L 3 AL 212/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 27 AL 1035/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 212/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Er gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach aussagende Personen, die bei ihrer Aussage auch ein Eigeninteresse haben, per se nicht glaubwürdig sind. Eine solche Annahme würde eine – verfahrensrechtlich unzulässige – abstrakte Beweisregel begründen, die das Gesetz nicht kennt (Anschluss an BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 – 5 RJ 26/94BSGE 77, 140 = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 12).
2. Nach den allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast gilt der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Die objektive Beweislast für die Veränderung im Sinne des § 48 SGB X trifft denjenigen, dem der von der Aufhebungsentscheidung betroffene Bewilligungsbescheid zuzurechnen ist (Anschluss an BSG, Urteil vom 9. März 1988 – 9/9a RV 28/86SozR 3642 § 8 Nr. 3 - und BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 9 RVs 3/89SozR 3870 § 4 Nr. 3).
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19. August 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 3. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2004 und die Erstattung der in dieser Zeit bezogenen Leistungen und entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Der 1964 geborene Kläger arbeitete von 1994 bis Ende 2001 als Möbelträger. Aufgrund verschiedener Anträge bezog er vom 2. Januar 2002 bis zum 27. Dezember 2002 Arbeitslosengeld und vom 28. Dezember 2002 bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe.

Am 3. April 2002 teilte er der Beklagten eine Nebentätigkeit bei der Firma Umzüge A H (im Folgenden: Firma H ), einer Einzelfirma des Inhabers A H (im Folgenden Arbeitgeber H ) in Z , als Möbelträger mit. Im Nachgang wurden bei der Beklagten regelmäßig Bescheinigungen über das erzielte Nebeneinkommen gemäß der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Formblätter eingereicht. Danach war der Kläger in der Regel deutlich unter 15 Stunden wöchentlich für einen Stundenlohn von 5,00 EUR tätig.

Im Rahmen von Untersuchungen durch das Hauptzollamt wurden in den Geschäftsräumen der Firma H im Juni 2005 Rechnungen und Auftragsblätter in zum Teil unsortiertem Zustand aus den Jahren 2002 bis 2005 sowie elektronisch geführte Kassenbücher aus diesem Zeitraum sichergestellt. Lohnscheine konnten nicht aufgefunden werden.

Das Hauptzollamt übergab diverse den Kläger betreffende Unterlagen an die Beklagte. Nach Ansicht des Hauptzollamtes ließen sie den Schluss zu, dass der Kläger entgegen seiner Angaben in mehreren Wochen mindestens 15 Stunden für die Firma H gearbeitet habe.

Die Beklagte hörte den Kläger hierzu mit Schreiben vom 10. August 2006 an.

Mit Bescheid vom 24. August 2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld beziehungsweise Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 3. Januar 2002 bis zum 1. August 2002, vom 8. August 2002 bis zum 9. Dezember 2002, vom 16. Januar 2003 bis zum 2. Februar 2003, vom 13. Februar 2003 bis zum 10. August 2003, vom 21. August 2003 bis zum 8. Dezember 2003, vom 11. Dezember 2003 bis zum 2. Februar 2004, vom 11. März 2004 bis zum 2. August 2004, vom 12. August 2004 bis zum 18. Oktober 2004 und vom 9. Dezember 2004 bis zum 31. Dezember 2004 auf. Der Kläger habe im Zeitraum vom 3. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2004 in einer Vielzahl von Fällen die Geringfügigkeitsgrenze von unter 15 Stunden wöchentlich überschritten. Er sei daher in den benannten Zeiträumen nicht mehr arbeitslos gewesen, weshalb kein Anspruch auf Arbeitslosengeld beziehungsweise Arbeitslosenhilfe bestünde. Erst durch die persönlichen Vorsprachen am 2. August 2002, 10. Dezember 2002, 11. August 2003, 3. August 2004 und 19. Oktober 2004 bestünde für die Zeiten danach bis zur erneuten Überschreitung ein Anspruch auf Arbeitslosengeld beziehungsweise Arbeitslosenhilfe. Nach § 60 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) sei der Kläger verpflichtet gewesen, der Beklagten alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, welche für den Leistungsanspruch erheblich seien. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Er habe daher das ihm in diesen Zeiträumen gezahlte Arbeitslosengeld beziehungsweise die Arbeitslosenhilfe zuzüglich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in einer Höhe von insgesamt 22.011,60 EUR zu erstatten.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 12. September 2006 Widerspruch ein. Eine Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze in dem festgestellten Umfang werde bestritten.

Die Beklagte reduzierte mit Änderungs- und Erstattungsbescheid vom 3. Dezember 2007 die Gesamtforderung auf 19.331,49 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers im Übrigen als unbegründet zurück. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld beziehungsweise Arbeitslosenhilfe sei für die genannten Zeiträume wegen Arbeitsaufnahme, daraus folgendem anschließendem Erlöschen der persönlichen Arbeitslosmeldung und damit der Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 des Sozialgesetzbuces Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) aufzuheben gewesen. Die Beschäftigungszeiten seien durch die Unterlagen, welche das Hauptzollamt bei einer Durchsuchung in den Büroräumen des Arbeitgebers gefunden habe, belegt. Die namentlichen Kalendereintragungen über Einsatzzeiten und Entlohnung der einzelnen Arbeitnehmer seien mit den Angeboten der Umzugsfirma an die einzelnen Kunden, den abgerechneten Einsatzplänen und der dann an die Kunden erteilten Rechnungen verglichen worden. Auf den Arbeitsscheinen sei das Datum des Umzugs sowie Beginn und Ende der Arbeitszeit eines jeden eingesetzten Mitarbeiters, der namentlich benannt sei, ersichtlich. Die Einsatzzeiten seien unter anderem auch durch die handschriftlichen Eintragungen, welche durch die Unterschrift der Kunden bestätigt worden seien, erkennbar. Der Pauschallohn in Höhe von 5,00 EUR sei in bar und ohne Quittung ausgezahlt worden. Da hierüber keine Nachweise existierten, seien die im Kalender des Arbeitgebers gefundenen ausgezahlten Eurobeträge auf die Einsatzstunden umgerechnet und dem ebenfalls mit Namen benannten Mitarbeiter, unter anderem dem Kläger, zuzuordnen gewesen. Da der Kläger aufgrund des Erhaltes des Merkblatts 1 für Arbeitslose gewusst habe, dass bei einem zeitlichen Gesamtumfang der Nebenbeschäftigung von 15 Stunden wöchentlich und mehr Arbeitslosigkeit zu verneinen sei und zum Wegfall der Leistung führe, habe er durch die Nichtmeldung seine Mitwirkungspflicht verletzt, so dass die Bewilligungsbescheide mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse nach ab dem 3. Januar 2002 aufzuheben gewesen wären.

