L 5 RS 782/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 19 RS 897/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 782/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Schätzung der Höhe einer glaubhaft gemachten Jahresendprämie - Zeugenaussage
Ist der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach im konkreten Einzelfall, beispielsweise durch Zeugenaussagen, glaubhaft gemacht, kann die Höhe der als zusätzliches Arbeitsentgelt zu berücksichtigenden Jahresendprämien geschätzt werden, auch wenn deren Höhe weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden kann.
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. September 2014 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 5. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2013 verurteilt, den Bescheid vom 27. Oktober 2008 dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1976, 1977 und 1982 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt zu berücksichtigen sind: Für das Jahr: 1976 591 Mark 1977 451 Mark 1982 254 Mark 1983 845 Mark 1984 850 Mark 1985 855 Mark 1986 915 Mark 1987 852 Mark 1988 847 Mark 1989 924 Mark 1990 950 Mark Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu vier Fünfteln.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Beschäftigungsjahre 1974 bis 1989 in Form jährlicher Jahresendprämien festzustellen.

Dem am 1943 geborenen Kläger wurde, nach einem Fachschulstudium in der Fachrichtung Technologie des Maschinenbaus an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik Z in der Zeit von September 1964 bis Juli 1967, mit Urkunde vom 14. Juli 1967 das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er war vom 4. September 1967 bis 31. August 1974 als Ingenieur für Arbeitsmaschinenbau, Gruppenleiter TVA und Gruppenleiter Arbeitswissenschaften im volkseigenen Betrieb (VEB) Maßindustrie W sowie vom 1. September 1974 bis 17. Oktober 1976 als Mitarbeiter Forschung und Entwicklung, vom 18. Oktober 1976 bis 31. August 1981 als Assistent des Betriebsdirektors, vom 1. September 1981 bis 31. Dezember 1987 als Verantwortlicher für Außenwirtschaft und Kundendienst und vom 1. Januar 1988 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Leiter Organisation und Rechentechnik jeweils im VEB Rohrleitungsbau W beschäftigt. Er erhielt keine Versorgungszusage und war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

Nachdem die Beklagte einen Feststellungsantrag des Klägers vom 21. Februar 2006 zunächst mit Bescheid vom 7. März 2006 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2006 (bestätigt durch klageabweisenden Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 22. Februar 2007 im Verfahren S 23 R 1098/06) abgelehnt hatte, erklärte sie sich im Rahmen des (vorangegangenen) Berufungsverfahrens vor dem Sächsischen Landessozialgerichts (im Verfahren L 7 R 290/07, fortgeführt im Verfahren L 7 R 176/08) mit Vergleichsangebot vom 14. April 2008 bereit, einen neuen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erlassen. Der Kläger nahm das Vergleichsangebot mit Schriftsatz vom 19. Mai 2008 an. Im Rahmen des wiedereröffneten Feststellungsverfahrens holte die Beklagte Entgeltbescheinigungen der Rhenus Office Systems GmbH vom 26. Juni 2008 und der Firma W S GmbH (Rechtsnachfolger des VEB Rohrleitungsbau W ) vom 20. August 2008 ein. Auf die entsprechenden Anfragen der Beklagten nach dem Vorhandensein von Jahresendprämiennachweisen teilte die Rhenus Office Systems GmbH mit, dass im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers (VEB Maßindustrie W ) keine Unterlagen für Prämienzahlungen mehr vorhanden sind; die Firma W S GmbH teilte mit, dass Jahresendprämien jährlich circa in Höhe eines Monatsgehaltes gezahlt wurden, Nachweise hierüber aber nicht mehr vorhanden sind.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2008 hob die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 7. März 2006 auf und stellte das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 4. September 1967 bis 17. Oktober 1976 sowie vom 1. September 1981 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Die Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 18. Oktober 1976 bis 31. August 1981 lehnte sie hingegen mit der Begründung ab, der Kläger sei in diesem Zeitraum nicht ingenieurtechnisch tätig gewesen und erfülle daher die sachliche Voraussetzung für eine fingierte Zusatzversorgungsanwartschaft nicht.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die rückwirkende Neufeststellung der Zusatzversorgungszeiten unter Einbeziehung von Jahresendprämien. Mit Schreiben vom 20. Februar 2013 fragte die Beklagte daraufhin erneut bei der Firma W S GmbH nach dem Vorliegen von Jahresendprämiennachwiesen an. Die Firma W S GmbH teilte mit Schreiben vom 26. Februar 2013 abermals mit, dass Jahresendprämien jährlich circa in Höhe eines Monatsgehaltes gezahlt wurden, Nachweise hierüber aber nicht mehr vorhanden sind. Mit Schreiben vom 4. März 2013 fragte die Beklagte beim Kläger nach dem Vorhandensein von Jahresendprämiennachweisen an. Der Kläger teilte daraufhin telefonisch am 22. März 2013 mit, dass er keine Unterlagen über Prämien- oder Sonderzahlungen besitze.

