L 3 AS 803/17 B

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 40 AS 3243/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 803/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Entscheidung darüber, ob gegen einen Beteiligten, der trotz der Anordnung seines persönlichen Erscheinens ausgeblieben ist, ein Ordnungsgeld festgesetzt wird, steht im Ermessen des Gerichtes.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten, der mit seiner Beschwerde gegen einen Ordnungsgeldbeschluss obsiegt, sind nicht dem Verfahrensgegner aufzuerlegen, sondern die Staatskasse hat sie zu tragen.
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 3. Juli 2017 aufgehoben.

II. Die Staatskasse hat der Klägerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 3. Juli 2017, mit dem gegen sie wegen nicht ausreichend entschuldigten Ausbleibens ein Ordnungsgeld in Höhe von 400,00 EUR verhängt wurde.

In den dem Ordnungsgeldbeschluss zugrunde liegenden Klageverfahren hat sich die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2013 gewandt, mit dem diese die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 29. Februar 2008 aufgehoben und die Erstattung von zu Unrecht gezahlten Leistungen gefordert hatte.

Am 5. Mai 2017 hat das Sozialgericht die Klägerin zur mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2017 geladen und unter Belehrung über die Rechtsfolgen eines unentschuldigten Fernbleibens ihr persönliches Erscheinen zum Termin angeordnet. Mit Schreiben vom 18. Mai 2017, eingegangen am 22. Mai 2017, hat die Klägerin beantragt, sie vom persönlichen Erscheinen zu entbinden. Sie befinde sich in einem Beschäftigungsverhältnis und es handele sich beim 31. Mai 2017 um einen Arbeitstag. Da sich ein Teil der Kollegen im geplanten Urlaub befinde, sei es ihr nicht möglich, einen Urlaubstag zu beantragen. Mit Schreiben vom 24. Mai 2017 hat der Kammervorsitzende ihr mitgeteilt, dass er ihr persönliches Erscheinen angeordnet habe, da es zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig erscheine. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass ihr Arbeitgeber sie für den Gerichtstermin freistellen müsse, so dass sie keinen Urlaub nehmen müsse und Verdienstausfall sowie Fahrtkosten durch das Gericht erstattet würden. Vorsorglich hat er darauf hingewiesen, dass bei unentschuldigtem Fernbleiben ein Ordnungsgeld verhängt werden könne.

Gleichwohl ist die Klägerin zum Termin am 31. Mai 2017 nicht erschienen. Die mündliche Verhandlung hat vertagt werden müssen.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2017 hat der Kammervorsitzende die Klägerin zur Verhängung eines Ordnungsgeldes angehört und in der Sache rechtliche Hinweise erteilt. Die Klägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 12. Juni 2017 mitgeteilt, dass sie am 18. Mai 2017 darüber informiert worden sei, dass sie am 1. Juni 2017 vom Jobcenter, bei dem sie bislang tätig gewesen sei, in die Kernverwaltung abordnet werde. Demzufolge habe sie ihren bisherigen Aufgabenbereich abzuarbeiten und zu übergeben gehabt.

Mit Beschluss vom 3. Juli 2017 hat das Sozialgericht gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 400,00 EUR verhängt. Sie sei trotz der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens ohne Mitteilung von ausreichenden Hinderungsgründen zum Termin nicht erschienen. Hierzu habe sie lediglich eine berufliche Verhinderung geltend gemacht. Zeugenpflichten würden aber insbesondere beruflichen Pflichten vorgehen. Als Arbeitnehmerin habe ihr ein Anspruch auf Freistellung von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistungen zugestanden, da die Erfüllung der Arbeitspflicht wegen des zeitlichen Zusammentreffens mit der vorrangigen Zeugenpflicht unzumutbar sei. Angesichts ihrer fortdauernden Beschäftigung sei zu erwarten, dass sie von der Höhe des Ordnungsgeldes finanziell nicht überfordert werde. Zudem bedürfte es in der Regel keiner eingehenden Begründung bei Festsetzung der Höhe des Ordnungsgeldes zu treffenden Ermessensentscheidung des Gerichts, wenn sich das Ordnungsgeld, wie hier, im unteren Mittel des vorgegebenen Rahmens bewege.

Hiergegen hat die Klägerin am 25. Juli 2017 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ihrer damaligen Arbeitssituation eine Bestätigung ihres Arbeitgebers, dem Jobcenter Landkreis Görlitz, vorgelegt. Hierin ist sie gebeten worden, für die Zeit vom 22. Mai 2017 bis zum 7. Juni 2017 keinen Urlaub oder die Absetzung von Mehrstunden zu beantragen, um den hohen Arbeitsaufwand im Hinblick auf die Abordnung in ein anderes Sachgebiet mit einer neuen Arbeitsaufgabe für die Zeit ab dem 2. Juni 2017 realisieren zu können.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld verhängt.

