Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 AS 1383/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 230/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zum "Heraufholen von Prozessresten".
2. Es ist nicht zulässig, die Vorschrift des § 140 SGG über die Urteilsergänzung jedenfalls in Fällen, in denen das Sozialgericht über wesentliche Teile einer Klage nicht entschieden hat, nicht zur Anwendung zu bringen.
3. Die Rücknahme einer Rücknahmeerklärung (hier bezüglich einer Klage) ist nicht zulässig.
4. Zur Frage einer ausnahmsweisen Wiederaufnahme oder Fortführung des Verfahrens im Falle einer Rücknahmeerklärung.
2. Es ist nicht zulässig, die Vorschrift des § 140 SGG über die Urteilsergänzung jedenfalls in Fällen, in denen das Sozialgericht über wesentliche Teile einer Klage nicht entschieden hat, nicht zur Anwendung zu bringen.
3. Die Rücknahme einer Rücknahmeerklärung (hier bezüglich einer Klage) ist nicht zulässig.
4. Zur Frage einer ausnahmsweisen Wiederaufnahme oder Fortführung des Verfahrens im Falle einer Rücknahmeerklärung.
I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist, auf Grund der vom Klägerbevollmächtigten erklärten Klagerücknahmen wirksam beendet ist.
II. Außergerichtliche Kosten für dieses Verfahren sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Klägerbevollmächtigte macht mit seinem Wiederaufnahmeantrag geltend, dass das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist, nicht wirksam abgeschlossen sei.
Die Klägerin wendet sich gegen den Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Klageverfahren sind 21 Klageverfahren verbunden gewesen, in denen die Klägerin unterschiedlichste Rechtsschutzbegehren verfolgt hat.
Die Klägerin persönlich hat 21 Klagen mit ganz unterschiedlichen Rechtsschutzzielen erhoben. Im Einzelnen sind in den jeweiligen Klagen folgende Anträge gestellt worden: 1. Klage Az. S 5 AS 3334/09 "Die Beklagte wird verurteilt, den Widerspruch der Klägerin vom 27.05.2009 mit einen auf den Namen der Klägerin lautenden Widerspruchsbescheid zu bescheiden." 2. Klage Az. S 5 AS 1047/10 "Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23.02.2010, Geschäftszeichen 608.8 – 07602BG0020824 – W 225/10, wird aufgehoben." 3. Klage Az. S 5 AS 1048/10 "Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23.02.2010, Geschäftszeichen 608.8 – 07602BG0020824 – W 2265/10, wird aufgehoben." 4. Klage Az. S 5 AS 1049/10 "Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Bescheid auf ihren Antrag vom 27.05.2009 (Überprüfung der Leistungsfähigkeit durch den ärztlichen Dienst) zu erteilen." 5. Klage Az. S 5 AS 2012/10 "Die Erklärung der Prozessvertreterin der Beklagten, Frau Z ..., in der mündlichen Verhandlung vor dem Sächsischen Landessozialgericht am 22.04.2010, Az. L 2 AS 791/09, Der Antrag auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit wurde an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet. ist wahrheitswidrig." 6. Klage Az. S 5 AS 3469/10 "Die Erklärung der Prozessvertreterin der Beklagten, Frau Z ..., in der mündlichen Verhandlung vor dem Sächsischen Landessozialgericht am 22.04.2010, Az. L 2 AS 791/09, Der Antrag auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit wurde an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet. ist wahrheitswidrig." 7. Klage Az. S 5 AS 3621/10 "Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 31.08.2010, Geschäftszeichen W 1499/10, wird aufgehoben." 8. Klage Az. S 5 AS 4353/10 "Der Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010, Geschäftszeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1944/10, wird aufgehoben. Hilfsweise wird beantragt, der Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010, Geschäfts-zeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1944/10, wird teilweise aufgehoben." 9. Klage Az. S 5 AS 4354/10 "Der Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010, Geschäftszeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1945/10, wird aufgehoben. Hilfsweise wird beantragt, der Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010, Geschäfts-zeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1945/10, wird teilweise aufgehoben." 10. Klage Az. S 5 AS 4355/10 "Der Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010, Geschäftszeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1946/10, wird aufgehoben. Hilfsweise wird beantragt, der Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010, Geschäfts-zeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1946/10, wird teilweise aufgehoben." 11. Klage Az. S 5 AS 4356/10 "Der Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010, Geschäftszeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 2174/10, wird aufgehoben. Hilfsweise wird beantragt, der Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010, Geschäfts-zeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 2174/10, wird teilweise aufgehoben." 12. Klage Az. S 5 AS 4659/10 "Das Gutachten vom 08.10.2010 ist hinsichtlich der Prognose bei der verminderten bzw. aufgehobener Leistungsfähig unvollständig. Es wird beantragt, die Beklagte hinsichtlich der Einschränkungen zur Angabe einer (voraussichtlichen) Zeitdauer, wie im Vordruck vorgesehen, zu verurteilen."
13. Klage Az. S 5 AS 761/11 "Es liegt keine wirksame und rechtskräftige Zurückweisung des Bevollmächtigten Herrn B ... vor und die Bevollmächtigung ist bis zur Vornahme einer wirksamen und rechtskräftigen Zurückweisung weiter zu beachten." 14. Klage Az. S 5 AS 863/11 "Die Beklagte wird verurteilt, Widersprüche Dritter nicht unter der BG-Nummer der Klägerin zu erteilen und den bereits erteilten Widerspruch vom 24.02.2011, Geschäftszeichen W 608.8 – 07602BG0020824 – W 967/11, entsprechend abzuändern. Hilfsweise wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruchsbescheid dahin gehend abzuändern, dass die Klägerin Widerspruchsführerin ist." 15. Klage Az. S 5 AS 864/11 "Die Beklagte wird verurteilt, den Widerspruch vom 12.11.2010 zu bescheiden." 16. Klage Az. S 5 AS 865/11 "Die Beklagte wird verurteilt, die Originalakten des Herrn B ... nicht in den Akten der Kläger zu führen und bereits vorhandene Bestände unverzüglich aus den Akten der Klägerin zu entfernen." 17. Klage Az. S 5 AS 866/11 "Die Beklagte wird verurteilt, den Widerspruch vom 11.11.2010 zu bescheiden." 18. Klage Az. S 5 AS 933/11 "Die Beklagte wird verurteilt, eine Kopie des Schreibens vom 05.08.2010 an den Bevollmächtigten, Herrn B ..., zu schicken. Es wird festgestellt, dass durch die Nichtübersendung an den Bevollmächtigten kein Lauf einer Frist aus dem Schreiben vom 05.08.2010 ausgelöst worden ist." 19. Klage Az. S 5 AS 934/11 "Die Beklagte wird verurteilt, eine Kopie der (angeblich) gefälschten Urkunde und des Schreibens an die Staatsanwaltschaft an die Klägerin herauszugeben." 20. Klage Az. S 5 AS 1383/11 "Die Beklagte wird verurteilt, den Widerspruch der Klägerin gegen Zurückweisungsbescheid vom 23.12.2011 zu bescheiden." 21. Klage Az. S 5 AS 1675/11 "Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.02.2010, Geschäftszeichen 698 – 07602BG0020824 – W 967/11, wird aufgehoben."
Das Sozialgericht hat zunächst mit Beschluss vom 3. Mai 2011 die Verfahren Az. S 5 AS 3334/09, S 5 AS 1047/10, S 5 AS 1048/10, S 5 AS 1049/10, S 5 AS 2012/10, S 5 AS 3469/10, S 5 AS 3621/10, S 5 AS 4353/10, S 5 AS 4354/10, S 5 AS 4355/10, S 5 AS 4356/10, S 5 AS 4659/10, S 5 AS 761/11, S 5 AS 863/11, S 5 AS 864/11, S 5 AS 865/11, S 5 AS 866/11, S 5 AS 933/11, S 5 AS 934/11, S 5 AS 1383/11 verbunden und unter dem Az. S 5 AS 1383/11 fortgeführt. Danach hat es noch mit Ziffer I des Gerichtsbescheides vom 26. Mai 2011 das Verfahren Az. S 5 AS 1675/11 hinzuverbunden.
Im Schreiben vom 20. Mai 2011 hat B ..., der Bevollmächtigte der Klägerin in zahlreichen anderen Verfahren, mitgeteilt, dass die Klägerin ihm eine Prozessvollmacht für das "Verbundverfahren" erteilen "möchte", er aber zur Bearbeitung dieses Verfahrens derzeit keine Kapazitäten habe. Das Sozialgericht hat daraus den Schluss ge-zogen, dass B ... bevollmächtigt worden sei und dies ihm mit Schreiben vom 24. Mai 2011 mitgeteilt.
Sodann hat das Sozialgericht am 26. Mai 2011 einen Gerichtsbescheid erlassen. Im Tatbestand dieser Entscheidung hat es sechs Anträge formuliert und in den Entscheidungsgründen begründet, weshalb welcher Antrag unzulässig, unbegründet oder begründet ist. Der Wortlaut der Anträge ist stark an den der Anträge in den jeweiligen Klageschriften angelehnt. Die Anträge betreffen die Klageanträge aus den ursprünglichen Klageverfahren Az. S 5 AS 1383/11 (Antrag Nummer 1), S 5 AS 866/11 (Antrag Nummer 2), S 5 AS 1049/10 (Antrag Nummer 3), S 5 AS 4659/10 (Antrag Nummer 4), S 5 AS 3621/10 (Antrag Nummer 5) und S 5 AS 2012/10 und S 5 AS 3469/10 (Antrag Nummer 6). Wegen der Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.
