Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 5 RJ 53/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 592/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wird eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 48 Abs. 1 SGB X entzogen, kommt es nur auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids an. Eine mögliche spätere Rechtsänderung oder tatsächliche Änderung hat keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Entziehungsbescheids.
2. Zur Verweisungstätigkeit des Produktionshelfers.
2. Zur Verweisungstätigkeit des Produktionshelfers.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Entziehung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Wirkung zum 1. September 2002 rechtmäßig ist.
Der 1960 geborene Kläger erlernte von September 1976 bis Juli 1978 den Beruf des Heizungsinstallateurs. Bis September 1979 war er als solcher tätig. Danach leistete er Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee. Von Mai 1981 bis September 1982 war er als Rohrleger und Kraftfahrer tätig. Von September 1982 bis März 1983 war er inhaftiert, danach arbeitete er erneut bis Juni 1986 als Rohrleger und Kraftfahrer. Von 1986 bis August 1991 war er als Mechanisator, danach, unterbrochen durch Krankheitszeiten und Zeiten der Arbeitslosigkeit, als Lagerist, vom 12. Juli 1993 bis zum 9. September 1993 als Heizungsmonteur in einem befristeten Arbeitsverhältnis und vom 15. November 1993 bis zum 25. Februar 1994 als Lagerarbeiter bei der Firma G. tätig. Nach eigenen Angaben hatte er Paletten zu stapeln, LKW’s (innerhalb von Thüringen) zu fahren und zu reparieren. Diese Firma existiert nicht mehr. Zuletzt war er von Oktober 1994 bis Februar 1995 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Landschaftsgestalter tätig. Danach bezog der Kläger Krankengeld und Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Seit dem 1. Juli 2004 arbeitet er als Lagerarbeiter und Hausmeister bei der Firma R.
Im Februar 1998 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit.
Die Beklagte holte u.a. ein internistisches Gutachten des Dr. O. vom 12. Mai 1998 ein (Diagnosen: Adipositas per magna, chronisches Lymphödem beider Unterschenkel, Schlafapnoesyndrom, degenerative Wirbel- und Gelenkveränderungen; Leistungsbild: leichte Arbeiten unter dreistündig, im Sitzen mit weiteren Einschränkungen). Ferner führte Dr. O. aus, durch eine drastische Gewichtsreduktion und physikalische Behandlungsmaßnahmen wäre eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess grundsätzlich möglich, die frühere gutachterliche Feststellung für die Aufnahme einer leicht- bis mittelschweren körperlichen Arbeit wäre dann vorstellbar.
Mit Bescheid vom 22. Juni 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Februar 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Im Jahr 2002 veranlasste sie eine Nachuntersuchung. Sie holte einen ärztlichen Befundbericht des Dipl.- Med. M. vom 12. Mai 2002 ein und beauftragte Dr. O. mit der Erstellung eines internistischen Gutachtens. Dieser stellte folgende Diagnosen: Adipositas (konsequente Gewichtsreduktion seit September 1999, BMI von ) 50 auf 36,5 reduziert, chronisches Lymphödem beidseits, behandeltes Schlafapnoesyndrom, latente Hypertonie, leichtgradig destruktives Lungenemphysem. Im Vergleich zum Vorgutachten von April 1998 sei eine erhebliche Stabilisierung des Gesundheitszustandes eingetreten. Eine deutliche Steigerung des Leistungsvermögens sei durch die Reduktion des Körpergewichts erreicht worden. Der Kläger habe die 175 Watt Stufe erreicht, danach könne er mittelschwere bis schwere körperliche Arbeiten ausüben. Die Blutdruckverhältnisse hätten sich nahezu normalisiert. Hinsichtlich der Situation der Beine sei eine Verbesserung aufgrund der regelmäßig durchgeführten Lymphdrainage erreicht worden. Die Tätigkeit als Lagerist und Schlosser könne sechs Stunden und mehr ausgeübt werden. Der Kläger könne mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von häufigem Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, schwerem Heben und Tragen sowie Heben und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel, unter Vermeidung häufiger Zwangshaltungen ausüben. Eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme sei zu empfehlen.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie beabsichtige die Rente wegen Verbesserung des Gesundheitszustandes zu entziehen und räumte ihm Gelegenheit zur Stellungnahme ein.
Mit Bescheid vom 1. August 2002 hob sie die Bewilligung der Rente mit Wirkung zum 1. September 2002 auf. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht mehr in dem Maße gemindert, dass Berufsunfähigkeit vorliege. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Bescheid vom 28. August 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. September 2002 erneut Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Auf Seite 2 des Bescheides befindet sich folgender Hinweis: "Gem. § 86 Abs. 2 SGG hat ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, der eine laufende Leistung entzieht, aufschiebende Wirkung. Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, dass die gezahlten Rentenbeträge gegebenenfalls zu erstatten sind, falls der Entziehungsbescheid bindend wird."
