L 5 RS 145/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 19 RS 1727/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 145/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - sachliche Voraussetzung - Meister mit produktiver Tätigkeit - Ingenieur der Fachrichtung Technologie der metallverarbeitenden Industrie
1. Die tatsächliche Beschäftigung eines Ingenieurs der Fachrichtung Technologie der metallverarbeitenden Industrie als Meister mit produktiver Tätigkeit in einem Betrieb der metallverarbeitenden Industrie kann im Einzelfall eine schwerpunktmäßige Tätigkeit im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich darstellen und daher die sachliche Voraussetzung zur fiktiven Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben erfüllen.
2. Bei der Beurteilung der sachlichen Voraussetzung ist nicht von der formellen Stellenbezeichnung, der formellen Lohngruppeneinordnung oder der formellen Planstellentitulierung, sondern von der inhaltlichen tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung auszugehen.
3. Die tatsächliche Beschäftigung von Fachschulingenieuren auf Meisterpositionen wurde in der betrieblichen DDR-Wirklichkeit nicht nur im Ausnahmefall praktiziert.
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Februar 2014 wird unter folgender Maßgabe zurückgewiesen: Der Tenor des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Februar 2014 unter Ziffer I. wird neu gefasst: Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2011, verurteilt, den Bescheid vom 4. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2009 und den Bescheid vom 13. November 2003 zurückzunehmen und für den Kläger mittels gesonderten Bescheides die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten vom 1. November 1975 bis 31. August 1978 und vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben sowie die in diesen Zeiträumen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger für das Berufungsverfahren dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. November 1975 bis 31. August 1978 und vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Der 1945 geborene Kläger ist, nach einem Fachschulstudium in der Fachrichtung "Technologie der metallverarbeitenden Industrie" an der Ingenieurschule für Maschinenbau B in der Zeit von September 1971 bis Oktober 1975, seit 31. Oktober 1975 berechtigt, die Berufungsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er war vom 1. November 1975 bis 31. August 1978 als Wettbewerbssachbearbeiter im volkseigenen Betrieb (VEB) Blechblas- und Signalinstrumentenfabrik M , vom 11. September 1978 bis 31. März 1979 als Wirker im VEB P Gardine, vom 2. April 1979 bis 21. Juni 1985 als Weber im VEB H Teppiche O sowie vom 1. Juli 1985 bis 30. April 1988 als Gruppenleiter wissenschaftliche Arbeitsorganisation (WAO) und vom 1. Mai 1988 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Meister mit produktiver Tätigkeit jeweils im VEB Blechblas- und Signalinstrumentenfabrik M beschäftigt. Er erhielt keine Versorgungsurkunde und war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

Den am 9. April 2003 (erstmals) gestellten Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. November 2003 ab; der Inhalt des Bescheides ist unbekannt und nicht mehr ermittelbar, weil weder der Kläger noch die Beklagte diesen vorlegen konnten.

Den am 9. Oktober 2008 (erneut) gestellten Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften wertete die Beklagte als Überprüfungsantrag und lehnte ihn mit Bescheid vom 4. November 2008 ab: Die Voraussetzungen von § 1 AAÜG lägen weiterhin nicht vor. Der Bescheid vom 13. November 2003 sei nicht rechtswidrig. Den hiergegen am 17. November 2008 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2009 als unbegründet zurück: Eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft bestehe nicht, da am 30. Juni 1990 die sachliche Voraussetzung nicht vorgelegen habe. Der Kläger sei als Meister beschäftigt und damit berufsfremd eingesetzt gewesen. Die hiergegen am 26. Februar 2009 zum Sozialgericht Chemnitz erhobene Klage (im Verfahren S 15 RS 308/09) nahm der Kläger, nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Rechtsprechung zur sog. "leeren Hülle", am 24. März 2009 zurück.

