L 5 R 82/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 24 R 2219/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 82/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Feststellung der Zeit der Ausbildung in einem Vermerkungsbescheid
Die Beklagte war nicht berechtigt, den Vormerkungsbescheid teilweise nach § 45 SGB X zurückzunehmen. Zwar ist er insoweit rechtswidrig, als mit ihm der streitige Zeitraum als Zeit der Hochschulausbildung festgestellt wurde, weil es sich um eine Zeit der Fachschulausbildung gehandelt hat. Jedoch sind die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 Abs. 2 SGB X nicht erfüllt.
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 5. Januar 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2012 über die teilweise Rücknahme des Vormerkungsbescheides vom 24. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2012 insoweit aufgehoben wird, als er den Zeitraum 1. September 1980 bis 26. August 1983 betrifft.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin im Zeitraum 1. September 1980 bis 26. August 1983 an der Agraringenieurschule Z ... absolvierte Ausbildung in ihrem Versicherungsverlauf als Zeit der Hoch- oder Fachschulausbildung festzustellen ist.

Die 1960 geborene Klägerin studierte im streitigen Zeitraum an der Agraringenieurschule Z ... Industriemäßige Tierproduktion in der Fachrichtung Landwirtschaftliche Tierproduktion, wobei sie mit Zeugnis vom 26. August 1983 den Fachschulabschluss sowie die Berechtigung erwarb, die Berufsbezeichnung "Agraringenieur" zu führen.

Mit Vormerkungsbescheid vom 24. September 2007 (Anlage zur Verwaltungsakte [VA] der Beklagten) stellte die Beklagte im Versicherungsverlauf der Klägerin den Zeitraum 16. Juli 1980 bis 26. August 1983 als Zeit der Hochschulausbildung fest (Anlage 2 zum Bescheid vom 24. September 2007). Mit Schreiben vom 30. April 2012 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten teilweisen Rücknahme des Feststellungsbescheides vom 24. September 2007 an, weil die Zeit vom 16. Juli 1980 bis 26. August 1983 zu Unrecht als Zeit der Hochschulausbildung berücksichtigt worden sei. Stattdessen habe im Zeitraum 1. September 1980 bis 26. August 1983 eine Fachschulausbildung stattgefunden. Daraufhin stellte die Klägerin beim Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Y ... einen Antrag auf Nachdiplomierung für Fach- und Ingenieurabschlüsse. Mit Bescheid vom 4. Juni 2012 nahm die Beklagte den Feststellungsbescheid vom 24. September 2007 insoweit zurück, als er den Zeitraum 16. Juli 1980 bis 26. August 1983 als Zeit der Hochschulausbildung berücksichtigte (Bl. 40 VA). Mit Vormerkungsbescheid vom selben Tag stellte sie den streitigen Zeitraum als Zeit der Fachschulausbildung fest (Bl. 58 VA). Ein Vertrauen auf den Bestand des Feststellungsbescheides sei nicht gegeben, weil die Klägerin habe erkennen können, dass die Hochschulausbildung zu Unrecht anerkannt worden sei. Den hiergegen erhobenen (nicht begründeten) Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2012 zurück.