Nach § 202 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 141 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann gegen eine im Termin ausgebliebene Partei Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienen Zeugen (vgl. §§ 380, 381 ZPO) festgesetzt werden. Gemäß § 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ein Ordnungsgeld auferlegt.

a) Die Entscheidung über die Festsetzung von Ordnungsgeld ergeht durch Beschluss (vgl. § 142 SGG). Das Sozialgericht konnte den Ordnungsgeldbeschluss auch noch nach dem Ende der mündlichen Verhandlung erlassen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Juli 2015 – L 3 BK 2/13 BNZS 2015, 799 f. = juris Rdnr. 14; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 12 Rdnr. 2b; Kühl. in: Breitkreuz/Fichte, SGG, [2. Aufl., 2014], § 111 Rdnr. 3; Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung [32. Aufl., 2018], § 381 Rdnr. 5). Den Beschluss hatte der Kammervorsitzende allein, das heißt ohne Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern, zu erlassen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 3 SGG).

b) Die Klägerin war ordnungsgemäß geladen. Auch hatte der Kammervorsitzende gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 SGG das persönliche Erscheinen der Klägerin zum Termin der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2017 angeordnet. Gemäß § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG ist dabei auf die Folgen des Ausbleibens, nämlich auf die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsgeld bei unentschuldigtem Ausbleiben (vgl. § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO), hinzuweisen. Das Ladungsschreiben vom 4. Dezember 2014 enthält einen formularmäßigen Hinweis, der diesen Anforderungen genügt.

Die Klägerin ist unbestritten zum Termin der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2017 nicht erschienen.

c) Der Ordnungsgeldbeschluss ist jedoch rechtswidrig, weil nicht zu erkennen ist, ob das Sozialgericht Ermessen ausgeübt hat.

Die Entscheidung darüber, ob gegen einen Beteiligten, der trotz der Anordnung seines persönlichen Erscheinens ausgeblieben ist, ein Ordnungsgeld festgesetzt wird, steht im Ermessen des Gerichtes (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Juli 2015, a. a. O., Rdnr. 20, m. w. N.; Thür. LSG, Beschluss vom 17. Juli 2014 – L 6 KR 507/14 B – juris Rdnr. 15; Sächs. LSG, Beschluss vom 3. April 2017 – L 7 AS 919/16 B – juris Rdnr. 17; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Mai 2017 – L 31 AS 1027/17 B – juris Rdnr. 11 f.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 111 Rdnr. 6a, m. w. N.). Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Denn nach § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO "kann" gegen die im Termin ausgebliebene Partei Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden.

Aus der Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 3. Juli 2017 ist nicht zu ersehen, ob dem Sozialgericht die Pflicht zur Ermessensentscheidung bewusst gewesen ist. So findet das Wort "Ermessen" keine Erwähnung. Auch die Begründung dieses Beschlusses im Übrigen lässt nicht erkennen, dass das Sozialgericht in Bezug auf die Frage, ob es wegen des Nichterscheinens der Klägerin ein Ordnungsgeld verhängen oder auf Grund von Besonderheiten des Einzelfalles hiervon absehen will, Ermessenserwägungen angestellt hat. So deutet der Eingangssatz der Beschlussbegründung darauf hin, dass das Sozialgericht von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist. Denn es ist formuliert, dass gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld zu verhängen "war", weil sie der mündlichen Verhandlung ferngeblieben sei. Im nächsten Satz erläutert das Sozialgericht, dass einem ordnungsgemäß geladenen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet sei und der dennoch nicht erscheine, ein Ordnungsgeld auferlegt "wird". Im nachfolgenden Absatz der Beschlussbegründung hat das Sozialgericht eingehend – und in der Sache zutreffend – dargelegt, weshalb das Fernbleiben der Klägerin nicht ausreichend entschuldigt ist. Das Sozialgericht hat jedoch an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht, dass es in seine Entscheidung auch einbezogen hat, trotz des Fernbleibens der Klägerin von der Festsetzung eines Ordnungsgeldes abzusehen.

Ermessen hat das Sozialgericht erst im Zusammenhang mit der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes ausgeübt. Auch dort deutet der Einleitungssatz ("Hier war das Ordnungsgeld [ ] auf die Höhe von 400 EUR festzusetzen, [ ].") zunächst darauf hin, dass das Sozialgericht erneut von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist. Im Anschluss werden aber Erwägungen zur Bestimmung der im Fall der Klägerin angemessenen Höhe des Ordnungsgeldes und zum erforderlichen Begründungsumfang "dieser Ermessensentscheidung" angestellt. Eine Ermessensausübung zur Höhe des Ordnungsgeldes, das heißt zum "Wie", umfasst jedoch nicht auch eine Ermessensausübung zur vorgelagerten Frage eines "Ob" des Erlasses eines Ordnungsgeldbeschlusses.

2. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in dem gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahren (vgl. § 183 SGG) sind nach der Rechtsprechung des Senates nicht dem Gegner des erstinstanzlichen Verfahrens, dem Beklagten, aufzuerlegen. Sie sind vielmehr von der Staatskasse zu tragen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Juli 2015 – L 3 AS 1111/14 B – Rdnr. 54 ff., m. w. N.; vgl. auch Bay. LSG, Beschluss vom 5. Februar 2010 – L 2 AS 450/09 B – juris Rdnr. 22; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. September 2013 – L 2 AS 816/13 B – juris Rdnr. 20; Thür. LSG, Beschluss vom 17. Juli 2014, a. a. O., juris [Tenor]; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. Februar 2017 – L 7 SB 70/16 B – juris [Tenor]; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 111 Rdnr. 6c, m. w. N.).

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG) und ergeht kostenfrei (vgl. § 183 SGG).

Dr. Scheer Höhl Krewer
Rechtskraft
Aus
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