Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 35 RS 976/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 640/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zugehörigkeit zur freiwilligen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates nach Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur freiwilligen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates war - anders als bei der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - ein Beitritt, der durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung des Mitarbeiters gegenüber dem Staatsorgan erfolgt ist. Einen solchen Beitritt hat der Kläger weder erklärt noch hätte er ihn am 30. Juni 1990 noch wirksam erklären können. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Juli 2011 (B 5 RS 7/09 R), das ausschließlich zur Vorschrift des § 5 AAÜG ergangen ist, folgt entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg im Urteil vom 26. Februar 2015 (L 2 R 224/13) nichts anderes.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger den Zeitraum 1. September 1970 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates mit entsprechenden Entgelten festzustellen.
Dem 1947 geborenen Kläger wurde nach Abschluss eines Fachschulstudiums in der Fachrichtung "Technologie der Elektro-Feinwerktechnik" mit Urkunde vom 4. Juli 1970 die Berechtigung verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Vom 1. September 1970 bis zum 30. April 1971 war er als Organisator, nach Ableistung des Grundwehrdienstes vom 8. November 1972 bis zum 31. Dezember 1982 als Rationalisierungs-Ingenieur sowie vom 1. Januar 1983 bis zum 30. April 1990 als Ingenieur für Invest-Begutachtung im Volkseigenen Betrieb K D (nachfolgend: VEB) und vom 1. Mai bis 30. Juni 1990 als staatlicher Gutachter im Wirtschaftsamt für mittelständige Industrie D beschäftigt (vgl. Eintragungen im Sozialversicherungsausweis – Anlage Verwaltungsakte – und Arbeits- bzw. Änderungsverträge Bl. 14 ff. Verwaltungsakte). Eine Versorgungszusage, Einzelfall- oder Rehabilitationsentscheidung wurde ihm nicht erteilt.
Nachdem die Beklagte bereits einen früheren Antrag des Klägers abgelehnt hatte (dieser befindet sich nicht in der Akte), stellte er am 12. Oktober 2012 bei der Beklagten einen (erneuten) Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften für den Zeitraum 1. September 1970 bis 30. Juni 1990. In der Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 1990 sei er im Staatsapparat tätig gewesen. Mit Bescheid vom 8. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Voraussetzungen von § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) würden nicht vorliegen. Die fiktive Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz komme nicht in Betracht, weil die betriebliche Voraussetzung nicht vorliege. Am 30. Juni 1990 habe er eine Beschäftigung im Wirtschaftsamt für mittelständige Industrie und nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder gleichgestellten Betrieb ausgeübt. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 7/09 R) komme es nur darauf an, ob eine Beschäftigung oder Tätigkeit in einem Versorgungssystem zurückgelegt worden sei. Für die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (FZASt) würden insoweit keine Besonderheiten gelten. Es sei allein die Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit maßgebend, die ihrer Art nach in den sachlichen Geltungsbereich bestimmter Systeme falle. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es bestehe kein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates nach Nummer 19 der Anlage 1 zum AAÜG. Anwartschaften in dieses Zusatzversorgungssystem hätten nur durch Urkunde oder Beitrittserklärung erworben werden können. Die Voraussetzungen von § 1 AAÜG seien nicht erfüllt.
Mit seiner am 18. Juni 2013 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) in der in Bezug genommenen Entscheidung nicht über § 1 AAÜG, sondern über § 5 AAÜG entschieden, was aber im Ergebnis nichts am Inhalt der abstrakt generellen Zugangsvoraussetzung ändere. Da der Kläger am 30. Juni 1990 beim Wirtschaftsamt für mittelständische Industrie D beschäftigt gewesen sei, seien die abstrakt-generellen Zugangsvoraussetzungen zum Versorgungssystem Nummer 19 der Anlage 1 zum AAÜG erfüllt.
