Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 7 KA 1417/02
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 604/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 14/06 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 21. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honorars für die Quartale I und III/2001 sowie I/2002 und in diesem Zusammenhang über die Rechtmäßigkeit der Praxisbudgets.
Die Klägerin ist als Gynäkologin in G. nieder- und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte legte bei der Feststellung des Honorars für die streitgegenständlichen Quartale die seit der Neufassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zum 1. Juni 1997 geltenden Praxisbudgets zugrunde. Die im EBM-Ä enthaltenen ärztlichen Leistungen unterliegen danach nach Maßgabe näherer Bestimmungen (die Einzelheiten ergeben sich aus den Anlagen 1 und 2 zu den allgemeinen Bestimmungen nach Abschnitt A I des EBM-Ä) je Arztpraxis und Abrechnungsquartal mit Wirkung vom 1. Juli 1997 einer fallzahlabhängigen Budgetierung. Vertragsärzte der Fachrichtung Frauenheilkunde gehören zu den budgetierten Arztgruppen. Die in den Budgets enthaltenen Leistungen sind je Arztpraxis- und Abrechnungsquartal nur bis zu einer bestimmten Gesamtpunktzahl abrechnungsfähig. Der sich für die Fachgruppe der Klägerin aus dem Bundesdurchschnitt ergebende Wert beträgt für Rentner 395 Punkte und für die übrigen Versicherten 420 Punkte. Die unter bestimmten, im EBM-Ä (Abschnitt a I Ziffer 3) näher festgelegten, Voraussetzungen von der Beklagten durchzuführende Anpassung der Fallpunktzahlen für die Praxisbudgets an die regionalen Versorgungsstrukturen ergab für die Frauenärzte in Thüringen eine Fallpunktzahl von 546 Punkten (Rentner) und 536 Punkte (übrige Versicherte), die die Grundlage für die Festsetzung der Praxisbudgets der Klägerin bildeten. Ein Faktor bei der Ermittlung dieser regionalisierten Fallpunktzahlen resultiert aus dem bundesdurchschnittlichen Arztgruppen bezogenen prozentualen Kostensatz (Betriebsausgaben) des Jahres 1994, der für die Gruppe der Frauenärzte in den neuen Bundesländern mit 186.000,00 DM festgesetzt worden war. Diese Größenordnung entspricht den durchschnittlichen Betriebsausgaben in der GKV-West, die mit einem Anteil von 56,2 v.H. festgesetzt wurden, abzüglich eines Betrages von 12.5 v.H.
Unter Zugrundelegen dieser Berechnungsmodi vergütete die Beklagte in den streitgegenständlichen Quartalen in den jeweiligen Honorarbescheiden die von der Klägerin angeforderten Punktmengen nicht in vollem Umfange. Die Widersprüche gegen die Honorarbescheide wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 6. Juni 2002 (für das Quartal I/2001) und vom 22. Juli 2002 (für das III./2001) und vom 20. Februar 2003 (für das Quartal I/2002) zurück.
Die hiergegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klägerin für die streitgegenständlichen Quartale kein höheres Honorar beanspruchen könne. Die Beklagte habe die Honorarfeststellung einschließlich der streitgegenständlichen Berechnungsgrundlagen im Rahmen des Praxisbudgets in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts halte sich der EBM-Ä für die Fachgruppe der Klägerin im Rahmen des dem Bewertungsausschusses zukommenden Beurteilungs- und Regelungsspielraums. Die Festsetzung der Kostensätze sei der gerichtlichen Kontrolle zwar nicht entzogen, andererseits seien die Werte aber auch nicht voll zu überprüfen. Einer Kontrolle daraufhin, ob sie exakt richtig seien, stehe entgegen, dass ihre Festlegung durch Normsetzungsakt erfolge und dass ihre genaue Feststellung nicht möglich sei. Es handele sich vielmehr um Näherungswerte auf Grundwerten der Beurteilung statistischer und betriebswirtschaftlicher Daten. Die Festlegung der Kostensätze müsse dabei für alle Arztpraxen nach denselben Maßstäben erfolgen. Das Ergebnis müsse plausibel sein und sich innerhalb des Rahmens der unterschiedlichen Erhebungsergebnisse halten. Dies sei letztendlich nicht zu beanstanden. Die Fehlerhaftigkeit des Praxisbudgets