Dagegen hat der Kläger am 24. Dezember 2007 Klage erhoben. Er habe bei der Firma H überwiegend im Rahmen der zulässigen Beschäftigungszeit gearbeitet. Die abenteuerliche Buchführung seines Arbeitgebers sei nicht geeignet, hieraus auf seine tatsächliche Beschäftigungszeit zu schließen. Weder ließen sich die Kalendereinträge in den meisten Fällen konkreten Aufträgen zuordnen, noch seien Belege oder Aufzeichnungen über tatsächliche Lohnzahlungen vorhanden. Ihm, dem Kläger, sei kein Stundenlohn, sondern in der Regel ein Pauschallohn gezahlt worden. Dies habe der Arbeitgeber auch in seiner Beschuldigtenvernehmung erklärt. Die vom Arbeitgeber notierten Pauschallöhne seien auch deutlich überhöht. Er selbst habe nie Pauschalbeträge von mehr als 75,00 EUR erhalten. In diesen Pauschalbeträgen seien auch Spesen eingerechnet gewesen, so dass daraus nicht auf die Arbeitszeit geschlossen werden könne. Die Kalendereinträge seien ebenso wenig nachvollziehbar. Es ergäbe sich daraus nicht, ob es sich bei den angeführten Zahlungen um Rückstandszahlungen gehandelt habe oder um erhaltene Beträge für den konkreten Arbeitstag. Die Einträge zu bestimmten Beträgen könnten auch nicht zweifelsfrei ihm, dem Kläger, zugeordnet werden. Die Zeiten als Beifahrer auf längeren Fahrten seien nicht als Arbeitszeit zu berücksichtigen. Gegenteiliges sei ihm nicht bekannt gewesen und ergäbe sich auch nicht aus dem Merkblatt für Arbeitslose.