Den (zweiten) Überprüfungsantrag des Klägers vom 17. August 2010 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Oktober 2010 ab: Eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft bestehe nicht, da am 30. Juni 1990 die sachliche Voraussetzung nicht vorgelegen habe. Den hiergegen am 25. Oktober 2010 erhobenen Widerspruch wies sie, nach Beiziehung von Arbeitsvertragsdokumenten vom ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers, als unbegründet zurück: Die Voraussetzungen von § 1 AAÜG lägen weiterhin nicht vor, weil der Kläger am 30. Juni 1990 die sachliche Voraussetzung einer fingierten Zusatzversorgungsanwartschaft nicht erfüllt habe. Er habe zwar einen Ingenieurtitel besessen, sei als Meister aber berufsfremd beschäftigt gewesen. Er sei als Meister, nicht wie ein Ingenieur nach Gehaltsgruppen-, sondern nach Lohngruppeneinstufung entlohnt worden. Seine Tätigkeit sei berufsfremd, weil es sich um Arbeiten mit Unterqualifikation gehandelt habe.

Auf die hiergegen am 4. November 2011 erhobene Klage hat das Sozialgericht Chemnitz mit Gerichtsbescheid vom 15. Februar 2014 den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2008 in der Fassung des Bescheides vom 29. Januar 2009 in der Fassung des Bescheides vom 1. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2011 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verpflichtet wurde, für den Kläger die Zeiten vom 1. November 1975 bis 31. August 1978 und die Zeiten vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 AAÜG) sowie die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen von § 1 AAÜG für eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft seien am 30. Juni 1990 erfüllt, da der Kläger alle drei Voraussetzungen erfüllt habe. Er habe den Titel eines Ingenieurs besessen. Der VEB Blechblas- und Signalinstrumentenfabrik sei ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie gewesen. Der Kläger habe als Meister, als Gruppenleiter WAO und als Wettbewerbssachbearbeiter den technologischen Arbeitsprozess gestaltet und sei entsprechend seinem Berufsbild als Ingenieur eingesetzt gewesen. In den Zeiträumen vom 11. September 1978 bis 21. Juni 1985 sei er hingegen als Wirker (Tätigkeit eines Arbeiters am Webstuhl) und Teppichweber tätig und insoweit berufsfremd eingesetzt gewesen.

Gegen den am 18. Februar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 19. Februar 2014 Berufung eingelegt, mit der sie die vollständige Klageabweisung weiterverfolgt. Der Anwendungsbereich des AAÜG sei im Fall des Klägers nicht eröffnet, da er in seiner am 30. Juni 1990 ausgeübten Tätigkeit als Meister nicht im Berufsbild eines Maschineningenieurs tatsächlich eingesetzt gewesen sei. Meister hätten nur auf Antrag des Werkdirektors im Einzelfall einbezogen werden können; ein solcher Antrag sei nicht gestellt worden und könne auch nicht mehr nachgeholt werden. Der Kläger sei "meister-technisch" und nicht "ingenieur-technisch" beschäftigt gewesen. Seine Aufgaben hätten sich aus der Meisterverordnung ergeben. Er habe eine Planstelle als Meister übernommen und sei nach einer Lohngruppe entlohnt worden. Funktionspläne seien nicht vorgelegt worden. Die Qualifikationshandbücher für Hoch- und Fachschulkader würden Meister nicht ausweisen.

Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. Februar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Das Gericht hat eine schriftliche Auskunft des vom Kläger benannten Zeugen G G am 17. Oktober 2014 eingeholt, berufskundliche Unterlagen zum DDR-Ingenieur der Fachrichtung "Technologie der metallverarbeitenden Industrie" beigezogen, Ausbildungs- und Arbeitsvertragsunterlagen vom Kläger angefordert und Betriebsunterlagen zum VEB Blechblas- und Signalinstrumentenfabrik M beigezogen.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist im Ergebnis unbegründet, weil das Sozialgericht Chemnitz der Klage im Ergebnis zu Recht mit dem von der Beklagten angegriffenen Gerichtsbescheid vom 15. Februar 2014 teilweise stattgegeben hat. Der Überprüfungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2011 ist teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Er hat einen Anspruch auf teilweise Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 13. November 2003 und des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 4. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2009 – sowie auf Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 1. November 1975 bis 31. August 1978 und vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der fingierten Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie auf Feststellung der in diesen Zeiträumen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte –, weil diese insoweit rechtswidrig sind. Weil das Sozialgericht Chemnitz im Tenor den Ablehnungsbescheid vom 13. November 2003 nicht berücksichtigt, den vorangegangenen Überprüfungsablehnungsbescheid vom 4. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2009 (selbst) aufgehoben hat, anstatt die Beklagte zu dessen Aufhebung zu verpflichten, und die Verurteilung zur Feststellung des Vorliegens der (quasi statusfeststellenden) Voraussetzungen des § 1 AAÜG vergessen hat, war der Tenor insgesamt neu zu fassen.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der (zu überprüfende) Ablehnungsbescheid vom 13. November 2003 und der Überprüfungsablehnungsbescheid vom 4. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2009 sind teilweise rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 1. November 1975 bis 31. August 1978 und vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der fingierten Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie auf Feststellung der in diesen Zeiträumen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte. Denn er war am 30. Juni 1990, und daraus folgend in den aufgeführten Zeiträumen, diesem Zusatzversorgungssystem zwar nicht tatsächlich aber fiktiv zugehörig. Eine fingierte Versorgungsanwartschaft bestand. Der Anwendungsbereich des AAÜG ist nach dessen § 1 für den Kläger eröffnet.

Hinsichtlich der Rechtsgrundlage und der Herleitung des Anspruchs auf Feststellung fingierter Zusatzversorgungsanwartschaften kann zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Chemnitz im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 15. Februar 2014 Bezug und von einer weiteren Begründung Abstand genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen sind folgende Ergänzungen veranlasst:

Der Kläger war am 30. Juni 1990 Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft im Sinne der vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2 S. 14; BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 34/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 3 S. 20; BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 10/02 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 5 S. 33; BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 6 S. 40; BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 3/02 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 7 S. 60; BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 8 S. 74; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 6/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 22-36; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 9/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15-31; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 10/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15-31; BSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - B 5 RS 17/09 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15-31), weil er an diesem maßgeblichen Stichtag (30. Juni 1990) einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte. Er erfüllte nämlich am 30. Juni 1990 alle drei Voraussetzungen (persönlich, sachlich und betrieblich) für eine fingierte Versorgungsanwartschaft.

1. Die persönliche Voraussetzung ist erfüllt, weil der Kläger aufgrund des Ingenieurstudiums in der Fachrichtung "Technologie der metallverarbeitenden Industrie" berechtigt war die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Diese Titelführungsbefugnis wurde ihm mit Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau B am 31. Oktober 1975 verliehen (Bl. 5 der Verwaltungsakte).

2. Der Kläger erfüllte am 30. Juni 1990 sowie in den maßgeblichen Zeiträumen (1. November 1975 bis 31. August 1978 und 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1990) auch die sachliche Voraussetzung, weil er in diesen Zeiträumen Tätigkeiten ausübte die inhaltlich seiner Berufsbezeichnung entsprachen.

Im Hinblick auf die sachliche Voraussetzung einer fiktiven Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung entsprechend der maßgebenden Sachlage am 30. Juni 1990 nach der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: VO-AVItech) vom 17. August 1950 (DDR-GBl. I 1950, Nr. 93, S. 844) kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) darauf an, ob ein Ingenieur seiner Berufsausbildung entsprechend im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich oder aber berufsfremd eingesetzt war (so zuletzt zusammenfassend: BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R - JURIS-Dokument, RdNr. 21; BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 9/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19; BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 7/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24). Mit der sachlichen Voraussetzung einer fingierten Versorgungsanwartschaft soll eine Einschränkung der Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz nur in den Fällen erreicht werden, in denen Versicherte mit förmlichem Berufsabschluss im Sinne des § 1 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: 2. DB) vom 24. Mai 1951 (DDR-GBl. I 1951, Nr. 62, S. 487) in einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Betrieb "fachfremd" eingesetzt waren (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 17/07 R - JURIS-Dokument, RdNr. 43).