Mit Bescheid vom 5. April 2013 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag mit der Begründung ab, der Bescheid vom 27. Oktober 2008 könne nicht abgeändert werden, da der Zufluss der begehrten zusätzlichen Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 14. April 2013 Widerspruch, verwies auf die schriftliche Bescheinigung seines ehemaligen Arbeitsgebers, der mitgeteilt habe, dass er Jahresendprämien jährlich in Höhe etwa eines Monatslohnes erhalten habe, und legte Kontrollkarten der Gewerkschaft über seine Lohnentwicklung sowie sein Parteibuch der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mit Mitgliedsbeitragszahlungsnachweisen für den Zeitraum von März 1981 bis Dezember 1989 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus: Der Zufluss der begehrten zusätzlichen Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Die Höhe der Jahresendprämien sei von der Erfüllung der für die Werktätigen festgelegten Leistungskriterien abhängig gewesen. Sowohl der Anspruch als auch die Höhe einer Jahresendprämie seien von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Das Parteibuch lasse keine eindeutigen Schlüsse zu.

Die hiergegen am 19. Juni 2013 erhobene Klage hat das Sozialgericht Chemnitz mit Gerichtsbescheid vom 24. September 2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe den Zufluss von Jahresendprämien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Aus dem SED-Parteibuch ergebe sich mit den Beitragseinträgen in den Jahren 1981 bis 1989 kein Hinweis darauf, dass die dort – regelmäßig in den Monaten April eines Jahres – vermerkten erhöhten Parteibeträge auf dem Zufluss von Jahresendprämien beruhen könnten, da eine Zweckbestimmung vom Beitragskassierer nicht vorgenommen worden sei. Die angebotene Versicherung an Eides statt sei kein zulässiges Beweismittel im AAÜG.

Gegen den am 26. September 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. Oktober 2014 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er begehre die Berücksichtigung der Jahresendprämien für den Zeitraum von 1974 bis 1989 für die Berechnung seiner Rente, da die Firma W S GmbH bestätigt habe, dass die Jahresendprämie mindestens einen Bruttomonatslohn betragen habe. Außerdem ergebe sich aus seinem SED-Parteibuch, dass einmal jährlich im gleichen Zeitraum zusätzliche Beiträge gezahlt worden seien. Diese Regelmäßigkeit resultiere aus den Jahresendprämien, auch wenn der Beitragskassierer keine Zweckbestimmung hinsichtlich dieser erhöhten Beiträge vorgenommen habe. In der Zusammenschau dieser beiden Tatsachen sei die Auszahlung der Jahresendprämie mehr als überwiegend wahrscheinlich. Das Sozialgericht habe die Anforderungen an eine Glaubhaftmachung überspannt.

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. September 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2013 zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 27. Oktober 2008 abzuändern und Jahresendprämien für die Beschäftigungsjahre von 1974 bis 1989 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der nachgewiesenen Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Das Gericht hat schriftliche Auskünfte der Zeugen J S am 21. April 2015 und M G am 28. April 2015 eingeholt sowie arbeitsvertragliche Unterlagen vom Kläger beigezogen.

Mit Schriftsätzen vom 15. Februar 2016 und 1. März 2016 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet, weil das Sozialgericht Chemnitz die Klage überwiegend zu Unrecht abgewiesen hat. Denn der Kläger hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher, ihm in den Jahren 1976, 1977 und 1982 bis 1990 zugeflossener, weiterer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits mit Bescheid vom 27. Oktober 2008 festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben. Soweit er darüber hinausgehend höhere als die tenorierten Arbeitsentgelte sowie solche für die Zuflussjahre 1975 und 1978 bis 1981 begehrt, ist die Berufung unbegründet, weshalb sie im Übrigen zurückzuweisen war. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 5. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil mit ihm das Recht unrichtig angewandt bzw. von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Deshalb war der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. September 2014 (teilweise) abzuändern, der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 5. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 27. Oktober 2008 dahingehend abzuändern, dass für die (Zufluss-)Jahre 1976, 1977 und 1982 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, wie tenoriert, zu berücksichtigen sind.

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 27. Oktober 2008 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie jedoch zu Unrecht (teilweise) nicht berücksichtigt.

Da sich der mit Bescheid vom 27. Oktober 2008 festgestellte fingierte Zusatzversorgungszeitraum lediglich auf die Beschäftigungszeiträume vom 4. September 1967 bis 17. Oktober 1976 sowie vom 1. September 1981 bis 30. Juni 1990 erstreckt, besteht kein Anspruch des Klägers auf Feststellung von Jahresendprämien als weiteres Entgelt für die (auch geltend gemachten) Zeiträume vom 18. Oktober 1976 bis 31. August 1981. Die Jahresendprämienjahre 1977 bis 1980 und damit die Zuflussjahre 1978 bis 1981 sind deshalb von vornherein nicht berücksichtigungsfähig.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 16. Juni 1977 [GBl.-DDR I 1977, Nr. 18, S. 185; nachfolgend: AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war. Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.).

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist.

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, ist auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien für die Beschäftigungsjahre 1975, 1976 (teilweise), 1981 (teilweise) und 1982 bis 1989 dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 1.). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die in den jeweils nachfolgenden Jahren (1976, 1977 [teilweise], 1982 [teilweise] und 1983 bis 1990) für das vorangegangene Beschäftigungsjahr zur Auszahlung an ihn gelangten, hat er weder nachweisen, noch glaubhaft machen können; hinsichtlich der Höhe macht das Gericht jedoch von seiner im Rahmen der konkreten Einzelfallwürdigung von Rechts wegen gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (dazu nachfolgend unter 2.).

1. Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter a), jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter b):

a) Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst im Laufe des Verfahrens auf die konkrete Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 4. März 2013 auch ausführte.

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus den Schreiben der Firmen Rhenus Office Systems GmbH vom 20. Juni 2008 und W S GmbH vom 20. August 2008 sowie 26. Februar 2013 ergibt. Die ehemals die Lohn- und Betriebsunterlagen der Beschäftigungsbetriebe des Klägers verwaltenden Archiv- (Rhenus Office Systems GmbH) und Nachfolgefirmen (W S GmbH) hatten im Rahmen des Verwaltungs- und Überprüfungsverfahrens auf die entsprechenden schriftlichen Anfragen der Beklagten vom 6. Juni 2008 und 20. Februar 2013 jeweils mitgeteilt, dass in den ehemaligen Beschäftigungsbetrieben des Klägers keine Unterlagen für Prämienzahlungen (mehr) vorhanden sind.

b) Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall (teilweise) glaubhaft gemacht.

Zunächst ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Glaubhaftmachung der Jahresendprämienzahlungen – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht aus den Eintragungen in seinem SED-Parteibuch folgt. Darauf hat das Sozialgericht Chemnitz im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 24. September 2014 zutreffend hingewiesen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Behauptung, erhöhte Beiträge, die im Mitgliedsbuch der SED eingetragen sind, resultieren aus gezahlten Jahresendprämien, nicht geeignet den Zufluss dieses zusätzlichen Arbeitsentgelts glaubhaft zu machen, wenn den Beitragseinträgen nicht entnommen werden kann, auf welchen konkreten Lohnbestandteil die erhöhten Beiträge entrichtet wurden (vgl. dazu ausführlich und dezidiert: Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 7. August 2012 - L 5 RS 45/10 - JURIS-Dokument, RdNr. 26-31; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. August 2012 - L 5 RS 480/11 - JURIS-Dokument, RdNr. 29-37; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. August 2012 - L 5 RS 572/11 - JURIS-Dokument, RdNr. 29-34; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. August 2012 - L 5 RS 88/10 - JURIS-Dokument, RdNr. 28-33; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 2. Oktober 2012 - L 5 RS 362/11 - JURIS-Dokument, RdNr. 34-44; ebenso und ausdrücklich im Anschluss an die Urteile des erkennenden Senats: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Dezember 2013 - L 1 R 387/11 - JURIS-Dokument, RdNr. 25; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Februar 2014 - L 1 RS 28/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 27; Thüringer LSG, Urteil vom 27. Mai 2014 - L 6 R 1280/12 - JURIS-Dokument, RdNr. 23; LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 9. Oktober 2014 - L 33 R 151/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 41-45). Dies ist vorliegend der Fall. Zwar sind in den vom Kläger geltend gemachten Zuflussjahren 1981 bis 1989 jeweils im Monat April erhöhte Parteibeiträge im SED-Mitgliedsbuch eingetragen. Woraus diese allerdings resultieren, ist dort nicht vermerkt.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 AGB-DDR) für den Bezug einer Jahresendprämie in den geltend gemachten Beschäftigungsjahren 1975, 1976 und 1981 bis 1989 vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie in den drauffolgenden Zuflussjahren erhalten hat (dies gilt allerdings nicht für das Beschäftigungsjahr 1974):

aa) Der Kläger war in den Jahren 1975 bis 1989 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB Rohrleitungsbau W (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR), wie sich aus den Arbeitsvertragsunterlagen des Klägers (Bl. 109-112 der Verwaltungsakte, 1. Heftfalz) sowie den Eintragungen in seinem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung (Bl. 71-83 der Gerichtsakte) ergibt.

Im Jahr 1974 hingegen ist er erst am 1. September 1974 in den Betrieb, VEB Rohrleitungsbau W , eingetreten und erfüllte damit nicht die rechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Jahresendprämie, weil er nicht das gesamte Planjahr Angehöriger des Betriebes war. Das geltend gemachte Beschäftigungsjahr 1974, und damit das Zuflussjahr 1975, scheidet damit komplett aus.

Eine gegebenenfalls auch für das Planjahr 1990 im Jahr 1991 zur Auszahlung gelangte Jahresendprämie kann ebenfalls nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht mehr AAÜG-relevant wäre. Der Zusatzversorgungszeitraum erstreckt sich lediglich bis zum 30. Juni 1990; ab 1. Juli 1990 wurden die Zusatzversorgungssysteme geschlossen, so dass weder tatsächliche noch fiktive Zugehörigkeitszeiten mehr erworben werden konnten und entsprechende Arbeitsentgelte nicht mehr relevant sind.

bb) Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 AGB-DDR). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 AGB-DDR die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" vom 12. Januar 1972 (GBl.-DDR II 1972, Nr. 5, S. 49; nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe" vom 21. Mai 1973 (GBl.-DDR I 1973, Nr. 30, S. 293; nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973), mit der die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 angeordnet wurde, sowie die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" vom 9. September 1982 (GBl.-DDR I 1982, Nr. 34, S. 595; nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, "Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?", RV [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindert eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn diese im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können.

cc) Ausgehend von den schriftlichen Auskünften der Firma W S GmbH vom 20. August 2008 (Bl. 125 der Verwaltungsakte, 1. Heftfalz) und vom 26. Februar 2013 (Bl. 13 der Verwaltungsakte, 2. Heftfalz) sowie der Zeugen J S vom 21. April 2015 (Bl. 62-64 der Gerichtsakte) und M G vom 28. April 2015 (Bl. 65-67 der Gerichtsakte) ist zudem glaubhaft gemacht, dass der Kläger und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe (in den Beschäftigungsjahren 1975, 1976 und 1981 bis 1989) erfüllt hatten (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR).