Die Klägerin hat am 10. Juni 2011 Berufung (Az. L 3 AS 529/11) eingelegt. Das Verfahren sei von vielen Fehlern geprägt. Es werde deshalb angeregt, dass Verfahren an die erste Instanz zurückzuverweisen. Die Berufung richte sich nicht gegen die Feststellung des Sozialgerichtes, dass keine Zurückweisung des Bevollmächtigten erfolgt sei. Im Übrigen hat sie unter anderem vorgetragen, dass B ... nicht ihr Bevollmächtigter sei. Zu mehr als 2/3 der verbundenen Verfahren würden Entscheidungen fehlen. Eine Entscheidung über den Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011, der an B ... gerichtet gewesen sei, sei nicht zulässig gewesen. Der (irrtümliche) Antrag auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011 werde ausdrücklich zurückgenommen.
B ... hat mit Schreiben vom 2. August 2011 mitgeteilt, dass die Klägerin erkrankt sei und ihn "(vorübergehend) mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt" habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2016 ist das Berufungsverfahren Az. L 3 AS 529/11 mit den drei weiteren Berufungsverfahren Az. L 3 AS 48/12, L 3 AS 665/16 und L 3 AS 893/16 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden. In dem Termin hat der Klägerbevollmächtigte zum Verfahren Az. L 3 AS 529/11 die Klage in Bezug auf die verbliebenen Klageanträge aus dem Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 mit einzelnen Erklärungen zurückgenommen. Auch die Klagen zu den anderen drei Berufungen hat er zurückgenommen. Die Sitzungsniederschrift ist mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 an den Klägerbevollmächtigten übersandt worden.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2016 hat der Klägerbevollmächtigte unter anderem gerügt, dass kein Urteil nach geheimer Beratung ergangen sei. Auch eine Beendigung durch Vergleich sei nicht zu erkennen. Schließlich sei der Termin trotz seiner Erkrankung nicht verschoben worden.
Im Schreiben vom 4. Januar 2017 hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, dass Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 eingelegt worden sei. Dieser stehe noch im Raum und habe ohne entsprechende Rechtsprechung des Landessozialgerichtes weiter Bestand. Ferner hat er einen Kostenantrag gestellt.
Im Schreiben vom 5. Januar 2017 hat der Klägerbevollmächtigte gerügt, dass im Programm EUREKA-Fach das Verfahren Az. L 3 AS 529/11 zu Unrecht mit der Erledigungsart "Klagerücknahme" ausgetragen worden sei.
Auf den Protokollberichtigungsantrag im Schreiben vom 6. Januar 2016 hin ist der Berichtigungsbeschluss vom 17. Mai 2017 erlassen worden.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2017 hat der Klägerbevollmächtigte die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens beantragt. Die Klägerin habe auch "gegen die Rechtsentscheidung der Verweigerung der Rechtsentscheidung in mehr als 2/3 der Fälle des SG" Berufung eingelegt. Diesen Teil der Berufung habe sie nicht zurückgenommen.
Daraufhin ist das neue Verfahren unter dem Az. L 3 AS 230/17 angelegt worden.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13. März 2017 unter anderem die Auffassung ver-treten, dass Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorliegen würden.
Im Schreiben vom 4. April 2017 hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, dass eine Verfahrensverbindung nur möglich sei, wenn auch im Termin eine Rechtsentscheidung ergehe. Ein Trennungsbeschluss sei nicht ergangen. Er gehe deshalb davon aus, dass auch die anderen drei Verfahren fortgesetzt würden.
Im Schreiben vom 24. Mai 2017 hat der Klägerbevollmächtigte geäußert, dass er davon ausgehe, dass ein Widerruf der Rücknahmeerklärungen noch im anberaumten Termin am 15. Juni 2017 möglich sei. Es bestünden erhebliche Zweifel an den ehrlichen Absichten des Senates, weil der Senat im Termin am 1. Dezember 2016 ausgeführt habe, dass eine Urteilsberichtigung [gemeint ist eine Urteilsergänzung] nach mehr als fünf Jahren möglich sei. Dies sei aber wahrheitswidrig. Die Möglichkeit einer Urteilsberichtigung sei auf einen Monat beschränkt. Man habe seine Arglosigkeit ausgenutzt.
Der im selben Schreiben gestellte Antrag auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung ist mit Schreiben des Vorsitzenden vom 31. Mai 2017 abgelehnt worden.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2017 hat der Klägerbevollmächtigte die Rücknahme der Rücknahmeerklärungen zu den Klageanträgen Nummern 2 und 3 erklärt.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2017 hat er ferner die Rücknahme der Rücknahmeerklärungen zu den Berufungsverfahren, die unter den Az. L 3 AS 48/12, L 3 AS 665/16 und L 3 AS 893/16 geführt worden sind, erklärt.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt – in Anlehnung an den Antrag im Schreiben vom 23. Januar 2017 – sinngemäß,
das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist, wieder aufzunehmen.
Der Beklagte, der von einer Antragstellung abgesehen hat, vertritt die Auffassung, dass das Berufungsverfahren Az. L 3 AS 529/11 wirksam abgeschlossen sei, und dass die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme oder das Fortsetzen des Verfahrens nicht gegeben seien.
Beim Sozialgericht wird inzwischen unter dem Az. S 21 AS 243/17 ein Klageverfahren geführt, das die zum Verfahren Az. S 5 AS 1383/11 hinzuverbundenen, aber nicht vom Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 erfassten Klageteile zum Gegenstand hat.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere der weiteren Schreiben des Klägerbevollmächtigten und die Antwortschreiben des Gerichts zu den zahlreichen Schreiben des Klägerbevollmächtigten, wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand dieses Verfahrens ist nur die Frage, ob das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist, wirksam beendet worden ist oder ob es wiederaufzunehmen oder fortzuführen ist. Hingegen betrifft dieses Verfahren nicht die durch Klagerücknahmen abgeschlossenen Berufungsverfahren Az. L 3 AS 48/12, L 3 AS 665/16 und L 3 AS 893/16, zu denen der Klägerbevollmächtigte inzwischen mit Schreiben vom 11. Juni 2017 ebenfalls die Rücknahme seiner Klagerücknahmen erklärt hat.
Denn in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 sind die vier genannten Verfahren lediglich "zur gemeinsamen Verhandlung" verbunden worden. Dieser Beschluss unterscheidet sich von dem des Sozialgerichtes Leipzig vom 3. Mai 2011, worin die dort genannten Klageverfahren nicht nur zur gemeinsamen Verhandlung, sondern darüber hinaus zur "[gemeinsamen] Entscheidung" verbunden worden sind.
Ob auf der Grundlage von § 113 SGG eine Verbindung lediglich "zur gemeinsamen Verhandlung" zulässig ist, ist streitig (vgl. die Nachweise bei Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 113 Rdnr. 5; zu § 93 VwGO: Kopp/Schenke, VwGO [22. Aufl., 2016], § 93 Rdnr. 5). Selbst wenn der Auffassung, dass eine Verfahrensverbindung nur "zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung" möglich ist, zu folgen wäre, wäre der Beschluss, in dem Verfahren nur zur "gemeinsamen Verhandlung" verbunden worden sind, in Bezug auf die Frage auszulegen, ob der Beschluss zu einer echten Prozessverbindung führen soll mit der Wirkung, dass auch eine gemeinschaftliche Entscheidung zu erlassen ist, oder ob es sich nur um eine "zur tatsächlichen Vereinfachung dienliche vorübergehende Maßnahme" handeln soll (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1956 – I ZR 82/55 – NJW 1957, 183 f. [Leitsatz]). Vorliegend war wegen der höchst unterschiedlichen Klagebegehren ersichtlich keine Prozessverbindung im eigentlichen Sinne beabsichtigt. Vielmehr sollten die vier Berufungsverfahren nur gemeinsam in einem Termin verhandelt werden, da der Klägerbevollmächtigte bestimmte Punkte (z. B. die Bekanntgabe von Bescheiden an ihn als Bevollmächtigten oder ein – behaupteter – offener Anspruch der Klägerin auf weitere Kosten für Unterkunft und Heizung) in verschiedenen Verfahren angesprochen hat und anspricht unabhängig davon, ob sie mit dem jeweiligen Streitgegenstand in Verbindung stehen.
Die vier Berufungsverfahren, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 gewesen sind, sind deshalb rechtlich selbständige Verfahren geblieben. Das Wiederaufnahme- oder Fortsetzungsbegehren aus dem Schreiben vom 23. Januar 2017 bezieht sich aber sowohl nach dem angegebenen Aktenzeichen als auch nach der Begründung des Wiederaufnahmeantrages nur auf das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist.
Über die neuen Wiederaufnahmeanträge zu den Berufungsverfahren Az. L 3 AS 48/12, L 3 AS 665/16 und L 3 AS 893/16 wird in jeweils gesonderten Verfahren entschieden werden.
II. Die vom Klägerbevollmächtigten verfolgte Wiederaufnahmeklage ist nicht statthaft.
Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann gemäß § 179 Abs. 1 SGG entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (§§ 578 bis 591 ZPO) wieder aufgenommen werden. Gemäß § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage (vgl. § 579 ZPO) und durch Restitutionsklage (vgl. § 580 ZPO) erfolgen. Weitere Wiederaufnahmegründe sind in § 179 Abs. 2 SGG und § 180 Abs. 1 und 2 SGG genannt.
