Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 22 RS 1791/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 785/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RS 12/16 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Geltendmachung zusätzlicher Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. August 2014 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 23. Dezember 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2011 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2011verurteilt, weitere Arbeitsentgelte im Rahmen der festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben wie folgt zu berücksichtigen: Im Jahr 1981 568,51 Mark 1982 654,08 Mark 1983 698,93 Mark 1984 679,12 Mark 1985 767,52 Mark 1986 786,22 Mark 1987 784,18 Mark 1988 912,12 Mark 1989 995,70 Mark 1990 966,19 Mark Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Hälfte.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wege des Überprüfungsverfahrens darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für die Klägerin im Zeitraum 4. September 1967 bis 30. Juni 1990, wobei die Zeiten 4. September 1967 bis 5. März 1970, 14. September 1970 bis 30. Juni 1975 sowie 15. September 1975 bis 30. Juni 1990 als solche ihrer Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) anerkannt sind, höhere Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von Jahresendprämien festzustellen.
Der 1944 geborenen Klägerin wurde mit Urkunde vom 21. Juli 1967 das Recht zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" verliehen (Bl. 36 Rs. Verwaltungsakte [VA]). Ab dem 4. September 1967 war sie als Ingenieurin für Labortechnik im Volkseigenen Betrieb (VEB) Cowaplast-Werke C ... (nachfolgend: VEB) tätig (vgl. Arbeitsvertrag Bl. 37 VA). Ab dem 1. Januar 1971 arbeitete sie als kommissarische Leiterin des Labors (vgl. Änderungsvertrag Bl. 38 Rs. VA) und ab dem 1. Januar 1972 als dessen Leiterin (vgl. Änderungsvertrag Bl. 40 VA). Ab dem 1. Februar 1977 war sie in der Funktion als Gruppenleiterin Labor (vgl. Änderungsvertrag Bl. 41 Rs. VA) und vom 1. September 1981 bis zum 31. Dezember 1990 in der als Gruppenleiterin Forschung und Entwicklung – Rohstoffe – tätig (vgl. Änderungsvertrag Bl. 42 VA). Für die Zeiträume 12. Juni 1970 bis 7. April 1971 und 30. Juni 1975 bis 24. März 1976 schloss sie mit dem VEB einen Ruhevertrag zum Zwecke der Kinderbetreuung (Bl. 38 und 40 Rs. VA).
Mit Feststellungsbescheid vom 23. Dezember 2003 (Bl. 5 VA) stellte die Beklagte die Zeiträume 4. September 1967 bis 5. März 1970, 14. September 1970 bis 30. Juni 1975 sowie 15. September 1975 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz nach Anlage 1 zum AAÜG mit entsprechenden Arbeitsentgelten fest. Mit Überprüfungsantrag vom 21. August 2008 begehrte die Klägerin die Berücksichtigung weiterer Entgelte in Form von Jahresendprämien (Bl. 7 VA). Sie legte eine Bestätigung der Zeugin C ... vom 25. März 2008 vor, die von 1987 bis 1989 die Position der Hauptbuchhalterin im VEB ausgeübt hatte (Bl. 9 VA). Nachdem die Beklagte das Begehren mangels ausreichender Nachweise "zurückgestellt" hatte, wiederholte die Klägerin mit Schreiben vom 24. Februar 2011 (Bl. 21 VA) ihren Antrag und legte zusätzlich vier Aktivistenurkunden, eine Urkunde zum Banner der Arbeit, eine Urkunde zur Auszeichnung als Monatsbeste sowie die Entscheidung vom 14. Juni 1990 über eine Patentvergütung in Höhe von 1.650 Mark vor. Nachdem die Fa. DATA-Service P ... auf Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 14. Mai 2011mitgeteilt hatte, dass Unterlagen zu Jahresendprämien nicht vorhanden und auf den Lohnkonten keinerlei Vermerke registriert seien (Bl. 56 VA), stellte die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 7. Juni 2011 die o.a. Zeiträume als Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz mit den entsprechenden Arbeitsentgelten neu fest, wobei sie für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 1990 unter Einbeziehung der Patentvergütung von 1.650 Mark höheres Arbeitsentgelt von nunmehr 10.762 Mark (statt wie bisher 9.112 Mark) berücksichtigte. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2011 zurück. Der Zufluss von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.
Mit ihrer am 16. September 2011 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren hinsichtlich der Jahresendprämien und Geldprämien anlässlich der Ehrung mit dem Banner der Arbeit weiterverfolgt. Aus der Zeugenerklärung der ehemaligen Hauptbuchhalterin ergebe sich die Zahlung und Höhe von Jahresendprämien.
Mit Urteil vom 14. August 2014 hat das Sozialgericht Dresden die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen von § 1 AAÜG würden nicht vorliegen. Der erweiternden Auslegung der Vorschrift durch das Bundessozialgericht schloss sich das Sozialgericht nicht an.