Mit ihrer am 12. Dezember 2012 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2012 über die Feststellung der Gleichwertigkeit eines Bildungsabschlusses bestätigte das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Y ... die Berechtigung der Klägerin, den akademischen Grad Diplom-Ingenieur (FH) zu führen und stellte unter demselben Datum eine entsprechende Urkunde aus (Bl. 33 bzw. 23 Gerichtsakte [GA]). In den Gründen des Bescheides wird ausgeführt: "In Verbindung mit der nachgewiesenen Berufstätigkeit steht der oben genannte Abschluss einem Abschluss gleich, der an einer Fachhochschule in dem Teil Deutschlands erworben wurde, in dem das Grundgesetz bereits vor dem 3. Oktober 1990 galt". Mit Gerichtsbescheid vom 5. Januar 2015 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 4. Juni 2012 über die teilweise Zurücknahme des Feststellungsbescheides vom 24. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2015 "dahingehend aufgehoben, als dass er für die Zeit vom 01.09.1980 bis 26.08.1983 eine Zeit der Fachschulausbildung feststellte" sowie den Vormerkungsbescheid vom 4. Juni 2012 "dahingehend aufgehoben, als dass er für die Zeit vom 01.09.1980 bis 26.08.1983 die Feststellung vorliegender Fachschulausbildung traf". Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das von der Klägerin absolvierte Studium an der Agraringenieurschule Z ... sei im Versicherungsverlauf als Hochschulstudium einzuordnen. Die Beklagte sei nur berechtigt gewesen, den Feststellungsbescheid vom 24. September 2007 bezüglich der Zeit vom 16. Juli bis 31. August 1980 zurückzunehmen. Diese Zeit sei fehlerhaft als Hochschulausbildung erfasst worden, wohingegen der Zeitraum 1. September 1980 bis 26. August 1983 zu Unrecht als Fachschulausbildung eingeordnet worden sei. Da die Klägerin den heutigen vergleichbaren Berufsabschluss nur auf einer Fachhochschul- oder Hochschulebene erreichen könne, sei auch die Ausbildung in der ehemaligen DDR dieser Ausbildung zuzuordnen. Sie sei als Fachhochschulausbildung anzusehen, die es jedoch als gesonderte Zeit nach dem SGB VI nicht gebe. Eine Fachhochschule sei jedoch näher an einer Hochschule als an einer Fachschule.

Gegen den am 12. Januar 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 3. Februar 2015 Berufung eingelegt. Die Klägerin habe an einer Fachschule einen Fachschulabschluss erworben. Daran ändere auch die nachträgliche Graduierung nichts. Dass dies keine Hochschule gewesen sei, sei der Klägerin erkennbar gewesen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 5. Januar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Dem Gericht lagen die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte, ohne mündlich zu verhandeln, entscheiden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden sind, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Dresden hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. Januar 2015 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 4. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2012 sind insoweit rechtswidrig, als mit ihnen die Feststellung des Zeitraums 1. September 1980 bis 26. August 1983 als Zeit der Hochschulausbildung im Vormerkungsbescheid vom 24. September 2007 zurückgenommen und der Zeitraum als Zeit der Fachschulausbildung festgestellt wurde.

Die Beklagte war nicht berechtigt, den Vormerkungsbescheid vom 24. September 2007 (teilweise) zurückzunehmen. Gemäß § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Zwar ist der Vormerkungsbescheid vom 24. September 2007 insoweit rechtswidrig, als mit ihm der streitige Zeitraum 1. September 1980 bis 26. August 1983 als Zeit der Hochschulausbildung festgestellt wurde, weil es sich um eine Zeit der Fachschulausbildung handelt (vgl. hierzu 1.). Jedoch konnte die Beklagte den Bescheid nicht wirksam zurücknehmen und den Zeitraum als Zeit der Fachschulausbildung feststellen, weil die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 SGB X nicht vorliegen (vgl. hierzu 2.).

1. Der Vormerkungsbescheid vom 24. September 2007 ist im Hinblick auf den streitigen Zeitraum rechtswidrig. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts handelt es sich nicht um eine Zeit der Hochschulausbildung im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).

Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten unter anderem Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. Die Vorschrift setzt hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Besuch der Hochschule", nach Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck voraus, dass der Versicherte während dieser Zeit an einer Hochschule (zur Erlangung einer beruflichen Qualifikation) studiert hat, die ihm einen Weg ins Berufsleben eröffnet (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 – 4 RA 67/97 – juris Rn. 18). Der Begriff der Hochschule ist dabei so zu verstehen, wie ihn die staatlichen Organisationsregelungen definieren (KassKomm/Gürtner SGB VI § 58 Rn. 44-50, beck-online). Nach § 1 Hochschulrahmengesetz (HRG) sind Hochschulen im Sinne dieses Gesetzes die Universitäten, die Pädagogischen Hochschulen, die Kunsthochschulen, die Fachhochschulen und die sonstigen Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind, sowie die staatlich anerkannten Hochschulen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kommt es dafür, ob die besuchte Bildungseinrichtung eine Hochschule ist, in erster Linie auf ihren Status als anerkannte Universität oder Hochschule an (BSG, Urteil vom 25. November 1986 – 11a RA 66/85 – juris Rn. 9 unter Verweis auf: BSGE 52, 86 = SozR 2200 § 1259 Nr. 52; Urteil vom 27. Februar 1997 – 4 RA 113/95 –, juris Rn. 16). Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, war die Agraringenieurschule (ausweislich des Zeugnisses der Klägerin vom 26. August 1983) jedenfalls im Zeitpunkt der Ausbildung der Klägerin aber keine Hoch- oder Fachhochschule, sondern ihrer Bezeichnung nach eine Fachschule. Dem entsprechend erlangte die Klägerin (nach dreijähriger Ausbildung) einen Fachschulabschluss, keinen Hoch- oder Fachhochschulabschluss.

Zwar können neben dem Status der Bildungseinrichtung insbesondere in den Fällen, in denen eine staatliche Anerkennung nicht erforderlich ist, die Zugangsvoraussetzungen in Gestalt einer allgemeinen oder fachgebundenen Hochschulreife sowie die Qualität der vermittelten Ausbildung die Annahme einer Hochschule rechtfertigen (so zumindest KassKomm/Gürtner SGB VI § 58 Rn. 44-50, beck-online unter Verweis auf: BSGE 61, 35 = SozR 2200 § 1259 Nr. 96 und BVerwGE 92, 340). Nach der Rechtsprechung des BSG soll es auf die Besonderheiten des Ausbildungsganges dort ankommen, wo - ausnahmsweise - dieser nach Art und Inhalt mit dem Gattungsbegriff der Ausbildungsstätte nicht übereinstimmt, also etwa an einer Hochschule ein Ausbildungsgang angeboten wird, der als eine schulische Ausbildung an einer Fachschule zu werten ist (BSG, Urteil vom 25. November 1986 – 11a RA 66/85 –, juris Rn. 9 unter Verweis auf: Stellungnahme des BR in BT-Drucks 7/2098 S 26). Andere als für die Hochschule typischen Ausbildungen seien selbst dann nicht Hochschulausbildung, wenn sie im Einzelfall dort stattfinden (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 – 4 RA 67/97 –, juris Rn. 18 unter Verweis auf: Urteil des 1. Senats vom 18. September 1963 in SozR § 1259 Nr. 9). So liegt der Fall hier jedoch gerade nicht. Die Klägerin hat eine der Agraringenieurschule entsprechende Ausbildung zum Agraringenieur und mithin eine Fachschulausbildung durchlaufen, woraus sie nach lediglich dreijähriger Ausbildung einen Fachschulabschluss erlangt hat, der gerade nicht – weder aufgrund des Status der Bildungsstätte noch aufgrund der Art der durchlaufenen Ausbildung – der Qualität eines Hochschulabschlusses entspricht.

Hieran vermag entgegen ihrer Ansicht der Bescheid des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Y ... vom 20. Dezember 2012 nichts zu ändern. Zum einen wird darin lediglich der erlangte Abschluss (nachträglich) dem Abschluss an einer Fachhochschule in der Bundesrepublik gleichgestellt, nicht hingegen die Ausbildung als solche, weshalb sie nicht allein aufgrund der Gleichstellung des Abschlusses nachträglich zu einer Fachhochschulausbildung wird. Zum anderen erfolgt die Gleichstellung auch nicht allein aufgrund des erlangten Abschlusses, sondern ausdrücklich (auch) aufgrund des Nachweises einer mindestens dreijährigen einschlägigen Berufstätigkeit nach dem Studium. Nicht der erlangte Abschluss allein führt deshalb zur Gleichstellung mit einem Fachhochschulabschluss, sondern nur im Zusammenhang mit der nachgewiesenen Berufstätigkeit wird er zu einem Fachhochschulabschluss aufgewertet. Deshalb beruht auch die Gleichstellung weder auf dem Status der Bildungsstätte noch auf der Qualität der durchlaufenen Ausbildung und kann nur im Zusammenhang mit einer mehrjährigen einschlägigen Berufstätigkeit gesehen werden.