ergebe sich auch nicht bei Berücksichtigung der von der Beklagten zugrunde gelegten Berechnungsformel. Auch wenn die Behandlungsfallzahl in Thüringen, wie auch in den übrigen neuen Bundesländern, erheblich höher sein sollte, als dies 1995 in den alten Bundesländern der Fall gewesen sei, so übersehe die Klägerin, dass ausweislich dieser Berechnungsformel der regionalen Fallzahl ein regionaler durchschnittlicher Umsatz des Jahres 1994 der betreffenden Arztgruppe und nicht etwa der bundesdurchschnittliche Umsatz gegenüberstehe. Damit würden die Thüringer Frauenärzte nicht benachteiligt, weil die Ermittlung der Fallpunktzahl an das tatsächliche Leistungsgeschehen der jeweiligen ärztlichen Fachrichtung in Thüringen anknüpfe. Im Übrigen sei der Bewertungsausschuss nicht gehalten, eine von der Festlegung für die alten Bundesländer losgelöste Erhebung der Kostensätze für die neuen Bundesländer durchzuführen. Unterschiede von solchem Ausmaß und Gewicht, die zwingend einen höheren Kostenanteil zur Folge hätten und deshalb hätten isoliert betrachtet und in die Kostenberechnung eingeführt werden müssen, seien nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Es sei auch nicht zu beanstanden, für den auf diese Weise ermittelten Kostenansatz für die Arztpraxen in den neuen Bundesländern einen Abschlag von 12.5 v.H. vorzunehmen und das Ergebnis in einem Festbetrag in DM auszuweisen. Grund dafür sei, dass die Personalkosten in einer ärztlichen Praxis in den neuen Bundesländern bisher niedriger gewesen seien, als dies in den alten Bundesländern der Fall sei. Ebenso wenig sei zu beanstanden, wenn der Bewertungsausschuss den Unterschied bei den Personalkosten als einen wesentlichen Bestandteil der Betriebsausgaben angemessen berücksichtigt habe.
Hiergegen hat die Klägerin – ohne nähere Begründung – im Juli 2004 Berufung eingelegt.
Sie beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2004 aufzuheben und unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale I und III/2001 sowie I/2002 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 6. Juni 2002, 22. Juli 2002 und 20. Februar 2003 die Beklagte zu verurteilen, das Honorar im Hinblick auf die Berechnung des Praxisbudgets unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut festzustellen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Honorar bzw. auf Neufestsetzung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats. Die Bemessung des Praxisbudgets nach den Vorgaben des EBM-Ä, woran die Beklagte im Übrigen gebunden ist, ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Einführung von Praxisbudgets ist § 87 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 87 Abs. 2a Satz 1 und 2 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266). Danach bestimmt der EBM-Ä den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander. Die im EBM-Ä aufgeführten Leistungen sind zu Leistungskomplexen zusammenzufassen. Nach Abs. 2a können, soweit dies medizinisch erforderlich ist, Einzelleistungen vorgesehen werden. Diese Regelungen lassen die Steuerung des ärztlichen Leistungsverhaltens durch die Begrenzung der dem einzelnen Vertragsarzt zustehenden Honorierung zu. Mit Wirkung zum 1. Juli 1997 ist § 87 Abs. 2a SGB V durch das 2. Gesetz zur Neuordnung von Selbstverantwortung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 23. Juni 1997 zudem um Satz 8 ergänzt worden, wonach Obergrenzen für die Menge von Leistungen oder von Gruppen von Leistungen, die von einer Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbar sind, vorgesehen werden können; die Obergrenzen können für die unterschiedlichen Arztgruppen auch unterschiedlich festgesetzt werden. Im Rahmen dieser Ermächtigung hat der Bewertungsausschuss mit Beschlüssen vom 19. November 1996 und 11. März 1997 den EBM-Ä, Allgemeine Bestimmungen A I, Teil B neu gefasst. Unter Anwendung der konkreten Regelungen erfolgt die fallzahlabhängige Budgetierung. Die diese Grenze überschreitenden Punktzahlanforderungen werden nicht gesondert vergütet.