Mit Aufhebungs-und Erstattungsbescheid vom 8. Februar 2010 hat die Beklagte den zunächst betroffenen Zeitraum vom 8. August 2002 bis zum 9. Dezember 2002 dahingehend korrigiert, dass die Bewilligung von Arbeitslosengeld nur noch für den Zeitraum vom 5. September 2002 bis zum 9. Dezember 2002 aufgehoben und der Rückforderungsbetrag auf insgesamt 18651,02 EUR reduziert wird.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2010 den Zeugen E H , im streitigen Zeitraum ebenfalls bei der Firma H beschäftigt, vernommen. Der Zeuge hat erklärt, dass man ihn in der Firma als Vorarbeiter angesehen habe. Während der Umzüge; bei welchen er anwesend gewesen sei, habe er auch die Verantwortung getragen. Meistens habe sich der Arbeitgeber H die Mitarbeiter ausgesucht. Er selbst habe in der Regel telefonisch von einem Umzug erfahren. Der Arbeitgeber H habe ihm dann entweder persönlich einen Auftragsschein gegeben oder diesen ins Auto gelegt. Er sei in der Firma E genannt worden. Grundsätzlich habe jeder Arbeitnehmer seinen Verdienst mit dem Arbeitgeber selbst ausgehandelt. Dieser habe meistens einen Pauschallohn genannt. Jeder habe sich dann überlegen müssen, ob er bereit wäre, dafür zu arbeiten. Der Lohn sei in der Regel bar ausgezahlt worden. Der Arbeitgeber H habe ihm dann am Telefon gesagt, wieviel jeder Helfer für den Umzug erhalten solle. Manchmal habe er auch Leuten Geld für Umzüge geben sollen, die schon länger zurückgelegen hätten. Die Ziffer des Betrages habe er dann entweder auf dem Arbeitsschein oder auf einem Zettel notiert. In einen Kalender habe er selbst nie etwas eingetragen. Erst im Nachhinein habe er über existierende Kalender erfahren. Der Kläger sei eher selten bei Umzügen dabei gewesen. Es habe auch mehrere S gegeben, ebenso wie mehrere Gruppen, die miteinander nicht unbedingt viel zu tun gehabt hatten. Bei ihm in der Gruppe sei nicht nur ein S gewesen, sondern auch noch ein "S " oder "S ". Der habe auch mit Vornamen S geheißen. Er habe dann auch nicht unbedingt "S " oder "S " geschrieben. Meistens habe sowieso der Arbeitgeber H die Namen eingesetzt. Die auf dem Arbeitsblatt eingetragenen maschinengeschriebenen Namen seien schon vor dem Umzug vom Arbeitgeber eingetragen worden. Daran habe er auch dann nichts geändert, wenn die Arbeitnehmer gar nicht dabei gewesen seien. Wichtig sei nur die Anzahl der Leute gewesen. Die handschriftlich auf dem Zettel vermerkten Stunden, zum Beispiel zehn Stunden, habe er nicht dort eingetragen. Auch die Kubikzahl sei nicht von ihm eingetragen worden. Der Arbeitgeber H habe auf den Formularen auch Namen von Leuten eingetragen, welche gar nicht mehr lebten. So habe er zum Beispiel einen Mitarbeiter mit dem Namen "F " weitergeführt, obwohl der schon gar nicht mehr lebte. Als er den Arbeitgeber H darauf angesprochen habe, sei dieser ganz erstaunt gewesen, dass der "F " schon tot sei. Er habe nie verstanden, was das solle. Der Kläger sei meistens dabei gewesen, wenn schwierige Küchen aufzubauen gewesen seien. Dies sei höchstens einmal in der Woche gewesen. Wenn er, der Zeuge, von den Auftraggebern nach dem Umzug das Geld einkassiert habe, habe er dieses manchmal direkt an die Mitarbeiter weitergegeben, zum Teil auch noch Auszahlungen gemacht, welche aus anderen Umzügen offen gewesen seien. Er habe jedoch nie gewusst, ob das im Auftrag des Arbeitgebers H ausgezahlte Geld für den gerade stattfindenden Umzug oder eine Nachzahlung zu einem anderen Umzug gewesen sein sollte. Bei den in der Liste eingetragenen Pauschalen von 75,00 EUR beziehungsweise 150,00 EUR könne es sich um Pauschalen für zwei oder drei Umzüge handeln.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 19. August 2010 die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Kammer sei nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger in dem maßgebenden Zeitraum nicht beschäftigungslos und damit arbeitslos gewesen sei. Die vorhandenen Unterlagen und die Zeugenvernehmung hätten den Beweis für die in den Bescheiden zugrunde gelegten Arbeitsstunden des Klägers bei der Firma H nicht erbringen können. Aus den Unterlagen ergäbe sich nicht eindeutig, wann und in welchem Umfang der Kläger im streitbefangenen Zeitraum gearbeitet habe. Die Unterlagen seien in sich widersprüchlich, nicht schlüssig und nicht verständlich. Zum anderen habe die Kammer insbesondere aufgrund der Aussage des Zeugen H erhebliche Bedenken, Rückschlüsse von den Aufzeichnungen auf die tatsächlich vom Kläger erbrachte Stundenzahl zu ziehen. Nicht nachvollziehbar sei, wer die Kalendereintragungen vorgenommen habe. Der als Zeuge geladene Arbeitgeber H habe sich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen. Auch der Zeuge H habe hierzu keine Aussage treffen können. Es bleibe somit unklar, auf welcher Grundlage die Einträge erfolgt seien und ob es sich bei den einzelnen Ziffern ohne weitere Angaben um Stundenzahlen oder Geldbeträge handele. Aufgrund der angegebenen Stundenzahlen in der Liste für "Aushilfslohn" bestehe keine Veranlassung, von einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze auszugehen, da die Stundenzahl des Klägers gering sei. Auch aus den übrigen Unterlagen, aus denen sich gegebenenfalls eine Lohnzahlung ergäbe, könnten keine eindeutigen Rückschlüsse gezogen werden, da der Kläger nicht auf Stundenlohnbasis, sondern pauschal entlohnt worden sei. Auch die Rechnungen, Arbeitsscheine und Kalendereinträge enthielten oftmals keine Stundenangaben. Aus der vom Zoll erstellten Liste ergebe sich, dass häufig Geldbeträge anstatt Stundenzahlen festgehalten worden seien. Mangels Stundenlohnvereinbarung sei dies nicht weiter aussagekräftig. Der glaubhafte Zeuge H habe bestätigt, dass er in der Regel einen vorab vereinbarten Pauschallohn ausgezahlt habe. Die Kammer gehe davon aus, dass es sich bei den Kalendereintragungen zumindest teilweise um Rückstandszahlungen handele. Allerdings seien diese nicht besonders kenntlich gemacht. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wann es sich um solche Rückstandszahlungen und wann um tatsächlich an dem jeweiligen Tag verdientes Entgelt handele. Nachvollziehbar sei insoweit die Angabe des Zeugen H , dass es sich bei der Zahl 150 durchaus um eine Pauschale für zwei oder drei Umzüge gehandelt haben könne. Insgesamt habe die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangen können, dass der Kläger für die Firma H wöchentlich 15 Stunden oder mehr gearbeitet habe.

Gegen das am 22. September 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie vermöge der Aussage des Zeugen H nicht die Bedeutung beizumessen wie das Sozialgericht, zumal der Zeuge auch bei der Firma H beschäftigt gewesen sei und er insoweit auch Leistungsrückforderungen der Beklagten ausgesetzt sei. Das den Zeugen betreffende und beim Sozialgericht Dresden anhängige Verfahren Az. S 19 AL 243/08 sei ruhend gestellt. Zumindest müsste der Arbeitgeber H als Zeuge befragt werden. Im Übrigen sehe sie es weiterhin als erwiesen an, dass sich aus den Unterlagen des Hauptzollamtes eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung des Klägers ergäbe. Die Beschäftigungszeiten ließen sich aus der der Kalkulation zugrunde liegenden Pauschallohn von 5,00 EUR herleiten.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Dresden vom 19. August 2010 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Er bestreitet weiterhin die von der Beklagten festgestellte Beschäftigung von 15 Stunden wöchentlich und mehr.

Der Senat hat die Verfahrensakte des Sozialgerichts Dresden Az. S 8 AL 29/08 betreffend den Rechtsstreit H gegen die Bundesagentur für Arbeit beigezogen sowie die Zeugen H und den Arbeitgeber H vernommen.

Der Zeuge H hat dabei im Wesentlichen seine Aussage vor dem Sozialgericht bestätigt. Zu DM-Zeiten, als die Firma noch gelaufen sei, sei zunächst ein Stundenlohn vereinbart worden. Danach habe es nur noch Pauschalen gegeben. Nach einem schweren Autounfall mit einem Toten sei es mit der Firma bergab gegangen. Der Lohn sei am Ende nicht immer gezahlt worden. Bei den Mitarbeitern sei unter anderem auch sein Bruder geführt worden, obwohl dieser mit Umzügen gar nichts zu tun habe. Die Leute hätten teilweise vom Arbeitgeber H , teilweise von ihm Geld bekommen. Einige seien zum Teil für zwei Stunden als sogenannte Abladehilfen beschäftigt gewesen. Die Pauschale für einen Umzug, welcher weiter weggegangen sei, habe 50,00 EUR bis 60,00 EUR betragen. Bei einem Umzug in Z seien es höchstens 20,00 EUR gewesen. Dafür habe man um 08:00 Uhr vor Ort sein müssen und sei erst gegen 16:00 Uhr wieder zu Hause gewesen.