Die Firma W S GmbH bestätigte in ihren Schreiben vom 20. August 2008 und vom 26. Februar 2013 jeweils, dass im Betrieb jährlich Jahresendprämien circa in Höhe eines Monatsgehaltes/Monatslohnes an die Beschäftigten ausgezahlt wurden. Auch die Zeugin M G führte in ihrem, beim Gericht am 28. April 2015 eingegangenen, Schreiben aus, dass jeder Beschäftigte des Betriebes in jedem Jahr eine Jahresendprämie erhalten hat. Sie kannte den Kläger seit ihrem Betriebseintritt am 13. März 1979 und war Mitarbeiterin im Personalbüro. Den Angaben des Zeugen J S , der den Kläger seit 1964 kannte und der von 1968 bis 1990 im gleichen Betrieb als Haupttechnologe beschäftigt war, ist zu entnehmen, dass er die jährliche Auszahlung der Jahresendprämien an den Kläger beobachtet hatte, weil die Auszahlung jährlich in den allgemeinen Arbeitsberatungen des Bereichs Technik im Betrieb bzw. in den Dienstberatungen beim Betriebsdirektor (in den Jahren 1985 und 1986) erfolgten.

Die Angaben der Zeugen M G und J S sind insgesamt plausibel und nachvollziehbar, weil sie sich untereinander sowie mit den Angaben des Beschäftigungsbetriebes selbst decken. Hinsichtlich des Zuflusses der Jahresendprämien kann insoweit auf die Angabe des Klägers selbst abgestellt werden, dass die Jahresendprämien für das jeweilige Beschäftigungsjahr zu Beginn des nachfolgenden Kalenderjahres ausgezahlt wurden, was sich insoweit plausibel mit dem von ihm zur Begründung angeführten Eintragungen in seinem SED-Parteibuch deckt. Dort sind regelmäßig im Monat April erhöhte Parteibeträge vermerkt.

Unzulänglichkeiten des Klägers, die gegebenenfalls eine Kürzung oder Nichtzahlung der Jahresendprämie zur Folge hätten haben können, ließen sich im Rahmen der durchgeführten Ermittlungen nicht bestätigen. Weder die Firma W S GmbH noch die schriftlich befragten Zeugen tätigten dahingehende Äußerungen. Auch aus den vom Gericht beigezogenen Leistungsbeurteilungen des Betriebes für den Kläger vom 1. Februar 1982 (Bl. 102-103 der Gerichtsakte) und vom 13. Juni 1984 (Bl. 104 der Gerichtsakte) ergibt sich plausibel, dass der Kläger im Betrieb die individuellen Leistungskennziffern konkret erfüllte. In den Leistungseinschätzungen wird auf seine gute Aufgabenerfüllung, seine soliden Kenntnisse auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung, seine zahlreichen Leitungserfahrungen, sein Verständnis über Zusammenhänge des betrieblichen Reproduktionsprozesses, seine persönliche Einsatzbereitschaft, seine persönliche Mitwirkung zur Erfüllung der betrieblichen Aufgaben, seine praktischen Erfahrungen und sein Pflichtbewusstsein hingewiesen. Zusammenfassend wird dem Kläger damit insgesamt bescheinigt, dass er die ihm übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an der Erfüllung der festgelegten Leistungskriterien aufdrängen. Auch die vom Kläger auf gerichtliche Anforderung zudem vorgelegten Auszeichnungsurkunden und Belobigungsschreiben (Bl. 85-87 und 91-94 der Gerichtsakte) unterstreichen, dass seine Arbeit weder Anlass zu Kritik noch Tadel gab. Für hervorragende sozialistische Arbeit wurde ihm der Ehrentitel "Aktivist der sozialistischen Arbeit" verliehen. Am 10. April 1986 wurde ihm vom Betrieb eine Urkunde als "Verdienter Neuerer des Betriebes" verliehen. Für beispielhafte Leistungen im sozialistischen Wettbewerb wurde er mit Urkunde vom 9. April 1989 als Mitglied eines Kollektivs mit der Kombinatsauszeichnung "Hervorragendes Wettbewerbskollektiv" geehrt. In Würdigung der erbrachten vorbildlichen Leistungen und gezeigten Einsatzbereitschaft bei der Lösung der fachlichen Aufgaben sowie in Anerkennung hervorragender persönlicher Leistungen im sozialistischen Wettbewerb bei der Erfüllung der anspruchsvollen Ziele der abgesetzten Warenproduktion wurden ihm vom Betrieb Anerkennungs- und Geldprämien gewährt. Für vorbildliche Arbeitsleistungen erhielt er am 28. Oktober 1978 eine Urkunde als Anerkennung überreicht.

2. Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die in den jeweils nachfolgenden Jahren (1976, 1977 und 1982 bis 1990) für das vorangegangene Beschäftigungs- und Planjahr (1975, 1976 und 1891 bis 1989) zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte der Kläger zwar weder nachweisen, noch glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter a). Hinsichtlich der Höhe macht das Gericht jedoch von seiner im Rahmen der konkreten Einzelfallwürdigung von Rechts wegen gegebenen Möglichkeit der Schätzung der Höhe Gebrauch (dazu nachfolgend unter b).

a) Die dem Kläger in den Jahren 1976, 1977 und 1982 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach weder nachgewiesen (dazu nachfolgend unter aa), noch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter bb):

aa) Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte er nicht vorlegen. Er selbst verfügt über keine Unterlagen, mit denen er die Höhe der gewährten Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst im Laufe des Verfahrens auf die konkrete Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 4. März 2013 auch ausführte.

Auszahlungslisten der Abteilung des Betriebes konnten auch die Zeugen nicht vorlegen.

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus den Schreiben der Firmen Rhenus Office Systems GmbH vom 20. Juni 2008 und W S GmbH vom 20. August 2008 sowie 26. Februar 2013 ergibt. Die ehemals die Lohn- und Betriebsunterlagen der Beschäftigungsbetriebe des Klägers verwaltenden Archiv- (Rhenus Office Systems GmbH) und Nachfolgefirma (W S GmbH) hatte im Rahmen des Verwaltungs- und Überprüfungsverfahrens auf die entsprechenden schriftlichen Anfragen der Beklagten vom 6. Juni 2008 und 20. Februar 2013 jeweils mitgeteilt, dass in den ehemaligen Beschäftigungsbetrieben des Klägers keine Unterlagen für Prämienzahlungen (mehr) vorhanden sind.

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor, da zwischenzeitlich die Aufbewahrungsfrist für die Entgeltunterlagen der ehemaligen Betriebe der DDR abgelaufen ist (31. Dezember 2011; vgl. § 28f Abs. 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch [SGB IV]).

bb) Die konkrete Höhe der an den Kläger ausgezahlten Jahresendprämienbeträge ist – wie das Sozialgericht Chemnitz im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 24. September 2014 insoweit zutreffend ausführte – auch nicht glaubhaft gemacht:

Sowohl den Angaben des Klägers als auch der Zeugin M G sowie den schriftlichen Auskünften der Firma W S GmbH vom 20. August 2008 und 26. Februar 2013 kann zwar entnommen werden, dass sich die Jahresendprämie durchschnittlich im Bereich eines Bruttomonatslohnes bewegte. Konkretere oder präzisierende Angaben konnten jedoch nicht getätigt werden.

In der Gesamtbetrachtung sind diese Angaben insgesamt zum einen vage und beruhen zum anderen allein auf dem menschlichen Erinnerungsvermögen, das mit der Länge des Zeitablaufs immer mehr verblasst und deshalb insbesondere in Bezug auf konkrete, jährlich differierende Beträge kaum einen geeigneten Beurteilungsmaßstab im Sinne einer "guten Möglichkeit" gerade des vom Kläger, der Zeugin und des Betriebes angegebenen durchschnittlichen Bruttomonatslohns abzugeben geeignet ist.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass es im Ergebnis an einem geeigneten Maßstab fehlt, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämie beurteilt werden kann (vgl. dazu auch insoweit zutreffend: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. September 2012 - L 22 R 832/11 - JURIS-Dokument, RdNr. 61 ff.) und der vom Kläger und der Zeugin sowie dem Betrieb behauptete Maßstab, nämlich der durchschnittliche Bruttomonatslohn, nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs- oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war:

Nicht der Durchschnittslohn des Werktätigen war Ausgangsbasis für die Festlegung der Höhe der Jahresendprämie, sondern die Erfüllung der konkreten Leistungs- und Planzielvorgaben (vgl. dazu deutlich: Gottfried Eckhardt u.a., "Lohn und Prämie – Erläuterungen zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR" [Heft 4 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 1989, S. 112; Langanke "Wirksame Leistungsstimulierung durch Jahresendprämie", NJ 1984, 43, 44). Aus diesem Grund zählte zu den betriebsbezogenen, in einem Betriebskollektivvertrag festgelegten Regelungen über die Bedingungen der Gewährung einer Jahresendprämie auch die Festlegung und Beschreibung der Berechnungsmethoden, aus denen dann individuelle Kennziffern für den einzelnen Werktätigen zur Berechnung der Jahresendprämie abgeleitet werden konnten.