Dem Sozialgericht ist beizutreten, dass die vorgenommenen Budgetierungen gerade im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgericht vom 15. Mai 2002 (Az.: B 6 KA 33/01 R) nicht zu beanstanden sind. Die Begrenzung der Punktwertmenge erfüllt dabei auch ihren gesetzlichen Zweck. Sie bewirkt die Stabilisierung des Punktwertes und gewährleistet damit eine angemessene Honorierung und letztlich die vertragsärztliche Versorgung allgemein. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung im Einzelnen, gerade auch zum streitigen Komplex des festen Betriebskostenanteils und des pauschalierten Abzuges von 12,5 v.H. (beides ausschließlich bedeutsam in den neuen Bundesländern) nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe der Vorinstanz Bezug genommen.
Unabhängig davon, dass der Bewertungsausschuss die Festlegung der einzelnen Praxisbudgets im EBM-Ä zu begründen nicht verpflichtet ist, soll unter Berücksichtigung der Ausführungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in den Verfahren L 4 KA 619/02 und L 4 KA 805/02 auf Folgendes hingewiesen werden:
Die Ermittlung der Berechnungsgrundlagen erfolgte auf Grund verschiedener Analysen, die vorgenommen wurden vom Zentralinstitut für die vertragsärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, DATEV, Kreditinstituten sowie vom Statistischen Bundesamt. Die Repräsentativität und das grundsätzliche Verfahren der Zusammenführung der Kostendaten ergibt sich dabei aus den von den Beigeladenen übersandten Zusammenstellungen. Zudem wurden die Grundsätze zur Ermittlung der prozentualen Kostensätze sowie Ergebnisprotokolle und Beschlüsse übersandt. Anhand der vorgelegten Unterlagen wird nochmals nachvollziehbar, dass es sich nicht um eine willkürliche Festlegung von Zahlenmaterial handelt, sondern um eine Methode, unterschiedlichen Sachverhalten gerecht zu werden und einen Ausgleich untereinander zu finden.
Die von den Beigeladenen dargebrachten Argumente für die Festelegung der Praxisbudgets mit einem festen Betriebskostenanteil in den neuen Bundesländern ist gerichtlich nicht angreifbar, weil sie nicht willkürlich und auch nicht bewusst benachteiligend ist, wenn es vielleicht auch eine günstigere Regelung gegeben hätte. Gleichsam darf dabei auch nicht außen vor bleiben, dass bestimmte Ärzte von einem festen Betriebskostenanteil profitieren, nämlich die, die kleinere Praxen haben und/oder niedrige Betriebskosten aufweisen.
Als Besonderheit in den neuen Bundesländern wurde berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt der Festlegung der Praxisbudgets in den neuen Bundesländern allgemein von niedrigeren Betriebskosten ausgegangen wurde (z.B. Gehälter, Miete etc.). Es wurde ferner die Besonderheit der niedrigeren Umsätze der Vertragsärzte im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigungen der neuen Bundesländer berücksichtigt. Bei der Ermittlung der Fallpunktzahl wurde anstelle des prozentualen Anteils ein fester Betriebskostenanteil eingebracht. Ziel war es, die Betriebskosten von den niedrigeren Umsätzen in den neuen Bundesländern unabhängig zu machen. All dies sind Sachargumente, die - entgegen der Meinung der Klägerseite - gerade nicht eine bewusste Benachteiligung einer bestimmten Gruppe von Vertragsärzten zum Ziel haben.
Bei der Ermittlung der Betriebskosten wurden die Investitionskosten über die Abschreibungen berücksichtigt, unabhängig davon, ob eine Praxisneugründung in den alten oder den neuen Bundesländern erfolgte. Bei Annahme höherer Investitionskosten in den neuen Bundesländern handelt es sich nur um eine bloße Behauptung, die sich nicht belegen lässt. Die vorliegende Analyse des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland zur Höhe der Investitionen bei Praxisübernahmen und Praxisneugründungen in den Jahren 1993/1994 bis 2002/2002 hat ergeben, dass die Höhe der Investitionen für den einzelnen Vertragsarzt in den neuen Bundesländern unterhalb der Investitionshöhe in den alten Bundesländern lag.
Die Ermittlung der Betriebskosten zur Berechnung der Praxisbudgets erfolgte unter Berücksichtigung des Anteils an Privatpatienten. Regionale Unterschiede, die nicht nur zwischen den alten und den neuen Bundesländern, sondern auch beim Vergleich der Regionen der alten Bundesländer bestehen, blieben generell unberücksichtigt. Auch dies ist nicht zu beanstanden.