Mit Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die FZASt würden nicht vorliegen. Zwar seien Anwartschaften auch "erworben" aus der Perspektive des am 1. August 1991 in Kraft getretenen AAÜG, wenn Nichteinbezogene rückschauend nach den Regeln der Versorgungssysteme, soweit sie aufgrund des Einigungsvertrages zu sekundärem Bundesrecht geworden sind, praktisch und rechtsgrundsätzlich im Regelfall am 30. Juni 1990 hätten einbezogen werden müssen. Hierzu gehörten Rechtspositionen ohne erfolgte Einzelfallregelung, wenn Nichteinbezogene aus bundesrechtlicher Sicht einen Rechtsanspruch auf eine Versorgungszusage unter Beachtung des Gleichheitsgebotes gehabt hätten. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG gelte dies auch in den Fällen, in denen nach dieser Vorschrift eine Versorgungsanwartschaft fingiert werde. Dies sei nach der Rechtsprechung des BSG der Fall, wenn in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zu irgendeinem Zeitpunkt eine durch Einzelfallregelung konkretisierte Aussicht bestanden habe, im Versorgungsfall Leistungen zu erhalten, diese Aussicht aber aufgrund der Regelungen der Versorgungssysteme vor dem 1. Juli 1990 wieder entfallen war. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus der vom BSG entwickelten erweiternden Auslegung, weil er unter den am 30. Juni 1990 tatsächlich gegebenen Umständen keinen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage erlangt habe. Aus bundesrechtlicher Sicht seien nicht einzubeziehen gewesen diejenigen, die lediglich durch Einzelvertrag, Einzelentscheid oder Ermessensentscheidung bloß hätten einbezogen werden können. So liege der Fall hier. Nach § 2 Abs. 2 der Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29. Januar 1971 (abgedruckt in Aichberger II Nr. 208, nachfolgend: FZAO-StMitarb) sei der Beitritt durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung gegenüber dem Staatsorgan erfolgt. Es habe sich – anders als bei der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – gerade um eine freiwillige zusätzliche Altersversorgung gehandelt. Etwas anderes ergebe sich nicht aus dem Urteil des BSG vom 19. Juli 2011 (B 5 RS 7/09 R), weil es zu § 5 AAÜG ergangen sei.
Gegen den am 11. Juli 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. August 2014 Berufung eingelegt. Die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem bestehe auch dann, wenn die abstrakt-generellen Zugangsvoraussetzungen am 30. Juni 1990 vorgelegen hätten. Er verweist wiederum auf die Entscheidung des BSG vom 19. Juli 2011. Auf einen Beitritt komme es nicht an.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juli 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2013 zu verpflichten, die Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG sowie die berücksichtigungsfähigen Pflichtbeitragszeiten nach §§ 5, 8 AAÜG anzuerkennen bzw. festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Es fehle jedenfalls an der erforderlichen Beitrittserklärung des Klägers zum Zusatzversorgungssystem. In dem in der in Bezug genommenen Entscheidung des BSG zugrunde liegenden Sachverhalt habe der Betroffene die Voraussetzungen für die Anwendung des AAÜG nach dessen § 1 bereits anderweitig erfüllt. Streitig seien lediglich weitere Zugehörigkeitszeiten im Sinne von § 5 AAÜG gewesen.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Dresden hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2014 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juli 2014 Bezug genommen, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