Gegen das am 8. September 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Oktober 2014 Berufung eingelegt und ihr Begehren hinsichtlich der Zahlung von Jahresendprämien weiter verfolgt (vgl. Bl. 78 Gerichtsakte [GA]). Einmal gezahltes Arbeitsentgelt in Form von Jahresendprämien sei zumindest im Rahmen der Glaubhaftmachung anzuerkennen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß und sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. August 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Feststellungsbescheides vom 23. Dezember 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2011 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2011 zu verurteilen, für die Jahre 1968 bis 1990 Jahresendprämien als zusätzliche Entgelte im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.
Das Gericht hat die Zeugin C ... schriftlich zur Zahlung von Jahresendprämien befragt. Diese gab an, von 1967 bis 1990 im VEB als Buchhalterin, Leiterin Wirtschaftskontrolle bzw. Hauptbuchhalterin tätig gewesen zu sein. Es seien Jahresendprämien mit Sicherheit in den letzten zehn Jahren je nach Höhe des erwirtschafteten Gewinns ausgezahlt worden. Die tatsächliche Höhe sei ihr nicht in Erinnerung.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zum Teil begründet. Das Sozialgericht Dresden hat die Klage mit Urteil vom 1. Juli 2014 zu Unrecht abgewiesen, soweit die Klägerin im tenorierten Umfang die Feststellung höherer Arbeitsentgelte in den Jahren 1981 bis 1990 unter Berücksichtigung gezahlter Jahresendprämien begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2011 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2011 ist (insoweit) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Soweit die Klägerin darüber hinaus die Berücksichtigung von Jahresendprämien in den Jahren 1968 bis 1980 (für die Jahre 1967 bis 1979) begehrt, ist die Berufung unbegründet. Insoweit hat das Sozialgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Die Beklagte hat den Überprüfungsantrag der Klägerin nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) – soweit sie damit die Feststellung höherer Arbeitsentgelte in den Jahren 1981 bis 1990 begehrte – zu Unrecht abgelehnt, weil die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X vorliegen. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2011 ist dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1981 bis 1990 aufgrund zu berücksichtigender Jahresendprämien höhere Arbeitsentgelte festzustellen sind.
Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversor-gungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volksei-genen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) ähnlichen und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführenden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95 - SozR 3-8570 § 8 Nr. 2) Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 23. Dezember 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2011 die Zeiten vom 4. September 1967 bis zum 5. März 1970, vom 14. September 1970 bis zum 30. Juni 1975 und vom 15. September 1975 bis zum 30. Juni 1990 als solche der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Weitere Entgelte in Form von Jahresendprämien hat die Beklagte in den Jahren 1981 bis 1990 zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeits-entgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dabei dem Entgeltbegriff im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG der bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R –, SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 25 m.w.N.)
1. Arbeitsentgelt in diesem Sinne sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlte Jahresendprämien, weil es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderem das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten, die im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft waren und eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben sollten. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 30 unter Verweis auf: Arbeitsrecht - Lehrbuch, herausgegeben von einem Autorenkollektiv, Staatsverlag der DDR, Berlin 1983, S. 193). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert, wobei die Voraussetzungen ihrer Gewährung in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden mussten. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Sie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben, war bezogen auf das Planjahr und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war (BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 31).
Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämie gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast. Mithin wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Die Klägerin hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihr ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist.
Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht hierbei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei ist neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden, wonach, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt wird (st. Rspr. des 5. Senats des LSG Chemnitz, vgl. u.a. Urteile vom 21. Juli 2015 – L 5 RS 668/14 –, vom 12. Mai 2015 – L 5 RS 424/14 – und vom 28. April 2015 – L 5 RS 450/14 – sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Oktober 2014 – L 33 R 151/13 – juris Rn. 38).
2. Die Klägerin hat den Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1981 bis 1990 (für die Beschäftigungsjahre 1980 bis 1989) zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu Buchstabe a). Den Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1968 bis 1980 hat die Klägerin weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht (dazu Buchstabe b). Die Höhe der Jahresendprämien in den Zuflussjahren 1981 bis 1990 hat sie weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Der Senat macht hierbei von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (dazu Buchstabe c).
a) Der Zufluss von Jahresendprämien konnte in keinem Jahr nachgewiesen, jedoch in den Jahren 1981 bis 1990 glaubhaft gemacht werden.
aa) Die Klägerin verfügt nicht über die Quittungen, auf denen die Auszahlung der jeweiligen Prämie bestätigt wurde. Auch blieb die Anfragen der Beklagten bei der Cowaplast C ... GmbH erfolglos, weil die von der Fa. DATA-Service nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Cowaplast C ... GmbH archivierten Unterlagen keine Hinweise auf Jahresendprämien enthielten. Andere Nachweise in Form von Lohnunterlagen oder ähnlichen Materialien konnte die Klägerin ebenfalls nicht vorlegen.
bb) Sie konnte den Zufluss der Prämien in den Jahren 1981 bis 1990 jedoch glaubhaft machen. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Urteil vom 22. September 1977 – 10 RV 15/77 – BSGE 45, 9 ff – juris Rn. 32, Urteil vom 17. Dezember 1988 – 12 RK 42/80 – BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1 – juris Rn. 26 und Beschluss vom 10. August 1989 - 4 BA 94/89 – juris Rn. 7). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Vielmehr genügt es, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben – Vollbeweis und hinreichende Wahrscheinlichkeit – reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist aufgrund der Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, SozR 3-1500 § 160a Nr. 33, SozR 3-1500 § 170 Nr. 9 – juris Rn. 5). Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass die oben genannten Voraussetzungen für den Bezug der Jahresendprämien vorlagen und sie sie jeweils erhalten hat.