Eine unterschiedliche Altersstruktur der zu behandelnden Patienten bedingt keine Änderung bei den Betriebskosten der Praxis. Dem erhöhten Behandlungsaufwand einer Praxis wird durch die Differenzierung der Fallpunktzahlen nach den Versichertengruppen (Rentner/Familienangehörigen) Rechnung getragen.
Von strukturellen Unterschieden in chirurgischen Praxen wurde nicht ausgegangen, lediglich bei der Ermittlung der Kosten wurde in den neuen Bundesländern von einer etwas günstigeren Kostenkonstellation ausgegangen.
Bei dem Kostenabschlag von 12,5 v.H. hat sich der Bewertungsausschuss an dem Abschlag für den Punktwert in der GOÄ (von 10 v.H.) orientiert. Auch dies ist letztlich nicht zu beanstanden. Ausschlaggebend war dabei die Höhe der Personalkosten. Je nach Tarifvertrag lagen die Entgelte bei 75 v.H. (Tarifvertrag für die Arzthelferinnen) und 82 v.H. (BAT-Ost). Bei einem rechnerischen Anteil der Personalkosten von 50 v.H. ergibt sich ausgehend von dem Tarifvertrag der Arzthelferinnen ein Abschlag in Höhe von 12,5 v.H. Der reale Anteil der Personalkosten hängt zwar von der Praxisgröße und der Arztgruppe ab, der pauschalierte Abzug erscheint aber unter Berücksichtigung des zuvor Gesagten angemessen, wenn zudem noch zu berücksichtigen ist, dass in aller Regel in den neuen Bundesländern zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Praxisbudgets die Mieten preiswerter waren als in den alten Bundesländern.
Es sind auch keine anderen Aspekte ersichtlich, die eine bewusste und gewollte Benachteiligung der hier betroffenen Fachgruppe begründen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG vorliegen. Zum einen ist in Thüringen eine Vielzahl von Verfahren betroffen, zum anderen handelt es sich nicht um in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte. Die Berechnung der Praxisbudgets setzt sich kontinuierlich bis in den EBM-Ä 2000 (wirksam ab 1. Januar 2005) fort.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honorars für die Quartale I und III/2001 sowie I/2002 und in diesem Zusammenhang über die Rechtmäßigkeit der Praxisbudgets.
Die Klägerin ist als Gynäkologin in G. nieder- und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte legte bei der Feststellung des Honorars für die streitgegenständlichen Quartale die seit der Neufassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) zum 1. Juni 1997 geltenden Praxisbudgets zugrunde. Die im EBM-Ä enthaltenen ärztlichen Leistungen unterliegen danach nach Maßgabe näherer Bestimmungen (die Einzelheiten ergeben sich aus den Anlagen 1 und 2 zu den allgemeinen Bestimmungen nach Abschnitt A I des EBM-Ä) je Arztpraxis und Abrechnungsquartal mit Wirkung vom 1. Juli 1997 einer fallzahlabhängigen Budgetierung. Vertragsärzte der Fachrichtung Frauenheilkunde gehören zu den budgetierten Arztgruppen. Die in den Budgets enthaltenen Leistungen sind je Arztpraxis- und Abrechnungsquartal nur bis zu einer bestimmten Gesamtpunktzahl abrechnungsfähig. Der sich für die Fachgruppe der Klägerin aus dem Bundesdurchschnitt ergebende Wert beträgt für Rentner 395 Punkte und für die übrigen Versicherten 420 Punkte. Die unter bestimmten, im EBM-Ä (Abschnitt a I Ziffer 3) näher festgelegten, Voraussetzungen von der Beklagten durchzuführende Anpassung der Fallpunktzahlen für die Praxisbudgets an die regionalen Versorgungsstrukturen ergab für die Frauenärzte in Thüringen eine Fallpunktzahl von 546 Punkten (Rentner) und 536 Punkte (übrige Versicherte), die die Grundlage für die Festsetzung der Praxisbudgets der Klägerin bildeten. Ein Faktor bei der Ermittlung dieser regionalisierten Fallpunktzahlen resultiert aus dem bundesdurchschnittlichen Arztgruppen bezogenen prozentualen Kostensatz (Betriebsausgaben) des Jahres 1994, der für die Gruppe der Frauenärzte in den neuen Bundesländern mit 186.000,00 DM festgesetzt worden war. Diese Größenordnung entspricht den durchschnittlichen Betriebsausgaben in der GKV-West, die mit einem Anteil von 56,2 v.H. festgesetzt wurden, abzüglich eines Betrages von 12.5 v.H.