Der Zeuge H hat angegeben, dass er in der streitigen Zeit ca. zehn bis vierzehn Pauschalkräfte beschäftigt habe, darüber hinaus noch Helfer zum Ein- und Ausladen. Der Kläger sei Pauschalkraft gewesen. Diese seien "beim Amt" gemeldet gewesen und hätten 15 oder 20 Stunden zusätzlich arbeiten dürfen. Er habe aufgeschrieben, wer wie lange gearbeitet habe. Den Lohn habe er täglich oder in kurzen Abständen ausgezahlt, damit er alles im Blick behalten konnte. Er habe die Listen im Kopf geführt. Neben dem Kläger habe er noch zwei oder drei weitere S , zum Beispiel einen S E , beschäftigt. Er habe die Mitarbeiter nur mit Vornamen aufgeschrieben. Die Namen der Mitarbeiter in den Arbeitsscheinen habe er eingetragen. Am Umzugstag habe es aber zum Teil Änderungen gegeben, wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter nicht habe kommen können. Er könne sich nicht erinnern, ob er dann im Arbeitsschein Änderungen vorgenommen habe. Die Eintragung "S acht Stunden" sei von ihm. Er könne sich jedoch nicht erinnern, ob er diese Eintragung vor oder während des Umzugs vorgenommen habe und um welchen S es sich dabei handele. Die Notizen in den Kalenderblättern, welche mit dem Zeugen beispielhaft durchgegangen worden sind, seien von ihm. Er wisse aber nicht mehr, weshalb er sie gemacht habe. Bezüglich der Unterlagen zum Umzug der Familie B von G nach G (Bl. 46 bis 48 der Verwaltungsakte) könne er bei der Zahl "13,5" nicht mehr sagen, ob es sich um eine Stundenangabe und bei der von "150" um eine Angabe von Lohn handele. Dies wisse er nicht mehr.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte und die beigezogenen Beweismittelordner I und II des Hauptzollamtes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht mit Urteil vom 19. August 2010 den streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 24. August 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8. Februar 2007 aufgehoben, da diese rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen (vgl. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

1. Die von der Beklagten durchgeführte Anhörung entspricht den Anforderungen nach § 24 Abs. 1 SGB X. Sowohl aus dem Anhörungsschrieben als solchem als auch dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24. August 2006 ergibt sich, dass die Beklagte ihr Rückforderungsbegehren auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X und den Vertrauensausschluss jedenfalls auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X stützen wollte. Die entscheidungserheblichen Tatsachen, auch zum Schuldvorwurf, waren für den Kläger in objektiver wie auch subjektiver Hinsicht erkennbar.

2. Fraglich ist, ob der angefochtene Bescheid inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X ist.

Das Bundessozialgericht fordert für die inhaltlich hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X, dass aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, was die Behörde regelt (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 30. August 2001 – B 4 RA 114/00 RSozR 3-2600 § 149 Nr. 6 = JURIS-Dokument Rdnr. 25; BSG, Urteil vom 28. März 2013 – B 4 RA 59/12 R – SozR 4-1300 § 45 Nr. 13 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 RA 89/12 R – SozR 4-4200 § 11 Nr. 62 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 15; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 8. Mai 2014 – L 3 AS 528/12 – JURIS-Dokument Rdnr. 33).

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid in der Fassung, die er durch die weiteren Bescheide erhalten hat, insoweit, als aus dem Verfügungssatz hervorgeht, welche Leistungsbewilligungen für welche Zeiträume und in welchem Umfang aufgehoben werden. Ferner geht aus dem Verfügungssatz die Höhe des Erstattungsbetrages hervor (vgl. hierzu: Sächs. LSG, Urteil vom 18. September 2008 – L 3 AS 40/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 57).

Allerdings sind nicht die von der Aufhebungsentscheidung betroffenen Bewilligungsbescheide benannt. Der erkennende Senat hat bisher offen gelassen, ob zur Wahrung der inhaltlich hinreichenden Bestimmtheit im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X in einem Aufhebungsbescheid stets der aufgehobene Bescheid konkret mit Datum anzugeben ist (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 18. September 2008, a. a. O., Rdnr. 59; Sächs. LSG, Urteil vom 15. Dezember 2011 – L 3 AS 480/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 55). Diese Rechtsfrage muss auch vorliegend nicht beantwortet werden, weil jeden die in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X geforderten materiellen Voraussetzungen für die Bewilligungsaufhebung nicht gegeben sind.

3. Die Aufhebung nach § 48 SGB X scheitert daran, dass eine wesentliche Änderung der Verhältnisse in den streitigen Zeiträumen nicht belegt werden konnte. Dies geht zu Lasten der Beklagten.

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) ist unter anderem mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nummer 2).

Maßgebend für eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse und damit den Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld beziehungsweise Arbeitslosenhilfe ist vorliegend, ob der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Firma H die sogenannte Geringfügigkeitsgrenze von unter 15 Stunden wöchentlich überschritten hat und deshalb nicht mehr beschäftigungslos im rechtlichen Sinne war.

Gemäß § 117 Abs. 1 SGB III in der vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2004 Geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997 BGBl I S. 594) hatten Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die unter anderem arbeitslos waren (Nummer 1). Arbeitslos war gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ein Arbeitnehmer, der 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand (Beschäftigungslosigkeit) und 2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung suchte (Beschäftigungssuche). Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III in der vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 17 Buchst. b des Gesetzes vom 16. Dezember 1997 [BGBl I S. 2970]) schloss die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer blieben unberücksichtigt.