(a) Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 5. September 1967 in Verbindung mit den Änderungsverträgen vom 8. Februar 1977 und 1. April 1984 bzw. der Zusatzvereinbarung vom 10. August 1981, des Funktionsplanes vom 27. September 1983 sowie der Eintragungen im Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) war die Klägerin während der gesamten Jahre 1980 bis 1989 im VEB beschäftigt, was nach § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR für den Anspruch auf Zahlung einer Jahresendprämie vorausgesetzt war.
(b) Glaubhaft gemacht ist auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem die Klägerin angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war sowie die Klägerin und ihr Arbeitskollektiv die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben, § 117 Abs. 1 Voraussetzungen 1 und 2 AGB-DDR.
Zum einen sprechen hierfür die in der DDR geltenden gesetzlichen Regelungen im AGB-DDR, das in den §§ 28 ff. einen eigenen Abschnitt für den Betriebskollektivvertrag enthielt. Nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR war er zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung abzuschließen, was mithin zwingend vorgesehen war. Nach Absatz 1 Satz 3 dieser Vorschrift sind darin u.a. die arbeitsrechtlichen Regelungen zu treffen, die "entsprechend den Rechtsvorschriften" in ihm zu vereinbaren sind, wozu nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR auch die Voraussetzungen für die Gewährung und die Höhe der Jahresendprämien gehörten. Dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Jahresendprämien in den jeweiligen Betriebskollektivverträgen zwingend zu vereinbaren bzw. festzulegen waren, ergibt sich zudem aus den diese Festlegungen konkretisierenden Verordnungen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahr 1972 - Prämienfond-VO 1972 – (GBl. DDR II S. 49), die durch die Zweite Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe vom 21. Mai 1973 (GBl. DDR I S. 293) geändert wurde, und § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe – Prämienfond-VO 1982 – (BGl. DDR I S. 595) ist die Verwendung des Prämienfonds in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972 bzw. § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982 ist dabei u.a. zu vereinbaren, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden.
Hierfür sprechen auch die schriftlichen Angaben der Zeugin C ..., die wie die Klägerin im Zeitraum 1967 bis 1990 im VEB als Buchhalterin, Leiterin Wirtschaftskontrolle bzw. Hauptbuchhalterin tätig war. Diese gab an, zumindest in den letzten zehn Jahren – mithin in den Jahren 1981 bis 1990 – seien Jahresendprämien "mit Sicherheit" im VEB jährlich gezahlt worden. Sie seien bis März des Folgejahres ausgezahlt worden und ihre Höhe habe sich nach dem errechneten Gewinn gerichtet. Den Angaben der Zeugin kommt auch deshalb besonderes Gewicht zu, weil sie als (Haupt-)Buchhalterin mit dem Procedere in besonderem Maße vertraut war. Zudem ist glaubhaft gemacht, dass die Klägerin und das Arbeitskollektiv, dem sie angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR). Hierfür sprechen die Angaben der Zeugin, wonach im VEB (generell) Jahresendprämien gezahlt und pro Person berechnet worden seien. Zudem machen es die von der Klägerin vorgelegten Leistungseinschätzungen äußerst wahrscheinlich, dass sie mindestens durchschnittliche Leistungskriterien erreicht und damit die persönlichen Voraussetzungen für die Zahlung von Jahresendprämien erfüllt hat. So wurde ihr am 1. Mai 1980, am 1. Mai 1983 und am 1. Mai 1986 "für vorbildliche sozialistische Arbeit ..." der Ehrentitel "Aktivist der sozialistischen Arbeit" verliehen und am 1. Mai 1987 wurde sie mit dem Banner der Arbeit Stufe III ausgezeichnet. Am 9. November 1989 wurde sie zudem als "Monatsbeste" geehrt.
b) Die konkrete Höhe der Jahresendprämien konnte die Klägerin – da bereits der Nachweis ihres Zuflusses nicht gelang – nicht nachweisen. Insoweit macht das Gericht von seiner Möglichkeit der Schätzung Gebrauch.
aa) Weder den Erklärungen der Zeugin noch denen der Klägerin selbst konnte die Höhe der Jahresendprämien entnommen werden. Die Zeugin konnte hierzu keine konkreten Angaben machen. Sie bestätigte lediglich, dass die Prämien von den Betriebsergebnissen abhängig waren und zwischen 70 und 100% des monatlichen Durchschnittslohnes schwankten. Auch besitzt die Kläger keinerlei Aufzeichnungen zur Höhe der Jahresendprämien.