Unter Zugrundelegen dieser Berechnungsmodi vergütete die Beklagte in den streitgegenständlichen Quartalen in den jeweiligen Honorarbescheiden die von der Klägerin angeforderten Punktmengen nicht in vollem Umfange. Die Widersprüche gegen die Honorarbescheide wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 6. Juni 2002 (für das Quartal I/2001) und vom 22. Juli 2002 (für das III./2001) und vom 20. Februar 2003 (für das Quartal I/2002) zurück.
Die hiergegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klägerin für die streitgegenständlichen Quartale kein höheres Honorar beanspruchen könne. Die Beklagte habe die Honorarfeststellung einschließlich der streitgegenständlichen Berechnungsgrundlagen im Rahmen des Praxisbudgets in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts halte sich der EBM-Ä für die Fachgruppe der Klägerin im Rahmen des dem Bewertungsausschusses zukommenden Beurteilungs- und Regelungsspielraums. Die Festsetzung der Kostensätze sei der gerichtlichen Kontrolle zwar nicht entzogen, andererseits seien die Werte aber auch nicht voll zu überprüfen. Einer Kontrolle daraufhin, ob sie exakt richtig seien, stehe entgegen, dass ihre Festlegung durch Normsetzungsakt erfolge und dass ihre genaue Feststellung nicht möglich sei. Es handele sich vielmehr um Näherungswerte auf Grundwerten der Beurteilung statistischer und betriebswirtschaftlicher Daten. Die Festlegung der Kostensätze müsse dabei für alle Arztpraxen nach denselben Maßstäben erfolgen. Das Ergebnis müsse plausibel sein und sich innerhalb des Rahmens der unterschiedlichen Erhebungsergebnisse halten. Dies sei letztendlich nicht zu beanstanden. Die Fehlerhaftigkeit des Praxisbudgets ergebe sich auch nicht bei Berücksichtigung der von der Beklagten zugrunde gelegten Berechnungsformel. Auch wenn die Behandlungsfallzahl in Thüringen, wie auch in den übrigen neuen Bundesländern, erheblich höher sein sollte, als dies 1995 in den alten Bundesländern der Fall gewesen sei, so übersehe die Klägerin, dass ausweislich dieser Berechnungsformel der regionalen Fallzahl ein regionaler durchschnittlicher Umsatz des Jahres 1994 der betreffenden Arztgruppe und nicht etwa der bundesdurchschnittliche Umsatz gegenüberstehe. Damit würden die Thüringer Frauenärzte nicht benachteiligt, weil die Ermittlung der Fallpunktzahl an das tatsächliche Leistungsgeschehen der jeweiligen ärztlichen Fachrichtung in Thüringen anknüpfe. Im Übrigen sei der Bewertungsausschuss nicht gehalten, eine von der Festlegung für die alten Bundesländer losgelöste Erhebung der Kostensätze für die neuen Bundesländer durchzuführen. Unterschiede von solchem Ausmaß und Gewicht, die zwingend einen höheren Kostenanteil zur Folge hätten und deshalb hätten isoliert betrachtet und in die Kostenberechnung eingeführt werden müssen, seien nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Es sei auch nicht zu beanstanden, für den auf diese Weise ermittelten Kostenansatz für die Arztpraxen in den neuen Bundesländern einen Abschlag von 12.5 v.H. vorzunehmen und das Ergebnis in einem Festbetrag in DM auszuweisen. Grund dafür sei, dass die Personalkosten in einer ärztlichen Praxis in den neuen Bundesländern bisher niedriger gewesen seien, als dies in den alten Bundesländern der Fall sei. Ebenso wenig sei zu beanstanden, wenn der Bewertungsausschuss den Unterschied bei den Personalkosten als einen wesentlichen Bestandteil der Betriebsausgaben angemessen berücksichtigt habe.
Hiergegen hat die Klägerin – ohne nähere Begründung – im Juli 2004 Berufung eingelegt.