Dies verdeutlichen auch sonstige rechtliche Regelungen unterhalb des AGB-DDR: So legten die Prämienfond-VO 1972 in der Fassung der 2. Prämienfond-VO 1973 sowie die Prämienfond-VO 1982 fest, wie die Jahresendprämie wirksamer zur Erfüllung und Übererfüllung der betrieblichen Leistungsziele beitragen konnte (§ 7 Prämienfond-VO 1972, § 9 Prämienfond-VO 1982). Danach waren den Arbeitskollektiven und einzelnen Werktätigen Leistungskennziffern vorzugeben, die vom Plan abgeleitet und beeinflussbar waren, die mit den Schwerpunkten des sozialistischen Wettbewerbs übereinstimmten und über das Haushaltsbuch oder durch andere bewährte Methoden zu kontrollieren und abzurechnen waren (§ 7 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Prämienfond-VO 1982). Die durchschnittliche Jahresendprämie je Beschäftigten war in der Regel in der gleichen Höhe wie im Vorjahr festzulegen, wenn der Betrieb mit der Erfüllung und Übererfüllung seiner Leistungsziele die erforderlichen Prämienmittel erarbeitet hatte; für den Betrieb war dieser Durchschnittsbetrag grundsätzlich beizubehalten (§ 9 Abs. 2 Prämienfond-VO 1982). Hervorzuheben ist dabei, dass der Werktätige und sein Kollektiv die ihnen vorgegebenen Leistungskriterien jeweils erfüllt haben mussten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972), die Leistungskriterien kontrollfähig und abrechenbar zu gestalten waren (§ 6 Abs. 1 Satz 2 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" vom 24. Mai 1972 [GBl.-DDR II 1972, Nr. 34, S. 379; nachfolgend: 1. DB zur Prämienfond-VO 1972]) und bei der Differenzierung der Höhe der Jahresendprämie von den unterschiedlichen Leistungsanforderungen an die Abteilungen und Bereiche im betrieblichen Reproduktionsprozess auszugehen war (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972). Außerdem war geregelt, dass die Jahresendprämien für Arbeitskollektive und einzelne Werktätige nach der Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Schichtarbeit zu differenzieren waren (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982), wobei hinsichtlich der Kriterien für die Zulässigkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Jahresendprämie im Betrieb konkrete Festlegungen nach Maßgabe des § 6 der "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" vom 9. September 1982 (GBl.-DDR I 1982, Nr. 34 S. 598; nachfolgend 1. DB zur Prämienfond-VO 1982) in der Fassung der "Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" vom 3. Februar 1986 (GBl.-DDR I 1986, Nr. 6 S. 50; nachfolgend: 2. DB zur Prämienfond-VO 1982) zu treffen waren. Danach spielten z. B. der Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader in den Betrieben und deren "wesentliche Erhöhung" sowie die "Anerkennung langjähriger Betriebszugehörigkeit" eine Rolle (§ 6 Abs. 2 Satz 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die konkreten Festlegungen erfolgten in betrieblichen Vereinbarungen (§ 6 Abs. 3 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982). Die endgültige Festlegung der Mittel zur Jahresendprämierung für die einzelnen Bereiche und Produktionsabschnitte einschließlich ihrer Leiter erfolgte nach Vorliegen der Bilanz- und Ergebnisrechnung durch die Direktoren der Betriebe mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitungen, die entsprechend der im Betriebskollektivvertrag getroffenen Vereinbarung abhängig vom tatsächlich erwirtschafteten Prämienfonds durch den Betrieb und von der Erfüllung der den Bereichen und Produktionsabschnitten vorgegebenen Bedingungen war (§ 8 Abs. 1 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 5 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982).

Weder zu den individuellen Leistungskennziffern des Klägers noch zu den sonstigen, die Bestimmung der Jahresendprämienhöhe maßgeblichen Faktoren konnten der Kläger oder die Zeugen nachvollziehbare Angaben tätigen.

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall nicht erfüllt. Die bloße Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und einer allgemeinen Verfahrensweise wie auch der Hinweis, dass in anderen Fällen Jahresendprämien berücksichtigt worden sind – etwa weil dort anderweitige Unterlagen vorgelegt werden konnten –, genügen nicht, um den Zufluss von Jahresendprämien in einer bestimmten oder berechenbaren Höhe konkret an den Kläger glaubhaft zu machen. Denn hierfür wäre – wie ausgeführt – erforderlich, dass in jedem einzelnen Jahr des vom Kläger geltend gemachten Zeitraumes eine entsprechende Jahresendprämie nachgewiesen worden wäre, und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitraumes, sondern auch hinsichtlich der Erfüllung der individuellen Leistungskennziffern, um eine konkrete Höhe als berechenbar erscheinen zu lassen.