bb) Das Gericht macht jedoch von seiner im Rahmen der Einzelfallwürdigung nach § 202 SGG in Verbindung mit §§ 287 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (vgl. hierzu beispielhaft die Senatsurteile vom 4. Februar 2014 – L 5 RS 462/13 – und vom 12. Mai 2015 – L RS 382/14). Gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO entscheidet das Gericht, wenn streitig ist, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Diese Vorschrift ist nach Absatz 2 bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zum einen handelt es sich bei dem Streit über die Feststellung (weiterer) Arbeitsentgelte zumindest mittelbar um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Zwar ist der prozessuale Anspruch unmittelbar nicht auf Geld, sondern auf die Feststellung erzielter Arbeitsentgelte gerichtet. Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt jedoch auch dann vor, wenn der prozessuale Anspruch auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis beruht, das auf Gewinn oder Erhaltung von Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2012, Einleitung IV Nr. 1). Dies ist der Fall, weil die von der Beklagten festzustellenden Entgelte Grundlage für die Höhe des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und mithin einer Geldforderung sind, vgl. § 8 Abs. 1 AAÜG. Zum anderen wäre die vollständige Aufklärung der für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämien maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Als jährlicher Basiswert der Prämienhöhe ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte der jeweils im Planungsjahr erzielte durchschnittliche Bruttomonatslohn zu Grunde zu legen, wie er sich aus dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2003 ergibt. Diese Anknüpfung ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil auch die staatlichen Prämienverordnungen, die die in den Betriebskollektivverträgen festzulegenden Voraussetzungen für die Zahlung von Jahresendprämien konkretisierten, für die Höhe der Jahresendprämien an den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpften. So betrug die Jahresendprämie nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 mindestens ein Drittel und maximal das Zweifache des monatlichen Durchschnittsverdienstes des Werktätigen. Von diesem Wert ist ein Abschlag von 30 % vorzunehmen, weil die Höhe der jeweils an den Werktätigen ausgezahlten Jahresendprämie von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhing, die im konkreten Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar sind. So erhielt der Werktätige nach § 117 Abs. 3 AGB-DDR bei einer im Planjahr vorliegenden vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit die Jahresendprämie (nur) entsprechend seiner in diesem Jahr erbrachten Gesamtleistung. Auch konnte die Jahresendprämie nach § 117 Abs. 4 AGB-DDR bei "schwerwiegender Verletzung der sozialistischen Arbeitsdisziplin oder der staatsbürgerlichen Pflichten" gemindert werden oder entfallen. Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 AGB-DDR wurde die Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen vom Betriebsleiter nach Beratung im Arbeitskollektiv festgelegt und bedurfte der Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung. Aufgrund dieser gesetzlich vorgesehenen individuellen Festlegung ist nicht davon auszugehen, dass die Jahresendprämie stets 100 % oder mehr eines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes entsprach. Von dem danach geschätzten Betrag ist ein weiterer Abschlag in Höhe eines Sechstel sachlich gerechtfertigt, weil die Klägerin bereits den Zufluss der Jahresendprämie lediglich glaubhaft machen konnte. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 6 AAÜG, wonach der glaubhaft gemachte Teil eines Verdienstes nur in dieser Höhe berücksichtigt wird. Dies muss erst recht gelten, wenn lediglich der Zufluss des Verdienstes glaubhaft gemacht wurde.
Hieraus ergeben sich folgende zu berücksichtigende Jahresendprämien:
Anspruchsjahr Jahresarbeits-verdienst in Mark Monatsdurch-schnittsverdienst in Mark 70% 5/6 Zuflussjahr 1980 11.695,05 974,59 682,21 568,51 1981 1981 13.455,43 1.121,29 784,90 654,08 1982 1982 14.377,98 1.198,17 838,72 698,93 1983 1983 13.970,54 1.164,21 814,95 679,12 1984 1984 15.789,01 1.315,75 921,03 767,52 1985 1985 16.173,67 1.347,81 943,46 786,22 1986 1986 16.131,63 1.344,30 941,01 784,18 1987 1987 18.763,51 1.563,63 1.094,54 912,12 1988 1988 20.483,00 1.706,92 1.194,84 995,70 1989 1989 19.876,00 1.656,33 1.159,43 966,19 1990
c) Der Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1968 bis 1980 konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen.
Zwar gab die Zeugin Hahnemann an, im VEB seien Jahresendprämien gezahlt worden. An den Beginn der Zahlungen konnte sie sich indes nicht erinnern. Mit Sicherheit seien jedoch Prämien in den letzten zehn Jahren ausgezahlt worden. Danach steht nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass auch in den Jahren vor 1981 Jahresendprämien gezahlt wurden. Da die Zeugin nicht mehr angeben kann, in welchen Jahren genau die Zahlung (möglicherweise) auch davor erfolgt sind, besteht für keines der Jahre vor 1981die gute Möglichkeit, dass der Klägerin Jahresendprämien zugeflossen sind. Andere Unterlagen oder Beweismittel, die für sich genommen geeignet sind, den Zufluss von Jahresendprämien glaubhaft zu machen, sind nicht erreichbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Hälfte.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wege des Überprüfungsverfahrens darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für die Klägerin im Zeitraum 4. September 1967 bis 30. Juni 1990, wobei die Zeiten 4. September 1967 bis 5. März 1970, 14. September 1970 bis 30. Juni 1975 sowie 15. September 1975 bis 30. Juni 1990 als solche ihrer Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) anerkannt sind, höhere Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von Jahresendprämien festzustellen.