Sie beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2004 aufzuheben und unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale I und III/2001 sowie I/2002 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 6. Juni 2002, 22. Juli 2002 und 20. Februar 2003 die Beklagte zu verurteilen, das Honorar im Hinblick auf die Berechnung des Praxisbudgets unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut festzustellen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Honorar bzw. auf Neufestsetzung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats. Die Bemessung des Praxisbudgets nach den Vorgaben des EBM-Ä, woran die Beklagte im Übrigen gebunden ist, ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Einführung von Praxisbudgets ist § 87 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 87 Abs. 2a Satz 1 und 2 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266). Danach bestimmt der EBM-Ä den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander. Die im EBM-Ä aufgeführten Leistungen sind zu Leistungskomplexen zusammenzufassen. Nach Abs. 2a können, soweit dies medizinisch erforderlich ist, Einzelleistungen vorgesehen werden. Diese Regelungen lassen die Steuerung des ärztlichen Leistungsverhaltens durch die Begrenzung der dem einzelnen Vertragsarzt zustehenden Honorierung zu. Mit Wirkung zum 1. Juli 1997 ist § 87 Abs. 2a SGB V durch das 2. Gesetz zur Neuordnung von Selbstverantwortung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 23. Juni 1997 zudem um Satz 8 ergänzt worden, wonach Obergrenzen für die Menge von Leistungen oder von Gruppen von Leistungen, die von einer Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbar sind, vorgesehen werden können; die Obergrenzen können für die unterschiedlichen Arztgruppen auch unterschiedlich festgesetzt werden. Im Rahmen dieser Ermächtigung hat der Bewertungsausschuss mit Beschlüssen vom 19. November 1996 und 11. März 1997 den EBM-Ä, Allgemeine Bestimmungen A I, Teil B neu gefasst. Unter Anwendung der konkreten Regelungen erfolgt die fallzahlabhängige Budgetierung. Die diese Grenze überschreitenden Punktzahlanforderungen werden nicht gesondert vergütet.
Dem Sozialgericht ist beizutreten, dass die vorgenommenen Budgetierungen gerade im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgericht vom 15. Mai 2002 (Az.: B 6 KA 33/01 R) nicht zu beanstanden sind. Die Begrenzung der Punktwertmenge erfüllt dabei auch ihren gesetzlichen Zweck. Sie bewirkt die Stabilisierung des Punktwertes und gewährleistet damit eine angemessene Honorierung und letztlich die vertragsärztliche Versorgung allgemein. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung im Einzelnen, gerade auch zum streitigen Komplex des festen Betriebskostenanteils und des pauschalierten Abzuges von 12,5 v.H. (beides ausschließlich bedeutsam in den neuen Bundesländern) nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe der Vorinstanz Bezug genommen.
Unabhängig davon, dass der Bewertungsausschuss die Festlegung der einzelnen Praxisbudgets im EBM-Ä zu begründen nicht verpflichtet ist, soll unter Berücksichtigung der Ausführungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in den Verfahren L 4 KA 619/02 und L 4 KA 805/02 auf Folgendes hingewiesen werden:
Die Ermittlung der Berechnungsgrundlagen erfolgte auf Grund verschiedener Analysen, die vorgenommen wurden vom Zentralinstitut für die vertragsärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, DATEV, Kreditinstituten sowie vom Statistischen Bundesamt. Die Repräsentativität und das grundsätzliche Verfahren der Zusammenführung der Kostendaten ergibt sich dabei aus den von den Beigeladenen übersandten Zusammenstellungen. Zudem wurden die Grundsätze zur Ermittlung der prozentualen Kostensätze sowie Ergebnisprotokolle und Beschlüsse übersandt. Anhand der vorgelegten Unterlagen wird nochmals nachvollziehbar, dass es sich nicht um eine willkürliche Festlegung von Zahlenmaterial handelt, sondern um eine Methode, unterschiedlichen Sachverhalten gerecht zu werden und einen Ausgleich untereinander zu finden.
Die von den Beigeladenen dargebrachten Argumente für die Festelegung der Praxisbudgets mit einem festen Betriebskostenanteil in den neuen Bundesländern ist gerichtlich nicht angreifbar, weil sie nicht willkürlich und auch nicht bewusst benachteiligend ist, wenn es vielleicht auch eine günstigere Regelung gegeben hätte. Gleichsam darf dabei auch nicht außen vor bleiben, dass bestimmte Ärzte von einem festen Betriebskostenanteil profitieren, nämlich die, die kleinere Praxen haben und/oder niedrige Betriebskosten aufweisen.
