L 7 AS 401/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 25 AS 1574/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 401/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zu den Voraussetzungen einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG
2. Zur Aufrechterhaltung der Behauptung der Verfassungswidrigkeit der Regelleistung nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BVR 1691/13
3. Zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Aufrechterhaltung eines Beweisantrags
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die 1967, 1966, 1992, 1999 und 2001 geborenen Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.02.2011 bis 31.07.2011.

Die Kläger stehen im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Auf den Fortzahlungsantrag der Kläger bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 31.01.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 01.02.2011 bis 31.07.2011 in Höhe von 1.206,59 EUR. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Kläger vom 15.02.2011. Die Höhe der Regelleistung sei verfassungswidrig. Sie müsse je Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mindestens 594,00 EUR betragen.

Der Beklagte gewährte den Klägern mit Bescheid vom 26.03.2011 für den Zeitraum vom 01.02.2011 bis 28.02.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 1.502,54 EUR und für den Zeitraum vom 01.03.2011 bis 31.07.2011 in Höhe von 1.220,59 EUR. Den Widerspruch der Kläger vom 15.02.2011 gegen den Bescheid vom 31.01.2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2011 zurück. Der Beklagte gewährte den Klägern aufgrund der Änderung der Kosten der Unterkunft und Heizung mit Bescheid vom 09.05.2011 für den Zeitraum vom 01.04.2011 bis 31.07.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 1.263,77 EUR.

Ihr Begehren haben die Kläger mit der am 13.05.2011 zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage weiter verfolgt. Die Regelleistung sei verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt.

In der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2014 haben die Kläger erklärt, Gegenstand des Verfahrens sei ausschließlich die Verfassungswidrigkeit der Regelleistung. Höhere Kosten der Unterkunft und Heizung würden nicht geltend gemacht.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23.01.2014 abgewiesen. Die Regelbedarfe bzw. das Sozialgeld seien nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken im Sinne einer im Rahmen des Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vorausgesetzten Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit gegen die seit 01.01.2011 festgesetzten Regelbedarfe bzw. das Sozialgeld bestünden nicht. Es halte die Auffassung der Kläger, die gesetzlichen Vorschriften gewährleisteten nicht das menschenwürdige Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, nicht für begründet. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in mehreren Entscheidungen keinen Anlass gesehen, Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeit der §§ 19 Abs. 1, Satz 1, 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB II mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG einzuholen (B 14 AS 153/11 R; hinsichtlich der Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende ebenso Urteil vom 12.07.2012 – B 14 AS 189/11 R; Urteil vom 28.03.2011 – B 4 AS 12/12 R). Den in diesen Entscheidungen aufgeführten Gründen sei nichts hinzuzufügen. Eine Beweiserhebung sei daher nicht erforderlich.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 13.02.2014 zugestellte Urteil hat dieser am 12.03.2014 Berufung eingelegt. Der Gesetzgeber habe die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Bemessung der Regelleistungen unzureichend umgesetzt. Das SG hätte den Sachverständigen Z ... vernehmen müssen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 19.04.2016 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wegen mangelnder Erfolgsaussichten des Berufungsbegehrens abgelehnt.

Die Kläger beantragen (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23.01.2014 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 31.01.2011 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26.03.2011 und 09.05.2011 sowie des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern für den Zeitraum vom 01.02.2011 bis 31.07.2011 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren.

Die Kläger beantragen weiterhin,

den Sachverständigen Z ... zu hören, "da dieser erläutern wird, dass die Regelbedarfsfestsetzungen nicht auf anerkannten, wissenschaftlichen Standards genügenden Datenauswertung beruhen, dass die Vornahme der Abzüge (wegen nicht als existenzsichernd anerkannten in der EVS erfassten Konsumausgaben) nicht nachvollziehbar ist und im Ergebnis zu einer Unterdeckung bei den Klägern führt".

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten vor.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 23.01.2014 die Klage abgewiesen.

1. Der Senat kann gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen, weil kein Fall des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG vorliegt und der Senat die Berufung der Kläger einstimmig für unbegründet hält und er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet.