Der 1944 geborenen Klägerin wurde mit Urkunde vom 21. Juli 1967 das Recht zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" verliehen (Bl. 36 Rs. Verwaltungsakte [VA]). Ab dem 4. September 1967 war sie als Ingenieurin für Labortechnik im Volkseigenen Betrieb (VEB) Cowaplast-Werke C ... (nachfolgend: VEB) tätig (vgl. Arbeitsvertrag Bl. 37 VA). Ab dem 1. Januar 1971 arbeitete sie als kommissarische Leiterin des Labors (vgl. Änderungsvertrag Bl. 38 Rs. VA) und ab dem 1. Januar 1972 als dessen Leiterin (vgl. Änderungsvertrag Bl. 40 VA). Ab dem 1. Februar 1977 war sie in der Funktion als Gruppenleiterin Labor (vgl. Änderungsvertrag Bl. 41 Rs. VA) und vom 1. September 1981 bis zum 31. Dezember 1990 in der als Gruppenleiterin Forschung und Entwicklung – Rohstoffe – tätig (vgl. Änderungsvertrag Bl. 42 VA). Für die Zeiträume 12. Juni 1970 bis 7. April 1971 und 30. Juni 1975 bis 24. März 1976 schloss sie mit dem VEB einen Ruhevertrag zum Zwecke der Kinderbetreuung (Bl. 38 und 40 Rs. VA).
Mit Feststellungsbescheid vom 23. Dezember 2003 (Bl. 5 VA) stellte die Beklagte die Zeiträume 4. September 1967 bis 5. März 1970, 14. September 1970 bis 30. Juni 1975 sowie 15. September 1975 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz nach Anlage 1 zum AAÜG mit entsprechenden Arbeitsentgelten fest. Mit Überprüfungsantrag vom 21. August 2008 begehrte die Klägerin die Berücksichtigung weiterer Entgelte in Form von Jahresendprämien (Bl. 7 VA). Sie legte eine Bestätigung der Zeugin C ... vom 25. März 2008 vor, die von 1987 bis 1989 die Position der Hauptbuchhalterin im VEB ausgeübt hatte (Bl. 9 VA). Nachdem die Beklagte das Begehren mangels ausreichender Nachweise "zurückgestellt" hatte, wiederholte die Klägerin mit Schreiben vom 24. Februar 2011 (Bl. 21 VA) ihren Antrag und legte zusätzlich vier Aktivistenurkunden, eine Urkunde zum Banner der Arbeit, eine Urkunde zur Auszeichnung als Monatsbeste sowie die Entscheidung vom 14. Juni 1990 über eine Patentvergütung in Höhe von 1.650 Mark vor. Nachdem die Fa. DATA-Service P ... auf Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 14. Mai 2011mitgeteilt hatte, dass Unterlagen zu Jahresendprämien nicht vorhanden und auf den Lohnkonten keinerlei Vermerke registriert seien (Bl. 56 VA), stellte die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 7. Juni 2011 die o.a. Zeiträume als Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz mit den entsprechenden Arbeitsentgelten neu fest, wobei sie für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 1990 unter Einbeziehung der Patentvergütung von 1.650 Mark höheres Arbeitsentgelt von nunmehr 10.762 Mark (statt wie bisher 9.112 Mark) berücksichtigte. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2011 zurück. Der Zufluss von Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.
Mit ihrer am 16. September 2011 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren hinsichtlich der Jahresendprämien und Geldprämien anlässlich der Ehrung mit dem Banner der Arbeit weiterverfolgt. Aus der Zeugenerklärung der ehemaligen Hauptbuchhalterin ergebe sich die Zahlung und Höhe von Jahresendprämien.
Mit Urteil vom 14. August 2014 hat das Sozialgericht Dresden die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen von § 1 AAÜG würden nicht vorliegen. Der erweiternden Auslegung der Vorschrift durch das Bundessozialgericht schloss sich das Sozialgericht nicht an.
Gegen das am 8. September 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Oktober 2014 Berufung eingelegt und ihr Begehren hinsichtlich der Zahlung von Jahresendprämien weiter verfolgt (vgl. Bl. 78 Gerichtsakte [GA]). Einmal gezahltes Arbeitsentgelt in Form von Jahresendprämien sei zumindest im Rahmen der Glaubhaftmachung anzuerkennen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß und sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. August 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Feststellungsbescheides vom 23. Dezember 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2011 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2011 zu verurteilen, für die Jahre 1968 bis 1990 Jahresendprämien als zusätzliche Entgelte im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.
