2006 und 354,61 EUR monatlich für die Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Januar 2007.

Mit Änderungsbescheid vom 18. September 2006 senkte die Antragsgegnerin die bewilligten monatlichen Leistungen für die beiden Zeiträume auf 194,48 EUR bzw. 192,61 EUR. Zur Begründung gab sie an, dass der Sohn der Antragstellerin ab 4. September 2006 eine Ausbildung als technischer Assistent für Informatik aufgenommen habe. Es werde ein fiktives Einkommen in Höhe von 192,00 EUR angerechnet, weil der BAföG-Bescheid noch nicht vorliege. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 28. September 2006 Widerspruch ein.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 9. Oktober 2006 bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen in Höhe von 356,48 EUR monatlich für die Zeit vom 1. August 2006 bis 31. Oktober 2006, 354,61 EUR monatlich für die Zeit vom 1. November 2006 bis 30. November 2006 und 201,01 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis 31. Januar 2007. Zugleich hob sie den Bescheid vom 18. September 2006 auf und gewährte für Oktober 2006 eine Nachzahlung in Höhe von 162,00 EUR. Sie führte weiter aus, dass ab 1. Dezember 2006 eine Anrechnung der Ausbildungsförderung beim Sohn der Antragstellerin erfolge, weil die zuständige BAföG-Stelle eine Zahlung ab diesem Zeitpunkt zugesichert habe. Für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 30. November 2006 werde ein Erstattungsanspruch bei der BAföG-Stelle angemeldet. Ausweislich des beigefügten Berechnungsbogens setzte die Antragsgegnerin beim Sohn der Antragstellerin ein monatliches Einkommen in Höhe von 153,60 EUR an.

Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2006 zurück. Der Widerspruch sei nach dem Erlass des Änderungsbescheides [gemeint sein dürfte der Bescheid vom 9. Oktober 2006] nicht mehr begründet. Hinsichtlich der BAföG-Leistungen führte sie aus, dass nur 20% dieser Leistungen als pauschale Ausbildungskosten zählen würden.

Am 30. Oktober 2006 bewilligte das zuständige Amt für Ausbildungsförderung dem Sohn der Antragstellerin für die Zeit von September 2006 bis August 2007 Ausbildungsförderung in Höhe von 192,00 EUR monatlich.

Die Antragstellerin hat am 6. November 2006 Klage erhoben und am 8. November die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes beantragt. Sie hat unter Berufung auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Chemnitz vom 19. Juni 2006 (Az. S 29 AS 1100/05) die Auffassung vertreten, dass BAföG-Leistungen, soweit sie nachweislich zu Ausbildungszwecken verwandt werden, zweckbestimmte Leistungen im Sinne von § 11 Abs. 3 SGB II seien. Die monatlichen ausbildungsbedingten Ausgaben betrügen 61,00 EUR für Schuldgeld, 200,00 EUR für Fahrtkosten für die Mitfahrt in einem Pkw vom Heimatort bis zum Hauptbahnhof L. sowie 34,00 EUR für eine Monatskarte der örtlichen Verkehrsbetriebe für die Fahrt vom Hauptbahnhof bis zur Schule. Hinzu kämen weitere Kosten für Literatur, Schreibbedarf und ähnliches.

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 17. November 2006 abgelehnt (Ziffer I des Beschlusses) und außergerichtliche Kosten für nicht erstattungsfähig erklärt (Ziffer III des Beschlusses). Zur Frage, wie BAföG-Leistungen als Einkommen bei der Berechnung von Leistungen nach dem SGB II zu berücksichtigen sind, hat des Sozialgericht unter Berufung auf das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichtes vom 9. Februar 1996 (Az.: Bf. IV 5/92) die Auffassung vertreten, dass eine pauschalierte Bestimmung des Ausbildungsanteiles zulässig sei.

Die Antragstellerin hat am 5. November 2006 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Wortlaut des früher geltenden § 77 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und des nunmehr geltenden § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II nicht identisch seien. Außerdem sei das Hamburgische Oberverwaltungsgericht grundsätzlich von einer Einzelfallbetrachtung ausgegangen. Schließlich stelle eine generelle Pauschalierung ohne die Möglichkeit des Nachweises des erforderlichen Ausbildungsbedarfes einen Eingriff in die von Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützte freie Wahl der Ausbildungsstätte dar.