Dies galt für die Arbeitslosenhilfe, die der Kläger ab dem 28. Dezember 2002 bezog, entsprechend. Gemäß § 190 Abs. 1 SGB III in der vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 8 des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 [BGBl. I S. 2624]) hatten Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, die unter anderem arbeitslos waren (Nummer 1). Gemäß § 198 Satz 2 Nr. 1 SGB III in der vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 47 Buchst. a des Gesetzes vom 16. Dezember 1997 [BGBl I S. 2970]) waren auf die Arbeitslosenhilfe die Vorschriften über das Arbeitslosengeld insbesondere hinsichtlich der Arbeitslosigkeit entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten der Arbeitslosenhilfe nicht entgegenstanden. Damit galt die Geringfügigkeitsregelung des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. entsprechend.

Dass der Kläger tatsächlich in der Zeit vom 3. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2004 nicht beschäftigungslos war, das heißt in der Regel einer Beschäftigung von 15 Stunden und mehr nachging, konnte nach der durch den Senat erfolgten Zeugenvernehmung der Zeugen H und H nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Der Senat konnte insoweit keine über das Urteil des Sozialgerichts hinausgehenden Feststellungen treffen und schließt sich insoweit den Gründen in der erstinstanzlichen Entscheidung insbesondere der Beweiswürdigung, vollumfänglich an (vgl. § 153 Abs. 3 SGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Zeugen H war der Kläger im genannten Zeitraum als sogenannte Pauschalkraft angestellt, das heißt im Hinblick auf seinen Leistungsbezug zu einer Beschäftigung von ca. 15 Stunden wöchentlich. Nach Aussage des Zeugen H war diesem die Beschränkung der zulässigen Arbeitszeit durchaus bewusst. Allerdings existiert ein Arbeitsvertrag beziehungsweise eine Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber, die erkennen lassen würde, dass von vornherein das Beschäftigungsverhältnis auf eine Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit angelegt ist, ebenso wenig wie eine Stundenlohnvereinbarung. Vielmehr war es nach den glaubhaften Angaben des Klägers und der Zeugen so, dass der Kläger pauschal auf Abruf für den Arbeitgeber H tätig wurde. Dabei wurde im Vorfeld des Einsatzes ein Pauschallohn vereinbart.

Aus den vom Hauptzollamt vorgelegten Unterlagen, bestehend aus Kalenderblättern, Angeboten, Auftragszetteln und zum Teil Rechnungen, lässt sich die tatsächlich vom Kläger geleistete Stundenzahl schon allein deshalb nicht mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln, weil nach übereinstimmenden Angaben des Klägers sowie der Zeugen H und H der Name "S " nicht zweifelsfrei allein dem Kläger zuzuordnen ist. Bereits in seiner Aussage vor dem Sozialgericht gab der Zeuge H an, dass in der Firma H mehrere Arbeitnehmer mit dem Vornamen S beschäftigt waren und diese dann ohne Unterscheidung auf die Arbeitszettel eingetragen wurden. So gab es nach der Erinnerung des Zeugen H allein in der Zeit von 2002 bis 2004 zwei bis drei Arbeitnehmer, die auch den Vornamen S trugen, zum Beispiel ein S S. Diese Angaben bestätigte der Zeuge H in seiner Einvernahme vor dem Senat bestätigt. Er konnte noch einen weiteren S. L anführen. Nach seinen Angaben trug er die Mitarbeiter immer mit dem Vornamen ein und unterschied bei Namensgleichheit nicht durch weitere Zusätze. Er könne daher jetzt nicht im Nachgang sagen, ob es sich bei dem eingetragenen Namen S um den Kläger handle.

Des Weiteren führte der Zeuge H aus, dass der Arbeitgeber H recht wahllos die Beschäftigten in die Einsatzlisten eingetragen habe. Zum Beispiel sei sein Name am Tag mehrfach in verschiedene Listen eingetragen worden. Sein Bruder sei geführt worden, obwohl er definitiv nie bei der Firma beschäftigt gewesen sei. Auch einen bereits zuvor Verstorbenen habe der Arbeitgeber H in die Einsatzliste eingetragen. Dies bestätigte der Zeuge H insoweit, als er ausführte, dass er die Einsatzlisten mehrere Tage beziehungsweise Stunden vor dem tatsächlichen Umzug ausfüllte. Es konnte jedoch geschehen, dass durch besondere Umstände nicht alle eingeplanten Arbeitnehmer eingesetzt werden konnten. Eine Korrektur der Einsatzlisten erfolgte dann nicht durch den Arbeitgeber H.

Dies macht deutlich, dass es dem Zeugen H beim Führen seiner Aufzeichnungen erkennbar nicht darauf ankam, die tatsächliche Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer zu dokumentieren. Nach seinen Angaben im Rahmen der Vernehmung vor dem Senat hatte er die tatsächliche Einsatzzeit der Pauschalkräfte im Kopf und entlohnte diese dann immer recht zeitnah. Zur Überzeugung des Senats dienten die Aufzeichnungen im Rahmen der Stundenzahl eher der Abrechnung gegenüber den Auftraggebern.

Sind somit nicht alle namentlichen Eintragungen mit dem Vermerk S auf den Kläger zu beziehen, so kann dies erst recht nicht in der festgestellten Stundenzahl gelten, da nicht klar ist, ob es sich bei den angegebenen Zahlen um Stunden- oder Lohnangaben handelt. Die entsprechenden Aufzeichnungen in den Kalenderblättern sind insoweit nicht stringent. Zumindest kann die Beklagte nicht wahlweise zwischen einer Stundenangabe und einem Pauschallohn wechseln und bei höheren Angaben, wie zum Beispiel "150" ausführen, dass es sich dabei um Pauschalvergütung für mehrere Arbeitseinsätze handelt.