Zulässigkeitsvoraussetzung ist aber, wie sich aus § 179 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 578 Abs. 1 ZPO ergibt, dass sich der Wiederaufnahmeantrag auf ein "durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens" bezieht. Es ist anerkannt, dass auch Gerichtsbescheide, für die die Vorschriften über Urteile entsprechend gelten (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG), sowie rechtskräftige oder nicht anfechtbare Beschlüsse, soweit sie auf einer Sachprüfung beruhen und die die Instanz abschließen, einer Wiederaufnahme zugänglich sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1965 – 11 RA 304/64 – BSGE 23, 30 [31] = juris Rdnr. 6; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 179 Rdnr. 3, m. w. N ...). Demgegenüber ist eine Wiederaufnahmeklage, wenn das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme beendet worden ist, nicht zulässig (so zur Rücknahme der Revision: BSG, Urteil vom 27. März 1961 – 9 RV 1042/59 – SozR Nr. 5 zu § 179 SGG = juris, jeweils Leitsatz 2; vgl. auch Leitherer, a. a. O ..., § 179 Rdnr. 3b, m. w. N.; Ulmer, in: Hennig: Sozialgerichtsgesetz [36. Erg.-Lfg., Januar 2017], § 179 Rdnr. 7).
In Betracht kommt allenfalls eine Fortsetzung des Verfahrens (vgl. Leitherer, a. a. O. m. w. N.; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 102 Rdnr. 12; Hauck, in: Hennig: Sozialgerichtsgesetz [36. Erg.-Lfg., Januar 2017], § 102 Rdnr. 44), wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind (hierzu unten III und V). Der Rechtsstreit um die Fortsetzung des Verfahrens unterscheidet sich vom Streit um die Wiederaufnahme dadurch, dass sich im ersten Fall der Kläger von einer verfahrensbeendenden Erklärung lösen will (vgl. Arndt, in: Breitkreuz/Fichte, SGG [2. Aufl., 2014], § 156 Rdnr. 41).
III. Wenn Streit darüber besteht, ob eine Rücknahmeerklärung wirksam ist, ist der Rechtsstreit fortzusetzen und über die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 1989 – 11 RAr 31/88 – SozR 1500 § 73 Nr. 6 = NJW 1990, 600 = juris Rdnr. 10; Keller, a. a. O ..., § 156 Rdnr. 6).
Vorliegend macht der Klägerbevollmächtigte geltend, dass das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist, nicht oder zumindest nicht in vollem Umfang beendet sei. Dies wäre dann der Fall, wenn ein Prozessteil noch offen wäre (1), die Rücknahmeerklärungen formell unwirksam wären (2) oder nach den Rücknahmeerklärungen noch ein Urteil oder eine sonstige Entscheidung hätte ergehen müssen (3).
1. Die damals noch nicht vertretene Klägerin hat in der Berufungsschrift vom 9. Juni 2011 angeregt, das Verfahren an die erste Instanz zurückzuverweisen. Zur Begründung hat sie unter anderem angeführt, dass das Sozialgericht zu 2/3 der Klageverfahren keine Entscheidung getroffen habe. Diese Einschätzung der Klägerin ist zutreffend. Denn das Sozialgericht hat in den Tatbestand des Gerichtsbescheides vom 26. Mai 2011 lediglich sechs Anträge aufgenommen und in den Entscheidungsgründen unter Bezugnahme auf jeden einzelnen Antrag (z. B. "Antrag zu 1.") dargestellt, weshalb welcher Antrag unzulässig, unbegründet oder begründet ist. Das Sozialgericht hat auch weder ausdrücklich noch konkludent die Anträge aus den übrigen 15 hinzuverbundenen Klageverfahren in die Entscheidung einbezogen. Insbesondere lässt sich keiner der sechs im Tatbestand enthaltenen Anträge dahingehend auslegen, dass von ihm ein Antrag aus einem der weiteren 15 Klageteile mitumfasst sein soll. Dagegen spricht nicht nur, dass die im Tatbestand aufgenommen Klageanträge sehr stark an die in den Klageschriften formulierten Klageanträge angelehnt und damit kaum einer erweiternden Auslegung zugänglich sind. Vor allem spricht aber dagegen, dass es sich um ganz andere Streitgegenstände handelt, die mit den ausgeurteilten Anträgen in keinem Zusammenhang stehen.
Die Klägerin ist also selbst davon ausgegangen, dass zu diesen Klageteilen das Klageverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Dies entspricht auch der Regelung in § 140 Abs. 1 Satz 1 SGG. Danach wird das Urteil, wenn es einen von einem Beteiligten erhobenen Anspruch oder den Kostenpunkt ganz oder teilweise übergangen hat, auf Antrag nachträglich ergänzt. Mit dieser Regelung bringt der Gesetzgeber zweierlei zum Ausdruck. Zum einen ist nach seiner Vorstellung das Urteil unvollständig, mithin das Klageverfahren noch nicht in vollem Umfang abgeschlossen. Zum anderen ist für die Vervollständigung des Urteils das Sozialgericht zuständig; der noch nicht entschiedene Teil des Klageverfahrens kann damit zwingend nicht Gegenstand eines Berufungsverfahrens werden.
Das Bundessozialgericht hat allerdings in einigen Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass ein sogenanntes "Heraufholen von Prozessresten" möglich sei (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 [226] = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = juris Rdnr. 27; BSG, Urteil vom 10. Dezember 2013 – B 13 R 91/11 R – SozR 4-2600 § 249b Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R –juris Rdnr. 10), jedoch teilweise auch offengelassen, in welchem Umfang ein "Heraufholen von Prozessresten" zulässig sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 49/10 R – SozR 4-4200 § 21 Nr. 10 = juris, jeweils Rdnr. 17). Voraussetzung ist aber stets unter anderem die Zustimmung der Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, a. a. O.). Der erkennende Senat lässt offen, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ein "Heraufholen von Prozessresten" möglich oder zulässig ist. Denn vorliegend fehlt es bereits an der Zustimmung der Klägerseite für ein Heraufholen. Die Klägerin selbst und später ihr Bevollmächtigte haben nämlich im gesamten Berufungsverfahren vorgetragen, dass das Sozialgericht nicht über die gesamte verbundene Klage entschieden haben, und haben gefordert, dass der Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückverwiesen werden soll. Im Übrigen dürfte es nicht zulässig sein, die Vorschrift des § 140 SGG über die Urteilsergänzung jedenfalls in Fällen, in denen – wie vorliegend – das Sozialgericht über wesentliche Teile einer Klage nicht entschieden hat, nicht zur Anwendung zu bringen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens Az. L 3 AS 529/11 ist deshalb nur der Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes vom 26. Mai 2011 mit den darin behandelten sechs Klagepunkten gewesen. Da die Klägerin allerdings in der Berufungsschrift vom 9. Juni 2011 erklärt hat, dass sich die Berufung nicht gegen die Feststellung des Sozialgerichtes wende, dass keine Zurückweisung ihres Bevollmächtigten erfolgt sei, ist die für sie positive Entscheidung zum Klageantrag Nummer 1 rechtskräftig geworden. Gegenstand des Berufungsverfahrens Az. L 3 AS 529/11 ist deshalb nur noch der Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes vom 26. Mai 2011 gewesen, soweit die Klageanträge Nummern 2 bis 6 als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden sind.
Zum Klageantrag Nummer 6 hat der Klägerbevollmächtigte bereits im Schriftsatz vom 27. November 2016 die Rücknahme der Klage erklärt und dies in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 nochmals bestätigt. Zu den danach verbliebenen Klageanträgen Nummern 2 bis 5 aus dem Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 hat der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 jeweils die Rücknahme der Klage erklärt.
Damit sind zu allen Verfahrensteilen, die Gegenstand des Berufungsverfahrens Az. L 3 AS 529/11 gewesen sind, Klagerücknahmeerklärungen abgegeben worden.
2. Eine Klagerücknahme ist eine Prozesserklärung, an deren Wirksamkeit der Gesetzgeber bestimmte Anforderungen stellt. Diese sind hier erfüllt.
Wenn eine Klagerücknahme zu Protokoll des Gerichtes erklärt wird, ist § 122 SGG zu beachten. Dort werden für die Niederschrift die §§ 159 bis 165 der Zivilprozessordnung (ZPO) für entsprechend geltend erklärt. Nach § 165 Satz 1 SGG kann die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden.
Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGG ist über die Verhandlung und jede Beweisaufnahme ein Protokoll aufzunehmen. Im Protokoll ist nach § 160 Abs. 3 Nr. 8 SGG die Zurücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels festzustellen. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 SGG ist das Protokoll insoweit, als es unter anderem Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 8 SGG enthält, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Wenn – wie vorliegend – der Inhalt des Protokolls nur vorläufig aufgezeichnet worden ist, genügt es, wenn die Aufzeichnungen vorgelesen oder abgespielt werden (vgl. § 162 Abs. 1 Satz 2 SGG). Nach § 162 Abs. 1 Satz 3 SGG ist in dem Protokoll zu vermerken, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
Diesen Anforderungen genügt die Niederschrift zum Termin der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016. Nach den protokollierten Rücknahmeerklärungen des Klägerbevollmächtigten zu den Klageanträgen Nummer 2 bis 5 ist jeweils der Protokollvermerk "laut diktiert, vorgespielt und genehmigt" aufgenommen.