Die Beklagte zahlte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 31. Dezember 2002. Danach stellte sie die Zahlung ein.
Der Widerspruch des Klägers gegen die Entziehung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2002).
Mit Bescheid vom 10. Februar 2003 forderte die Beklagte in dem Zeitraum vom 1. September 2002 bis zum 31. Dezember 2002 gezahlte Beträge in Höhe von 1.217,24 EUR nach § 50 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück. Der Kläger erhob hiergegen keinen Widerspruch.
Am 13. Januar 2003 hat er beim Sozialgerichts Nordhausen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Dipl.- Med. M. vom 8. März 2003, des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde K. vom 15. Juli 2003 und der Dipl.- Med. G. vom 16. August 2003 eingeholt und den Rehabilitationsentlassungsbericht (stationäre Rehabilitation vom 17. April 2003 bis zum 22. Mai 2003) der S. Klinik Z. vom 30. Mai 2003 beigezogen (Diagnosen: stark ausgeprägte, primäre Beinlymphödeme, Varikosis beidseits, hypertensive Herzkrankheit, diätisch geführter Diabetes mellitus Typ II; Leistungsbild: leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr mit Einschränkungen). Zu dem Bescheid vom 10. Februar 2003 haben sich die Beteiligten im Klageverfahren nicht geäußert.
Mit Urteil vom 10. Mai 2004 hat das Sozialgericht die Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 1. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2002 abgewiesen. Ferner hat das Sozialgericht über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 10. Februar 2003 entschieden und auch insoweit die Klage abgewiesen. Dieser Bescheid sei nach § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Bisheriger Beruf sei der eines Lageristen. Als Ungelernter müsse er sich auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisen lassen. Hilfsweise werde er auf einfache Bürotätigkeiten als zumutbare Verweisungstätigkeiten verwiesen.
Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger die Ansicht, seine Leistungsfähigkeit sei bedingt durch das chronische Lymphödem weiterhin in hohem Maße eingeschränkt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Mai 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2002 aufzuheben
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils.
Der Senat hat eine Arbeitgeberauskunft der Wärme- und Klimatechnik M. GmbH vom 11. April 2005 sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 20. April 2005 eingeholt und den Beteiligten zwei berufskundliche Gutachten der Sachverständigen J. aus anderen Verfahren des Senats (28. Oktober 2001: Tätigkeit eines einfachen Pförtners (Az.: L 6 RA 403/99), 6. Juni 2004: Tätigkeit eines Produktionshelfers (Az.: L 6 RJ 301/02)) übermittelt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2003 ist nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Dieser hat den Bescheid über die Entziehung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit weder abgeändert noch ersetzt. Es lag auch keine gewillkürte Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG vor, weil der Kläger nicht beantragt hat, den Bescheid vom 10. Februar 2003 aufzuheben. Im Klageverfahren hat er diesen Bescheid nicht erwähnt. Insofern hatte die Beklagte keinen Anlass, auf die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides einzugehen und hat dies tatsächlich auch nicht getan.
Der Bescheid der Beklagten vom 1. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides vom 22. Juni 1998 mit Wirkung zum 1. September 2002 liegen nach § 48 Abs. 1 SGB X vor. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Hier ist eine wesentliche Änderung bezüglich der Leistungsfähigkeit des Klägers mit Wirkung zum 1. September 2002 insoweit eingetreten, als der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr berufs- oder erwerbsunfähig war.
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides. Der hier angefochtene Rentenentziehungsbescheid der Beklagten ist ein bereits vollzogener Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung. Er erschöpft sich mit dem Entzug der vormals bewilligten Leistung; sein Vollzug wird trotz der Klage sofort wirksam, weil diese keine aufschiebende Wirkung hat. (vgl. Bundessozialgericht (BSG) vom 20. April 1993 – Az.: 2 RU 52/92). Eine erst später eintretende Rechtsänderung oder tatsächliche Änderung hat daher keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Rentenentziehungsbescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses.
Ein Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung (a.F.) bestand nicht mehr. Maßgeblich sind §§ 43, 44 a.F., weil die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. mit Bescheid vom 22. Juni 1998 gewährt worden ist.
Nach § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Der Kläger ist nicht berufsunfähig im Sinne von § 43 SGB VI a.F., weil seine Leistungsfähigkeit nicht in dem erforderlichen Umfang gesunken ist. Damit ist er auch nicht erwerbsunfähig im Sinne von § 44 SGB VI a.F. Eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. wird nur gewährt, wenn noch weitergehende Einschränkungen des Leistungsvermögens vorliegen als sie für die Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit vorausgesetzt werden.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. sind Versicherte berufsunfähig, wenn ihre Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen gesunken ist. Nach Satz 2 umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig (d.h. acht Stunden am Tag) ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (Satz 4). Demnach liegt Berufsunfähigkeit nicht schon vor, wenn der Versicherte seinen "bisherigen Beruf" nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn eine Verweisung auf eine zumutbare andere Tätigkeit nicht mehr möglich ist.