Ein Fall des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG – eine Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid – liegt nicht vor. Im vorliegenden Fall hat das SG durch Urteil nach mündlicher Verhandlung entschieden.

Der Senat erachtet die mündliche Verhandlung für nicht erforderlich. Er entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen. Er berücksichtigt dabei, dass über das Begehren der Kläger eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegt, die Rechtsfrage verfassungsrechtlich folglich geklärt ist, und die Kläger zu 1. und 2. auch als gesetzliche Vertreter der Klägerinnen zu 4. und 5. an der mündlichen Verhandlung vor dem SG teilgenommen haben. Das LSG hat weder über neue Tatsachen noch über neue Rechtsfragen zu entscheiden. Das SG hatte die Berufung nicht zugelassen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 153, Rn. 15 ff.).

Die Beteiligten sind hierzu mit gerichtlichen Schreiben vom 13.09.2016 angehört worden.

2. Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2014 von ihrem Dispositionsrecht Gebrauch gemacht, indem sie lediglich die Verfassungswidrigkeit der Regelleistung geltend machen. Gegenstand des Verfahrens ist daher nicht die Rechtmäßigkeit der Kosten der Unterkunft und Heizung (BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 102/11 R, Rn. 11; BSG, Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 42/13 R, Rn. 10).

3. Die Berufung der Kläger ist statthaft. Sie ist vorliegend kraft Gesetzes zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

Der streitige Leistungsanspruch ist von den Klägern im Jahre 2011 – mithin vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13 – erhoben worden. Bei der Berechnung des Beschwerdewerts ist von der Rechtsauffassung des Berufungsführers auszugehen. Das gilt dann nicht, wenn offensichtlich ist, dass der Beschwerdewert missbräuchlich auf einen über 750,00 EUR hinausgehenden Betrag gewählt worden ist, um die Berufungssumme zu überschreiten, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes darf nicht willkürlich durch überhöhte Wertangaben eines in diesem Umfang offensichtlich nicht bestehenden Anspruchs erreicht werden (Frehse in Jansen, SGG, 4. Aufl. 2012, § 144 Rn. 8a m.w.N.).

Die Kläger machen die Verfassungswidrigkeit der Regelleistung für einen Zeitraum von sechs Monaten geltend. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger bezog sich u.a. auf die vom Bundesverfassungsgericht zu dieser Frage eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen der Sozialverbände. Hierin werden für 2013 Regelleistungen, die 50,00 EUR bis 60,00 EUR über dem gesetzlich vorgesehenen Regelsatz von monatlich 382,00 EUR liegen, als existenzsichernd angesehen. Diesen Wert legt der Senat für die Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes zugrunde (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 01.07.2014 – L 7 AS 62/14 B PKH, Juris, Rn. 25 ff.; SächsLSG, Beschluss vom 15.04.2014 – L 7 AS 1126/11 B PKH, Juris, Rn. 25 ff.).

Angesichts der fünfköpfigen Bedarfsgemeinschaft und des streitigen Zeitraumes von sechs Monaten ist der Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR klar überschritten.

4. Die Regelleistung der Kläger ist nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, Rn. 73 ff. entschieden:

Tenor:

"§ 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 4 und 5, § 23 Nr. 1, § 77 Abs. 4 Nr. 1 und 2 SGB II und § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6, Abs. 2 Nr. 1 und 3 RBEG, jeweils in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II und § 28a SGB XII, sowie die Anlage zu § 28 SGB XII sowie § 2 RBSFV 2012, § 2 RBSFV 2013 und § 2 RBSFV 2014 sind mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nach Maßgabe der Gründe derzeit noch vereinbar.

I.

