L 3 B 292/07 AS-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AS 1474/07 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 292/07 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 21. Juni 2007 in Ziffer I wie folgt neu gefasst: Die aufschiebende Wirkung der Klagen des Antragstellers gegen die Absenkungsbescheide der Antragsgegnerin vom 17. April 2007 und 19. April 2007 wird angeordnet.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Absenkung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der am 1972 geborene Antragsteller, ein gelernter Diplom-Kaufmann, steht bei der Antragsgegnerin im Leistungsbezug von Arbeitslosengeld II.

Die Antragsgegnerin übersandte dem Antragsteller mit Schreiben vom 2. Februar 2007 einen Vermittlungsvorschlag mit der Aufforderung, sich wegen einer ausgeschriebenen Stelle beim Arbeitgeber zu bewerben. Dem Schreiben waren eine Rechtsfolgenbelehrung über das mögliche Eintreten einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III), bei Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses sowie eine Rechtsfolgenbelehrung über die möglichen Absenkungen des Arbeitslosengeldes II bei Verletzung von Pflichten nach dem SGB II beigefügt. Mit Schreiben vom 2. Februar 2007 und 6. Februar 2007 erfolgten weitere Vermittlungsvorschläge für ausgeschriebene Stellen durch die Agentur für Arbeit Chemnitz und durch die Antragsgegnerin, die jeweils die oben genannten Rechtsfolgenbelehrungen enthielten.

Nach Mitteilung der Arbeitgeber bzw. Feststellung der Antragsgegnerin, dass sich der Antragsteller wegen der angebotenen Stellen weder gemeldet noch beworben hat, gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. März 2007 Gelegenheit, sich zur beabsichtigen Absenkung von Leistungen wegen der Weigerung, "eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen", zu äußern. Eine Stellungnahme des Antragstellers erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 17. April 2007 senkte die Antragsgegnerin das dem Antragsteller zustehende Arbeitslosengeld II im Zeitraum 1. Mai bis 31. Juli 2007 wegen Nichtaufnahme einer zumutbaren Tätigkeit gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II in Verbindung mit § 48 Abs. 1 des Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zunächst um 30 % der Regelleistung (maximal 104 EUR monatlich) und mit Bescheid vom gleichen Tag wegen eines weiteren gleichartigen Pflichtverstoßes um 60 % der Regelleistung (maximal 207 EUR monatlich). Eine weitere Absenkung um 100 % der bewilligten Leistungen erfolgte wegen wie-derholter gleichartiger Pflichtverletzung durch Bescheid vom 19. April 2007. Gleichzeitig stellte die Antragsgegnerin die Zahlung von Arbeitslosengeld II ab Mai 2007 ein.

Die Widersprüche des Antragstellers wies die Antragsgegnerin durch Widerspruchbescheide vom 11. Mai 2007 zurück, da der Antragsteller ohne wichtigen Grund trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit durch Unterlassen der Vorstellung/Bewerbung bei den in den Vermittlungsvorschlägen angegebenen Arbeitgebern verhindert habe. Gegen die Widerspruchbescheide hat der Antragsteller beim Sozialgericht Klagen erhoben, die unter den Aktenzeichen S 6 AS 2003/07, S 6 AS 2004/07 und S 6 AS 2005/07 geführt werden.

Bereits mit am 2. Mai 2007 beim Sozialgericht Chemnitz eingegangenen Schriftsatz hatte der Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch Feststellung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche, hilfsweise durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung, beantragt, da die Kürzung des Arbeitslosengeldes II rechtswidrig sei. Es habe keine Stellenangebote der in den Kürzungsbescheiden angegebenen "Firmen" an ihn gegeben. Die Vermittlungsvorschläge seien nicht auf seine Kenntnisse und Fähigkeiten zugeschnitten gewesen. Eine Bewerbung liege zudem vor, da seine Online-Bewerbungsmappe im Internet jederzeit eingesehen werden könne. Die Kürzung um 100 % verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin durch Beschluss vom 21. Juni 2007 verpflichtet, Leistungen an den Antragsteller für die Monate Mai bis Juli 2007 vorläufig ohne Absenkung nach § 31 SGB II zu zahlen, und den Eilantrag insoweit abgelehnt, als der Antragsteller auch beantragt hatte, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig Leistungen in Höhe von 663,99 EUR monatlich ab dem nächsten Bewilligungsabschnitt (1. Juli 2007) zu gewähren. Der Antragsteller habe einen (Anordnungs-)Anspruch auf ungekürzte Leistungen, da er nicht ordnungsgemäß über die Rechtsfolgen eines Fehlverhaltens belehrt worden sei. Durch die Beifügung einer auf die Vorschriften des SGB III bezogenen Rechtsbelehrung sei die Belehrung in allen drei Vermittlungsvorschlägen zumindest teilweise rechtswidrig gewesen. Da Leistungen betroffen seien, die der Deckung des Grundbedarfs zum Lebensunterhalt dienen sollen, liege auch ein Anordnungsgrund vor.