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit wird grundsätzlich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes festgestellt, wozu die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die sogenannten Mehrstufenschemata entwickelt hat. Die verschiedenen Stufen sind nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufes – dieser wird nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht anhand von Prestige oder Entlohnung bestimmt – hierarchisch geordnet (vgl. BSG in BSGE 78, 207, 218; BSG vom 24. März 1998 – Az.: B 4 RA 44/96 R). Die Arbeiterberufe werden durch das Mehrstufenschema in Gruppen untergliedert, die durch den Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49).
Die Einordnung in ein Berufsschema erfolgt nicht ausschließlich formal nach der Dauer der Berufsausbildung, sondern nach der Qualität der verrichteten Arbeiten, d.h. nach dem aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnden Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG in SozR 3 –2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt damit auf das Gesamtbild an, wie es § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. mit den dort genannten Merkmalen (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschreibt. Innerhalb des Mehrstufenschemas ist jeweils eine Verweisung auf eine Tätigkeit der gleichen oder der nächst niedrigeren Gruppe möglich.
Der "bisherige Beruf" des Klägers im Sinne dieser Vorschrift war der eines Lageristen; allenfalls eine Anlerntätigkeit des unteren Bereichs (Anlernzeit bis zu einem Jahr). Nach seinen Angaben hat er bei der Firma G. Paletten gestapelt, LKW repariert und LKW Fahrten innerhalb Thüringens als Aushilfe durchgeführt. Es handelte sich nach seinen eigenen Angaben um Hilfsarbeitertätigkeiten. Die von ihm in dem Zeitraum vom 12. Juli 1993 bis zum 9. September 1993 ausgeübte Tätigkeit als Heizungsmonteur kann nicht als bisheriger Beruf berücksichtigt werden, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat. Nach Auskunft der Wärme- und Klimatechnik M. GmbH handelte es sich zudem um ein von vornherein befristetes Arbeitsverhältnis.
Hinsichtlich der Einstufung als Angelernter des unteren Bereichs ist die Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit eigentlich nicht erforderlich. Angesichts der Rechtsprechung des 13. Senats des Bundessozialgerichts (vgl. BSG in BSGE 81, 15, 18), nach der auch eine größere Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zur Benennung führen kann, verweist der Senat den Kläger jedoch hilfsweise für die Zeit ab September 2002 auf die Tätigkeit als Produktionshelfer und lässt dahingestellt, ob eine Summierung in diesem Sinne tatsächlich vorliegt. Insoweit kann dahinstehen, ob der Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagerist weiterhin ausüben konnte.
Die Tätigkeit als Produktionshelfer kann er trotz seiner gesundheitlichen Beschwerden ausüben. Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit den im beigezogenen Gutachten der Sachverständigen J. vom 6. Juni 2004 beschriebenen Tätigkeitsanforderungen (S. 9 ff. des Sachverständigengutachtens). Produktionshelfertätigkeiten sind danach in vielen Branchen und bei unterschiedlichen Produkten anzutreffen, zum Teil auch bei Firmen, die sich auf derartige Arbeiten im Kundenauftrag spezialisiert haben. Die körperliche Belastung ist abhängig von den zu verrichtenden Detailaufgaben. Z. B. in der Metall-, Elektro- oder Kunststoffindustrie sowie im Spielwaren- oder Hobbybereich sind Tätigkeiten vorhanden, die nur leicht belasten und bei denen wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen nicht vorkommen. Auch das Arbeitstempo wird nicht durch Maschinen oder Anlagen vorgegeben, der Lohn wird nicht nach Akkordrichtsätzen errechnet. Als Einzelaufgaben werden Waren beklebt, eingehüllt, gezählt, sortiert; es werden Abziehbilder, Warenzeichen oder Etiketten angebracht. Es wird in Papp-, Holzschachteln oder sonstige Behältnisse eingepackt; diese werden verschlossen und es werden Hinweise oder Kennzeichnungen angebracht. Bei vorhandenem körperlichem Leistungsvermögen im individuellen Fall sind Tätigkeiten im Innenbereich an Werkbänken und Arbeitstischen, die nur leicht belasten, möglich und vorhanden.
Als Beispiel für diese Tätigkeiten benennt die Sachverständige Verpackungstätigkeiten in einem Unternehmen der Dentalbranche. Die im Unternehmen hergestellten Produkte gelangen in die Endverpackung. In dieser werden die Produkte so verpackt, wie sie an den Endverbraucher ausgeliefert werden. Es werden z. B. abgefüllte Produkte in eine Faltschachtel gepackt, Spritzen werden in Tiefziehteile gelegt und kommen dann in eine Faltschachtel. Es werden eine Gebrauchsanweisung oder Mischblöcke dazu gelegt und die Faltschachtel verschlossen. Die Tätigkeit ist körperlich leicht, die zuvor verpackten Teile wiegen unter fünf Kilogramm, die Tätigkeit kann im Wechsel von Gehen und Stehen ausgeübt werden, es kann auch nur gesessen werden.