1. Das Grundgesetz garantiert mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch; das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum tatsächlich zu sichern. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 125, 175 (222); 132, 134 (159, Rn. 62)). Dabei ist er auch durch völkerrechtliche Verpflichtungen gebunden (vgl. BVerfGE 132, 134 (161 f., Rn. 68)).

a) Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfGE 125, 175 (223); 132, 134 (160, Rn. 64)).

b) Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums die entsprechenden Bedarfe der Hilfebedürftigen zeit- und realitätsgerecht erfassen. Ihm kommt ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung von Art und Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Er hat einen Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichtet (vgl. BVerfGE 125, 175 (224 f.); 132, 134 (160 f., Rn. 67)) und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs tragfähig begründet werden können (vgl. BVerfGE 132, 134 (162, Rn. 69) unter Verweis auf BVerfGE 125, 175 (225)).

entscheidend ist, ob sich die Höhe existenzsichernder Leistungen durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründen lässt. Das Grundgesetz schreibt insofern auch keine bestimmte Methode vor, wodurch der dem Gesetzgeber zustehende Gestaltungsspielraum begrenzt würde. Es kommt dem Gesetzgeber zu, die Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auszuwählen (vgl. BVerfGE 125, 175 (225)). Die getroffene Entscheidung verändert allerdings nicht die grundrechtlichen Maßstäbe. Daher darf keine Methode gewählt werden, die Bedarfe von vornherein ausblendet, wenn diese ansonsten als existenzsichernd anerkannt worden sind (vgl. BVerfGE 132, 134 (162 f., Rn. 71)). Werden hinsichtlich bestimmter Personengruppen unterschiedliche Methoden zugrunde gelegt, muss dies sachlich zu rechtfertigen sein (vgl. BVerfGE 125, 175 (225)).

2. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Aus verfassungsrechtlicher Sicht kommt es vielmehr entscheidend darauf an, dass die Untergrenze eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht unterschritten wird und die Höhe der Leistungen zu dessen Sicherung insgesamt tragfähig begründbar ist.

a) Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (BVerfGE 125, 175 (225 f.); 132, 134 (165, Rn. 78)). Die Leistungen müssen entweder insgesamt so bemessen sein, dass entstehende Unterdeckungen intern ausgeglichen werden können (vgl. BVerfGE 125, 175 (238)), oder dass Mittel zur Deckung unterschiedlicher Bedarfe eigenverantwortlich angespart und die Bedarfe so gedeckt werden (vgl. BVerfGE 125, 175 (229)), oder es muss ein Anspruch auf den anderweitigen Ausgleich solcher Unterdeckungen bestehen.

II.

Nach diesen Maßstäben genügen die vorgelegten Vorschriften für den entscheidungserheblichen Zeitraum in der erforderlichen Gesamtschau noch den Vorgaben von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfs nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums und die Anpassung der Leistungshöhe mit den Regelungen der § 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5, § 23 Nr. 1, § 77 Abs. 4 Nr. 1 und 2 SGB II und § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6, Abs. 2 Nr. 1 und 3 RBEG, jeweils in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II und § 28a SGB XII, sowie der Anlage zu § 28 SGB XII sowie § 2 RBSFV 2012, § 2 RBSFV 2013 und § 2 RBSFV 2014 gesetzlich gesichert. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Leistungen evident unzureichend festgesetzt sind (1). Die Vorgaben für die Bestimmung der Leistungshöhe genügen derzeit den Anforderungen an eine sachangemessene Berechnung der Leistungshöhe; der Gesetzgeber hat jedoch nach Maßgabe der Gründe dafür Sorge zu tragen, dass erkennbare Risiken einer Unterdeckung existenzsichernder Bedarfe nicht eintreten werden (2). Die Vorgaben für die Fortschreibung des Regelbedarfs sind mit der Verfassung vereinbar (3). Ein Verstoß gegen weitere Grundrechte liegt nicht vor (4).

Die Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf lässt nicht erkennen, dass der existenzsichernde Bedarf offensichtlich nicht gedeckt wäre.

Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts dient nach der Definition in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II dazu, die physische Seite des Existenzminimums zu sichern und dessen soziale Seite abzudecken, denn er umfasst auch die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens einschließlich der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Zudem sind nach § 21 SGB II auch besondere Mehrbedarfe zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz gedeckt und mit § 21 Abs. 6 SGB II liegt eine Regelung vor, die einen Anspruch auf Leistungen für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf vorsieht. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen. Die in § 20 Abs. 5 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 28 SGB XII und dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz vorgegebene Orientierung an der EVS ist als statistisches Berechnungsmodell ein im Grundsatz geeignetes Verfahren, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen realitätsgerecht zu bemessen (vgl. BVerfGE 125, 175 (232 ff.)). d) Die Ermittlung der Regelbedarfe stützt sich im Ausgangspunkt mit der EVS auf geeignete empirische Daten (vgl. BVerfGE 125, 175 (235)).

aa) Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, für die Berechnung jeder Leistung eigene Erhebungen durchzuführen, sondern darf sich auch dafür entscheiden, vorhandene Daten zu nutzen. Mit der EVS wird zwar der Verbrauch und nicht der Bedarf ermittelt, doch ist es in einer Gesellschaft, in der sich Menschen im Regelfall nicht mit eigenen Erzeugnissen versorgen, hinreichend plausibel, vom Verbrauch auf den Bedarf zu schließen. Da die EVS Ausstattung und Konsumverhalten privater Haushalte im Wege von freiwilligen Befragungen in Stichproben ermittelt, ist diese Datengrundlage wie jede andere empirische Erhebung auch nicht fehlerfrei. Doch bildet die EVS in statistisch hinreichend zuverlässiger Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung ab. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, sich bei der Bestimmung der Höhe der Regelleistungen wie zuvor bei der EVS 2003 an den unteren 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte zu orientieren. Die Entscheidung, nun in Bezug auf die EVS 2008 nach § 4 Nr. 1 RBEG die Gruppe nur der unteren 15 % der Haushalte als Bezugsgröße zu setzen, verletzt die Verfassung nicht.

Die Referenzgruppe ist auch so breit gefasst, dass statistisch zuverlässige Daten erhoben werden können (vgl. BVerfGE 125, 175 (236)). Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage der Bedarfsgemeinschaften bereits entschieden, dass der Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einer Höhe von 80 % von dem statistisch ermittelten Bedarf der Alleinstehenden abgeleitet werden darf (vgl. BVerfGE 125, 175 (245)), da die Erhebung nach Haushalten geeignet ist, den tatsächlichen Bedarf auch für solche Lebenssituationen zu ermitteln. Dementsprechend ist die Bestimmung des Regelbedarfs zusammenlebender und gemeinsam wirtschaftender Erwachsener in Höhe von 90 % des im SGB II für eine alleinstehende Person geltenden Regelbedarfs nicht zu beanstanden.

ee) Der Gesetzgeber hat nach § 3 Abs. 1 RBEG diejenigen Haushalte aus der Berechnung herausgenommen, die in der Ermittlung existenzsichernder Bedarfe zu Zirkelschlüssen führen würden (vgl. BVerfGE 125, 175 (236)), weil sie ihrerseits fürsorgebedürftig sind. Was Menschen zur Existenzsicherung benötigen, kann tragfähig nicht in Orientierung gerade an den Personen bemessen werden, die mit gleich viel oder mit geringeren finanziellen Mitteln auskommen müssen, als ihnen existenzsichernd zustehen.

In die Berechnung der Regelbedarfe durften Haushalte mit Personen einbezogen werden, die zuvor Arbeitslosengeld oder -hilfe erhielten. Daraus ergibt sich kein Zirkelschluss, denn ihr Nettoeinkommen lag jedenfalls zum Zeitpunkt der Erhebung über dem Leistungsniveau nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, Ausgaben für Kraftfahrzeuge, alkoholische Getränke und Tabakwaren, Schnittblumen und Zimmerpflanzen, Kantinenessen, chemische Reinigung, Vorstellungsgespräche sowie Prüfungsgebühren nicht als regelbedarfsrelevant anzuerkennen, begegnet keinen verfassungsrechtlich durchgreifenden Bedenken. Es handelt sich um wertende Entscheidungen im Rahmen des ihm zustehenden Ausgestaltungsspielraums. Die Begründungen, die sich dazu im Einzelnen im Gesetzentwurf der damaligen Regierungsfraktionen (BTDrucks 17/3404, S. 53 ff.) finden, sind nachvollziehbar und nicht unsachlich.