Im Einzelnen ergibt sich für den Senat folgendes Bild: Bereits für die Beschäftigungswoche vom 3. Januar bis zum 9. Januar 2002 stellte die Beklagte aufgrund der Zuarbeit des Hauptzollamtes 22 Arbeitsstunden fest. Im Beweismittel I des Hauptzollamtes finden sich hierzu die Kalenderblätter. Unter dem 3. Januar 2002 findet sich die Eintragung "S B – 8 – ZI", unter dem 4. Januar unter anderem die Eintragung "S – 10 – GR S " und im Kalenderblatt vom 5. Januar 2002 "S – 4 – E ". Diese Zahlenangaben unter dem Namen S addierte das Hauptzollamt offenkundig und legte eine Arbeitsstundenzahl des Klägers von 22 Stunden zugrunde. Des Weiteren findet sich auf Bl. 22 des Beweismittelordners ein Angebot vom 12. November 2001, auf welchem der Name S vermerkt ist. Dieser findet sich dann auch auf dem Arbeitsschein vom 4. Januar 2010, auf welchem zehn Stunden vermerkt sind. Weitere Unterlagen zu der Beschäftigungswoche vom 3. Januar 2002 bis zum 9. Januar 2002 finden sich nicht im Beweismittelordner.

Für die Beschäftigungswoche vom 10. bis zum 16. Januar 2002 findet sich im Beweismittelordner ein Arbeitsschein vom 1. Januar 2002 für den Umzug "B ". Hier ist der Name S ebenso vermerkt wie eine Angabe "10 Stunden". Für den 11. Januar 2002 sind im Kalenderblatt an diesem Tag einmal "S 10 B " vermerkt. Am 14. Januar 2002 findet sich auf dem Kalenderblatt unter anderem der Eintrag "S – 150 – G ", am 15. Januar 2002 ebenso der Eintrag "S 150 " und am 16. Januar 2002 der Eintrag "S 7,5 G " (Bl. 29 bis 30 des Beweismittelordners). Für diese Beschäftigungswoche gab das Hauptzollamt Arbeitsstunden des Klägers von über 33,5 Stunden an. Nachvollziehbar ist diese Berechnung des Hauptzollamtes nur, wenn man den vom Hauptzollamt angenommenen Stundenlohn von 5,00 EUR zugrunde legen würde. Dies würde jedoch bedeuten, dass der dort angegebene S am 14. und 15. Januar 2002 jeweils 30 Stunden am Tag gearbeitet hätte, was bei einem 24-Stunden-Tag schon rein rechnerisch nicht möglich ist. Greift man nun des Weiteren auf die Hilfsargumentation zurück, dass dies gegebenenfalls eine Pauschalentlohnung für – eventuell – die beiden Tage am 14. und 15. Januar 2002 gewesen sein könnte, so hätte der Kläger am 14. und 15. Januar 2002 zusammen 30 Stunden gearbeitet. Der Eintrag vom 16. Januar 2002 mit "S 7,5" würde dann jedoch wohl bedeuten, dass dort eine Stundenzahl vereinbart wurde, das heißt der Kläger in dieser Woche wohl 37,5 Arbeitsstunden vorzuweisen hätte. Das Hauptzollamt hielt jedoch lediglich 33,5 Stunden für diese Beschäftigungswoche fest. Weitere Unterlagen zu dieser Beschäftigungswoche finden sich nicht im Beweismittelordner. Selbst wenn man mit der Beklagten daher davon ausgehen würde, dass es sich definitiv bei dem Eintrag "S " um die Person des Klägers handelt, ist aus den in den Kalenderblättern vorhandenem Zahlenmaterial nicht zweifelsfrei die vom Kläger tatsächlich geleistete Arbeitszeit nachzuvollziehen. Dies gilt auch unter Beachtung dessen, dass der durch den Senat vernommene Zeuge H zwar einräumte, sämtliche Eintragungen in den Kalenderblättern vorgenommen zu haben. Das dort vorzufindende Zahlenmaterial konnte er jedoch nicht erklären, insbesondere nicht zweifelsfrei erläutern, ob es sich bei dem Eintrag "150" um einen Geldbetrag oder bei dem Eintrag "7,5" um eine Stundenzahl handelt.

Die nächste Überschreitung nimmt die Beklagte aufgrund der Unterlagen des Hauptzollamtes in der Woche vom 14. Februar 2002 bis zum 20. Februar 2002 an. Unterlagen finden sich hierzu auf Bl. 39 des Beweismittelordners in Form der Kalenderblätter. Am 14. Februar 2002 findet sich der Eintrag "S – 150" ebenso wie am 15. Februar 2002. Auch hier ist nicht klar, ob es sich um eine Stundenzahl oder um einen Pauschallohn handelt. Eine Entlohnung unter Zugrundelegung eines Stundenlohnes von 5,00 EUR hätte an beiden Tagen auch hier jeweils eine rechnerisch nicht mögliche Arbeitsleistung von 30 Stunden erforderlich gemacht. Eine pauschale Entlohnung von 150,00 EUR für beide Tage stellt insoweit eine Mutmaßung der Beklagten dar. Dem steht zudem der Vortrag des Klägers entgegen, eine Entlohnung von 150,00 EUR selbst für zwei Tage nicht erhalten zu haben. Auf den Kalenderblättern findet sich weiter am 19. Februar 2002 der Eintrag "S 10 G " und am 20. Februar 2002 der Eintrag "S 10 L ". Für beide Tage sind Arbeitsscheine vorhanden, auf denen der Name S vermerkt ist sowie jeweils die Abfahrt 06:30 Uhr und die Rückkehr 16:30 Uhr. Dies könnte in Übereinstimmung mit den Kalenderblättern und dem Eintrag stehen (dann wohl für Stunden). Weshalb jedoch auch hier das Hauptzollamt eine Arbeitsstundenzahl des Klägers von "über 28" annahm, erschließt sich dem Senat nicht.