Das Gericht hat die Zeugin C ... schriftlich zur Zahlung von Jahresendprämien befragt. Diese gab an, von 1967 bis 1990 im VEB als Buchhalterin, Leiterin Wirtschaftskontrolle bzw. Hauptbuchhalterin tätig gewesen zu sein. Es seien Jahresendprämien mit Sicherheit in den letzten zehn Jahren je nach Höhe des erwirtschafteten Gewinns ausgezahlt worden. Die tatsächliche Höhe sei ihr nicht in Erinnerung.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zum Teil begründet. Das Sozialgericht Dresden hat die Klage mit Urteil vom 1. Juli 2014 zu Unrecht abgewiesen, soweit die Klägerin im tenorierten Umfang die Feststellung höherer Arbeitsentgelte in den Jahren 1981 bis 1990 unter Berücksichtigung gezahlter Jahresendprämien begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2011 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2011 ist (insoweit) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Soweit die Klägerin darüber hinaus die Berücksichtigung von Jahresendprämien in den Jahren 1968 bis 1980 (für die Jahre 1967 bis 1979) begehrt, ist die Berufung unbegründet. Insoweit hat das Sozialgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Die Beklagte hat den Überprüfungsantrag der Klägerin nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) – soweit sie damit die Feststellung höherer Arbeitsentgelte in den Jahren 1981 bis 1990 begehrte – zu Unrecht abgelehnt, weil die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X vorliegen. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2011 ist dahingehend abzuändern, dass für die Jahre 1981 bis 1990 aufgrund zu berücksichtigender Jahresendprämien höhere Arbeitsentgelte festzustellen sind.
Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversor-gungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volksei-genen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) ähnlichen und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführenden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95 - SozR 3-8570 § 8 Nr. 2) Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 23. Dezember 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 7. Juni 2011 die Zeiten vom 4. September 1967 bis zum 5. März 1970, vom 14. September 1970 bis zum 30. Juni 1975 und vom 15. September 1975 bis zum 30. Juni 1990 als solche der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Weitere Entgelte in Form von Jahresendprämien hat die Beklagte in den Jahren 1981 bis 1990 zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeits-entgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dabei dem Entgeltbegriff im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG der bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R –, SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 25 m.w.N.)
1. Arbeitsentgelt in diesem Sinne sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlte Jahresendprämien, weil es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderem das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten, die im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft waren und eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben sollten. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 30 unter Verweis auf: Arbeitsrecht - Lehrbuch, herausgegeben von einem Autorenkollektiv, Staatsverlag der DDR, Berlin 1983, S. 193). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert, wobei die Voraussetzungen ihrer Gewährung in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden mussten. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Sie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben, war bezogen auf das Planjahr und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war (BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 31).
Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämie gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast. Mithin wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Die Klägerin hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihr ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist.
Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht hierbei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei ist neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden, wonach, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt wird (st. Rspr. des 5. Senats des LSG Chemnitz, vgl. u.a. Urteile vom 21. Juli 2015 – L 5 RS 668/14 –, vom 12. Mai 2015 – L 5 RS 424/14 – und vom 28. April 2015 – L 5 RS 450/14 – sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Oktober 2014 – L 33 R 151/13 – juris Rn. 38).
2. Die Klägerin hat den Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1981 bis 1990 (für die Beschäftigungsjahre 1980 bis 1989) zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu Buchstabe a). Den Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1968 bis 1980 hat die Klägerin weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht (dazu Buchstabe b). Die Höhe der Jahresendprämien in den Zuflussjahren 1981 bis 1990 hat sie weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Der Senat macht hierbei von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (dazu Buchstabe c).
a) Der Zufluss von Jahresendprämien konnte in keinem Jahr nachgewiesen, jedoch in den Jahren 1981 bis 1990 glaubhaft gemacht werden.
aa) Die Klägerin verfügt nicht über die Quittungen, auf denen die Auszahlung der jeweiligen Prämie bestätigt wurde. Auch blieb die Anfragen der Beklagten bei der Cowaplast C ... GmbH erfolglos, weil die von der Fa. DATA-Service nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Cowaplast C ... GmbH archivierten Unterlagen keine Hinweise auf Jahresendprämien enthielten. Andere Nachweise in Form von Lohnunterlagen oder ähnlichen Materialien konnte die Klägerin ebenfalls nicht vorlegen.
bb) Sie konnte den Zufluss der Prämien in den Jahren 1981 bis 1990 jedoch glaubhaft machen. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Urteil vom 22. September 1977 – 10 RV 15/77 – BSGE 45, 9 ff – juris Rn. 32, Urteil vom 17. Dezember 1988 – 12 RK 42/80 – BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1 – juris Rn. 26 und Beschluss vom 10. August 1989 - 4 BA 94/89 – juris Rn. 7). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Vielmehr genügt es, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben – Vollbeweis und hinreichende Wahrscheinlichkeit – reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist aufgrund der Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, SozR 3-1500 § 160a Nr. 33, SozR 3-1500 § 170 Nr. 9 – juris Rn. 5). Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass die oben genannten Voraussetzungen für den Bezug der Jahresendprämien vorlagen und sie sie jeweils erhalten hat.