b) Da der Kläger den Bezug (irgend-)einer Jahresendprämie für die konkreten Beschäftigungsjahre jedoch dem Grunde nach glaubhaft gemacht hat, nur deren Höhe weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden kann, darf und muss das Gericht (ebenso im Übrigen auch der Versorgungsträger selbst, vgl. dazu bereits: BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17) die Höhe im Rahmen der konkreten Einzelfallwürdigung schätzen (insoweit entwickelt der Senat – im Anschluss an seine Urteile vom 4. Februar 2014 [L 5 RS 462/13], vom 28. April 2015 [L 5 RS 450/14], vom 12. Mai 2015 [L 5 RS 382/14 sowie L 5 RS 424/14], vom 21. Juli 2015 [L 5 RS 668/14], vom 27. Oktober 2015 [L 5 RS 80/15], vom 10. November 2011 [L 5 RS 206/15], vom 8. Dezember 2015 [L 5 RS 152/15 sowie L 5 RS 296/15], vom 5. Januar 2016 [L 5 RS 158/15], vom 16. Februar 2016 [L 5 RS 585/15] und vom 1. März 2016 [L 5 RS 578/15] – seine bisherige, unter anderem in den Urteilen vom 13. November 2012 [L 5 RS 192/12 sowie L 5 RS 605/11], vom 2. Oktober 2012 [L 5 RS 789/10], vom 18. September 2012 [L 5 RS 716/10 sowie L 5 RS 322/11] und vom 7. August 2012 [L 5 RS 439/10] dargelegte Rechtsprechung, jeweils dokumentiert in JURIS, weiter). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Schätzung statthaft. Diese Befugnis ergibt sich aus § 202 SGG in Verbindung mit §§ 287 Abs. 2, 287 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Nach § 287 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 ZPO entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, wenn unter den Beteiligten streitig ist, wie hoch sich ein Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft. Nach § 287 Abs. 2 ZPO ist diese Norm bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Beteiligten die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Diese Voraussetzungen sind in der gegebenen Konstellation der streitigen Höhe der dem Grunde nach zugeflossenen Jahresendprämien erfüllt. Bei der Feststellung weiterer Arbeitsentgelte im Rahmen der festgestellten Zeiten der fingierten Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz handelt es sich zumindest mittelbar und sekundär um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, weil das von der Beklagten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG festzustellende und dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilende (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AAÜG) erzielte Arbeitsentgelt Grundlage der Berechnung der Höhe einer Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist. Dass es sich bei dem Verfahren über die Feststellung von Entgeltdaten nach dem AAÜG in einem dem Vormerkungsverfahren nach § 149 SGB VI ähnlichen Verfahren, das der späteren Rentenfeststellung nur vorgelagert ist, um eine vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 287 Abs. 2 ZPO handelt, hat das BSG bereits in der Vergangenheit implizit bereits bestätigt (vgl. BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr. 3 = JURIS-Dokument, RdNr. 17) und aktuell nochmals hervorgehoben (vgl. BSG, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - B 5 RS 11/14 B - amtlicher Umdruck, RdNr. 10). Die vollständige Aufklärung aller für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämienbeträge maßgebenden Umstände (jährliche Betriebskollektivverträge, individuelle und kollektive Leistungskennziffern, Berechnungsmethoden und Berechnungsgrundlagen ausgehend von den Zielvorgaben der staatlichen Planauflagen, beispielsweise in einer Betriebsprämienordnung) ist auch mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Die Schätzung gestaltet sich im konkreten Fall wie folgt:

aa) Als jährlichen Basiswert der Jahresendprämienhöhe legt das Gericht jeweils den im Planjahr erzielten durchschnittlichen Bruttomonatslohn zu Grunde, der im Feststellungsbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2008, basierend auf den Lohnnachweisen und Lohnauskünften der Firma W S GmbH vom 18. August 2008 (Bl. 126 der Verwaltungsakte, 1. Heftfalz), jeweils ausgewiesen ist. Damit wird zum einen dem Umstand Rechnung getragen, dass der Kläger, die Zeugin M G sowie der Betrieb jeweils bekundeten, bei der Jahresendprämie habe es sich um ein sog. 13. Monatsgehalt gehandelt, das sich zumindest der Höhe nach weitgehend um einen Bruttomonatslohn bewegte. Zum anderen ist an dieser Stelle zu konstatieren, dass ein anderer Ausgangswert nicht vorhanden ist, weil die Grundlagen der konkreten Leistungskennziffern gänzlich unbekannt sind. Gerechtfertigt ist dieses Abstellen auf den Bruttodurchschnittslohn vor allem aber deshalb, weil selbst nach den maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen, die als generelle Anknüpfungstatsachen herangezogen werden können (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise zuletzt: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19), in den Fällen, in denen in den maßgeblichen betrieblichen Dokumenten (Betriebskollektivverträge, Betriebsprämienordnung) die zu erfüllenden Leistungskennziffern nicht präzise vorgegeben waren, bei der Entscheidung über den Anspruch auf Jahresendprämie von den im Betrieb üblichen Bedingungen für die Festsetzung individueller Jahresendprämien auszugehen war. Dabei konnten auch vergleichende Feststellungen der an andere Betriebsangehörige als Jahresendprämie gezahlte Beträge, wie beispielsweise ein als Grundprämie gezahlter bestimmter Anteil eines monatlichen Bruttodurchschnittsverdienstes, als Anhaltspunkte dienen (vgl. dazu ausdrücklich beispielsweise: Oberstes Gericht [der DDR], Urteil vom 16./18. März 1970 - Ua 5/69 - NJ 1970, 270, 274; Kaiser, "Einige Probleme der Jahresendprämie aus der Sicht der Rechtsprechung", NJ 1971, 229, 230). Auch die maßgeblichen staatlichen Prämienverordnungen selbst knüpften in ihren abstrakten Rahmenvorgaben hinsichtlich der Höhe der Jahresendprämie an den durchschnittlichen Monatsverdienst an. So legte beispielsweise § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Satz 3 Prämienfond-VO 1972 fest, dass die Jahresendprämie mindestens die Höhe eines Drittels eines "durchschnittlichen Monatsverdienstes" und maximal, für hervorragende Leistungen des einzelnen Werktätigen, das Zweifache seines "monatlichen Durchschnittsverdienstes" betrug.