Ferner ist das Protokoll entsprechend der Vorgaben in § 163 Abs. 1 ZPO vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben.
3. Nach den in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 erklärten Klagerücknahmen hat es keiner Entscheidung mehr zur Berufung bedurft.
Nach § 125 SGG, der auch für das Berufungsverfahren gilt, wird über die Klage, soweit nichts anderes bestimmt ist, durch Urteil entschieden. Anderes ist betreffend die Klagerücknahme in § 102 SGG geregelt. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils (oder des ihm gleichstehenden Gerichtsbescheides) zurücknehmen. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG erledigt die Klagerücknahme den Rechtsstreit in der Hauptsache. Wenn die Klage zurückgenommen ist, stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Ein solcher Antrag auf Erlass eines Einstellungsbeschlusses ist zum Berufungsverfahren Az. L 3 AS 529/11 weder vom Klägerbevollmächtigten noch vom Beklagten gestellt worden. Der Klägerbevollmächtigte hat lediglich einen Antrag auf Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG gestellt. Über diesen ist zu entscheiden, sobald feststeht, dass das Berufungsverfahren Az. L 3 AS 529/11 beendet ist.
IV. Die vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 erklärten Rücknahmen von Klagen können nicht angefochten werden (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 1960 – 11/9 RV 214/57 – SozR Nr. 3 zu § 119 BGB = MDR 1960, 617 = juris Rdnr. 9; BSG, Urteil vom 24. April 2003 – B 11 AL 33/03 B – juris Rdnr. 3; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 156 Rdnr. 2a; Fock, in: Breitkreuz/Fichte, SGG [2. Aufl., 2014], § 156 Rdnr. 5). Diesbezüglich hat das Bundessozialgericht bereits im Urteil vom 6. April 1960 ausgeführt, dass die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Anfechtung von Willenserklärungen (§§ 119 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) auf Prozesshandlungen nicht anwendbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 1960, a. a. O.). Entsprechendes gilt für den Widerruf einer Prozesserklärung (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. August 2003 – L 18 KN 26/03 – juris Rdnr. 14; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. November 2004 – L 2 KN 118/04 P – juris Rdnr. 12; Keller, a. a. O.; Fock, a. a. O.). Daraus folgt, dass auch die Rücknahme einer Rücknahmeerklärung, hier bezüglich der Klageanträge Nummern 2 und 3, nicht zulässig ist.
Da eine Anfechtung einer Klagerücknahmeerklärung ausgeschlossen ist, ist auch eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung nicht möglich. Lediglich zur Klarstellung weist der Senat deshalb darauf hin, dass die Unterstellungen des Klägerbevollmächtigte, der Senat habe in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 "keine ehrlichen Absichten" gehabt, und seine Behauptung, "die Arglosigkeit des Prozessvertreters" sei ausgenutzt worden, jeglicher Grundlage entbehren.
Die Behauptung des Klägerbevollmächtigten, dass der Senat darauf hingewiesen habe, dass nach fünf Jahren eine Urteilsberichtigung [gemeint ist eine Urteilsergänzung] möglich sei, ist unrichtig. Eine solche Äußerung wurde nicht getätigt. Vielmehr ist in der Sitzungsniederschrift auf Seite 5 (oben) festgehalten: "Der Vorsitzende stellt fest, dass auf Grund der Erklärungen des Klägerbevollmächtigten die Berufung im vollen Umfange erledigt ist. Das Gericht geht entsprechend den Ausführungen im Schriftsatz vom 10. November 2016 davon aus, dass nur in dem Umfang der Anträge, wie sie im angefochtenen Gerichtsbescheid aufgenommen sind, eine Entscheidung im Klageverfahren getroffen worden ist. Der Senat geht ferner davon aus, dass bereits in der Berufungsschrift vom 9. Juni 2011 mit der Rüge, das nicht über alle Klageanträge entschieden worden ist und dass eine Zurückverweisung der Sache beantragt wird, konkludent ein Antrag nach § 140 SGG auf Urteilsergänzung in den nichtbeschiedenen Klageteilen enthalten ist." Da der Klägerin der Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011, gegen den sich die Berufung Az. L 3 AS 529/11 gerichtet hat, am 1. Juni 2011 zugestellt worden ist und die Klägerin bereits am 10. Juni 2011 (mit der Berufungsschrift vom 9. Juni 2011) Berufung eingelegt hat, ist die Berufungsschrift innerhalb der Monatsfrist aus § 140 Abs. 1 Satz 2 SGG eingegangen. Wenn aber ein – gegebenenfalls auch konkludenter – Antrag auf Urteilsergänzung fristgerecht gestellt worden ist, gibt es keine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf das Gericht befugt wäre, nicht mehr über diesen Antrag zu entscheiden, oder sogar an einer solchen Entscheidung gehindert wäre.
V. Auch für eine in der Rechtsprechung und im Schrifttum diskutierte ausnahmsweise Wiederaufnahme oder Fortführung des Verfahrens sind vorliegend die geforderten Voraussetzungen nicht gegeben.
1. Abweichend von dem Grundsatz, dass eine Rücknahmeerklärung weder angefochten noch widerrufen werden kann, hat das Bundessozialgericht in den Urteilen vom 8. Mai 1970 und 14. Juni 1978 entschieden, dass in dem Fall, dass ein prozessunfähiger Beteiligter, der keinen gesetzlichen Vertreter hat und in dem Rechtsstreit für prozessfähig gehalten wird, die Berufung zurücknimmt, zwar diese Prozesshandlung das angefochtene Urteil in der gleichen Weise rechtskräftig werden lasse, wie wenn sie von einem prozessfähigen Beteiligten vorgenommen worden wäre. Jedoch könne das rechtskräftige Urteil mit der Nichtigkeitsklage (vgl. § 179 Abs. 1 SGG i. V. m. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) beseitigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 1970 – 7 RU 12/70 – SozR Nr. 7 zu § 156 SGG = NJW 1970, 1624 = juris, jeweils Leitsatz; BSG, Urteil vom 14. Juni 1978 – 9/10 RV 31/77 – SozR 1500 § 102 Nr. 2 = juris, jeweils Leitsatz). Ein solcher Fall einer Prozessunfähigkeit liegt hier aber nicht vor.
2. Weitergehend wird gelegentlich die Auffassung vertreten, dass ein Wiederaufgreifen eines durch Zurücknahme der Klage beendeten Rechtsstreits ausnahmsweise dann möglich sei, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne der §§ 179, 180 SGG in Verbindung mit den §§ 579 f ZPO vorliegen würden (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 18. Mai 2011 – L 16 AS 48/11 – juris Rdnr. 17), oder dass in den engen Grenzen des Vorliegens der Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens ein Widerruf der Klagerücknahme denkbar sei (vgl. Thür. LSG, Urteil vom 18. Februar 2004 – L 1 U 831/03 – juris Rdnr. 13; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. November 2009 – L 12 AS 14/09; Bay. LSG, Urteil vom 18. Mai 2011 – L 9 AL 249/09 – juris Rdnr. 18; Fock, in: Breitkreuz/Fichte, SGG [2. Aufl., 2014], § 156 Rdnr. 5). Für den Sonderfall eines dem Gericht gegenüber erklärten Anerkenntnisses hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 8. September 2015 entschieden, dass dieses lediglich dann widerrufen werden könne, wenn es von einem Restitutionsgrund betroffen sei, aufgrund dessen das Anerkenntnisurteil mit der Wiederaufnahmeklage beseitigt werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2015 – B 1 KR 1/15 R – BSGE 119, 293 ff. = SozR 4-1500 § 101 Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 14).
Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Rechtsauffassung zu folgen ist. Denn im Falle der Klägerin liegt kein Wiederaufnahmegrund vor.
Nach § 579 Abs. 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage – als eine Variante der Wiederaufnahmeklage – statt: 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; 2. wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist; 3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; 4. wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
Nach § 580 ZPO findet die Restitutionsklage statt: 1. wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 2. wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 3. wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat; 4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist; 5. wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat; 6. wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; 7. wenn die Partei a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde; 8. wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.
Ferner ist nach § 179 Abs. 2 SGG die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat. Schließlich ist nach § 180 Abs. 1 SGG eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch zulässig, wenn 1. mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig anerkannt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig zur Leistung verurteilt worden sind, 2. ein oder mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig abgelehnt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig von der Leistungspflicht befreit worden sind, weil ein anderer Versicherungsträger leistungspflichtig sei, der seine Leistung bereits endgültig abgelehnt hat oder von ihr rechtskräftig befreit worden ist.
Für keinen der genannten Wiederaufnahmegründe hat der Klägerbevollmächtigte auch nur ansatzweise etwas vorgetragen.
3. Schließlich soll ein Verfahrensbeteiligter in Ausnahmefällen geltend machen können, dass die Prozesshandlung für das Gericht und den Gegner im Zeitpunkt des Zugangs als Versehen offenbar gewesen ist und es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar wäre, wenn er an der Prozesshandlung festgehalten würde (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], Vor § 60 Rdnr. 12a, m. w. N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Soweit eine Widerrufsmöglichkeit bei falschem Hinweis auf die vermeintliche Unzulässigkeit einer Klage oder bei einem offensichtlichen Versehen des Erklärenden erwogen wird (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 102 Rdnr. 7c, m. w. N.), kann offen bleiben, inwieweit solche Fallkonstellationen tatsächlich einen Widerruf ermöglichen können (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2011 – L 25 AS 1621/11 B ER WA – juris Rdnr. 4; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2017 – L 25 AS 931/16 – juris Rdnr. 24). Denn auch die diesbezüglich erforderlichen Voraussetzungen würden nicht vorliegen.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Sie betrifft nur das vorliegende Verfahren zum Wiederaufnahmeantrag aus dem Schreiben vom 23. Januar 2017. Über den Kostenantrag zum Berufungsverfahren Az. L 3 AS 529/11 wird gesondert entschieden werden.