Gegen den am 27. Juni 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 4. Juli 2007 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, die mit den streitigen Vermittlungsvorschlägen erfolgten Rechtsfolgenbelehrungen seien rechtmäßig. Der Antragsteller habe aufgrund seiner Bildung erkennen können, welche Belehrung auf seinen Fall zutreffe. Im Zweifelsfall hätte er sich an die Antragsgegnerin wenden können. Die irrtümlich beigefügte Rechtsfolgenbelehrung nach dem SGB III ließe die ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung nach dem SGB II unberührt bzw. verstärke deren Warn- und Erziehungsfunktion noch.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 21. Juni 2007 aufzuheben und den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er bezweifelt die Beteiligtenfähigkeit der Antragsgegnerin und weist darauf hin, dass er die eingestellten Leistungen dringend benötige, da er mit der Zahlung der Kosten seiner Unterkunft weit in Verzug sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde, die gemäß den §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft ist sowie form- und fristgerecht eingelegt wurde, ist zulässig. Insbesondere ist die vom Antragsteller in Anspruch genommene Arbeitsgemeinschaft im Sinne von § 70 SGG beteiligtenfähig, da sie zumindest als nicht rechtsfähige Personenvereinigung nach § 70 Nr. 2 SGG anzusehen ist (vgl. BSG, Urt. v. 7. November 2006 - B 7 b AS 8/06 R - JURIS-Dokument Rdn. 30 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1, und vom 23. November 2006 - B 11 b AS 1/06 R - JURIS-Dokument Rdn. 16).

Die Beschwerde führt in der Sache jedoch lediglich zur Neufassung des angefochtenen Beschlusses.

Das Sozialgericht ist zwar zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass dem Antragsteller im Streitzeitraum vorläufig ungekürzte Leistungen nach dem SGB II zustehen. Die ausgesprochene einstweilige Anordnung war allerdings weder vom Antragsteller beantragt worden, noch lagen deren Voraussetzungen nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG vor.

Als Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die den Antragsteller belastende Absenkung von Leistungen nach dem SGB II kommt nur die den Erlass einer einstweiligen Anordnung ausschließende Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Absenkungsbescheide vom 17. April und 19. April 2007 eingelegten Rechtsbehelfe des Antragstellers gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG in Betracht, die der Antragsteller auch hilfsweise beantragt hatte. Da die Anträge zunächst auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche des Antragstellers gerichtet waren, mittlerweile aber über diese durch die Widerspruchbescheide vom 11. Mai 2007 entschieden wurde, sind die Rechtsschutzbegehren des Antragstellers bei sachdienlicher Auslegung (vgl. § 123 SGG) nun-mehr auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Widerspruchbescheide erhobenen Anfechtungsklagen gerichtet und als solche sowohl zulässig als auch begründet.

Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist statthaft, wenn gegen einen belastenden Verwaltungsakt, der sofort vollziehbar und noch nicht bestandskräftig ist, Widerspruch oder Anfechtungsklage erhoben worden ist, deren aufschiebende Wirkung angeordnet werden kann. Ein solcher Fall liegt hier vor, da Widerspruch und Klage gegen Absenkungsbescheide nach § 31 SGB II keine aufschiebende Wirkung enthalten (vgl. § 39 Nr. 1 SGB II). Wie der erkennende Senat bereits in seinem Beschluss vom 16. Juli 2007 (L 3 B 381/06 AS-ER) in Bezug auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nach den §§ 45, 48, 50 SGB X entschieden hat, sind nicht nur Aufhebungsbescheide nach den §§ 45, 48 SGB X, sondern auch auf § 50 SGB X gestützte Erstattungsbescheide, die Leistungen nach dem SGB II betreffen, als Bescheide, die im Sinne des § 39 SGB II über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheiden, anzusehen. Dies muss dann erst Recht für die die Leistungshöhe unmittelbar regelnden Absenkungsbescheide nach § 31 SGB II gelten (vgl. Eicher, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2005], § 39 Rdn. 12; Pilz, in: Gagel, Sozialgesetzbuch III - Arbeitsförderung - mit Sozial-gesetzbuch II - Grundsicherung für Arbeitssuchende [Stand Oktober 2005], § 39 Rdn. 6). Die in § 86a Abs. 1 SGG grundsätzlich vorgesehene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage tritt bei diesen Bescheiden nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 SGB II nicht ein.