(a) Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 5. September 1967 in Verbindung mit den Änderungsverträgen vom 8. Februar 1977 und 1. April 1984 bzw. der Zusatzvereinbarung vom 10. August 1981, des Funktionsplanes vom 27. September 1983 sowie der Eintragungen im Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) war die Klägerin während der gesamten Jahre 1980 bis 1989 im VEB beschäftigt, was nach § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR für den Anspruch auf Zahlung einer Jahresendprämie vorausgesetzt war.
(b) Glaubhaft gemacht ist auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem die Klägerin angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war sowie die Klägerin und ihr Arbeitskollektiv die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben, § 117 Abs. 1 Voraussetzungen 1 und 2 AGB-DDR.
Zum einen sprechen hierfür die in der DDR geltenden gesetzlichen Regelungen im AGB-DDR, das in den §§ 28 ff. einen eigenen Abschnitt für den Betriebskollektivvertrag enthielt. Nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR war er zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung abzuschließen, was mithin zwingend vorgesehen war. Nach Absatz 1 Satz 3 dieser Vorschrift sind darin u.a. die arbeitsrechtlichen Regelungen zu treffen, die "entsprechend den Rechtsvorschriften" in ihm zu vereinbaren sind, wozu nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR auch die Voraussetzungen für die Gewährung und die Höhe der Jahresendprämien gehörten. Dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Jahresendprämien in den jeweiligen Betriebskollektivverträgen zwingend zu vereinbaren bzw. festzulegen waren, ergibt sich zudem aus den diese Festlegungen konkretisierenden Verordnungen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahr 1972 - Prämienfond-VO 1972 – (GBl. DDR II S. 49), die durch die Zweite Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe vom 21. Mai 1973 (GBl. DDR I S. 293) geändert wurde, und § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe – Prämienfond-VO 1982 – (BGl. DDR I S. 595) ist die Verwendung des Prämienfonds in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972 bzw. § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982 ist dabei u.a. zu vereinbaren, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden.
Hierfür sprechen auch die schriftlichen Angaben der Zeugin C ..., die wie die Klägerin im Zeitraum 1967 bis 1990 im VEB als Buchhalterin, Leiterin Wirtschaftskontrolle bzw. Hauptbuchhalterin tätig war. Diese gab an, zumindest in den letzten zehn Jahren – mithin in den Jahren 1981 bis 1990 – seien Jahresendprämien "mit Sicherheit" im VEB jährlich gezahlt worden. Sie seien bis März des Folgejahres ausgezahlt worden und ihre Höhe habe sich nach dem errechneten Gewinn gerichtet. Den Angaben der Zeugin kommt auch deshalb besonderes Gewicht zu, weil sie als (Haupt-)Buchhalterin mit dem Procedere in besonderem Maße vertraut war. Zudem ist glaubhaft gemacht, dass die Klägerin und das Arbeitskollektiv, dem sie angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR). Hierfür sprechen die Angaben der Zeugin, wonach im VEB (generell) Jahresendprämien gezahlt und pro Person berechnet worden seien. Zudem machen es die von der Klägerin vorgelegten Leistungseinschätzungen äußerst wahrscheinlich, dass sie mindestens durchschnittliche Leistungskriterien erreicht und damit die persönlichen Voraussetzungen für die Zahlung von Jahresendprämien erfüllt hat. So wurde ihr am 1. Mai 1980, am 1. Mai 1983 und am 1. Mai 1986 "für vorbildliche sozialistische Arbeit ..." der Ehrentitel "Aktivist der sozialistischen Arbeit" verliehen und am 1. Mai 1987 wurde sie mit dem Banner der Arbeit Stufe III ausgezeichnet. Am 9. November 1989 wurde sie zudem als "Monatsbeste" geehrt.
b) Die konkrete Höhe der Jahresendprämien konnte die Klägerin – da bereits der Nachweis ihres Zuflusses nicht gelang – nicht nachweisen. Insoweit macht das Gericht von seiner Möglichkeit der Schätzung Gebrauch.
aa) Weder den Erklärungen der Zeugin noch denen der Klägerin selbst konnte die Höhe der Jahresendprämien entnommen werden. Die Zeugin konnte hierzu keine konkreten Angaben machen. Sie bestätigte lediglich, dass die Prämien von den Betriebsergebnissen abhängig waren und zwischen 70 und 100% des monatlichen Durchschnittslohnes schwankten. Auch besitzt die Kläger keinerlei Aufzeichnungen zur Höhe der Jahresendprämien.