1. Entgegen der wiederholten Behauptung des Klägers lagen die abstrakt-generellen Zugangsvoraussetzungen zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates am 30. Juni 1990 gerade nicht vor. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, war hierfür – anders als bei der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – ein Beitritt erforderlich, der durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung des Mitarbeiters gegenüber dem Staatsorgan erfolgte, § 2 Abs. 2 FZAO-StMitarb. Einen solche Beitritt hat der Kläger nicht erklärt und hätte ihn auch am 30. Juni 1990 nicht mehr erklären können. Denn nach § 2 Abs. 3 FZAO-StMitarb hatte der Beitritt für Mitarbeiter, die bereits im Staatsapparat tätig sind, spätestens bis zum 1. März 1971 [Tag des Inkrafttretens der Ordnung, § 19 Abs. 1] (Buchstabe a), und für solche, die ab dem 1. März 1971 ihre Tätigkeit aufnehmen, mit Aufnahme der Tätigkeit im Staatsapparat (Buchstabe b) zu erfolgen. Dies wird nochmal konkretisiert in §§ 3 und 4 der 2. Richtlinie zur Durchführung der FZAO-StMitarb vom 17. Juni 1975 (abgedruckt in Aichberger II Nr. 209, nachfolgend: 2. FZAVR-StMitarb). Nach § 3 Abs. 1 2. FZAVR-StMitarb konnten Mitarbeiter, die bei Einführung der Altersversorgung im Staatsapparat tätig waren und die Voraussetzungen erfüllten, bis zum 1. März 1971 der Altersversorgung beitreten. Nach § 4 Abs. 1 2. FZAVR-StMitarb konnten Mitarbeiter, die ab 1. März 1971 und später eine Tätigkeit aufnehmen, der Versorgung nur zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit im Staatsapparat beitreten. An einer solchen Beitrittserklärung des Klägers zum 1. Mai 1990 (Tag der Aufnahme seiner Tätigkeit beim Wirtschaftsamt für mittelständische Industrie) fehlt es. Eine nachträgliche Beitrittserklärung war nach den Vorschriften der DDR ausgeschlossen. § 5 der 2. FZAVR-StMitarb bestimmte hierzu, soweit Mitarbeiter nach § 3 Abs. 1 bzw. § 4 trotz Erfüllung der Voraussetzungen nicht der Versorgung beitreten, kann auch ein späterer Beitritt in einem anderen staatlichen Organ nicht mehr erfolgen. Ein Beitritt des Klägers am 30. Juni 1990 war damit auch fiktiv ausgeschlossen.
Aus dem Urteil des BSG vom 19. Juli 2011 (B 5 RS 7/09 R) ergibt sich trotz wiederholter entgegenstehender Behauptung des Klägers nichts anderes. Worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, ist die Entscheidung zur Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates gemäß § 5 AAÜG ergangen. Zu klären war hingegen nicht, ob der Kläger im dortigen Verfahren die Voraussetzungen von § 1 AAÜG erfüllt. Vielmehr hatte die Beklagte einen bindenden Bescheid zugunsten des Berechtigten mit dem gesonderten Entscheidungssatz erlassen, dass "das AAÜG ... nach dessen § 1 Abs. 1 ... anwendbar" ist, weshalb Maßstabsnorm für die begehrte Feststellung weiterer Zeiten allein § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG war. Im vorliegenden Fall steht indes im Streit, ob der Kläger überhaupt unter den Anwendungsbereich des AAÜG fällt, was das Sozialgericht zutreffend verneint hat. Dafür, dass die Beitrittserklärung für eine Anwendbarkeit von § 1 AAÜG nicht erforderlich sei oder gar fingiert werden könne, enthält das Urteil keinerlei Anhaltspunkte.
Schließlich ergibt sich nichts anderes aus der Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Februar 2015 (L 2 R 224/13), das die Zugehörigkeit eines Museologen zum streitigen Zusatzversorgungssystem auch ohne Beitrittserklärung bejaht hatte. Das LSG zitiert zutreffend die einschlägige BSG-Rechtsprechung, wonach die Vorschriften des AAÜG auf einen Kläger, der zu keinem Zeitpunkt in der DDR eine Versorgungszusage (Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag) und auch keinen Einzelvertrag mit der konkreten Aussicht hatte, bei Eintritt des Versorgungsfalls Leistungen zu erhalten und auch insoweit keine Rehabilitierungsentscheidung vorliegt, und schließlich auch nicht der Leistungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten ist und bereits deshalb kein Anspruch "erworben" worden ist, nur Anwendung finden können, wenn ihm aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR, d. h. nach den insoweit vom Einigungsvertrag noch partiell übernommenen Regelungen der Versorgungssysteme, wären diese unter Beachtung des Gleichheitsgebotes umgesetzt worden, eine Anwartschaft auf eine Versorgung am 30. Juni 1990 hätte eingeräumt werden müssen, er also, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, zum 1. Juli 1990 im (jetzt) rechtstaatlichen Umfeld ("kraft Gesetzes") Leistungen aus dem