2. Allerdings sind die weiteren Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 SGB X nicht erfüllt. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

Das Vertrauen der Klägerin in den Bestand des Vormerkungsbescheides ist schutzwürdig im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Da die Beklagte den Versicherungsverlauf im streitigen Zeitraum mit Vormerkungsbescheid vom 24. September 2007 ausdrücklich verbindlich festgestellt hat, konnte die Klägerin auch auf die Verbindlichkeit dieser Feststellung vertrauen. Das öffentliche Interesse an der Rücknahme überwiegt auch nicht gegenüber dem durch den Bescheid begründeten Vertrauen der Klägerin. Hierbei ist unter anderem zu berücksichtigen, dass die Ursache für den Erlass des rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes allein in der Sphäre der Beklagten liegt. Dies allein führt zwar in der Regel nicht zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens. Hinzu kommt vorliegend aber, dass zwischen Erlass des Bescheides und seiner Rücknahme ein erheblicher Zeitraum von ca. fünf Jahren verstrichen ist, weshalb das Vertrauen der Klägerin auch durch Zeitablauf gestärkt wurde.

Schließlich sind keine Ausschlussgründe im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ersichtlich. Die Voraussetzungen des allein in Frage kommenden Tatbestandes der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis sind nicht erfüllt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des Vormerkungsbescheides im Hinblick auf die Feststellung des streitigen Zeitraums als Zeit der Hochschulausbildung hatte. Auch grob fahrlässige Unkenntnis kann ihr nicht vorgeworfen werden. Nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne liegt etwa dann vor, wenn unbeachtet bleibt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen bzw. aufgrund einfachster und ganz nahe liegender Überlegungen hätte erkannt werden können. Maßstab ist die persönliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen, wobei das individuelle Vermögen, die Fehlerhaftigkeit der gemachten bzw. unterlassenen Angabe erkennen zu können, ausschlaggebend ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn dem Versicherten ohne weitere Überlegung klar sein musste, dass er den betreffenden Umstand mitteilen musste (BSG, Urteil vom 12. Februar 1980 – 7 RAr 13/79 – juris Rn. 27; Schütze, in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014 § 45 Rn. 52 und § 48 Rn. 23).

Der Klägerin hätte im vorliegenden Fall allein aufgrund des Studiums des Versicherungsverlaufs nicht aufgrund einfachster und naheliegender Überlegungen klar sein müssen, dass der Vormerkungsbescheid im Hinblick auf den streitigen Zeitraum fehlerhaft ist. Zwar war aus seinem Wortlaut erkennbar, dass die Beklagte den Zeitraum als Zeit der "Hochschulausbildung" festgestellt hat. Auch wusste die Klägerin, dass sie selbst eine Agraringenieurschule besucht und dort einen Fachschulabschluss erlangt hat. Inwieweit sich diese Tatsachen widersprechen oder gar gegenseitig zwingend ausschließen, unterliegt jedoch u.a. einer rechtlichen Bewertung, der die Klägerin, die eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert hat, nicht ohne weiteres gewachsen war. Die Differenzierung zwischen Schul-, Fach- und Hochschulausbildung, wie sie § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI vorsieht, musste der Klägerin genauso wenig bekannt sein wie die Vorschrift in § 1 HRG, die eine Hochschule näher definiert. Da die Begriffe von der Beklagten im Bescheid selbst auch nicht erläutert werden, ist es nicht fernliegend, wenn die Klägerin davon ausgegangen ist, dass die Ausbildung an der Agraringenieurschule im Sinne einer Ausbildung an einer "höheren" Schule als "Hochschulausbildung" im weiteren Sinne anzusehen ist.

Dahinstehen kann, ob die weiteren Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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