Ein Antrag gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in diesen Fällen begründet, wenn das private Interesse des Anfechtenden, den Vollzug des angefochtenen Bescheides bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (privates Aussetzungsinteresse), gegenüber dem öffentlichen Interesse an dessen Sofortvollzug (öffentliches Vollzugsinteresse) überwiegt. Dies ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren summarisch zu prüfen und dabei der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligen zu ermitteln, soweit dies unter Berücksich-tigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist. Die danach nötige Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungs- und dem öffentlichen Vollzugsinteresse hat sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu orientieren, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides in der Regel kein öffentliches Interesse besteht, während bei einem rechtmäßigen Bescheid das öffentliche Interesse angesichts der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit in der Regel vorrangig ist. Daneben sind aber auch alle sonstigen Umstände des Einzelfalls, die für und gegen die sofortige Vollziehbarkeit sprechen, gegeneinander abzuwägen, insbesondere das besondere Vollzugsinteresse im Einzelfall, der Umfang der drohenden Rechtsbeeinträchtigung und die Folgen, die der Sofortvollzug eines rechtmäßigen Bescheides einerseits und das Aussetzen des Sofortvollzugs eines rechtmäßigen Bescheides andererseits mit sich bringen würde. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso gewichtiger müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände sein. Bei einem gänzlich offenen Ausgang in der Hauptsache müssen die sonstigen gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände in jedem Fall höher zu bewerten sein, als die für ihn sprechenden sonstigen Umstände, da es anderenfalls bei der bereits gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit bleibt. Ist der angefochtene Verwaltungsakt hingegen offensichtlich rechtswidrig und verletzt den Betroffenen dadurch in subjektiven Rechten, ist regelmäßig der Vollzug des Bescheides bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, indem die aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsmittels angeordnet wird (vgl. zum Ganzen m.w.N.: Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren [2005], Rdn. 186 ff.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [8. Aufl., 2005], § 86b Rdn. 12 a bis Rdn. 12 e).

Danach überwiegt hier das Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung des Sofortvollzugs, weil die angegriffenen Bescheide der Antragsgegnerin vom 17. April und 19. April 2007 nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig sind.

Dabei kann dahinstehen, ob das Verhalten des Antragstellers den Tatbestand der ohne wichtigen Grund verweigerten Aufnahme einer zumutbaren Arbeit nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c SGB II und der wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB II erfüllt. Weiterhin kann offen bleiben, ob die streitbefangenen Bescheide den An-forderungen des § 33 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), der über § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II anwendbar ist, an einen inhaltlich hinreichend bestimmten Verwaltungsakt genügen (vgl. hierzu LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 7. August 2007 - L 28 B 1231/07 AS-ER - JURIS-Dokument Rdn. 8; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Oktober 2006 - L 8 AS 4922/06 ER-B - JURIS-Dokument Rdn. 10) oder die ausgesprochenen Sanktionen der Hö-he nach rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig sind.