VII. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten für dieses Verfahren sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Klägerbevollmächtigte macht mit seinem Wiederaufnahmeantrag geltend, dass das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist, nicht wirksam abgeschlossen sei.
Die Klägerin wendet sich gegen den Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Klageverfahren sind 21 Klageverfahren verbunden gewesen, in denen die Klägerin unterschiedlichste Rechtsschutzbegehren verfolgt hat.
Die Klägerin persönlich hat 21 Klagen mit ganz unterschiedlichen Rechtsschutzzielen erhoben. Im Einzelnen sind in den jeweiligen Klagen folgende Anträge gestellt worden: 1. Klage Az. S 5 AS 3334/09 "Die Beklagte wird verurteilt, den Widerspruch der Klägerin vom 27.05.2009 mit einen auf den Namen der Klägerin lautenden Widerspruchsbescheid zu bescheiden." 2. Klage Az. S 5 AS 1047/10 "Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23.02.2010, Geschäftszeichen 608.8 – 07602BG0020824 – W 225/10, wird aufgehoben." 3. Klage Az. S 5 AS 1048/10 "Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23.02.2010, Geschäftszeichen 608.8 – 07602BG0020824 – W 2265/10, wird aufgehoben." 4. Klage Az. S 5 AS 1049/10 "Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Bescheid auf ihren Antrag vom 27.05.2009 (Überprüfung der Leistungsfähigkeit durch den ärztlichen Dienst) zu erteilen." 5. Klage Az. S 5 AS 2012/10 "Die Erklärung der Prozessvertreterin der Beklagten, Frau Z ..., in der mündlichen Verhandlung vor dem Sächsischen Landessozialgericht am 22.04.2010, Az. L 2 AS 791/09, Der Antrag auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit wurde an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet. ist wahrheitswidrig." 6. Klage Az. S 5 AS 3469/10 "Die Erklärung der Prozessvertreterin der Beklagten, Frau Z ..., in der mündlichen Verhandlung vor dem Sächsischen Landessozialgericht am 22.04.2010, Az. L 2 AS 791/09, Der Antrag auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit wurde an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet. ist wahrheitswidrig." 7. Klage Az. S 5 AS 3621/10 "Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 31.08.2010, Geschäftszeichen W 1499/10, wird aufgehoben." 8. Klage Az. S 5 AS 4353/10 "Der Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010, Geschäftszeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1944/10, wird aufgehoben. Hilfsweise wird beantragt, der Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010, Geschäfts-zeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1944/10, wird teilweise aufgehoben." 9. Klage Az. S 5 AS 4354/10 "Der Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010, Geschäftszeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1945/10, wird aufgehoben. Hilfsweise wird beantragt, der Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010, Geschäfts-zeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1945/10, wird teilweise aufgehoben." 10. Klage Az. S 5 AS 4355/10 "Der Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010, Geschäftszeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1946/10, wird aufgehoben. Hilfsweise wird beantragt, der Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010, Geschäfts-zeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 1946/10, wird teilweise aufgehoben." 11. Klage Az. S 5 AS 4356/10 "Der Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010, Geschäftszeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 2174/10, wird aufgehoben. Hilfsweise wird beantragt, der Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010, Geschäfts-zeichen 698.Z – 07602BG0020824 – W 2174/10, wird teilweise aufgehoben." 12. Klage Az. S 5 AS 4659/10 "Das Gutachten vom 08.10.2010 ist hinsichtlich der Prognose bei der verminderten bzw. aufgehobener Leistungsfähig unvollständig. Es wird beantragt, die Beklagte hinsichtlich der Einschränkungen zur Angabe einer (voraussichtlichen) Zeitdauer, wie im Vordruck vorgesehen, zu verurteilen."
13. Klage Az. S 5 AS 761/11 "Es liegt keine wirksame und rechtskräftige Zurückweisung des Bevollmächtigten Herrn B ... vor und die Bevollmächtigung ist bis zur Vornahme einer wirksamen und rechtskräftigen Zurückweisung weiter zu beachten." 14. Klage Az. S 5 AS 863/11 "Die Beklagte wird verurteilt, Widersprüche Dritter nicht unter der BG-Nummer der Klägerin zu erteilen und den bereits erteilten Widerspruch vom 24.02.2011, Geschäftszeichen W 608.8 – 07602BG0020824 – W 967/11, entsprechend abzuändern. Hilfsweise wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruchsbescheid dahin gehend abzuändern, dass die Klägerin Widerspruchsführerin ist." 15. Klage Az. S 5 AS 864/11 "Die Beklagte wird verurteilt, den Widerspruch vom 12.11.2010 zu bescheiden." 16. Klage Az. S 5 AS 865/11 "Die Beklagte wird verurteilt, die Originalakten des Herrn B ... nicht in den Akten der Kläger zu führen und bereits vorhandene Bestände unverzüglich aus den Akten der Klägerin zu entfernen." 17. Klage Az. S 5 AS 866/11 "Die Beklagte wird verurteilt, den Widerspruch vom 11.11.2010 zu bescheiden." 18. Klage Az. S 5 AS 933/11 "Die Beklagte wird verurteilt, eine Kopie des Schreibens vom 05.08.2010 an den Bevollmächtigten, Herrn B ..., zu schicken. Es wird festgestellt, dass durch die Nichtübersendung an den Bevollmächtigten kein Lauf einer Frist aus dem Schreiben vom 05.08.2010 ausgelöst worden ist." 19. Klage Az. S 5 AS 934/11 "Die Beklagte wird verurteilt, eine Kopie der (angeblich) gefälschten Urkunde und des Schreibens an die Staatsanwaltschaft an die Klägerin herauszugeben." 20. Klage Az. S 5 AS 1383/11 "Die Beklagte wird verurteilt, den Widerspruch der Klägerin gegen Zurückweisungsbescheid vom 23.12.2011 zu bescheiden." 21. Klage Az. S 5 AS 1675/11 "Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.02.2010, Geschäftszeichen 698 – 07602BG0020824 – W 967/11, wird aufgehoben."
Das Sozialgericht hat zunächst mit Beschluss vom 3. Mai 2011 die Verfahren Az. S 5 AS 3334/09, S 5 AS 1047/10, S 5 AS 1048/10, S 5 AS 1049/10, S 5 AS 2012/10, S 5 AS 3469/10, S 5 AS 3621/10, S 5 AS 4353/10, S 5 AS 4354/10, S 5 AS 4355/10, S 5 AS 4356/10, S 5 AS 4659/10, S 5 AS 761/11, S 5 AS 863/11, S 5 AS 864/11, S 5 AS 865/11, S 5 AS 866/11, S 5 AS 933/11, S 5 AS 934/11, S 5 AS 1383/11 verbunden und unter dem Az. S 5 AS 1383/11 fortgeführt. Danach hat es noch mit Ziffer I des Gerichtsbescheides vom 26. Mai 2011 das Verfahren Az. S 5 AS 1675/11 hinzuverbunden.
Im Schreiben vom 20. Mai 2011 hat B ..., der Bevollmächtigte der Klägerin in zahlreichen anderen Verfahren, mitgeteilt, dass die Klägerin ihm eine Prozessvollmacht für das "Verbundverfahren" erteilen "möchte", er aber zur Bearbeitung dieses Verfahrens derzeit keine Kapazitäten habe. Das Sozialgericht hat daraus den Schluss ge-zogen, dass B ... bevollmächtigt worden sei und dies ihm mit Schreiben vom 24. Mai 2011 mitgeteilt.
Sodann hat das Sozialgericht am 26. Mai 2011 einen Gerichtsbescheid erlassen. Im Tatbestand dieser Entscheidung hat es sechs Anträge formuliert und in den Entscheidungsgründen begründet, weshalb welcher Antrag unzulässig, unbegründet oder begründet ist. Der Wortlaut der Anträge ist stark an den der Anträge in den jeweiligen Klageschriften angelehnt. Die Anträge betreffen die Klageanträge aus den ursprünglichen Klageverfahren Az. S 5 AS 1383/11 (Antrag Nummer 1), S 5 AS 866/11 (Antrag Nummer 2), S 5 AS 1049/10 (Antrag Nummer 3), S 5 AS 4659/10 (Antrag Nummer 4), S 5 AS 3621/10 (Antrag Nummer 5) und S 5 AS 2012/10 und S 5 AS 3469/10 (Antrag Nummer 6). Wegen der Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.
Die Klägerin hat am 10. Juni 2011 Berufung (Az. L 3 AS 529/11) eingelegt. Das Verfahren sei von vielen Fehlern geprägt. Es werde deshalb angeregt, dass Verfahren an die erste Instanz zurückzuverweisen. Die Berufung richte sich nicht gegen die Feststellung des Sozialgerichtes, dass keine Zurückweisung des Bevollmächtigten erfolgt sei. Im Übrigen hat sie unter anderem vorgetragen, dass B ... nicht ihr Bevollmächtigter sei. Zu mehr als 2/3 der verbundenen Verfahren würden Entscheidungen fehlen. Eine Entscheidung über den Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011, der an B ... gerichtet gewesen sei, sei nicht zulässig gewesen. Der (irrtümliche) Antrag auf Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011 werde ausdrücklich zurückgenommen.