Dabei geht das BSG – entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung – aber nicht von der formellen Stellenbezeichnung, der formellen Lohngruppeneinordnung oder der formellen Planstellentitulierung, sondern von der inhaltlichen tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung aus. Ob die sachliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich weder pauschal danach, in welchem Bereich ein Ingenieur eingesetzt war, noch pauschal danach, welche Stellenbezeichnung im Arbeitsvertrag oder welche Planstellentitulierung in sonstigen Dokumenten vorgenommen wurde, sondern ausschließlich danach, ob der Versicherte – von der erworbenen Berufsbezeichnung im Sinne der 2. DB ausgehend – im Schwerpunkt eine dieser Berufsbezeichnung und einem durch die Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägten Berufsbild entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 17/07 R - JURIS-Dokument, RdNr. 44; BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 7/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25; BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 9/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 20; BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R - JURIS-Dokument, RdNr. 22). Setzt die Wahrnehmung der konkreten Arbeitsaufgabe solche beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, wie sie bei dem Studium bzw. der Ausbildung zu einem Beruf im Sinne des § 1 Abs. 1 der 2. DB erworben werden, ist die sachliche Voraussetzung regelmäßig erfüllt; während sie bei einem im Wesentlichen berufsfremdem Einsatz regelmäßig nicht erfüllt ist (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 17/07 R - JURIS-Dokument, RdNr. 44 mit Verweis auf: BSG, Urteil vom 7. September 2006 - B 4 RA 47/05 R - SozR 4-8570 § 1 AAÜG Nr. 12, S. 60, S. 63, RdNr. 19 und BSG, Urteil vom 12. Juni 2001 - B 4 RA 117/00 R - SozR 3-8570 § 5 AAÜG Nr. 6 S. 30, S. 41; BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 7/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 9/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 20; BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R - JURIS-Dokument, RdNr. 21). So hatte das BSG bereits in dem Urteil vom 31. März 2004 (- B 4 RA 31/03 R – JURIS-Dokument, RdNr. 9) unter Bezugnahme auf die "Präambel" der VO-AVItech und den in § 1 Abs. 1 der 2. DB aufgeführten Personenkreis dargelegt, dass Versicherte die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung nur dann erfüllten, wenn entsprechend ihrem Berufsbild der Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag, diese Tätigkeiten somit die Aufgabenerfüllung geprägt hatten. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, z.B. im wirtschaftlichen bzw. kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig (= überwiegend) entsprechend ihrem Berufsbild tätig; im Ergebnis waren sie in einem solchen Fall berufsfremd eingesetzt (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 2/07 R - JURIS-Dokument, RdNr. 18; BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 RS 7/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012 - B 5 RS 9/11 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19; BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R - JURIS-Dokument, RdNr. 21). Entscheidend ist daher ausschließlich, ob der Ingenieur im Wesentlichen eine seiner Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit ausgeübt tatsächlich hat (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 2/07 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19).

Dies trifft im Fall des Klägers, der am 30. Juni 1990 als "Meister mit produktiver Tätigkeit" (so die Bezeichnung im zuletzt maßgeblichen Arbeitsänderungsvertrag vom 29. April 1988, Bl. 28 der Verwaltungsakte, 2. Heftfalz und Bl. 119-120 der Gerichtsakten) beschäftigt war (vgl. auch die Eintragungen im Ausweis des Klägers für Arbeit und Sozialversicherung, Bl. 179 der Gerichtsakten) und der in der Zeit von September 1971 bis Oktober 1975 ein Fachschulstudium in der Fachrichtung "Technologie der metallverarbeitenden Industrie" an der Ingenieurschule für Maschinenbau B absolviert hatte (vgl. Abschlusszeugnis vom 31. Oktober 1975, Bl. 168-169 der Gerichtsakten) und durch den erfolgreichen Abschluss dieses Fachschulstudiums das Recht erhielt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" in der Fachrichtung "Technologie der metallverarbeitenden Industrie" zu führen (vgl. Ingenieururkunde vom 31. Oktober 1975, Bl. 5 der Verwaltungsakte, 1. Heftfalz), zu. Denn der Vergleich der vom Kläger als Meister mit produktiver Tätigkeit verrichteten Tätigkeiten mit den im Fachschulstudium erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten zeigt, dass beide Bereiche überwiegende Schnittmengen aufweisen:

Die tatsächlich vom Kläger als Meister mit produktiver Tätigkeit verrichteten bzw. zu verrichtenden Arbeitsaufgaben ergeben sich aus seinen eigenen Angaben in den Widerspruchsschreiben vom 17. November 2008 (Bl. 13 der Verwaltungsakte, 1. Heftfalz) und 29. November 2010 (Bl. 12-16 der Verwaltungsakte, 2. Heftfalz), die das Gericht vollständig zu Grunde legt, da weder der Kläger noch der ehemalige Beschäftigungsbetrieb einen Funktionsplan vorlegen konnten. Er führte aus, dass er als Meister für Zylindermaschinenbau tätig war und dabei Aufgaben im Bereich der Steuerung, Leitung, Entwicklung und Planung der Produktion sowie im Bereich der Materialbeschaffung (Bestellung) verrichtete. Diese Arbeitsaufgaben bestätigte der gerichtlich mit Schreiben vom 22. September 2014 (Bl. 121 der Gerichtsakten) als Zeuge befragte G G mit Schreiben vom 17. Oktober 2014 (Bl. 123-124 der Gerichtsakten), der der ehemalige Direktor für Ökonomie im Betrieb war und der den Kläger nach Ausscheiden des bisherigen Zylindermaschinenbaumeisters H G im Jahr 1988 diese veränderte Arbeitsaufgabe anbot (vgl. Schreiben des Klägers vom 29. November 2010, Bl. 12-16 der Verwaltungsakte, 2. Heftfalz). Der Zeuge G G führte aus, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Meister für die Bereiche Ventildreherei, Zylindermaschinen, Bestandteilmacherei und Poliererei mit insgesamt 72 Arbeitnehmern folgende Aufgaben zu verrichten hatte: - Produktionsleitung und Koordinierung der benannten Bereiche, - Produktentwicklung in Verbindung mit dem Direktionsbereich Technik und Vertrieb (zum Beispiel: Neugestaltung des Gelenkmechanismus‘ bei Zylindermaschinen), - Optimierung technischer Verfahren und Abläufe, - Entwicklung von Vorrichtungen und Werkzeugen (Zuarbeiten an den Bereich Werkzeugbau), - Sicherung der Funktionsfähigkeit der Maschinen und Anlagen – Instandhaltung sowie - Gewährleistung des Arbeitsschutzes und Unterweisung der Arbeitnehmer. Er führte weiterhin aus, dass der Schwerpunkt der Tätigkeiten des Klägers im ingenieurtechnischen Bereich lag, diese Tätigkeiten dem Direktionsbereich Produktion zugehörig waren, der Kläger fachlich den Direktoren für Produktion und Technik unterstand und die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten die fachliche Qualifikation eines Ingenieurs bzw. Diplom-Ingenieurs voraussetzten.