Versorgungssystem hätte beanspruchen können. Dies wäre der Fall gewesen, wenn der Kläger nach den Regelungen des Versorgungssystems "obligatorisch" im Sinne einer "gebundenen Verwaltung" - ohne Ermessensspielraum des Versorgungsträgers - in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätte einbezogen werden müssen, weil die abstrakt-generellen Voraussetzungen hierfür insoweit am 30. Juni 1990 erfüllt waren (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Februar 2015 – L 2 R 224/13 –, juris Rn. 32 unter Verweis auf: BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 21/02 R -). Der weitere Schluss, der Kläger habe aus bundesrechtlicher Sicht am 30. Juni 1990 eine solche Versorgungsanwartschaft "erworben", weshalb er dem Anwendungsbereich des § 1 AAÜG unterfalle, ist indes nicht nachvollziehbar. Gestützt wird dies wiederum auf das Urteil des BSG vom 19. Juli 2011, was jedoch allein zur Maßstabsnorm des § 5 AAÜG Aussagen getroffen hat. Es entspricht bereits der bisherigen Rechtsprechung des BSG, dass Zugehörigkeitszeiten im Sinne des § 5 AAÜG dann vorliegen, wenn konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem in der Anlage 1 und 2 AAÜG aufgelisteten System vorgesehen war. Es hat in seiner Entscheidung vom 19. Juli 2011 lediglich ausgeführt, dass für die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates insoweit keine Besonderheiten gelten. Allein maßgebend ist deshalb – im Rahmen von § 5 AAÜG – die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit, die ihrer Art nach in den sachlichen Geltungsbereich bestimmter Systeme fällt (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B RS 7/09 R – juris Rn. 17). Dies kann allerdings nur dann gelten, wenn auch der Anwendungsbereich von § 1 AAÜG eröffnet ist.
2. Der Kläger hat schließlich kein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nummer 1 der Anlage zum AAÜG, den Zeitraum 1. September 1970 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz unter Berücksichtigung erzielter Arbeitsentgelte festzustellen. Denn er ist auch nicht fiktiv in dieses Zusatzversorgungssystem einbezogen. Ein solcher fiktiver Anspruch hängt im Bereich der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl. I Nr. 93 S. 844) und der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. I Nr. 62 S. 487) von drei Voraussetzungen ab, nämlich von
1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar
3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Alle drei Voraussetzungen müssen nach o.a. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kumulativ am 30. Juni 1990 vorgelegen haben. Maßgeblich ist hierbei das Sprachverständnis der DDR am 2. Oktober 1990 (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 13).
Vorliegend fehlt es an der betrieblichen Voraussetzungen. Denn das Wirtschaftsamt für mittelständische Industrie ist kein volkseigener Produktionsbetrieb.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Jacobi Dr. Lau Schurigt
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger den Zeitraum 1. September 1970 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates mit entsprechenden Entgelten festzustellen.
Dem 1947 geborenen Kläger wurde nach Abschluss eines Fachschulstudiums in der Fachrichtung "Technologie der Elektro-Feinwerktechnik" mit Urkunde vom 4. Juli 1970 die Berechtigung verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Vom 1. September 1970 bis zum 30. April 1971 war er als Organisator, nach Ableistung des Grundwehrdienstes vom 8. November 1972 bis zum 31. Dezember 1982 als Rationalisierungs-Ingenieur sowie vom 1. Januar 1983 bis zum 30. April 1990 als Ingenieur für Invest-Begutachtung im Volkseigenen Betrieb K D (nachfolgend: VEB) und vom 1. Mai bis 30. Juni 1990 als staatlicher Gutachter im Wirtschaftsamt für mittelständige Industrie D beschäftigt (vgl. Eintragungen im Sozialversicherungsausweis – Anlage Verwaltungsakte – und Arbeits- bzw. Änderungsverträge Bl. 14 ff. Verwaltungsakte). Eine Versorgungszusage, Einzelfall- oder Rehabilitationsentscheidung wurde ihm nicht erteilt.