Überall da, wo Produkte hergestellt werden, die direkt an den Endverbraucher gehen, findet eine Endverpackung statt. Diese erfolgt maschinell oder per Hand. Im letzteren Fall, findet sie nicht im Akkord statt bzw. ist nicht an einen Maschinentakt gebunden. Sofern die zuvor verpackten Teile leicht sind bzw. nicht mehr als körperlich leicht belasten, können Sie von Arbeitnehmern verrichtet werden, die nur körperlich leichte Arbeiten verrichten dürfen.
Diesem Anforderungsprofil entspricht das von Dr. O. festgestellte Leistungsvermögen des Klägers, dessen Beurteilung sich der Senat anschließt. Danach kann der Kläger die Tätigkeit als Produktionshelfer noch sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Er kann mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag an fünf Tagen in der Woche ausüben. Zu vermeiden sind häufige Zwangshaltungen, häufiges Bücken, das Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, schweres Heben und Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel. Diese Beurteilung eines vollschichtigen Leistungsvermögens wird bestätigt durch den Rehabilitationsentlassungsbericht der S. Klinik Z. GmbH vom 30. Mai 2003. Danach kann der Kläger leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Die genannten Einschränkungen stimmen mit den von Dr. O. genannten Einschränkungen weitestgehend überein. Zusätzlich wird hier genannt, dass Tätigkeiten, die mit einer erhöhter Unfallgefahr sowie extrem schwankenden Temperaturen einhergehen, zu vermeiden sind.
Nach der Tätigkeitsbeschreibung der Sachverständigen J. werden bei der Arbeit als Produktionshelfer keine Anforderungen gestellt, die das von den Sachverständigen festgestellte Leistungsvermögen des Klägers überschreiten.
Damit lag auch eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen im Vergleich zu den Umständen bei der Rentengewährung im Jahre 1998 vor. Die von Dr. O. in dem Gutachten vom 6. Juni 2002 genannten Diagnosen stimmen zwar weitgehend mit den in dem Gutachten vom 12. Mai 1998 genannten Diagnosen überein, die Leistungsfähigkeit des Klägers hat sich jedoch auf Grund der Gewichtsreduktion um 55 Kilogramm im Vergleich zum Vorgutachten erheblich gebessert. Nach dem zuletzt erstellten Gutachten war der Kläger in der Lage eine Belastung von 175 Watt zu tolerieren. Ein Abbruch erfolgte nach zwei Minuten wegen Beinermüdung. Insgesamt zeigte er eine sehr gute Belastbarkeit, eine belastungsadäquate Blutdruck- und Frequenzregulation, eine unauffällige Erholungsphase, keine Angina-pectoris-Symptomatik, keine ischämieverdächtigen EKG-Veränderungen und keine bedeutsamen Rhythmusstörungen bis auf zwei singuläre VES. Bei der 1998 erfolgten Begutachtung musste dagegen die Belastung bei 125 Watt wegen Bein- und Kniegelenkesschmerzen abgebrochen werden. Es zeigten sich deutlich hypertone Blutdruckwerte. Im Jahr 2002 stellte Dr. O. eine Normalisierung der Blutdruckverhältnisse auf Grund der Gewichtsreduktion fest. Unter der aktuellen diätischen Ernährung konnte der Kläger orale Antidiabetika absetzen und seine Stoffwechsellage normalisieren. Auch im Bereich der Beine ist aufgrund der regelmäßig durchgeführten Lymphdrainage eine Verbesserung der Situation eingetreten; die Volumenreduktion führte zu einer Abnahme des Oberschenkelumfangs von ca. 15 Zentimeter beidseits und zu einer besseren Beweglichkeit des Klägers. Insgesamt ist durch die konsequente Umstellung der Lebensführung eine erhebliche Steigerung des Leistungsvermögens eingetreten. Diese Einschätzung ist für den Senat nachvollziehbar, insbesondere weil die Leistungseinschätzung des Dr. O. im Jahre 1998 wesentlich auf die extreme Adipositas und die damit verbundenen körperlichen Beeinträchtigungen gestützt wurde.
Unwesentlich ist, ob dem Kläger mit dem festgestellten Leistungsvermögen eine entsprechende Tätigkeit vermittelt werden kann. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, trägt nicht die Beklagte, sondern die Arbeitslosenversicherung.
Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2002 stützen. Dieser Ausführungsbescheid hat sich mit der Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2002 erledigt. Die Beklagte hat den Kläger dem Bescheid darauf hingewiesen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat und die gezahlten Rentenbeträge gegebenenfalls zu erstatten sind, falls der Entziehungsbescheid bindend wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Entziehung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Wirkung zum 1. September 2002 rechtmäßig ist.
Der 1960 geborene Kläger erlernte von September 1976 bis Juli 1978 den Beruf des Heizungsinstallateurs. Bis September 1979 war er als solcher tätig. Danach leistete er Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee. Von Mai 1981 bis September 1982 war er als Rohrleger und Kraftfahrer tätig. Von September 1982 bis März 1983 war er inhaftiert, danach arbeitete er erneut bis Juni 1986 als Rohrleger und Kraftfahrer. Von 1986 bis August 1991 war er als Mechanisator, danach, unterbrochen durch Krankheitszeiten und Zeiten der Arbeitslosigkeit, als Lagerist, vom 12. Juli 1993 bis zum 9. September 1993 als Heizungsmonteur in einem befristeten Arbeitsverhältnis und vom 15. November 1993 bis zum 25. Februar 1994 als Lagerarbeiter bei der Firma G. tätig. Nach eigenen Angaben hatte er Paletten zu stapeln, LKW’s (innerhalb von Thüringen) zu fahren und zu reparieren. Diese Firma existiert nicht mehr. Zuletzt war er von Oktober 1994 bis Februar 1995 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Landschaftsgestalter tätig. Danach bezog der Kläger Krankengeld und Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Seit dem 1. Juli 2004 arbeitet er als Lagerarbeiter und Hausmeister bei der Firma R.
Im Februar 1998 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit.
Die Beklagte holte u.a. ein internistisches Gutachten des Dr. O. vom 12. Mai 1998 ein (Diagnosen: Adipositas per magna, chronisches Lymphödem beider Unterschenkel, Schlafapnoesyndrom, degenerative Wirbel- und Gelenkveränderungen; Leistungsbild: leichte Arbeiten unter dreistündig, im Sitzen mit weiteren Einschränkungen). Ferner führte Dr. O. aus, durch eine drastische Gewichtsreduktion und physikalische Behandlungsmaßnahmen wäre eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess grundsätzlich möglich, die frühere gutachterliche Feststellung für die Aufnahme einer leicht- bis mittelschweren körperlichen Arbeit wäre dann vorstellbar.
Mit Bescheid vom 22. Juni 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Februar 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Im Jahr 2002 veranlasste sie eine Nachuntersuchung. Sie holte einen ärztlichen Befundbericht des Dipl.- Med. M. vom 12. Mai 2002 ein und beauftragte Dr. O. mit der Erstellung eines internistischen Gutachtens. Dieser stellte folgende Diagnosen: Adipositas (konsequente Gewichtsreduktion seit September 1999, BMI von ) 50 auf 36,5 reduziert, chronisches Lymphödem beidseits, behandeltes Schlafapnoesyndrom, latente Hypertonie, leichtgradig destruktives Lungenemphysem. Im Vergleich zum Vorgutachten von April 1998 sei eine erhebliche Stabilisierung des Gesundheitszustandes eingetreten. Eine deutliche Steigerung des Leistungsvermögens sei durch die Reduktion des Körpergewichts erreicht worden. Der Kläger habe die 175 Watt Stufe erreicht, danach könne er mittelschwere bis schwere körperliche Arbeiten ausüben. Die Blutdruckverhältnisse hätten sich nahezu normalisiert. Hinsichtlich der Situation der Beine sei eine Verbesserung aufgrund der regelmäßig durchgeführten Lymphdrainage erreicht worden. Die Tätigkeit als Lagerist und Schlosser könne sechs Stunden und mehr ausgeübt werden. Der Kläger könne mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von häufigem Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, schwerem Heben und Tragen sowie Heben und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel, unter Vermeidung häufiger Zwangshaltungen ausüben. Eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme sei zu empfehlen.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie beabsichtige die Rente wegen Verbesserung des Gesundheitszustandes zu entziehen und räumte ihm Gelegenheit zur Stellungnahme ein.
Mit Bescheid vom 1. August 2002 hob sie die Bewilligung der Rente mit Wirkung zum 1. September 2002 auf. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht mehr in dem Maße gemindert, dass Berufsunfähigkeit vorliege. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Bescheid vom 28. August 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. September 2002 erneut Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Auf Seite 2 des Bescheides befindet sich folgender Hinweis: "Gem. § 86 Abs. 2 SGG hat ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, der eine laufende Leistung entzieht, aufschiebende Wirkung. Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, dass die gezahlten Rentenbeträge gegebenenfalls zu erstatten sind, falls der Entziehungsbescheid bindend wird."
Die Beklagte zahlte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bis zum 31. Dezember 2002. Danach stellte sie die Zahlung ein.
Der Widerspruch des Klägers gegen die Entziehung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2002).