Als Besonderheit in den neuen Bundesländern wurde berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt der Festlegung der Praxisbudgets in den neuen Bundesländern allgemein von niedrigeren Betriebskosten ausgegangen wurde (z.B. Gehälter, Miete etc.). Es wurde ferner die Besonderheit der niedrigeren Umsätze der Vertragsärzte im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigungen der neuen Bundesländer berücksichtigt. Bei der Ermittlung der Fallpunktzahl wurde anstelle des prozentualen Anteils ein fester Betriebskostenanteil eingebracht. Ziel war es, die Betriebskosten von den niedrigeren Umsätzen in den neuen Bundesländern unabhängig zu machen. All dies sind Sachargumente, die - entgegen der Meinung der Klägerseite - gerade nicht eine bewusste Benachteiligung einer bestimmten Gruppe von Vertragsärzten zum Ziel haben.
Bei der Ermittlung der Betriebskosten wurden die Investitionskosten über die Abschreibungen berücksichtigt, unabhängig davon, ob eine Praxisneugründung in den alten oder den neuen Bundesländern erfolgte. Bei Annahme höherer Investitionskosten in den neuen Bundesländern handelt es sich nur um eine bloße Behauptung, die sich nicht belegen lässt. Die vorliegende Analyse des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland zur Höhe der Investitionen bei Praxisübernahmen und Praxisneugründungen in den Jahren 1993/1994 bis 2002/2002 hat ergeben, dass die Höhe der Investitionen für den einzelnen Vertragsarzt in den neuen Bundesländern unterhalb der Investitionshöhe in den alten Bundesländern lag.
Die Ermittlung der Betriebskosten zur Berechnung der Praxisbudgets erfolgte unter Berücksichtigung des Anteils an Privatpatienten. Regionale Unterschiede, die nicht nur zwischen den alten und den neuen Bundesländern, sondern auch beim Vergleich der Regionen der alten Bundesländer bestehen, blieben generell unberücksichtigt. Auch dies ist nicht zu beanstanden.
Eine unterschiedliche Altersstruktur der zu behandelnden Patienten bedingt keine Änderung bei den Betriebskosten der Praxis. Dem erhöhten Behandlungsaufwand einer Praxis wird durch die Differenzierung der Fallpunktzahlen nach den Versichertengruppen (Rentner/Familienangehörigen) Rechnung getragen.
Von strukturellen Unterschieden in chirurgischen Praxen wurde nicht ausgegangen, lediglich bei der Ermittlung der Kosten wurde in den neuen Bundesländern von einer etwas günstigeren Kostenkonstellation ausgegangen.
Bei dem Kostenabschlag von 12,5 v.H. hat sich der Bewertungsausschuss an dem Abschlag für den Punktwert in der GOÄ (von 10 v.H.) orientiert. Auch dies ist letztlich nicht zu beanstanden. Ausschlaggebend war dabei die Höhe der Personalkosten. Je nach Tarifvertrag lagen die Entgelte bei 75 v.H. (Tarifvertrag für die Arzthelferinnen) und 82 v.H. (BAT-Ost). Bei einem rechnerischen Anteil der Personalkosten von 50 v.H. ergibt sich ausgehend von dem Tarifvertrag der Arzthelferinnen ein Abschlag in Höhe von 12,5 v.H. Der reale Anteil der Personalkosten hängt zwar von der Praxisgröße und der Arztgruppe ab, der pauschalierte Abzug erscheint aber unter Berücksichtigung des zuvor Gesagten angemessen, wenn zudem noch zu berücksichtigen ist, dass in aller Regel in den neuen Bundesländern zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Praxisbudgets die Mieten preiswerter waren als in den alten Bundesländern.
Es sind auch keine anderen Aspekte ersichtlich, die eine bewusste und gewollte Benachteiligung der hier betroffenen Fachgruppe begründen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG vorliegen. Zum einen ist in Thüringen eine Vielzahl von Verfahren betroffen, zum anderen handelt es sich nicht um in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte. Die Berechnung der Praxisbudgets setzt sich kontinuierlich bis in den EBM-Ä 2000 (wirksam ab 1. Januar 2005) fort.
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