Sowohl die Ausbildungsziele und Ausbildungsinhalte, als auch die daraus resultierenden späteren Einsatzmöglichkeiten des Ingenieurstudiums des Klägers in der Fachrichtung "Technologie der metallverarbeitenden Industrie" – wie sie sich aus dem vom Gericht im Berufungsverfahren beigezogenen Auszug aus dem Kompendium "Berufe der ehemaligen DDR – Band 7 – Fachschulberufe – Landwirtschaft und gewerblich-technische Berufe", auf Seite 90 (Bl. 236-239 der Gerichtsakten) zum Berufsbild des Ingenieurs in der Fachrichtung "Technologie der metallverarbeitenden Industrie" ergeben – zeigen, dass das Studium die technologischen und technischen Grundlagen zur Verrichtung eines ingenieurtechnischen Berufes im Bereich der metallverarbeitenden Industrie vermittelte. Ausbildungsinhalte und Ausbildungsziele des Ingenieurstudiums des Klägers waren ausweislich des vorbezeichneten Kompendiums die Vermittlung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten in folgenden Bereichen: - Gestaltung effektiver Produktionsprozesse in der metallverarbeitenden Industrie zur Erhöhung der Produktionsergebnisse, zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, - Einsatz zeit- und kostengünstiger Verfahren und Mittel für Fertigung, Kontrolle, Lagerung, Speicherung und Transport, - Vorbereitung und Durchführung technologischer Prozesse in der metallverarbeitenden Industrie, - Auswahl und effektiver Einsatz von Fertigungsverfahren, Werkzeugmaschinen und Werkzeugen, - Verfahrenhauptgruppen: Urformen, Umformen, Trennen, Fügen, Stoffeigenschaftsänderungen und Beschichten, - Struktur, Funktion und Informationsverarbeitung der Werkzeugmaschinen, - Planen des technischen und ökonomischen Einsatzes der Werkzeugmaschinen, - Methoden und Verfahren des Prüfens von Längen und Winkeln, der Oberflächenprüfung und der statistischen Qualitätskontrolle, - messtechnische Erfassung der in den konstruktiven Unterlagen festgelegten Maß-, Form- und Lagetoleranzen, - Lösen von prüftechnischen Aufgaben für eine qualitätsgerechte und kostenoptimale Fertigung, - technisches Zeichen, Konstruktionslehre und praktisches Konstruieren von Vorrichtungen, Werkzeugen, Lehren und Rationalisierungsmitteln, - Projektierung betrieblicher Einrichtungen und der Arbeitsplatzgestaltung in Fertigungsbereichen, - Nutzeffektberechnungen unter besonderer Berücksichtigung der Maschinenaufstellung und Transport- und Lagertechnik, - Vorbereitung technologischer Prozesse sowie deren ökonomische Bewertung mit dem Ziel, aus Prozessvarianten effektive technologische Lösungen zu bestimmen, - technologische Einsatzvorbereitung hochproduktiver Werkzeugmaschinen mit numerischer Steuerung, - Überprüfung und Auswertung der Qualität der Einsatzvorbereitung, - Nutzung der Möglichkeiten der Anwendung der Rechentechnik, - Gestaltung detaillierter technologischer Prozesse der Einzelfertigung und der Montage, - Beachtung der Material- und Energieökonomie und der Rationalisierung und Intensivierung, - Einbeziehung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den Gebieten der Handhabungstechnik, Mikroelektronik usw., - Einsatz und Programmierung von Industrierobotern, manuelle und maschinelle Programmierung von numerisch gesteuerten Maschinen und rechnergestützte Vorbereitung.

Zur Vermittlung dieser Ausbildungsziele und Ausbildungsinhalte wurde, ausweislich des vorbezeichneten Kompendiums und ausweislich des Ingenieurszeugnisses der Ingenieurschule für Maschinenbau B vom 31. Oktober 1975 (Bl. 168-169 der Gerichtsakten), Unterricht in folgenden Fächern erteilt: - Mathematik, Physik, Chemie, - Automatisierungstechnik, - Fertigungstechnik, - technologische Projektierung, - technologische Fertigungsvorbereitung, - Betriebsmittelkonstruktion bzw. Fertigungsmittelkonstruktion, - technische Systeme, - elektronische Datenverarbeitung, - Fertigungskontrolltechnik. Die Ingenieurarbeit des Klägers widmete sich zudem folgendem Thema: "Untersuchung der Möglichkeiten einer Arbeitsteilung bei der Montage von Metallblasinstrumenten".

Dem korrespondierend, befähigte das Ingenieurschulstudium, wie in dem vorbezeichneten Kompendium unter der Rubrik "Einsatzmöglichkeiten" ausgeführt ist, zum Einsatz in Betrieben der metallverarbeitenden Industrie zur technologischen Vorbereitung und Durchführung der Produktion sowie zur Produktionsplanung, zur Montage-, Fertigungs-, Operativ- und Planungstechnologie, zur Betriebsprojektierung, zur Fertigungsmittelkonstruktion, zur Produktionsleitung und -lenkung sowie zur Rationalisierung.