Die Antragstellerin beantragt:

Unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Leipzig vom 17. November 2006 wird die aufschiebende Wirkung der Klage vom 6. November 2006 der Antragstellerin gegen den von der Antragsgegnerin am 18. September 2006 erlassenen Änderungsbescheid angeordnet.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dass eine dem § 7 Abs. 5 und 6 SGB II vorhergehende Regelung die des § 26 Abs. 1 BSHG gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinen Grundsatzentscheidungen ausführlich dargelegt, inwiefern der Gesetzgeber die Gleichartigkeit der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Bundesausbildungsförderungsgesetzes betrachte. Von dieser Rechtsprechung weiche die von der Antragstellerin in Bezug genommene Entscheidung des Sozialgerichtes Chemnitz ab.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid abgelehnt.

1. Das Sozialgericht hat allerdings zutreffend darauf abgestellt, dass der begehrte vorläufige gerichtliche Rechtsschutz ausschließlich über eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gewährt werden kann. Diese Regelung kommt vorliegend zum Tragen, weil eine Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat. Auch vor dem Hintergrund der kontroversen Auslegung zum Anwendungsbereich von § 39 Nr. 1 SGB II (vgl. hierzu die Nachweise im Beschluss des Senates vom 11. Juli 2007 - L 3 B 381/06 AS-ER - amtlicher Umdruck S. 20 ff.) ist unstreitig, dass je-denfalls eine Anfechtungsklage, die gegen die Herabsetzung von Leistungen gerichtet ist, darunter fällt (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Oktober 2006 - L 19 B 599/06 AS - juris-Dokument Rdnr. 30). Eines zusätzlichen Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG neben der Anordnung der aufschiebenden Wirkung bedarf es deshalb vorliegend nicht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung, auf den die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 14. November 2006 abgestellt hat, ist nur dann erforderlich, wenn die begehrte Leistung durch die zuständige Behörde im Ausgangsbescheid entweder überhaupt nicht oder nicht in der beantragten Höhe bewilligt worden ist. Beides war vorliegend jedoch nicht der Fall.

2. Auf der Grundlage von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG war die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin anzuordnen.

Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist begründet, wenn das private Interesse des Anfechtenden, den Vollzug des angefochtenen Bescheides bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (privates Aus-setzungsinteresse), gegenüber dem öffentlichen Interesse an dessen Sofortvollzug (öffentliches Vollzugsinteresse) überwiegt. Dies ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren summarisch zu prüfen und dabei der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten zu ermitteln, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist. Die danach nötige Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse und dem öffentlichen Vollzugsinteresse hat sich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides in der Regel kein öffentliches Interesse besteht, während bei einem rechtmäßigen Bescheid das öffentliche Interesse angesichts der gesetzlich angeordneten, sofortigen Vollziehbarkeit in der Regel vorrangig ist. Daneben sind aber auch alle sonstigen Umstände des Einzelfalles, die für und gegen die sofortige Vollziehbarkeit sprechen, gegeneinander abzuwägen, insbesondere das besondere Vollzugsinteresse im Einzelfall, der Umfang der drohenden Rechtsbeeinträchtigung und die Folgen, die der Sofortvollzug eines rechtswidrigen Bescheides einerseits und das Aussetzen des Sofortvollzugs eines rechtmäßigen Bescheides andererseits mit sich bringen würde. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, ums so gewichtiger müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände sein. Bei einem gänzlich offenen Ausgang in der Hauptsache müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände in jedem Fall höher zu bewerten sein, als die für ihn sprechenden, sonstigen Umstände, da es andernfalls bei der bereits gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit bleibt (vgl. zum Ganzen m.w.N.: Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren [2005], Rn. 186 ff.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [8. Aufl., 2005], § 86b Rn. 12a bis 12e).

Hieran gemessen war dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben, weil die Klage der Antragstellerin voraussichtlich Erfolg haben wird.

Rechtsgrundlage des Änderungsbescheides ist § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung zum Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde.

Nach summarischer Prüfung liegen die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht, jedenfalls nicht in dem von der Antragsgegnerin vorgenommenen Umfang, vor.

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung erhalten gemäß § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II. Hilfebedürftig ist, wer seinen eigenen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II), sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Träger anderer Sozialleistungen erhält. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Antragstellerin auf dieser Grundlage dem Grunde nach einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat, ihr Sohn gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zur Bedarfsgemeinschaft gehört und demgemäß seine BAföG-Leistungen bei der Berechung der Höhe des Arbeitslosengeldes II für die Antragstellerin zu berücksichtigen sind. Streitig ist allein, in welchem Umfang die BAföG-Leistungen zu berücksichtigen sind.