Es folgt die Beschäftigungswoche vom 21. Februar 2002 bis zum 27. Februar 2002. In dieser Woche fand der Umzug der Familie B von G nach G statt. Im Kalenderblatt zum 26. Februar 2002 findet sich hier unter anderem der Eintrag "S – 13,5 – B G ", am 27. Februar 2002 der Eintrag "S – 150 – B ", am 28. Februar 2002 der Eintrag "S – 150 – B ", ebenso wie am 1. März 2002. Am 2. März 2002 ist der Eintrag "S 8,5 G B " und am 4. März 2002 der Eintrag "S – 150 – B " ebenso enthalten wie an den darauffolgenden Tagen, dem 5. und 6. März 2002. Auch hier schwanken die Angaben zwischen einem möglichen Pauschallohneintrag an einzelnen Tagen und einer Stundenzahl. Auch hier erschließt sich dem Senat nicht, wie die Beklagte für die Beschäftigungswoche vom 21. Februar 2002 bis zum 27. Februar 2002 Arbeitsstunden von über 21,5 Stunden und in der Beschäftigungswoche vom 28. Februar 2002 bis zum 6. März 2002 Arbeitsstunden von 16,5 Stunden annehmen kann. Der Zeuge H konnte sich auch hier, explizit danach befragt, nicht erinnern, was das Zahlenwerk zu bedeuten hat. Der Senat ist diese vorgenannten Unterlagen mit den Beteiligten und dem Zeugen H im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2014 durchgegangen. Der Zeuge H hat hierzu erklärt, dass er nicht mehr weiß, ob es sich bei der Zahl 13,5 (Bl. 48 des Beweismittelordners) um eine Stundenangabe und bei der Zahl 150 um eine Lohnangabe handelt.

Den Schlussfolgerungen der Beklagten ist daher nicht zu folgen. Allein die Eintragung eines Betrages von 150 an einem Tag zeigt, dass diese Schlussfolgerung nicht richtig sein kann. Dies würde bedeuten, dass bei einem Stundenlohn von 5,00 EUR der Kläger an einem Tag 30 Stunden gearbeitet hätte, was nicht möglich ist. Soweit der Kläger als auch der Zeuge H angaben, dass ein Pauschallohn angeboten worden ist und der Arbeitnehmer sich dann hätte entscheiden müssen, ob er für diesen Pauschallohn arbeitet oder nicht, stellt sich im Hinblick auf den Umzug der Familie B jedoch erneut die Frage, wie bei dem von der Zollverwaltung und der Beklagten angenommenen Stundenlohn der Klägerin in den acht Arbeitstagen vom 26. Februar bis zum 6. März 2002 insgesamt 202 Stunden (= 180 Std. [= 6 Tage (= 24 Std./Tag) x 30,00 EUR (= 150,00 EUR: 5,00 EUR/Std.)] + 13,5 Std. + 8,5 Std.) gearbeitet haben soll, zumal die acht Tage selbst nur über 192 Stunden (= 8 Tage x 24 Std./Tag) verfügen. Sollte es sich um eine pauschale Entlohnung für insgesamt sechs Tage handeln, dann hätte der Kläger jedoch in zwei Beschäftigungswochen nach der Berechnung der Beklagten insgesamt nur dreißig Stunden gearbeitet. Wie es sich dann weiterhin mit den Zahlenangaben "13,5" beziehungsweise "8,5" in den Kalenderblättern verhält erschließt sich dem Senat nicht. Die gesamten Unterlagen machen deutlich, dass das Zahlenmaterial nicht nachvollziehbar ist. Ebenso wenig ist gesichert, dass der Kläger an allen im Kalender eingetragenen Tagen tatsächlich mit dem Umzug der Familie B betraut war. Aus den Unterlagen im Beweismittelordner sind die Kalendereintragungen nicht nachzuvollziehen. Auf Bl. 46 des Beweismittelordners ist eine Rechnung an die Familie B für einen Umzug von G nach G abgeheftet ohne Angaben zu Mitarbeitern oder Stundenzahlen. Auf Bl. 47 des Beweismittelordners existiert ein sogenanntes Arbeitsblatt, das vom Zeugen H am 28. Februar 2002 unterzeichnet wurde. Unter der Überschrift "vom Kunden bestätigt" ist dort eine Einsatzzeit von 08:00 Uhr bis 21:00 Uhr angegeben; das wären elf Stunden. Mitarbeiter sind auf diesem Arbeitsblatt nicht angegeben.

Scheinbar gingen aber auch die Beklagte und die Zollverwaltung nicht von einer derart umfangreichen Tätigkeit des Klägers im genannten Zeitraum aus. Im geänderten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 8. Februar 2002 legte die Beklagte für die Zeit vom 21. Februar 2002 bis zum 27. Februar 2002 eine Stundenzahl von 21,5 Stunden und für die Zeit vom 28. Februar bis zum 6. März 2002 eine Stundenzahl von 16,5 Stunden zugrunde. In der Liste des Hauptzollamtes auf Bl. 155 der Verwaltungsakte ist für die Woche vom 21. Februar bis zum 27. Februar 2002 lediglich für den 26. Februar 2002 ein Eintrag von 13,5 Stunden und für den 27. Februar 2002 einen Betrag von 150,00 EUR notiert. Für die Woche vom 28. Februar 2002 bis zum 6. März 2002 befindet sich in der Liste ein Eintrag für den 1. März 2002 über 150,00 EUR und am 8. März 2002 über 8,5 Stunden.

Es wurden somit erkennbar selbst vom Hauptzollamt längst nicht alle Kalendereintragungen berücksichtigt. Weshalb manche Tage berücksichtigt wurden, andere hingegen nicht, wurde durch die Beklagte nicht näher erläutert. Auch ist nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte dann zu der zugrunde gelegten Stundenzahl von 21,5 Stunden beziehungsweise 16,5 Stunden gelangte. Auch mit der Angabe der Beklagten, dass bei größeren ausgezahlten Beträgen in Übereinstimmung mit den nachgewiesenen Einsatzplänen und Fahrzielen davon auszugehen sei, dass die Arbeitszeiten schon wegen der einsatzbedingt langen Fahrzeiten die wöchentliche Geringfügigkeitsgrenze überschritten gewesen sei, lässt sich dies nicht erklären. Einsatzpläne für die Zeit vom 21. Februar 2002 bis zum 6. März 2002 liegen nicht vor. Auch andere Beweise dafür, dass der Kläger überhaupt nach G mitgefahren ist, existieren nicht. Der Kläger bestritt die Mitfahrt. Der Zeuge H konnte auch keine konkreten Angaben machen. Er gab an, nur sporadisch mit dem Kläger gearbeitet zu haben. Dieser sei vorrangig dann eingesetzt worden, wenn zum Beispiel eine schwierige Küche aufzubauen gewesen sei.