B ... hat mit Schreiben vom 2. August 2011 mitgeteilt, dass die Klägerin erkrankt sei und ihn "(vorübergehend) mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt" habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2016 ist das Berufungsverfahren Az. L 3 AS 529/11 mit den drei weiteren Berufungsverfahren Az. L 3 AS 48/12, L 3 AS 665/16 und L 3 AS 893/16 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden. In dem Termin hat der Klägerbevollmächtigte zum Verfahren Az. L 3 AS 529/11 die Klage in Bezug auf die verbliebenen Klageanträge aus dem Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 mit einzelnen Erklärungen zurückgenommen. Auch die Klagen zu den anderen drei Berufungen hat er zurückgenommen. Die Sitzungsniederschrift ist mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 an den Klägerbevollmächtigten übersandt worden.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2016 hat der Klägerbevollmächtigte unter anderem gerügt, dass kein Urteil nach geheimer Beratung ergangen sei. Auch eine Beendigung durch Vergleich sei nicht zu erkennen. Schließlich sei der Termin trotz seiner Erkrankung nicht verschoben worden.
Im Schreiben vom 4. Januar 2017 hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, dass Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 eingelegt worden sei. Dieser stehe noch im Raum und habe ohne entsprechende Rechtsprechung des Landessozialgerichtes weiter Bestand. Ferner hat er einen Kostenantrag gestellt.
Im Schreiben vom 5. Januar 2017 hat der Klägerbevollmächtigte gerügt, dass im Programm EUREKA-Fach das Verfahren Az. L 3 AS 529/11 zu Unrecht mit der Erledigungsart "Klagerücknahme" ausgetragen worden sei.
Auf den Protokollberichtigungsantrag im Schreiben vom 6. Januar 2016 hin ist der Berichtigungsbeschluss vom 17. Mai 2017 erlassen worden.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2017 hat der Klägerbevollmächtigte die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens beantragt. Die Klägerin habe auch "gegen die Rechtsentscheidung der Verweigerung der Rechtsentscheidung in mehr als 2/3 der Fälle des SG" Berufung eingelegt. Diesen Teil der Berufung habe sie nicht zurückgenommen.
Daraufhin ist das neue Verfahren unter dem Az. L 3 AS 230/17 angelegt worden.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13. März 2017 unter anderem die Auffassung ver-treten, dass Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorliegen würden.
Im Schreiben vom 4. April 2017 hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, dass eine Verfahrensverbindung nur möglich sei, wenn auch im Termin eine Rechtsentscheidung ergehe. Ein Trennungsbeschluss sei nicht ergangen. Er gehe deshalb davon aus, dass auch die anderen drei Verfahren fortgesetzt würden.
Im Schreiben vom 24. Mai 2017 hat der Klägerbevollmächtigte geäußert, dass er davon ausgehe, dass ein Widerruf der Rücknahmeerklärungen noch im anberaumten Termin am 15. Juni 2017 möglich sei. Es bestünden erhebliche Zweifel an den ehrlichen Absichten des Senates, weil der Senat im Termin am 1. Dezember 2016 ausgeführt habe, dass eine Urteilsberichtigung [gemeint ist eine Urteilsergänzung] nach mehr als fünf Jahren möglich sei. Dies sei aber wahrheitswidrig. Die Möglichkeit einer Urteilsberichtigung sei auf einen Monat beschränkt. Man habe seine Arglosigkeit ausgenutzt.
Der im selben Schreiben gestellte Antrag auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung ist mit Schreiben des Vorsitzenden vom 31. Mai 2017 abgelehnt worden.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2017 hat der Klägerbevollmächtigte die Rücknahme der Rücknahmeerklärungen zu den Klageanträgen Nummern 2 und 3 erklärt.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2017 hat er ferner die Rücknahme der Rücknahmeerklärungen zu den Berufungsverfahren, die unter den Az. L 3 AS 48/12, L 3 AS 665/16 und L 3 AS 893/16 geführt worden sind, erklärt.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt – in Anlehnung an den Antrag im Schreiben vom 23. Januar 2017 – sinngemäß,
das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist, wieder aufzunehmen.
Der Beklagte, der von einer Antragstellung abgesehen hat, vertritt die Auffassung, dass das Berufungsverfahren Az. L 3 AS 529/11 wirksam abgeschlossen sei, und dass die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme oder das Fortsetzen des Verfahrens nicht gegeben seien.
Beim Sozialgericht wird inzwischen unter dem Az. S 21 AS 243/17 ein Klageverfahren geführt, das die zum Verfahren Az. S 5 AS 1383/11 hinzuverbundenen, aber nicht vom Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 erfassten Klageteile zum Gegenstand hat.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere der weiteren Schreiben des Klägerbevollmächtigten und die Antwortschreiben des Gerichts zu den zahlreichen Schreiben des Klägerbevollmächtigten, wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand dieses Verfahrens ist nur die Frage, ob das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist, wirksam beendet worden ist oder ob es wiederaufzunehmen oder fortzuführen ist. Hingegen betrifft dieses Verfahren nicht die durch Klagerücknahmen abgeschlossenen Berufungsverfahren Az. L 3 AS 48/12, L 3 AS 665/16 und L 3 AS 893/16, zu denen der Klägerbevollmächtigte inzwischen mit Schreiben vom 11. Juni 2017 ebenfalls die Rücknahme seiner Klagerücknahmen erklärt hat.
Denn in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 sind die vier genannten Verfahren lediglich "zur gemeinsamen Verhandlung" verbunden worden. Dieser Beschluss unterscheidet sich von dem des Sozialgerichtes Leipzig vom 3. Mai 2011, worin die dort genannten Klageverfahren nicht nur zur gemeinsamen Verhandlung, sondern darüber hinaus zur "[gemeinsamen] Entscheidung" verbunden worden sind.
Ob auf der Grundlage von § 113 SGG eine Verbindung lediglich "zur gemeinsamen Verhandlung" zulässig ist, ist streitig (vgl. die Nachweise bei Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 113 Rdnr. 5; zu § 93 VwGO: Kopp/Schenke, VwGO [22. Aufl., 2016], § 93 Rdnr. 5). Selbst wenn der Auffassung, dass eine Verfahrensverbindung nur "zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung" möglich ist, zu folgen wäre, wäre der Beschluss, in dem Verfahren nur zur "gemeinsamen Verhandlung" verbunden worden sind, in Bezug auf die Frage auszulegen, ob der Beschluss zu einer echten Prozessverbindung führen soll mit der Wirkung, dass auch eine gemeinschaftliche Entscheidung zu erlassen ist, oder ob es sich nur um eine "zur tatsächlichen Vereinfachung dienliche vorübergehende Maßnahme" handeln soll (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1956 – I ZR 82/55 – NJW 1957, 183 f. [Leitsatz]). Vorliegend war wegen der höchst unterschiedlichen Klagebegehren ersichtlich keine Prozessverbindung im eigentlichen Sinne beabsichtigt. Vielmehr sollten die vier Berufungsverfahren nur gemeinsam in einem Termin verhandelt werden, da der Klägerbevollmächtigte bestimmte Punkte (z. B. die Bekanntgabe von Bescheiden an ihn als Bevollmächtigten oder ein – behaupteter – offener Anspruch der Klägerin auf weitere Kosten für Unterkunft und Heizung) in verschiedenen Verfahren angesprochen hat und anspricht unabhängig davon, ob sie mit dem jeweiligen Streitgegenstand in Verbindung stehen.
Die vier Berufungsverfahren, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 gewesen sind, sind deshalb rechtlich selbständige Verfahren geblieben. Das Wiederaufnahme- oder Fortsetzungsbegehren aus dem Schreiben vom 23. Januar 2017 bezieht sich aber sowohl nach dem angegebenen Aktenzeichen als auch nach der Begründung des Wiederaufnahmeantrages nur auf das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist.
Über die neuen Wiederaufnahmeanträge zu den Berufungsverfahren Az. L 3 AS 48/12, L 3 AS 665/16 und L 3 AS 893/16 wird in jeweils gesonderten Verfahren entschieden werden.
II. Die vom Klägerbevollmächtigten verfolgte Wiederaufnahmeklage ist nicht statthaft.
Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann gemäß § 179 Abs. 1 SGG entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (§§ 578 bis 591 ZPO) wieder aufgenommen werden. Gemäß § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage (vgl. § 579 ZPO) und durch Restitutionsklage (vgl. § 580 ZPO) erfolgen. Weitere Wiederaufnahmegründe sind in § 179 Abs. 2 SGG und § 180 Abs. 1 und 2 SGG genannt.