Mit Bescheid vom 10. Februar 2003 forderte die Beklagte in dem Zeitraum vom 1. September 2002 bis zum 31. Dezember 2002 gezahlte Beträge in Höhe von 1.217,24 EUR nach § 50 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück. Der Kläger erhob hiergegen keinen Widerspruch.
Am 13. Januar 2003 hat er beim Sozialgerichts Nordhausen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Dipl.- Med. M. vom 8. März 2003, des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde K. vom 15. Juli 2003 und der Dipl.- Med. G. vom 16. August 2003 eingeholt und den Rehabilitationsentlassungsbericht (stationäre Rehabilitation vom 17. April 2003 bis zum 22. Mai 2003) der S. Klinik Z. vom 30. Mai 2003 beigezogen (Diagnosen: stark ausgeprägte, primäre Beinlymphödeme, Varikosis beidseits, hypertensive Herzkrankheit, diätisch geführter Diabetes mellitus Typ II; Leistungsbild: leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr mit Einschränkungen). Zu dem Bescheid vom 10. Februar 2003 haben sich die Beteiligten im Klageverfahren nicht geäußert.
Mit Urteil vom 10. Mai 2004 hat das Sozialgericht die Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 1. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2002 abgewiesen. Ferner hat das Sozialgericht über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 10. Februar 2003 entschieden und auch insoweit die Klage abgewiesen. Dieser Bescheid sei nach § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Bisheriger Beruf sei der eines Lageristen. Als Ungelernter müsse er sich auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisen lassen. Hilfsweise werde er auf einfache Bürotätigkeiten als zumutbare Verweisungstätigkeiten verwiesen.
Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger die Ansicht, seine Leistungsfähigkeit sei bedingt durch das chronische Lymphödem weiterhin in hohem Maße eingeschränkt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Mai 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2002 aufzuheben
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils.
Der Senat hat eine Arbeitgeberauskunft der Wärme- und Klimatechnik M. GmbH vom 11. April 2005 sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 20. April 2005 eingeholt und den Beteiligten zwei berufskundliche Gutachten der Sachverständigen J. aus anderen Verfahren des Senats (28. Oktober 2001: Tätigkeit eines einfachen Pförtners (Az.: L 6 RA 403/99), 6. Juni 2004: Tätigkeit eines Produktionshelfers (Az.: L 6 RJ 301/02)) übermittelt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2003 ist nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Dieser hat den Bescheid über die Entziehung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit weder abgeändert noch ersetzt. Es lag auch keine gewillkürte Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG vor, weil der Kläger nicht beantragt hat, den Bescheid vom 10. Februar 2003 aufzuheben. Im Klageverfahren hat er diesen Bescheid nicht erwähnt. Insofern hatte die Beklagte keinen Anlass, auf die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides einzugehen und hat dies tatsächlich auch nicht getan.
Der Bescheid der Beklagten vom 1. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides vom 22. Juni 1998 mit Wirkung zum 1. September 2002 liegen nach § 48 Abs. 1 SGB X vor. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Hier ist eine wesentliche Änderung bezüglich der Leistungsfähigkeit des Klägers mit Wirkung zum 1. September 2002 insoweit eingetreten, als der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr berufs- oder erwerbsunfähig war.
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides. Der hier angefochtene Rentenentziehungsbescheid der Beklagten ist ein bereits vollzogener Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung. Er erschöpft sich mit dem Entzug der vormals bewilligten Leistung; sein Vollzug wird trotz der Klage sofort wirksam, weil diese keine aufschiebende Wirkung hat. (vgl. Bundessozialgericht (BSG) vom 20. April 1993 – Az.: 2 RU 52/92). Eine erst später eintretende Rechtsänderung oder tatsächliche Änderung hat daher keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Rentenentziehungsbescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses.
Ein Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung (a.F.) bestand nicht mehr. Maßgeblich sind §§ 43, 44 a.F., weil die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. mit Bescheid vom 22. Juni 1998 gewährt worden ist.
Nach § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Der Kläger ist nicht berufsunfähig im Sinne von § 43 SGB VI a.F., weil seine Leistungsfähigkeit nicht in dem erforderlichen Umfang gesunken ist. Damit ist er auch nicht erwerbsunfähig im Sinne von § 44 SGB VI a.F. Eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. wird nur gewährt, wenn noch weitergehende Einschränkungen des Leistungsvermögens vorliegen als sie für die Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit vorausgesetzt werden.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. sind Versicherte berufsunfähig, wenn ihre Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen gesunken ist. Nach Satz 2 umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig (d.h. acht Stunden am Tag) ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (Satz 4). Demnach liegt Berufsunfähigkeit nicht schon vor, wenn der Versicherte seinen "bisherigen Beruf" nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn eine Verweisung auf eine zumutbare andere Tätigkeit nicht mehr möglich ist.