Was als Einkommen zu berücksichtigen ist, ist in § 11 SGB II geregelt. Gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II sind Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Zweckbestimmte Einnahmen in diesem Sinne sind solche, die dazu bestimmt sind, der Finanzierung des laufenden Lebensunterhaltes oder der Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit (vgl. § 1 Abs. 2 SGB II) zu dienen (vgl. Brühl, in: Münder Sozialgesetzbuch II [2. Aufl., 2007; im Folgen-den: LPK-SGB II], § 11 RdNr. 51; Hasske, in: Estelmann (Hrsg.), SGB II [9. Erg.-Lfg., Mai 2007], § 11 RdNr. 49). Die Zweckbestimmung muss nicht ausdrücklich im Gesetz benannt sein, sie kann sich auch aus der erkennbaren Zweckbestimmung des Gesetzes ergeben (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Oktober 2006 - L 19 B 599/06 AS - juris-Dokument Rdnr. 36; Brühl, a.a.O.; Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2005], § 11 RdNr. 80).

In diesem Sinne ist die Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe des für die Ausbildung gewährten Betrages eine zweckbestimmte Leistung (ebenso: Hasske, a.a.O ... So bereits zu § 77 Abs. 1 BSHG: HambOVG, Urteil vom 9. Feb-ruar 1996 - Bf IV 5/92 - juris-Dokument RdNr. 30 ff.). Die Zweckbestimmung der Ausbildungsförderung ergibt sich aus § 11 Abs. 1 BAföG. Danach wird sie für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet.

Die Qualifizierung des Ausbildungsförderung als zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass sie auch noch einem anderen Zweck als die Leistung nach dem SGB II dient. Soweit das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Auffassung vertritt, eine Leistung verfolge erst dann einen anderen Zweck im Sinne dieser Regelung, wenn bei mehreren Zwecken einer Leistung der Zweck, der der Leistung das Gepräge gebe und als vorherrschender, überwiegender Zweck anzusehen sei, mit dem Zweck einer Leistung nach dem SGB II nicht übereinstimmte (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Oktober 2006 - L 19 B 599/06 AS - juris-Dokument Rdnr. 36), findet diese einengende Auslegung im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Vielmehr macht das Wort "soweit" in § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II deutlich, dass auch Einnahmen zu berücksichtigen sind, bei deren Zweckbestimmung eine Teilidentität mit den Zwecken von Leistungen nach dem SGB II besteht, im Übrigen aber vom Gesetzgeber auch ein anderer Zweck verfolgt wird (so zu § 77 Abs. 1 BSHG: HambOVG, Urteil vom 9. Februar 1996 - Bf IV 5/92 - juris-Dokument RdNr. 31). Auch die Gesetzesmaterialien ergeben keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II in der beschriebenen einengenden Auslegung verstanden wissen wollte.

Soweit das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg weiter ausführt, dass von den typischen Kosten des Unterhalts und der Ausbildung an einer staatlichen Ausbildungsstätte der Anteil der Kosten für den Unterhalt größer sein dürfte als der für die Ausbildung, ist dies rein spekulativ. Unabhängig davon, dass in den beim erkennenden Senat anhängigen Verfahren in einer nennenswerten Zahl die Ausbildungsförderung in wesentlichen Teilen für die Kosten der Ausbildung, unter anderem für das Schulgeld, eingesetzt werden muss, kommt es im Zusammenhang mit § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II bei einer Leistung mit mehreren Zweckbestimmungen nicht auf die quotenmäßige Aufteilung der typischen Kosten an. Die Schwierigkeiten, die im Einzelfall bei der Bestimmung des auf den jeweili-gen Zweck entfallenden Anteils der Ausbildungsförderung entstehen können, können nicht dadurch umgangen werden, dass § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II einengend ausgelegt wird.

Die Entscheidung des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg ist zudem insoweit nicht konsequent, als das Gericht im Ergebnis doch einen Anteil der Ausbildungsförderung als der Ausbildung dienend behandelt und nicht als Einkommen berücksichtigt. Wenn aber die Ausbildungsförderung wegen der fehlenden Prägung durch den Ausbildungsanteil nicht als Einnahme im Sinne § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II angesehen wird, hätte kein quo-tenmäßiger Abzug bei der Einkommensermittlung erfolgen dürfen. Denn für eine solche Verfahrensweise findet sich weder in § 11 Abs. 3 SGB II noch in § 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung [Alg II-V]) eine Rechtsgrundlage.