Der Zeuge H gab ebenfalls glaubhaft an, dass es sich bei den Beträgen in Höhe von 75,00 EUR oder 150,00 EUR nicht unweigerlich um Festpauschalen für Fernfahrten gehandelt hat, sondern dass dies ebenso auch Pauschalen für zwei oder drei Umzüge gewesen sein können. Diese Widersprüche und Unklarheiten setzen sich die gesamten Aufhebungszeiträume fort.

Der Senat konnte daher nicht zu der Überzeugung gelangen, dass die vorhandenen Unterlagen als hinreichender Beweis dafür dienen, dass der Kläger in den angegebenen Zeiträumen für die Firma H wöchentlich 15 Stunden und mehr gearbeitet hat. Die von der Beklagten dargelegten Beweise enthalten aus den oben angeführten Gründen erhebliche Mängel und können, soweit sie denn überhaupt für bestimmte Zeiträume übereinstimmen, nicht zu einer Indizienverdichtung führen. Die unvollständige und nicht nachvollziehbare Buchhaltung des Zeugen H reicht nicht aus, um die Angaben des Klägers, er habe in den streitigen Zeiträumen unter 15 Stunden gearbeitet, belastbar in Zweifel zu ziehen. Die vorliegenden Unterlagen sind nicht in sich schlüssig und beweiskräftig. Vielmehr war aus den beigezogenen Unterlagen im Strafverfahren zu erkennen, dass der Zeuge H in den betreffenden Zeiträumen eigene Ziele verfolgte. Eine ordnungsgemäße Buchhaltung durch ihn fand nicht statt. Vielmehr führte er in großem Umfang nicht nur Steuern, sondern auch Versicherungsbeträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung und auch zur Krankenversicherung nicht ab und erwirtschaftete Gewinne, die direkt auf sein Konto gelangten. Es ist allein aus diesem Verhalten des Zeugen H erkennbar, dass dieser gar nicht daran interessiert war, die korrekten Einsatzzeiten seiner Mitarbeiter festzuhalten. Die Kalendereintragungen dienten offenkundig lediglich dazu, einen Überblick über einen ungefähren Arbeitsumfang der Mitarbeiter und der an diese ausgezahlten Pauschalen zu behalten. Eine korrekte Arbeitszeiterfassung, die die Beklagten als Grundlage für ihre Aufhebungsentscheidungen dienen könnte, stellt dies jedoch nicht dar. Zu einer Indizienverdichtung, die als Grundlage für die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen der Beklagten dienen können, führt dies jedenfalls nicht.

Der Senat hat auch keine durchgreifenden Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers und der Zeugen. Zwar hat der Kläger ein Eigeninteresse am Ausgang dieses Verfahrens. Ein vergleichbares Eigeninteresse besitzt auch der Zeuge H , der seinerseits ein Verfahren gegen eine Rückforderung der Beklagten betreibt. Die Rückforderung steht, wie im Falle des Klägers, im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung bei der Firma H. Er gibt jedoch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach aussagende Personen, die bei ihrer Aussage auch ein Eigeninteresse haben, per se nicht glaubwürdig sind. Eine solche Annahme würde eine – verfahrensrechtlich unzulässige – abstrakte Beweisregel begründen, die das Gesetz nicht kennt (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 – 5 RJ 26/94BSGE 77, 140 = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 12 = JURIS-Dokument Rdnr. 27). Anhaltspunkte, die aus anderen Gründen Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser beiden Personen nähren würden, gibt es nicht. Im Ergebnis gilt nichts anderes in Bezug auf den Zeugen H. Seine Angaben waren zwar in wesentlichen Teilen ähnlich unergiebig für die Feststellung von Arbeitszeiten des Klägers wie die in seiner Firma beschlagnahmten Unterlagen. Jedoch lässt sich allein hieraus nicht seine fehlende Glaubwürdigkeit herleiten.

Selbst wenn dementgegen dem Kläger und den beiden Zeugen jeweils ihre Glaubwürdigkeit abzusprechen wäre, würde dies zu keinem für die Beklagte günstigeren Ergebnis führen. Denn dann wäre allein auf die beschlagnahmten Unterlagen als einzig weiter vorhandene Beweismittel abzustellen. Auf der Grundlage dieser Unterlagen lässt sich aber, wie ausgeführt wurde, nicht feststellen, dass die von der Beklagten behaupteten wesentlichen Änderungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten sind.

Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sieht der Senat nicht. Die Beklagte hat auch keinen Beweisantrag gestellt oder eine Beweisanregung formuliert.

Nach den allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast gilt der Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 21. Juni 2012 – L 3 AS 607/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 49, m. w. N.; vgl. zum Sozialverwaltungsverfahren: Siefert, in: von Wulffen/Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 20 Rdnr. 31, m. w. N.; zum Sozialgerichtsverfahren: Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], § 103 Rdnr. 19a, m. w. N.). Die objektive Beweislast für die Veränderung im Sinne des § 48 SGB X trifft denjenigen, dem der von der Aufhebungsentscheidung betroffene Bewilligungsbescheid zuzurechnen ist, hier die Beklagte (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 1988 – 9/9a RV 28/86SozR 3642 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 9 RVs 3/89SozR 3870 § 4 Nr. 3 = JURIS-Dokument Rdnr. 17).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

III. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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