Insbesondere ist die wertende Entscheidung des Gesetzgebers, ein Kraftfahrzeug sei im Grundsicherungsrecht nicht als existenznotwendig zu berücksichtigen, vertretbar; allerdings sind die ohne Kraftfahrzeug zwangsläufig steigenden Aufwendungen der Hilfebedürftigen für den öffentlichen Personennahverkehr zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 125, 175 (240)).

Auf die Gefahr einer Unterdeckung kann der Gesetzgeber durch zusätzliche Ansprüche (oben C I 1) auf Zuschüsse zur Sicherung des existenznotwendigen Bedarfs reagieren.

(2) Gegen die Regelung in § 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach Bedürftige Mittel zur Bedarfsdeckung eigenverantwortlich ausgleichen und ansparen müssen, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich nichts einzuwenden. Ein solches Modell ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn die Höhe der pauschalen Leistungsbeträge für den monatlichen Regelbedarf es zulässt, einen Anteil für den unregelmäßig auftretenden oder kostenträchtigeren Bedarf zurückzuhalten. Es ist vorliegend jedenfalls nicht erkennbar geworden, dass existenzgefährdende Unterdeckungen eintreten.

g) Es bestehen im Ausgangspunkt keine verfassungsrechtlich durchgreifenden Bedenken gegen die Festlegung der Regelbedarfsstufen 4 und 6.

aa) Die Einwände gegen die Einteilung von Altersgruppen für die Ermittlung des Regelbedarfs von Kindern und Jugendlichen greifen nicht durch. Der Gesetzgeber hat sich mit der Unterscheidung in drei Altersgruppen in vertretbarer Weise an kindlichen Entwicklungsphasen ausgerichtet und an tragfähigen Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis orientiert (oben A I 4 c bb 2 a)."

5. Die Aufrechterhaltung des Beweisantrages des Klägers nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, "Z ... als Sachverständigen zu laden und zu vernehmen, da dieser erläutern wird, dass die Regelbedarfsfestsetzungen nicht auf anerkannten, wissenschaftlichen Standards genügenden Datenauswertungen beruhen, dass die Vornahme der Abzüge (wegen nicht als existenzsichernd anerkannten in der EVS erfassten Konsumausgaben) nicht nachvollziehbar ist und im Ergebnis zu einer Unterdeckung bei den Klägern führt", ist aufgrund der Prüfung der Fragen durch das Bundesverfassungsgericht rechtsmissbräuchlich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 103 Rn. 3a). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss ausdrücklich ausgeführt:

"2. Die Bestimmung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf durch den Gesetzgeber im Rahmen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genügt den Anforderungen an eine hinreichend transparente, jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigende Bemessung der Leistungshöhe. Der Gesetzgeber hat die relevanten Bedarfsarten berücksichtigt, die für einzelne Bedarfspositionen aufzuwendenden Kosten mit einer von ihm gewählten, im Grundsatz tauglichen und im Einzelfall mit hinreichender sachlicher Begründung angepassten Methode sachgerecht, also im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und auf dieser Grundlage die Höhe des Gesamtbedarfs bestimmt (vgl. BVerfGE 125, 175 (225); 132, 134 (165, Rn. 79); oben C I 2 b). Es ist nicht erkennbar, dass er für die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz relevante Bedarfsarten übersehen und die zu ihrer Deckung erforderlichen Leistungen durch gesetzliche Ansprüche nicht gesichert hat (a). Selbst wenn die Leistungshöhe für den Regelbedarf in der Summe einer politischen Zielvorstellung entsprochen haben mag, ist sie verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie sich mit Hilfe verlässlicher Daten tragfähig begründen lässt (b). Zur Bestimmung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf hat sich der Gesetzgeber mit dem Statistikmodell auf eine Methode gestützt, die grundsätzlich geeignet ist, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen bedarfsgerecht zu bemessen (c). Er stützt sich im Ausgangspunkt mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) auch auf geeignete empirische Daten (d). Soweit von der Orientierung an den so ermittelten Daten durch die Herausnahme und durch Kürzungen einzelner Positionen abgewichen wird, bestehen im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (e). Die damit einhergehenden spezifischen Risiken der Unterdeckung müssen allerdings im Rahmen der nächsten Aktualisierung der Regelbedarfe bewältigt werden (f). Die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Einwände gegen den Regelbedarf für Kinder und Jugendliche greifen nicht durch (g). e) Soweit der Gesetzgeber von der Orientierung an den durchschnittlichen Verbrauchsausgaben eines Teils der Bevölkerung im Rahmen des Statistikmodells abweicht, lässt sich die Höhe des Regelbedarfs nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung für den entscheidungserheblichen Zeitraum noch tragfähig begründen. Die Herausnahme einzelner Positionen der EVS aus der Berechnung des Regelbedarfs ist nicht deshalb verfassungsrechtlich angreifbar, weil ihr Überlegungen zugrunde liegen, die das Warenkorbmodell prägen, also eine Mischung der Berechnungsmethoden als ‚Methoden-Mix‘ entsteht. Die Berechnung ist damit nicht verfassungswidrig. Die Modifikationen des Statistikmodells dürfen allerdings insgesamt kein Ausmaß erreichen, das die Tauglichkeit des Modells für die Ermittlung der Höhe existenzsichernder Regelbedarfe in Frage stellt. Soweit es erforderlich ist, die mittels des Statistikmodells gewonnenen Ergebnisse etwa aufgrund offensichtlich bedarfsrelevanter Entwicklungen zu überprüfen, kann der Gesetzgeber mit Hilfe der Warenkorbmethode vielmehr auch kontrollierend sicherstellen, dass der existentielle Bedarf tatsächlich gedeckt ist. Desgleichen kann er auf einzelne Waren bezogene Überlegungen nutzen, um die Verbrauchsdaten der EVS an die Ermittlung der Bedarfe anzupassen. Vorliegend sind die vom Gesetzgeber vorgenommenen Herausnahmen und Abschläge für den entscheidungserheblichen Zeitraum verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; "

Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen seiner Entscheidung die Stellungnahmen der Verbände und Sachverständigen zu Fragen der Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung berücksichtigt und gewürdigt und nach intensiver Prüfung die Regelungen für mit dem Grundgesetz vereinbar erachtet. Danach und angesichts der ausführlichen Begründung des Bundesverfassungsgerichts weiterhin "ins Blaue" zu behaupten, die Regelsatzfestsetzung sei verfassungswidrig, ist missbräuchlich (BVerfG, Beschluss vom 10.02.2009 – 1 BvR 1232/07, Rn. 26).

Zudem liegt seitens der Kläger – nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – kein hinreichend substantiierter Vortrag unter Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor, weshalb ungeachtet dessen eine verfassungswidrige Festsetzung der Höhe der Regelleistung vorliegen solle (BVerfG, Beschluss vom 10.02.2009 – 1 BvR 1232/07, Rn. 25).

6. Der Beklagte hat die Regelleistung nicht zu Ungunsten der Kläger festgesetzt. Für die Kläger zu 1. und 2. hat er die zum damaligen Zeitpunkt geltende Regelleistung, die im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2011 für die Kläger zu 1. und 2. 328,00 EUR, für die Klägerin zu 3. 291,00 EUR (die Klägerin war 18 Jahre alt) und für die Klägerinnen zu 4. und 5. jeweils 251,00 EUR betrug, berücksichtigt. Maßgeblich ist der Bescheid vom 26.03.2011 für den Zeitraum vom 01.02.2011 bis 31.03.2011 und der Bescheid vom 09.05.2011 für den Zeitraum vom 01.04.2011 bis 31.07.2011. Die Berücksichtigung des Einkommens ist ebenfalls nicht zu Ungunsten der Kläger erfolgt.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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