Zulässigkeitsvoraussetzung ist aber, wie sich aus § 179 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 578 Abs. 1 ZPO ergibt, dass sich der Wiederaufnahmeantrag auf ein "durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens" bezieht. Es ist anerkannt, dass auch Gerichtsbescheide, für die die Vorschriften über Urteile entsprechend gelten (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG), sowie rechtskräftige oder nicht anfechtbare Beschlüsse, soweit sie auf einer Sachprüfung beruhen und die die Instanz abschließen, einer Wiederaufnahme zugänglich sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1965 – 11 RA 304/64 – BSGE 23, 30 [31] = juris Rdnr. 6; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 179 Rdnr. 3, m. w. N ...). Demgegenüber ist eine Wiederaufnahmeklage, wenn das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme beendet worden ist, nicht zulässig (so zur Rücknahme der Revision: BSG, Urteil vom 27. März 1961 – 9 RV 1042/59 – SozR Nr. 5 zu § 179 SGG = juris, jeweils Leitsatz 2; vgl. auch Leitherer, a. a. O ..., § 179 Rdnr. 3b, m. w. N.; Ulmer, in: Hennig: Sozialgerichtsgesetz [36. Erg.-Lfg., Januar 2017], § 179 Rdnr. 7).
In Betracht kommt allenfalls eine Fortsetzung des Verfahrens (vgl. Leitherer, a. a. O. m. w. N.; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 102 Rdnr. 12; Hauck, in: Hennig: Sozialgerichtsgesetz [36. Erg.-Lfg., Januar 2017], § 102 Rdnr. 44), wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind (hierzu unten III und V). Der Rechtsstreit um die Fortsetzung des Verfahrens unterscheidet sich vom Streit um die Wiederaufnahme dadurch, dass sich im ersten Fall der Kläger von einer verfahrensbeendenden Erklärung lösen will (vgl. Arndt, in: Breitkreuz/Fichte, SGG [2. Aufl., 2014], § 156 Rdnr. 41).
III. Wenn Streit darüber besteht, ob eine Rücknahmeerklärung wirksam ist, ist der Rechtsstreit fortzusetzen und über die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 1989 – 11 RAr 31/88 – SozR 1500 § 73 Nr. 6 = NJW 1990, 600 = juris Rdnr. 10; Keller, a. a. O ..., § 156 Rdnr. 6).
Vorliegend macht der Klägerbevollmächtigte geltend, dass das Berufungsverfahren, das unter dem Az. L 3 AS 529/11 geführt worden ist, nicht oder zumindest nicht in vollem Umfang beendet sei. Dies wäre dann der Fall, wenn ein Prozessteil noch offen wäre (1), die Rücknahmeerklärungen formell unwirksam wären (2) oder nach den Rücknahmeerklärungen noch ein Urteil oder eine sonstige Entscheidung hätte ergehen müssen (3).
1. Die damals noch nicht vertretene Klägerin hat in der Berufungsschrift vom 9. Juni 2011 angeregt, das Verfahren an die erste Instanz zurückzuverweisen. Zur Begründung hat sie unter anderem angeführt, dass das Sozialgericht zu 2/3 der Klageverfahren keine Entscheidung getroffen habe. Diese Einschätzung der Klägerin ist zutreffend. Denn das Sozialgericht hat in den Tatbestand des Gerichtsbescheides vom 26. Mai 2011 lediglich sechs Anträge aufgenommen und in den Entscheidungsgründen unter Bezugnahme auf jeden einzelnen Antrag (z. B. "Antrag zu 1.") dargestellt, weshalb welcher Antrag unzulässig, unbegründet oder begründet ist. Das Sozialgericht hat auch weder ausdrücklich noch konkludent die Anträge aus den übrigen 15 hinzuverbundenen Klageverfahren in die Entscheidung einbezogen. Insbesondere lässt sich keiner der sechs im Tatbestand enthaltenen Anträge dahingehend auslegen, dass von ihm ein Antrag aus einem der weiteren 15 Klageteile mitumfasst sein soll. Dagegen spricht nicht nur, dass die im Tatbestand aufgenommen Klageanträge sehr stark an die in den Klageschriften formulierten Klageanträge angelehnt und damit kaum einer erweiternden Auslegung zugänglich sind. Vor allem spricht aber dagegen, dass es sich um ganz andere Streitgegenstände handelt, die mit den ausgeurteilten Anträgen in keinem Zusammenhang stehen.
Die Klägerin ist also selbst davon ausgegangen, dass zu diesen Klageteilen das Klageverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Dies entspricht auch der Regelung in § 140 Abs. 1 Satz 1 SGG. Danach wird das Urteil, wenn es einen von einem Beteiligten erhobenen Anspruch oder den Kostenpunkt ganz oder teilweise übergangen hat, auf Antrag nachträglich ergänzt. Mit dieser Regelung bringt der Gesetzgeber zweierlei zum Ausdruck. Zum einen ist nach seiner Vorstellung das Urteil unvollständig, mithin das Klageverfahren noch nicht in vollem Umfang abgeschlossen. Zum anderen ist für die Vervollständigung des Urteils das Sozialgericht zuständig; der noch nicht entschiedene Teil des Klageverfahrens kann damit zwingend nicht Gegenstand eines Berufungsverfahrens werden.
Das Bundessozialgericht hat allerdings in einigen Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass ein sogenanntes "Heraufholen von Prozessresten" möglich sei (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 [226] = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = juris Rdnr. 27; BSG, Urteil vom 10. Dezember 2013 – B 13 R 91/11 R – SozR 4-2600 § 249b Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R –juris Rdnr. 10), jedoch teilweise auch offengelassen, in welchem Umfang ein "Heraufholen von Prozessresten" zulässig sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 49/10 R – SozR 4-4200 § 21 Nr. 10 = juris, jeweils Rdnr. 17). Voraussetzung ist aber stets unter anderem die Zustimmung der Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, a. a. O.). Der erkennende Senat lässt offen, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ein "Heraufholen von Prozessresten" möglich oder zulässig ist. Denn vorliegend fehlt es bereits an der Zustimmung der Klägerseite für ein Heraufholen. Die Klägerin selbst und später ihr Bevollmächtigte haben nämlich im gesamten Berufungsverfahren vorgetragen, dass das Sozialgericht nicht über die gesamte verbundene Klage entschieden haben, und haben gefordert, dass der Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückverwiesen werden soll. Im Übrigen dürfte es nicht zulässig sein, die Vorschrift des § 140 SGG über die Urteilsergänzung jedenfalls in Fällen, in denen – wie vorliegend – das Sozialgericht über wesentliche Teile einer Klage nicht entschieden hat, nicht zur Anwendung zu bringen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens Az. L 3 AS 529/11 ist deshalb nur der Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes vom 26. Mai 2011 mit den darin behandelten sechs Klagepunkten gewesen. Da die Klägerin allerdings in der Berufungsschrift vom 9. Juni 2011 erklärt hat, dass sich die Berufung nicht gegen die Feststellung des Sozialgerichtes wende, dass keine Zurückweisung ihres Bevollmächtigten erfolgt sei, ist die für sie positive Entscheidung zum Klageantrag Nummer 1 rechtskräftig geworden. Gegenstand des Berufungsverfahrens Az. L 3 AS 529/11 ist deshalb nur noch der Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes vom 26. Mai 2011 gewesen, soweit die Klageanträge Nummern 2 bis 6 als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden sind.
Zum Klageantrag Nummer 6 hat der Klägerbevollmächtigte bereits im Schriftsatz vom 27. November 2016 die Rücknahme der Klage erklärt und dies in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 nochmals bestätigt. Zu den danach verbliebenen Klageanträgen Nummern 2 bis 5 aus dem Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 hat der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 jeweils die Rücknahme der Klage erklärt.
Damit sind zu allen Verfahrensteilen, die Gegenstand des Berufungsverfahrens Az. L 3 AS 529/11 gewesen sind, Klagerücknahmeerklärungen abgegeben worden.
2. Eine Klagerücknahme ist eine Prozesserklärung, an deren Wirksamkeit der Gesetzgeber bestimmte Anforderungen stellt. Diese sind hier erfüllt.
Wenn eine Klagerücknahme zu Protokoll des Gerichtes erklärt wird, ist § 122 SGG zu beachten. Dort werden für die Niederschrift die §§ 159 bis 165 der Zivilprozessordnung (ZPO) für entsprechend geltend erklärt. Nach § 165 Satz 1 SGG kann die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden.
Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGG ist über die Verhandlung und jede Beweisaufnahme ein Protokoll aufzunehmen. Im Protokoll ist nach § 160 Abs. 3 Nr. 8 SGG die Zurücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels festzustellen. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 SGG ist das Protokoll insoweit, als es unter anderem Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 8 SGG enthält, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Wenn – wie vorliegend – der Inhalt des Protokolls nur vorläufig aufgezeichnet worden ist, genügt es, wenn die Aufzeichnungen vorgelesen oder abgespielt werden (vgl. § 162 Abs. 1 Satz 2 SGG). Nach § 162 Abs. 1 Satz 3 SGG ist in dem Protokoll zu vermerken, dass dies geschehen und die Genehmigung erteilt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
Diesen Anforderungen genügt die Niederschrift zum Termin der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016. Nach den protokollierten Rücknahmeerklärungen des Klägerbevollmächtigten zu den Klageanträgen Nummer 2 bis 5 ist jeweils der Protokollvermerk "laut diktiert, vorgespielt und genehmigt" aufgenommen.
Ferner ist das Protokoll entsprechend der Vorgaben in § 163 Abs. 1 ZPO vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben.
3. Nach den in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 erklärten Klagerücknahmen hat es keiner Entscheidung mehr zur Berufung bedurft.