bb) Von diesem jährlichen Basiswert trifft das Gericht einen Abschlag in Höhe von 30 Prozent. Mit diesem Abschlag wird den Tatsachen Rechnung getragen, dass die konkrete Höhe der jeweiligen jährlichen Jahresendprämien von einer Vielzahl von individuellen und kollektiven Faktoren abhingen, die rückschauend betrachtet in ihrer Gesamtheit nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden können. Namentlich wird mit diesem Abschlag unter anderem berücksichtigt, dass - Zeiten der wegen Krankheit vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit während des Planjahres zu einer Minderung der Jahresendprämie führen konnten (§ 117 Abs. 3 AGB-DDR), - die Jahresendprämienhöhe unter Berücksichtigung von Schichtarbeit differenzierend festgelegt wurde (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Prämienfond-VO 1972, § 6 Abs. 3 Spiegelstrich 2 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972, § 9 Abs. 3 Satz 1 Prämienfond-VO 1982), - die betriebskollektivvertragsrechtlich festgelegte durchschnittliche Jahresendprämie auch von, von dem Einzelnen nicht beeinflussbaren Faktoren wie dem Anteil der Facharbeiter sowie der Hoch- und Fachschulkader abhing (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1982), - die Höhe der Jahresendprämie in den einzelnen Abteilungen und Bereichen, entsprechend den unterschiedlichen Leistungsanforderungen im betrieblichen Reproduktionsprozess, unterschiedlich festgelegt wurde (§ 6 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der 1. DB zur Prämienfond-VO 1972), - bei Nichterfüllung der festgelegten Leistungskriterien die Jahresendprämie entsprechend, also dem Verhältnis der Nichterfüllung entsprechend, niedriger festzulegen war (§ 9 Abs. 3 Satz 6 Prämienfond-VO 1982) und, - bei Fehlschichten die Jahresendprämie der betreffenden Werktätigen gemindert werden konnte (§ 9 Abs. 5 Prämienfond-VO 1982).

cc) Von den somit zugrunde gelegten (geschätzten) 70 Prozent eines monatlichen Bruttodurchschnittsverdientes ist ein weiterer Abzug in Höhe eines Sechstels als sachgerecht zu veranschlagen, sodass im Ergebnis lediglich fünf Sechstel von 70 Prozent zu berücksichtigen sind. Dieser zusätzliche Abschlag ist nach Ansicht des Senats aus zwei Gründen gerechtfertigt: Zum einen wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass der Kläger den Zufluss der Jahresendprämie dem Grunde nach nicht nachgewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht hat (Rechtsgedanke des § 6 Abs. 6 AAÜG). Zum anderen ist dieser Abschlag auch wegen eines Erst-Recht-Schlusses (argumentum a fortiori; vgl. zur methodologischen Struktur dieses Arguments: Kramer, "Juristische Methodenlehre", 1998, S. 151 f. und Rüthers/Fischer/Birk, "Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre", 8. Aufl. 2015, RdNr. 897 f.) gerechtfertigt: Wenn schon das Gesetz in § 6 Abs. 6 AAÜG eine Berücksichtigung von fünf Sechsteln bei nur glaubhaft gemachter Höhe des weiteren Arbeitsentgelts vorsieht, dann muss dies erst recht gelten, wenn die Höhe nicht einmal glaubhaft gemacht ist, sondern lediglich vom Gericht geschätzt werden kann.

Das vom Senat geschätzte Ergebnis (fünf Sechstel von 70 Prozent = ca. 58,33 Prozent) nähert sich damit stark dem, in der rentenberatenden Literatur vorgeschlagenen (vgl. dazu ausdrücklich: Lindner, "Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?", RV [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), unter Bezugnahme auf verschiedene Betriebsprämienordnungen einzelner Betriebe angegebenen Mindestwert von Jahresendprämien (60 Prozent) an, weshalb sich der Senat in seiner Schätzung zusätzlich bestätigt sieht.

dd) Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger Jahresendprämienzahlungen für die Jahre 1975, 1976 (teilweise), 1981 (teilweise) und 1982 bis 1989 (und damit für die Zuflussjahre 1976, 1977 und 1982 bis 1990) wie folgt zu berücksichtigen: JEP-An-spruchsjahr bzw. JEP-Anspruchszeit-raum Jahresarbeits-verdienst bzw. Zeitraumver-dienst Monatsdurch-schnittsver-dienst bzw. Zeitraumdurch-schnittsverdienst JEP zu Grunde gelegt (= 70%) davon 5/6 (mathematisch gerundet auf volle Beträge) JEP-Zuflussjahr 1975 12.162,00 M 1.013,50 M 709,45 M 591 M 1976 Jan. bis Okt. 1976 9.277,28 M 773,11 M 541,18 M 451 M 1977 Sept. bis Dez. 1981 5.225,00 M 435,42 M 304,79 M 254 M 1982 1982 17.384,00 M 1.448,67 M 1.014,07 M 845 M 1983 1983 17.481,00 M 1.456,75 M 1.019,73 M 850 M 1984 1984 17.582,00 M 1.465,17 M 1.025,62 M 855 M 1985 1985 18.820,00 M 1.568,33 M 1.097,83 M 915 M 1986 1986 17.536,00 M 1.461,33 M 1.022,93 M 852 M 1987 1987 18.424,00 M 1.452,00 M 1.016,40 M 847 M 1988 1988 19.018,00 M 1.584,83 M 1.109,03 M 924 M 1989 1989 19.553,00 M 1.629,42 M 1.140,59 M 950 M 1990

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Dr. Schnell Dr. Lau Schurigt
Rechtskraft
Aus
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