Nachdem die Beklagte bereits einen früheren Antrag des Klägers abgelehnt hatte (dieser befindet sich nicht in der Akte), stellte er am 12. Oktober 2012 bei der Beklagten einen (erneuten) Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften für den Zeitraum 1. September 1970 bis 30. Juni 1990. In der Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 1990 sei er im Staatsapparat tätig gewesen. Mit Bescheid vom 8. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Voraussetzungen von § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) würden nicht vorliegen. Die fiktive Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz komme nicht in Betracht, weil die betriebliche Voraussetzung nicht vorliege. Am 30. Juni 1990 habe er eine Beschäftigung im Wirtschaftsamt für mittelständige Industrie und nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder gleichgestellten Betrieb ausgeübt. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 7/09 R) komme es nur darauf an, ob eine Beschäftigung oder Tätigkeit in einem Versorgungssystem zurückgelegt worden sei. Für die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates (FZASt) würden insoweit keine Besonderheiten gelten. Es sei allein die Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit maßgebend, die ihrer Art nach in den sachlichen Geltungsbereich bestimmter Systeme falle. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es bestehe kein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates nach Nummer 19 der Anlage 1 zum AAÜG. Anwartschaften in dieses Zusatzversorgungssystem hätten nur durch Urkunde oder Beitrittserklärung erworben werden können. Die Voraussetzungen von § 1 AAÜG seien nicht erfüllt.
Mit seiner am 18. Juni 2013 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) in der in Bezug genommenen Entscheidung nicht über § 1 AAÜG, sondern über § 5 AAÜG entschieden, was aber im Ergebnis nichts am Inhalt der abstrakt generellen Zugangsvoraussetzung ändere. Da der Kläger am 30. Juni 1990 beim Wirtschaftsamt für mittelständische Industrie D beschäftigt gewesen sei, seien die abstrakt-generellen Zugangsvoraussetzungen zum Versorgungssystem Nummer 19 der Anlage 1 zum AAÜG erfüllt.
Mit Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die FZASt würden nicht vorliegen. Zwar seien Anwartschaften auch "erworben" aus der Perspektive des am 1. August 1991 in Kraft getretenen AAÜG, wenn Nichteinbezogene rückschauend nach den Regeln der Versorgungssysteme, soweit sie aufgrund des Einigungsvertrages zu sekundärem Bundesrecht geworden sind, praktisch und rechtsgrundsätzlich im Regelfall am 30. Juni 1990 hätten einbezogen werden müssen. Hierzu gehörten Rechtspositionen ohne erfolgte Einzelfallregelung, wenn Nichteinbezogene aus bundesrechtlicher Sicht einen Rechtsanspruch auf eine Versorgungszusage unter Beachtung des Gleichheitsgebotes gehabt hätten. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG gelte dies auch in den Fällen, in denen nach dieser Vorschrift eine Versorgungsanwartschaft fingiert werde. Dies sei nach der Rechtsprechung des BSG der Fall, wenn in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zu irgendeinem Zeitpunkt eine durch Einzelfallregelung konkretisierte Aussicht bestanden habe, im Versorgungsfall Leistungen zu erhalten, diese Aussicht aber aufgrund der Regelungen der Versorgungssysteme vor dem 1. Juli 1990 wieder entfallen war. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus der vom BSG entwickelten erweiternden Auslegung, weil er unter den am 30. Juni 1990 tatsächlich gegebenen Umständen keinen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage erlangt habe. Aus bundesrechtlicher Sicht seien nicht einzubeziehen gewesen diejenigen, die lediglich durch Einzelvertrag, Einzelentscheid oder Ermessensentscheidung bloß hätten einbezogen werden können. So liege der Fall hier. Nach § 2 Abs. 2 der Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates vom 29. Januar 1971 (abgedruckt in Aichberger II Nr. 208, nachfolgend: FZAO-StMitarb) sei der Beitritt durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung gegenüber dem Staatsorgan erfolgt. Es habe sich – anders als bei der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – gerade um eine freiwillige zusätzliche Altersversorgung gehandelt. Etwas anderes ergebe sich nicht aus dem Urteil des BSG vom 19. Juli 2011 (B 5 RS 7/09 R), weil es zu § 5 AAÜG ergangen sei.