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit wird grundsätzlich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes festgestellt, wozu die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die sogenannten Mehrstufenschemata entwickelt hat. Die verschiedenen Stufen sind nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufes – dieser wird nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht anhand von Prestige oder Entlohnung bestimmt – hierarchisch geordnet (vgl. BSG in BSGE 78, 207, 218; BSG vom 24. März 1998 – Az.: B 4 RA 44/96 R). Die Arbeiterberufe werden durch das Mehrstufenschema in Gruppen untergliedert, die durch den Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49).
Die Einordnung in ein Berufsschema erfolgt nicht ausschließlich formal nach der Dauer der Berufsausbildung, sondern nach der Qualität der verrichteten Arbeiten, d.h. nach dem aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnden Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG in SozR 3 –2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt damit auf das Gesamtbild an, wie es § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. mit den dort genannten Merkmalen (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschreibt. Innerhalb des Mehrstufenschemas ist jeweils eine Verweisung auf eine Tätigkeit der gleichen oder der nächst niedrigeren Gruppe möglich.
Der "bisherige Beruf" des Klägers im Sinne dieser Vorschrift war der eines Lageristen; allenfalls eine Anlerntätigkeit des unteren Bereichs (Anlernzeit bis zu einem Jahr). Nach seinen Angaben hat er bei der Firma G. Paletten gestapelt, LKW repariert und LKW Fahrten innerhalb Thüringens als Aushilfe durchgeführt. Es handelte sich nach seinen eigenen Angaben um Hilfsarbeitertätigkeiten. Die von ihm in dem Zeitraum vom 12. Juli 1993 bis zum 9. September 1993 ausgeübte Tätigkeit als Heizungsmonteur kann nicht als bisheriger Beruf berücksichtigt werden, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat. Nach Auskunft der Wärme- und Klimatechnik M. GmbH handelte es sich zudem um ein von vornherein befristetes Arbeitsverhältnis.
Hinsichtlich der Einstufung als Angelernter des unteren Bereichs ist die Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit eigentlich nicht erforderlich. Angesichts der Rechtsprechung des 13. Senats des Bundessozialgerichts (vgl. BSG in BSGE 81, 15, 18), nach der auch eine größere Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zur Benennung führen kann, verweist der Senat den Kläger jedoch hilfsweise für die Zeit ab September 2002 auf die Tätigkeit als Produktionshelfer und lässt dahingestellt, ob eine Summierung in diesem Sinne tatsächlich vorliegt. Insoweit kann dahinstehen, ob der Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagerist weiterhin ausüben konnte.
Die Tätigkeit als Produktionshelfer kann er trotz seiner gesundheitlichen Beschwerden ausüben. Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit den im beigezogenen Gutachten der Sachverständigen J. vom 6. Juni 2004 beschriebenen Tätigkeitsanforderungen (S. 9 ff. des Sachverständigengutachtens). Produktionshelfertätigkeiten sind danach in vielen Branchen und bei unterschiedlichen Produkten anzutreffen, zum Teil auch bei Firmen, die sich auf derartige Arbeiten im Kundenauftrag spezialisiert haben. Die körperliche Belastung ist abhängig von den zu verrichtenden Detailaufgaben. Z. B. in der Metall-, Elektro- oder Kunststoffindustrie sowie im Spielwaren- oder Hobbybereich sind Tätigkeiten vorhanden, die nur leicht belasten und bei denen wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen nicht vorkommen. Auch das Arbeitstempo wird nicht durch Maschinen oder Anlagen vorgegeben, der Lohn wird nicht nach Akkordrichtsätzen errechnet. Als Einzelaufgaben werden Waren beklebt, eingehüllt, gezählt, sortiert; es werden Abziehbilder, Warenzeichen oder Etiketten angebracht. Es wird in Papp-, Holzschachteln oder sonstige Behältnisse eingepackt; diese werden verschlossen und es werden Hinweise oder Kennzeichnungen angebracht. Bei vorhandenem körperlichem Leistungsvermögen im individuellen Fall sind Tätigkeiten im Innenbereich an Werkbänken und Arbeitstischen, die nur leicht belasten, möglich und vorhanden.
Als Beispiel für diese Tätigkeiten benennt die Sachverständige Verpackungstätigkeiten in einem Unternehmen der Dentalbranche. Die im Unternehmen hergestellten Produkte gelangen in die Endverpackung. In dieser werden die Produkte so verpackt, wie sie an den Endverbraucher ausgeliefert werden. Es werden z. B. abgefüllte Produkte in eine Faltschachtel gepackt, Spritzen werden in Tiefziehteile gelegt und kommen dann in eine Faltschachtel. Es werden eine Gebrauchsanweisung oder Mischblöcke dazu gelegt und die Faltschachtel verschlossen. Die Tätigkeit ist körperlich leicht, die zuvor verpackten Teile wiegen unter fünf Kilogramm, die Tätigkeit kann im Wechsel von Gehen und Stehen ausgeübt werden, es kann auch nur gesessen werden.