Ausgehend von der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als teilweise zweckbestimmter Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II ist der Anteil zu bestimmen, der auf die Ausbildung entfällt und damit nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Für die generelle pauschalierende Quotelung, wie sie die Antragsgegnerin vorgenommen hat, bietet weder § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II noch § 11 Abs. 1 BAföG eine Stütze. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Bedarfe nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als Pauschalen bemessen. Die Festlegung der Pauschalen erfolgte ungeachtet dessen, dass die Bedarfe bei den Auszubildenden jeweils abhängig vom Ausbildungsort, der Ausbildungsart und den verschiedenen Zeiträumen, wie Ausbildungszeiten und Ferien, unterschiedlich sind. Eine getrennte Festlegung der Bedarfe für Unterhalt und Ausbildung hat er nicht vorgenommen. Wenn aber der Gesetzgeber im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes von einer variablen Verteilung der Anteile ausgeht und vom Auszubildenden erwartet, dass er gegebenenfalls auch einen hohen Anteil an Ausbildungskosten von der Ausbildungspauschale abdeckt, kann im Rahmen des SGB II wegen der Einheit der Rechtsordnung nicht dem Auszubildenden unterstellt werden, dass er generell einen von der Behörde festgelegten, überwiegenden Anteil der Ausbildungsförderung für den Unterhalt einsetzt. Dies entspricht auch dem Zweck des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II. Wie bereits die Vorläuferregelung des § 77 Abs. 1 BSHG (vgl. hierzu: HambOVG, Urteil vom 9. Februar 1996 - Bf IV 5/92 - juris-Dokument RdNr. 29, m.w.N.) soll zum einen eine Doppelleistung aus öffentlichen Kassen für einen Zweck vermieden werden. Zum anderen soll aber dem Empfänger einer Leistung, mit der ein besonderer Bedarf gedeckt werden soll, diese Bedarfsdeckung nicht dadurch unmöglich gemacht werden, dass er gezwungen wird, die Leistung entgegen ihrer Zweckbestimmung zu verwenden.

Es ist somit im Einzelfall nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln eine Aufteilung der auf den Unterhalt und auf die Ausbildung entfallenden Anteile vorzunehmen (so zu § 77 Abs. 1 BSHG: HambOVG, Urteil vom 9. Februar 1996 - Bf IV 5/92 - juris-Dokument RdNr. 31). Als zweckbestimmte Einnahmen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II ist der Anteil der Ausbildungsförderung zu berücksichtigen, der mit Nachweisen belegt und in angemessenem Umfang auf die Ausbildungsförderung entfällt. Erst wenn dies nicht möglich ist oder wenn der Antragsteller im SGB II-Verfahren hierauf nicht besteht, kommt eine pauschalierende Festlegung des Ausbildungsanteils der Ausbildungsförderung durch die Behörde in Betracht.

Soweit die Antragsgegnerin für ihre gegenteilige Auffassung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu § 26 BSHG, der Vorläuferregelung zu § 7 Abs. 5 SGB II, verweist, ist diese Rechtsprechung nicht einschlägig. § 7 Abs. 5 SGB II betrifft den grundsätzlichen Ausschluss von Auszubildenden, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderfähig sind, vom Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Regelung enthält mithin eine Aussage zur Anspruchsberechtigung dieser Personengruppe. § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II hingegen behandelt die Frage, ob und in welchem Umfang Einnahmen desjenigen, der Leistungen nach dem SGB II beantragt, oder von Dritten, die bei der Einkommensberechnung nach den Regelungen des SGB II einzubeziehen sind, als Einkommen nicht zu berücksichtigen sind.

Auf dieser Grundlage erweist sich die von der Antragsgegnerin vorgenommene Herabsetzung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als rechtswidrig. Die Antragsgegnerin hat beim Sohn der Antragstellerin ein Einkommen in Höhe von 153,60 EUR angesetzt. Dies entspricht 80% der bewilligten Ausbildungsförderung in Höhe von 192,00 EUR. Demnach werden von der Antragsgegnerin 38,40 EUR als der Ausbildung dienende, zweckbestimmte Einnahmen berücksichtigt. Ausweislich des vorgelegten Schulvertrages hat der Sohn der Antragstellerin für die Ausbildung zum "Staatlich anerkannten Assistenten" in der Ausbildungsrichtung "Technischer Assistent für Informatik" ein Schulgeld in Höhe von 671,23 EUR pro Schuljahr zu zahlen, welches in 11 Monatsraten in Höhe von je 61,00 EUR abgezahlt werden kann. Damit übersteigt bereits das nachgewiesene Schulgeld die von der Antragsgegnerin zugrunde gelegte Pauschale. Hinzu kommen die weiteren von der Antragstellerin geltend gemachten, mit der Ausbildung in Verbindung stehenden Kosten, insbesondere die Fahrtkosten. Für diese weiteren Kosten liegen bislang nur allgemeine Belege, nicht jedoch konkrete Nachweise, wie zum Beispiel Fahrkarten, vor. Im Hinblick darauf, dass diese Kosten aber nach den obigen Ausführungen dem Grunde nach berücksichtigungsfähig sind, sieht das Gericht davon ab, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung betragsmäßig zu begrenzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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