Wie das Sozialgericht nämlich zutreffend erkannt hat, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass von Absenkungsbescheiden gemäß § 31 SGB II schon deshalb of-fensichtlich nicht vor, weil der Antragsteller nicht ordnungsgemäß gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II über die Rechtsfolgen einer eventuellen Pflichtverletzung belehrt worden war. Die vom Gesetz geforderte Rechtsfolgenbelehrung hat Warn- und Erziehungsfunktion. Diese kann sie nur erfüllen, wenn dem Hilfebedürftigen konkret, vollständig, eindeutig, verständlich, verbindlich und rechtlich zutreffend die unmittelbaren und konkreten Auswirkungen eines bestimmten Handelns vor Augen geführt werden (Berlit, in: Münder, Sozialgesetzbuch II [2. Aufl., 2007], § 31 Rdn. 64 unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 24/81 - JURIS-Dokument Rdn. 24 = SozR 4100 § 119 AFG Nr. 18). Diesen Anforderungen werden die den Vermittlungsvorschlägen an den Antragsteller beigefügten Belehrungen schon deshalb nicht gerecht, weil sie nicht nur eine Belehrung zu den Pflichten und Sanktionsmöglichkeiten nach dem SGB II enthielten, sondern darüber hinaus auch eine Belehrung nach § 144 SGB III. Dies führt dazu, dass die dem Antragsteller erteilte Belehrung teilweise (hinsichtlich von den Antragsteller treffenden Pflichten und möglichen Rechtsfolgen nach dem SGB III) rechtlich unzutreffend und zudem verwirrend war. Es ist - unabhängig von Bildungsstand und Vorwissen - nicht Auf-gabe eines Hilfebedürftigen, sich aus mehreren Belehrungen die für ihn einschlägigen herauszusuchen oder durch Nachfrage beim Leistungsträger zu ermitteln. Die Belehrung muss vielmehr aus sich heraus verständlich und eindeutig sein. Alles andere wäre mit dem Zweck der Rechtsfolgenbelehrung, dem Hilfebedürftigen die teilweise gravierenden Auswirkungen eines Fehlverhaltens klar und unmissverständlich darzulegen, nicht vereinbar. Aus den dem Antragsteller übersandten Belehrungen ist jedoch nicht klar zu entnehmen, welche Rechtsfolgen (nach dem SGB II oder nach dem SGB III?) im Falle einer Pflichtverletzung drohen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin wird dadurch der Warn- und Erziehungseffekt der Belehrungen nicht weiter verstärkt, sondern beeinträchtigt. Der Empfänger weiß nicht, vor welchen Rechtsfolgen gewarnt werden soll, und kann sein Verhalten nicht entsprechend ausrichten. Folgte man der Auffassung der Antragsgegnerin, wäre es ausreichend, allgemein auf mögliche Rechtsnachteile im Falle einer konkreten Pflichtverletzung hinzuweisen. Aufgrund der Unbestimmtheit dieses Hinweises könnte die Rechtsfolgenbelehrung ihre Warn- und Erziehungsfunktion dann jedoch nicht mehr erfül-len. Die dem Antragsteller übersandten mehrdeutigen Belehrungen entsprechen somit nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung. Die Absenkungsbescheide der Antragsgegnerin werden bereits aus diesem Grunde im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig einzustufen sein.

Die die Leistungen an den Antragsteller um 60 % der Regelleistung und schließlich um 100 % des Arbeitslosengeldes II kürzenden Bescheide vom 17. April und 19. April 2007 sind schließlich auch deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil sie auf vorgeworfenen Pflichtverletzungen beruhen, die bereits vor Erlass des ersten Absenkungsbescheides stattfanden. Eine Absenkung wegen wiederholter Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB II in der ab 1. Januar 2007 geltenden Fassung, ist jedoch nur zulässig, wenn der Hilfebedürftige trotz einer bereits erfolgten Absenkung weitere Pflichtverstöße begeht und der mit der Absenkung beabsichtigte appellative und edukatorische Effekt ersichtlich nicht eingetreten ist (Winkler, in: Gagel, a.a.O., § 31 Rdn. 146; Berlit, a.a.O. § 31 Rdn. 82; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Januar 2007 - L 13 AS 4160/06 ER-B - JURIS-Dokument Rdn. 7; SG Berlin, Beschluss vom 12. April 2006 - S 102 AS 2564/06 ER – JURIS-Dokument Rdn. 6).

Angesichts der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, die zur Streichung der den Lebensunterhalt des Antragstellers sichernden Leistungen ge-führt haben, muss der gesetzlich angeordnete Sofortvollzug der Kürzungen hinter die ele-mentaren Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung zurücktreten. Die aufschiebende Wirkung der mittlerweile gegen die Widerspruchsbescheide vom 11. Mai 2007 eingelegten Anfechtungsklagen war daher gemäß § 86-b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG anzuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt, dass der Beschwerde in der Sache kein Erfolg beschieden war.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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