Die im Studium erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten und die benannten Einsatzmöglichkeiten spiegeln sich in den vom Kläger verrichteten Aufgaben als Meister mit produktiven Tätigkeiten im Schwerpunkt, worauf es ankommt, wieder. Denn bei den vom Kläger geschilderten und vom Zeugen G G bestätigten konkreten Tätigkeiten der Produktionsleitung, der Produktionssteuerung, der Produktentwicklung, der Verfahrensoptimierung, der Vorrichtungs- und Werkzeugentwicklung und der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit von Maschinen und Anlagen in einem Betrieb der metallverarbeitenden Industrie (VEB Blechblas- und Signalinstrumentenfabrik M ) handelt es sich im Kern (und damit im Schwerpunkt) um ingenieurtechnische Arbeitsaufgaben unter konkretem Einsatz von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die er durch seine Ingenieurausbildung erworben hatte. Dies wird mit der schriftlichen Aussage des Zeugen G G vom 17. Oktober 2014 (Bl. 123-124 der Gerichtsakten) nachhaltig dadurch unterstrichen, dass für die konkret vom Kläger verrichteten Arbeitsaufgaben als Meister mit produktiven Tätigkeiten die Qualifikation eines Ingenieurs erforderlich war.

Keines der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgetragen Argumente vermag zu einer anderen rechtlichen Bewertung Veranlassung zu geben:

Soweit sie sinngemäß ausführte, nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der 2. DB konnten nur im – bundesrechtlich nicht mehr nachholbaren – Ermessensweg "andere Personen, die verwaltungstechnische Funktionen bekleiden, wie Meister" nur auf Antrag des Werkdirektors durch das zuständige Fachministerium in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz einbezogen werden, verkennt sie zum einen, dass diese Vorschrift nur für diejenigen "Meister" galt, "die" – anders als der Kläger – "nicht den Titel eines Ingenieurs oder Technikers" hatten und missachtet zum anderen, dass der Kläger im Schwerpunkt tatsächlich gerade keine "verwaltungstechnischen" sondern originär "produktionstechnische" Arbeitsaufgaben verrichtete.

Auch aus der von der Beklagten zitierten "Verordnung über die Rechte und Pflichten der Meister in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe und über die Erhöhung ihrer Gehälter" vom 28. Juni 1952 (DDR-GBl. 1952, Nr. 84, S. 504) ergibt sich ebenso wenig, dass ein ausgebildeter Ingenieur, der mit ingenieurtechnischen Aufgaben als Meister betraut war, nicht im Rahmen seines erlernten Berufsbildes eingesetzt gewesen sein kann, zumal der Einsatz von "Fachschulingenieuren auf Meisterpositionen" in der betrieblichen DDR-Wirklichkeit nicht nur im Ausnahmefall praktiziert wurde, wie wissenschaftliche Untersuchungen bestätigten (vgl. Langen, "Der Fachschulingenieur in den Restrukturierungsprozessen der ostdeutschen Betriebe – rationellere Nutzung seines Potentials und partiellen Aufwertung" in: Drexel/Giessmann, "Berufsgruppen im Transformationsprozess – Ostdeutschlands Ingenieure, Meister, Techniker und Ökonomen zwischen Gestern und Übermorgen", ISF-München, 1997, S. 45, S. 53, vgl. den Auszug auf Bl. 16-17 der Gerichtsakten). Wiederholt wurden, wie diese wissenschaftlichen Untersuchungen in etlichen Betrieben zu Tage förderten, Fachschulingenieure auf Meisterpositionen in hochautomatisierten Fertigungsbereichen an modernsten, importierten oder sehr teuren technischen Anlagen eingesetzt, weil zum Anfahren solcher Anlagen Ingenieurwissen erforderlich war oder der Ingenieurbesatz dazu diente Not- und Havariefälle abzudecken oder um im Störfall die Anlagen schnellsten wieder einsatzfähig machen zu können; mehrfach wurden Fachschulingenieure auch aufgrund von "im Stellenplan vorgegebenen produktionstechnischen Gründen" eingesetzt (Langen, "Der Fachschulingenieur in den Restrukturierungsprozessen der ostdeutschen Betriebe – rationellere Nutzung seines Potentials und partiellen Aufwertung" in: Drexel/Giessmann, "Berufsgruppen im Transformationsprozess – Ostdeutschlands Ingenieure, Meister, Techniker und Ökonomen zwischen Gestern und Übermorgen", ISF-München, 1997, S. 45, S. 53, vgl. den Auszug auf Bl. 16-17 der Gerichtsakten).