Gegen den am 11. Juli 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. August 2014 Berufung eingelegt. Die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem bestehe auch dann, wenn die abstrakt-generellen Zugangsvoraussetzungen am 30. Juni 1990 vorgelegen hätten. Er verweist wiederum auf die Entscheidung des BSG vom 19. Juli 2011. Auf einen Beitritt komme es nicht an.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juli 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2013 zu verpflichten, die Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG sowie die berücksichtigungsfähigen Pflichtbeitragszeiten nach §§ 5, 8 AAÜG anzuerkennen bzw. festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Es fehle jedenfalls an der erforderlichen Beitrittserklärung des Klägers zum Zusatzversorgungssystem. In dem in der in Bezug genommenen Entscheidung des BSG zugrunde liegenden Sachverhalt habe der Betroffene die Voraussetzungen für die Anwendung des AAÜG nach dessen § 1 bereits anderweitig erfüllt. Streitig seien lediglich weitere Zugehörigkeitszeiten im Sinne von § 5 AAÜG gewesen.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Dresden hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2014 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juli 2014 Bezug genommen, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
1. Entgegen der wiederholten Behauptung des Klägers lagen die abstrakt-generellen Zugangsvoraussetzungen zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates am 30. Juni 1990 gerade nicht vor. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, war hierfür – anders als bei der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – ein Beitritt erforderlich, der durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung des Mitarbeiters gegenüber dem Staatsorgan erfolgte, § 2 Abs. 2 FZAO-StMitarb. Einen solche Beitritt hat der Kläger nicht erklärt und hätte ihn auch am 30. Juni 1990 nicht mehr erklären können. Denn nach § 2 Abs. 3 FZAO-StMitarb hatte der Beitritt für Mitarbeiter, die bereits im Staatsapparat tätig sind, spätestens bis zum 1. März 1971 [Tag des Inkrafttretens der Ordnung, § 19 Abs. 1] (Buchstabe a), und für solche, die ab dem 1. März 1971 ihre Tätigkeit aufnehmen, mit Aufnahme der Tätigkeit im Staatsapparat (Buchstabe b) zu erfolgen. Dies wird nochmal konkretisiert in §§ 3 und 4 der 2. Richtlinie zur Durchführung der FZAO-StMitarb vom 17. Juni 1975 (abgedruckt in Aichberger II Nr. 209, nachfolgend: 2. FZAVR-StMitarb). Nach § 3 Abs. 1 2. FZAVR-StMitarb konnten Mitarbeiter, die bei Einführung der Altersversorgung im Staatsapparat tätig waren und die Voraussetzungen erfüllten, bis zum 1. März 1971 der Altersversorgung beitreten. Nach § 4 Abs. 1 2. FZAVR-StMitarb konnten Mitarbeiter, die ab 1. März 1971 und später eine Tätigkeit aufnehmen, der Versorgung nur zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit im Staatsapparat beitreten. An einer solchen Beitrittserklärung des Klägers zum 1. Mai 1990 (Tag der Aufnahme seiner Tätigkeit beim Wirtschaftsamt für mittelständische Industrie) fehlt es. Eine nachträgliche Beitrittserklärung war nach den Vorschriften der DDR ausgeschlossen. § 5 der 2. FZAVR-StMitarb bestimmte hierzu, soweit Mitarbeiter nach § 3 Abs. 1 bzw. § 4 trotz Erfüllung der Voraussetzungen nicht der Versorgung beitreten, kann auch ein späterer Beitritt in einem anderen staatlichen Organ nicht mehr erfolgen. Ein Beitritt des Klägers am 30. Juni 1990 war damit auch fiktiv ausgeschlossen.
Aus dem Urteil des BSG vom 19. Juli 2011 (B 5 RS 7/09 R) ergibt sich trotz wiederholter entgegenstehender Behauptung des Klägers nichts anderes. Worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, ist die Entscheidung zur Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates gemäß § 5 AAÜG ergangen. Zu klären war hingegen nicht, ob der Kläger im dortigen Verfahren die Voraussetzungen von § 1 AAÜG erfüllt. Vielmehr hatte die Beklagte einen bindenden Bescheid zugunsten des Berechtigten mit dem gesonderten Entscheidungssatz erlassen, dass "das AAÜG ... nach dessen § 1 Abs. 1 ... anwendbar" ist, weshalb Maßstabsnorm für die begehrte Feststellung weiterer Zeiten allein § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG war. Im vorliegenden Fall steht indes im Streit, ob der Kläger überhaupt unter den Anwendungsbereich des AAÜG fällt, was das Sozialgericht zutreffend verneint hat. Dafür, dass die Beitrittserklärung für eine Anwendbarkeit von § 1 AAÜG nicht erforderlich sei oder gar fingiert werden könne, enthält das Urteil keinerlei Anhaltspunkte.