Überall da, wo Produkte hergestellt werden, die direkt an den Endverbraucher gehen, findet eine Endverpackung statt. Diese erfolgt maschinell oder per Hand. Im letzteren Fall, findet sie nicht im Akkord statt bzw. ist nicht an einen Maschinentakt gebunden. Sofern die zuvor verpackten Teile leicht sind bzw. nicht mehr als körperlich leicht belasten, können Sie von Arbeitnehmern verrichtet werden, die nur körperlich leichte Arbeiten verrichten dürfen.
Diesem Anforderungsprofil entspricht das von Dr. O. festgestellte Leistungsvermögen des Klägers, dessen Beurteilung sich der Senat anschließt. Danach kann der Kläger die Tätigkeit als Produktionshelfer noch sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Er kann mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag an fünf Tagen in der Woche ausüben. Zu vermeiden sind häufige Zwangshaltungen, häufiges Bücken, das Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, schweres Heben und Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel. Diese Beurteilung eines vollschichtigen Leistungsvermögens wird bestätigt durch den Rehabilitationsentlassungsbericht der S. Klinik Z. GmbH vom 30. Mai 2003. Danach kann der Kläger leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Die genannten Einschränkungen stimmen mit den von Dr. O. genannten Einschränkungen weitestgehend überein. Zusätzlich wird hier genannt, dass Tätigkeiten, die mit einer erhöhter Unfallgefahr sowie extrem schwankenden Temperaturen einhergehen, zu vermeiden sind.
Nach der Tätigkeitsbeschreibung der Sachverständigen J. werden bei der Arbeit als Produktionshelfer keine Anforderungen gestellt, die das von den Sachverständigen festgestellte Leistungsvermögen des Klägers überschreiten.
Damit lag auch eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen im Vergleich zu den Umständen bei der Rentengewährung im Jahre 1998 vor. Die von Dr. O. in dem Gutachten vom 6. Juni 2002 genannten Diagnosen stimmen zwar weitgehend mit den in dem Gutachten vom 12. Mai 1998 genannten Diagnosen überein, die Leistungsfähigkeit des Klägers hat sich jedoch auf Grund der Gewichtsreduktion um 55 Kilogramm im Vergleich zum Vorgutachten erheblich gebessert. Nach dem zuletzt erstellten Gutachten war der Kläger in der Lage eine Belastung von 175 Watt zu tolerieren. Ein Abbruch erfolgte nach zwei Minuten wegen Beinermüdung. Insgesamt zeigte er eine sehr gute Belastbarkeit, eine belastungsadäquate Blutdruck- und Frequenzregulation, eine unauffällige Erholungsphase, keine Angina-pectoris-Symptomatik, keine ischämieverdächtigen EKG-Veränderungen und keine bedeutsamen Rhythmusstörungen bis auf zwei singuläre VES. Bei der 1998 erfolgten Begutachtung musste dagegen die Belastung bei 125 Watt wegen Bein- und Kniegelenkesschmerzen abgebrochen werden. Es zeigten sich deutlich hypertone Blutdruckwerte. Im Jahr 2002 stellte Dr. O. eine Normalisierung der Blutdruckverhältnisse auf Grund der Gewichtsreduktion fest. Unter der aktuellen diätischen Ernährung konnte der Kläger orale Antidiabetika absetzen und seine Stoffwechsellage normalisieren. Auch im Bereich der Beine ist aufgrund der regelmäßig durchgeführten Lymphdrainage eine Verbesserung der Situation eingetreten; die Volumenreduktion führte zu einer Abnahme des Oberschenkelumfangs von ca. 15 Zentimeter beidseits und zu einer besseren Beweglichkeit des Klägers. Insgesamt ist durch die konsequente Umstellung der Lebensführung eine erhebliche Steigerung des Leistungsvermögens eingetreten. Diese Einschätzung ist für den Senat nachvollziehbar, insbesondere weil die Leistungseinschätzung des Dr. O. im Jahre 1998 wesentlich auf die extreme Adipositas und die damit verbundenen körperlichen Beeinträchtigungen gestützt wurde.
Unwesentlich ist, ob dem Kläger mit dem festgestellten Leistungsvermögen eine entsprechende Tätigkeit vermittelt werden kann. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, trägt nicht die Beklagte, sondern die Arbeitslosenversicherung.
Der Kläger kann sein Begehren auch nicht auf den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2002 stützen. Dieser Ausführungsbescheid hat sich mit der Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2002 erledigt. Die Beklagte hat den Kläger dem Bescheid darauf hingewiesen, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat und die gezahlten Rentenbeträge gegebenenfalls zu erstatten sind, falls der Entziehungsbescheid bindend wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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