Soweit die Beklagte zudem wiederholt darauf abstellt, dass sich mit dem Arbeitsänderungsvertrag vom 29. April 1988 (Bl. 28 der Verwaltungsakte, 2. Heftfalz und Bl. 119-120 der Gerichtsakten) – gegenüber dem Arbeitsvertrag vom 27. Juni 1985 (Bl. 27 der Verwaltungsakte, 2. Heftfalz) – nicht nur die Bezeichnung der Arbeitsaufgabe sondern auch die Lohn- bzw. Gehaltsgruppe (von "HF 5" in "8 im PZL") und der Urlaubsanspruch (von 23 auf 21 Tage) änderte, folgt hieraus ebenfalls nicht, dass der Kläger nicht ingenieurtechnisch tatsächlich beschäftigt war. Sie belegt damit nur, dass sie sich inhaltlich gerade nicht mit den konkret vom Kläger verrichteten Arbeitsaufgaben und den zur Verrichtung für diese Aufgaben erforderlichen Anforderungen auseinandersetzt, sondern lediglich wiederholt an formalen und abstrakten Bezeichnungen verhaftet bleibt, die der konkreten Fallkonstellation im hier zur Beurteilung einzig anstehenden Einzelfall nicht im Ansatz gerecht werden.

Auch die konkreten Tätigkeiten des Klägers als Wettbewerbssachbearbeiter im Zeitraum vom 1. November 1975 bis 31. August 1978 sowie als Gruppenleiter für wissenschaftliche Arbeitsorganisation im Zeitraum vom 1. Juli 1985 bis 30. April 1988 entsprachen im Wesentlichen dem Berufsbild des Ingenieurs in der Fachrichtung "Technologie der metallverarbeitenden Industrie", wie das Sozialgericht Chemnitz im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 15. Februar 2014 zutreffend ausgeführt hat. Da die Beklagten diesbezüglich Einwände nicht vorgetragen hat, kann insoweit auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden (§ 153 Abs. 2 SGG).

3. In den maßgeblichen Zeiträumen vom 1. November 1975 bis 31. August 1978 sowie vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1990 erfüllte der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung für einen Anspruch auf fiktive Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz, weil der VEB Blechblas- und Signalinstrumentenfabrik ein volkseigener Produktionsdurchführungsbetrieb im Bereich der Industrie war, dem die Massenproduktion nach dem fordistischen Produktionsmodell das maßgebliche Gepräge verliehen hat. Ausweislich der vom Berufungsgericht beigezogenen Betriebsunterlagen (Bl. 114-116, 138-164 der Gerichtsakten) stellte der Betrieb massenhaft Blechblas- und Signalinstrumente her, im Jahr 1989 beispielsweise 13.230 Metallblasinstrumente, 11.925 Holzblasinstrumente, 56.701 allgemeine Signalinstrumente und 2.459 elektrische Signalinstrumente. Ausweislich der aus dem Bundesarchiv eingeholten Auskunft vom 19. Januar 2016 war der Betrieb durchgängig in die Wirtschaftsgruppe 17741 (Musikinstrumentenindustrie) eingeordnet und dieser Einordnung entsprechend mit der "Herstellung von Musikinstrumenten aller Art einschließlich elektronischer und elektromechanischer Musikinstrumente, usw." befasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Jacobi Dr. Schnell Dr. Lau zugleich für die wegen Urlaubs an der Unterschrift verhinderte Richterin am Landessozialgericht Dr. Lau
Rechtskraft
Aus
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