bb) Das Gericht macht jedoch von seiner im Rahmen der Einzelfallwürdigung nach § 202 SGG in Verbindung mit §§ 287 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (vgl. hierzu beispielhaft die Senatsurteile vom 4. Februar 2014 – L 5 RS 462/13 – und vom 12. Mai 2015 – L RS 382/14). Gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO entscheidet das Gericht, wenn streitig ist, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Diese Vorschrift ist nach Absatz 2 bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zum einen handelt es sich bei dem Streit über die Feststellung (weiterer) Arbeitsentgelte zumindest mittelbar um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Zwar ist der prozessuale Anspruch unmittelbar nicht auf Geld, sondern auf die Feststellung erzielter Arbeitsentgelte gerichtet. Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt jedoch auch dann vor, wenn der prozessuale Anspruch auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis beruht, das auf Gewinn oder Erhaltung von Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2012, Einleitung IV Nr. 1). Dies ist der Fall, weil die von der Beklagten festzustellenden Entgelte Grundlage für die Höhe des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und mithin einer Geldforderung sind, vgl. § 8 Abs. 1 AAÜG. Zum anderen wäre die vollständige Aufklärung der für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämien maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Als jährlicher Basiswert der Prämienhöhe ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte der jeweils im Planungsjahr erzielte durchschnittliche Bruttomonatslohn zu Grunde zu legen, wie er sich aus dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2003 ergibt. Diese Anknüpfung ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil auch die staatlichen Prämienverordnungen, die die in den Betriebskollektivverträgen festzulegenden Voraussetzungen für die Zahlung von Jahresendprämien konkretisierten, für die Höhe der Jahresendprämien an den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpften. So betrug die Jahresendprämie nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 mindestens ein Drittel und maximal das Zweifache des monatlichen Durchschnittsverdienstes des Werktätigen. Von diesem Wert ist ein Abschlag von 30 % vorzunehmen, weil die Höhe der jeweils an den Werktätigen ausgezahlten Jahresendprämie von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhing, die im konkreten Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar sind. So erhielt der Werktätige nach § 117 Abs. 3 AGB-DDR bei einer im Planjahr vorliegenden vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit die Jahresendprämie (nur) entsprechend seiner in diesem Jahr erbrachten Gesamtleistung. Auch konnte die Jahresendprämie nach § 117 Abs. 4 AGB-DDR bei "schwerwiegender Verletzung der sozialistischen Arbeitsdisziplin oder der staatsbürgerlichen Pflichten" gemindert werden oder entfallen. Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 AGB-DDR wurde die Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen vom Betriebsleiter nach Beratung im Arbeitskollektiv festgelegt und bedurfte der Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung. Aufgrund dieser gesetzlich vorgesehenen individuellen Festlegung ist nicht davon auszugehen, dass die Jahresendprämie stets 100 % oder mehr eines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes entsprach. Von dem danach geschätzten Betrag ist ein weiterer Abschlag in Höhe eines Sechstel sachlich gerechtfertigt, weil die Klägerin bereits den Zufluss der Jahresendprämie lediglich glaubhaft machen konnte. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 6 AAÜG, wonach der glaubhaft gemachte Teil eines Verdienstes nur in dieser Höhe berücksichtigt wird. Dies muss erst recht gelten, wenn lediglich der Zufluss des Verdienstes glaubhaft gemacht wurde.
Hieraus ergeben sich folgende zu berücksichtigende Jahresendprämien:
Anspruchsjahr Jahresarbeits-verdienst in Mark Monatsdurch-schnittsverdienst in Mark 70% 5/6 Zuflussjahr 1980 11.695,05 974,59 682,21 568,51 1981 1981 13.455,43 1.121,29 784,90 654,08 1982 1982 14.377,98 1.198,17 838,72 698,93 1983 1983 13.970,54 1.164,21 814,95 679,12 1984 1984 15.789,01 1.315,75 921,03 767,52 1985 1985 16.173,67 1.347,81 943,46 786,22 1986 1986 16.131,63 1.344,30 941,01 784,18 1987 1987 18.763,51 1.563,63 1.094,54 912,12 1988 1988 20.483,00 1.706,92 1.194,84 995,70 1989 1989 19.876,00 1.656,33 1.159,43 966,19 1990
c) Der Zufluss von Jahresendprämien in den Jahren 1968 bis 1980 konnte nicht glaubhaft gemacht werden. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen.
Zwar gab die Zeugin Hahnemann an, im VEB seien Jahresendprämien gezahlt worden. An den Beginn der Zahlungen konnte sie sich indes nicht erinnern. Mit Sicherheit seien jedoch Prämien in den letzten zehn Jahren ausgezahlt worden. Danach steht nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass auch in den Jahren vor 1981 Jahresendprämien gezahlt wurden. Da die Zeugin nicht mehr angeben kann, in welchen Jahren genau die Zahlung (möglicherweise) auch davor erfolgt sind, besteht für keines der Jahre vor 1981die gute Möglichkeit, dass der Klägerin Jahresendprämien zugeflossen sind. Andere Unterlagen oder Beweismittel, die für sich genommen geeignet sind, den Zufluss von Jahresendprämien glaubhaft zu machen, sind nicht erreichbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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