Nach § 125 SGG, der auch für das Berufungsverfahren gilt, wird über die Klage, soweit nichts anderes bestimmt ist, durch Urteil entschieden. Anderes ist betreffend die Klagerücknahme in § 102 SGG geregelt. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils (oder des ihm gleichstehenden Gerichtsbescheides) zurücknehmen. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG erledigt die Klagerücknahme den Rechtsstreit in der Hauptsache. Wenn die Klage zurückgenommen ist, stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Ein solcher Antrag auf Erlass eines Einstellungsbeschlusses ist zum Berufungsverfahren Az. L 3 AS 529/11 weder vom Klägerbevollmächtigten noch vom Beklagten gestellt worden. Der Klägerbevollmächtigte hat lediglich einen Antrag auf Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG gestellt. Über diesen ist zu entscheiden, sobald feststeht, dass das Berufungsverfahren Az. L 3 AS 529/11 beendet ist.
IV. Die vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 erklärten Rücknahmen von Klagen können nicht angefochten werden (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 1960 – 11/9 RV 214/57 – SozR Nr. 3 zu § 119 BGB = MDR 1960, 617 = juris Rdnr. 9; BSG, Urteil vom 24. April 2003 – B 11 AL 33/03 B – juris Rdnr. 3; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 156 Rdnr. 2a; Fock, in: Breitkreuz/Fichte, SGG [2. Aufl., 2014], § 156 Rdnr. 5). Diesbezüglich hat das Bundessozialgericht bereits im Urteil vom 6. April 1960 ausgeführt, dass die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Anfechtung von Willenserklärungen (§§ 119 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) auf Prozesshandlungen nicht anwendbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 1960, a. a. O.). Entsprechendes gilt für den Widerruf einer Prozesserklärung (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. August 2003 – L 18 KN 26/03 – juris Rdnr. 14; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. November 2004 – L 2 KN 118/04 P – juris Rdnr. 12; Keller, a. a. O.; Fock, a. a. O.). Daraus folgt, dass auch die Rücknahme einer Rücknahmeerklärung, hier bezüglich der Klageanträge Nummern 2 und 3, nicht zulässig ist.
Da eine Anfechtung einer Klagerücknahmeerklärung ausgeschlossen ist, ist auch eine Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung nicht möglich. Lediglich zur Klarstellung weist der Senat deshalb darauf hin, dass die Unterstellungen des Klägerbevollmächtigte, der Senat habe in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2016 "keine ehrlichen Absichten" gehabt, und seine Behauptung, "die Arglosigkeit des Prozessvertreters" sei ausgenutzt worden, jeglicher Grundlage entbehren.
Die Behauptung des Klägerbevollmächtigten, dass der Senat darauf hingewiesen habe, dass nach fünf Jahren eine Urteilsberichtigung [gemeint ist eine Urteilsergänzung] möglich sei, ist unrichtig. Eine solche Äußerung wurde nicht getätigt. Vielmehr ist in der Sitzungsniederschrift auf Seite 5 (oben) festgehalten: "Der Vorsitzende stellt fest, dass auf Grund der Erklärungen des Klägerbevollmächtigten die Berufung im vollen Umfange erledigt ist. Das Gericht geht entsprechend den Ausführungen im Schriftsatz vom 10. November 2016 davon aus, dass nur in dem Umfang der Anträge, wie sie im angefochtenen Gerichtsbescheid aufgenommen sind, eine Entscheidung im Klageverfahren getroffen worden ist. Der Senat geht ferner davon aus, dass bereits in der Berufungsschrift vom 9. Juni 2011 mit der Rüge, das nicht über alle Klageanträge entschieden worden ist und dass eine Zurückverweisung der Sache beantragt wird, konkludent ein Antrag nach § 140 SGG auf Urteilsergänzung in den nichtbeschiedenen Klageteilen enthalten ist." Da der Klägerin der Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011, gegen den sich die Berufung Az. L 3 AS 529/11 gerichtet hat, am 1. Juni 2011 zugestellt worden ist und die Klägerin bereits am 10. Juni 2011 (mit der Berufungsschrift vom 9. Juni 2011) Berufung eingelegt hat, ist die Berufungsschrift innerhalb der Monatsfrist aus § 140 Abs. 1 Satz 2 SGG eingegangen. Wenn aber ein – gegebenenfalls auch konkludenter – Antrag auf Urteilsergänzung fristgerecht gestellt worden ist, gibt es keine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf das Gericht befugt wäre, nicht mehr über diesen Antrag zu entscheiden, oder sogar an einer solchen Entscheidung gehindert wäre.
V. Auch für eine in der Rechtsprechung und im Schrifttum diskutierte ausnahmsweise Wiederaufnahme oder Fortführung des Verfahrens sind vorliegend die geforderten Voraussetzungen nicht gegeben.
1. Abweichend von dem Grundsatz, dass eine Rücknahmeerklärung weder angefochten noch widerrufen werden kann, hat das Bundessozialgericht in den Urteilen vom 8. Mai 1970 und 14. Juni 1978 entschieden, dass in dem Fall, dass ein prozessunfähiger Beteiligter, der keinen gesetzlichen Vertreter hat und in dem Rechtsstreit für prozessfähig gehalten wird, die Berufung zurücknimmt, zwar diese Prozesshandlung das angefochtene Urteil in der gleichen Weise rechtskräftig werden lasse, wie wenn sie von einem prozessfähigen Beteiligten vorgenommen worden wäre. Jedoch könne das rechtskräftige Urteil mit der Nichtigkeitsklage (vgl. § 179 Abs. 1 SGG i. V. m. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) beseitigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 1970 – 7 RU 12/70 – SozR Nr. 7 zu § 156 SGG = NJW 1970, 1624 = juris, jeweils Leitsatz; BSG, Urteil vom 14. Juni 1978 – 9/10 RV 31/77 – SozR 1500 § 102 Nr. 2 = juris, jeweils Leitsatz). Ein solcher Fall einer Prozessunfähigkeit liegt hier aber nicht vor.
2. Weitergehend wird gelegentlich die Auffassung vertreten, dass ein Wiederaufgreifen eines durch Zurücknahme der Klage beendeten Rechtsstreits ausnahmsweise dann möglich sei, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne der §§ 179, 180 SGG in Verbindung mit den §§ 579 f ZPO vorliegen würden (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 18. Mai 2011 – L 16 AS 48/11 – juris Rdnr. 17), oder dass in den engen Grenzen des Vorliegens der Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens ein Widerruf der Klagerücknahme denkbar sei (vgl. Thür. LSG, Urteil vom 18. Februar 2004 – L 1 U 831/03 – juris Rdnr. 13; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. November 2009 – L 12 AS 14/09; Bay. LSG, Urteil vom 18. Mai 2011 – L 9 AL 249/09 – juris Rdnr. 18; Fock, in: Breitkreuz/Fichte, SGG [2. Aufl., 2014], § 156 Rdnr. 5). Für den Sonderfall eines dem Gericht gegenüber erklärten Anerkenntnisses hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 8. September 2015 entschieden, dass dieses lediglich dann widerrufen werden könne, wenn es von einem Restitutionsgrund betroffen sei, aufgrund dessen das Anerkenntnisurteil mit der Wiederaufnahmeklage beseitigt werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2015 – B 1 KR 1/15 R – BSGE 119, 293 ff. = SozR 4-1500 § 101 Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 14).
Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Rechtsauffassung zu folgen ist. Denn im Falle der Klägerin liegt kein Wiederaufnahmegrund vor.
Nach § 579 Abs. 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage – als eine Variante der Wiederaufnahmeklage – statt: 1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; 2. wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist; 3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; 4. wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
Nach § 580 ZPO findet die Restitutionsklage statt: 1. wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 2. wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 3. wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat; 4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist; 5. wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat; 6. wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; 7. wenn die Partei a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde; 8. wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.
Ferner ist nach § 179 Abs. 2 SGG die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat. Schließlich ist nach § 180 Abs. 1 SGG eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch zulässig, wenn 1. mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig anerkannt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig zur Leistung verurteilt worden sind, 2. ein oder mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig abgelehnt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig von der Leistungspflicht befreit worden sind, weil ein anderer Versicherungsträger leistungspflichtig sei, der seine Leistung bereits endgültig abgelehnt hat oder von ihr rechtskräftig befreit worden ist.
Für keinen der genannten Wiederaufnahmegründe hat der Klägerbevollmächtigte auch nur ansatzweise etwas vorgetragen.
3. Schließlich soll ein Verfahrensbeteiligter in Ausnahmefällen geltend machen können, dass die Prozesshandlung für das Gericht und den Gegner im Zeitpunkt des Zugangs als Versehen offenbar gewesen ist und es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar wäre, wenn er an der Prozesshandlung festgehalten würde (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], Vor § 60 Rdnr. 12a, m. w. N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Soweit eine Widerrufsmöglichkeit bei falschem Hinweis auf die vermeintliche Unzulässigkeit einer Klage oder bei einem offensichtlichen Versehen des Erklärenden erwogen wird (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 102 Rdnr. 7c, m. w. N.), kann offen bleiben, inwieweit solche Fallkonstellationen tatsächlich einen Widerruf ermöglichen können (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2011 – L 25 AS 1621/11 B ER WA – juris Rdnr. 4; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2017 – L 25 AS 931/16 – juris Rdnr. 24). Denn auch die diesbezüglich erforderlichen Voraussetzungen würden nicht vorliegen.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Sie betrifft nur das vorliegende Verfahren zum Wiederaufnahmeantrag aus dem Schreiben vom 23. Januar 2017. Über den Kostenantrag zum Berufungsverfahren Az. L 3 AS 529/11 wird gesondert entschieden werden.
VII. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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