Schließlich ergibt sich nichts anderes aus der Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Februar 2015 (L 2 R 224/13), das die Zugehörigkeit eines Museologen zum streitigen Zusatzversorgungssystem auch ohne Beitrittserklärung bejaht hatte. Das LSG zitiert zutreffend die einschlägige BSG-Rechtsprechung, wonach die Vorschriften des AAÜG auf einen Kläger, der zu keinem Zeitpunkt in der DDR eine Versorgungszusage (Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag) und auch keinen Einzelvertrag mit der konkreten Aussicht hatte, bei Eintritt des Versorgungsfalls Leistungen zu erhalten und auch insoweit keine Rehabilitierungsentscheidung vorliegt, und schließlich auch nicht der Leistungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten ist und bereits deshalb kein Anspruch "erworben" worden ist, nur Anwendung finden können, wenn ihm aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR, d. h. nach den insoweit vom Einigungsvertrag noch partiell übernommenen Regelungen der Versorgungssysteme, wären diese unter Beachtung des Gleichheitsgebotes umgesetzt worden, eine Anwartschaft auf eine Versorgung am 30. Juni 1990 hätte eingeräumt werden müssen, er also, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, zum 1. Juli 1990 im (jetzt) rechtstaatlichen Umfeld ("kraft Gesetzes") Leistungen aus dem Versorgungssystem hätte beanspruchen können. Dies wäre der Fall gewesen, wenn der Kläger nach den Regelungen des Versorgungssystems "obligatorisch" im Sinne einer "gebundenen Verwaltung" - ohne Ermessensspielraum des Versorgungsträgers - in den Kreis der Versorgungsberechtigten hätte einbezogen werden müssen, weil die abstrakt-generellen Voraussetzungen hierfür insoweit am 30. Juni 1990 erfüllt waren (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Februar 2015 – L 2 R 224/13 –, juris Rn. 32 unter Verweis auf: BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 21/02 R -). Der weitere Schluss, der Kläger habe aus bundesrechtlicher Sicht am 30. Juni 1990 eine solche Versorgungsanwartschaft "erworben", weshalb er dem Anwendungsbereich des § 1 AAÜG unterfalle, ist indes nicht nachvollziehbar. Gestützt wird dies wiederum auf das Urteil des BSG vom 19. Juli 2011, was jedoch allein zur Maßstabsnorm des § 5 AAÜG Aussagen getroffen hat. Es entspricht bereits der bisherigen Rechtsprechung des BSG, dass Zugehörigkeitszeiten im Sinne des § 5 AAÜG dann vorliegen, wenn konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem in der Anlage 1 und 2 AAÜG aufgelisteten System vorgesehen war. Es hat in seiner Entscheidung vom 19. Juli 2011 lediglich ausgeführt, dass für die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates insoweit keine Besonderheiten gelten. Allein maßgebend ist deshalb – im Rahmen von § 5 AAÜG – die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit, die ihrer Art nach in den sachlichen Geltungsbereich bestimmter Systeme fällt (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B RS 7/09 R – juris Rn. 17). Dies kann allerdings nur dann gelten, wenn auch der Anwendungsbereich von § 1 AAÜG eröffnet ist.
2. Der Kläger hat schließlich kein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nummer 1 der Anlage zum AAÜG, den Zeitraum 1. September 1970 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz unter Berücksichtigung erzielter Arbeitsentgelte festzustellen. Denn er ist auch nicht fiktiv in dieses Zusatzversorgungssystem einbezogen. Ein solcher fiktiver Anspruch hängt im Bereich der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl. I Nr. 93 S. 844) und der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. I Nr. 62 S. 487) von drei Voraussetzungen ab, nämlich von
1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar
3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Alle drei Voraussetzungen müssen nach o.a. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kumulativ am 30. Juni 1990 vorgelegen haben. Maßgeblich ist hierbei das Sprachverständnis der DDR am 2. Oktober 1990 (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 13).
Vorliegend fehlt es an der betrieblichen Voraussetzungen. Denn das Wirtschaftsamt für mittelständische Industrie ist kein volkseigener Produktionsbetrieb.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Jacobi Dr. Lau Schurigt
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