Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 6 U 2201/97
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 998/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 99/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 6. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die der Verletztenrentengewährung zugrunde liegende Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Der 1938 geborene Kläger ist Tierarzt und erlebte in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit mehrere Unfälle im Jahr 1986. Am 11. März 1986 trat ihn eine Kuh gegen das rechte Knie. Am 13. April 1986 prellte er sich erneut das rechte Knie sowie die Lendenwirbelsäule. Am 25. November 1986 stürzte er und zog sich eine Bänderzerrung und eine mediale Meniskusverletzung am linken Knie zu. Drei Tage später, am 28. November 1986, erlitt er eine weitere Prellung und Quetschung des linken Knies.
Ausweislich des Gutachtens von Dr. L. vom 30. Juni 1987 für die staatliche Versicherung der ehemaligen DDR wurde der Körperschaden für den Unfall vom 25. November 1986 mit 20 v.H. bewertet. Mit weiterem Gutachten vom 2. September 1988 bezifferte Dr. L. den Dauerschaden mit 20 v.H. In einem ärztlichen Gutachten von Prof. Dr. La. und Dr. Lb. vom 13. Februar 1991 wurde ausgeführt, dass der Kläger über belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenkes klage. Er werde vor allem bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Tierarzt behindert. Weiterhin klage er über Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich bei schwerer körperlicher Arbeit und auch bei längerem Autofahren. Gegenüber dem Gutachten vom 2. August 1988, das für die bisher gewährte Unfallrente von 20 v.H. maßgebend sei, sei keine Verbesserung eingetreten. Zusätzlich seien Beschwerden im Bereich des Rückens aufgetreten und die Beschwerden im Bereich beider Kniegelenke hätten zugenommen. Der Körperschaden aus dem Arbeitsunfall vom 25. November 1986 betrage 30 v.H.
Im Mai 1991 wandte sich der Kläger an die Bundesausführungsbehörde der Unfallversicherung (Rechtsvorgängerin der Beklagten). Er beantragte die Erhöhung der bislang gewährten Unfallrente nach einer MdE von 30 v.H. Zur Begründung bezog er sich auf das Gutachten von Prof. La. und Dr. Lb. vom Februar des Jahres.
Im Verwaltungsverfahren holte die Beklagte ein fachärztliches Gutachten von Dr. S. vom 25.September 1991 ein. Danach sei es im Vergleich zu den Vorgutachten nicht zu einer Veränderung gekommen. Es sei sogar eine geringe Verbesserung nachweisbar. Die Muskulatur des linken Beines habe sich erholt. Der übrige Befund sei identisch mit den Vorgutachten. Warum plötzlich die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule mit aufgenommen worden seien, sei nicht nachvollziehbar. Hierbei handele es sich eindeutig um eine unfallunabhängige degenerative Erkrankung, die nichts mit dem Knieschaden zu tun habe.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 1991 teilte die Beklagte dem Kläger das Ergebnis der Begutachtung durch Dr. S. mit. Zudem schlug sie vor, zur abschließenden Bearbeitung eine weitere Nachuntersuchung bei Prof. Dr. M. durchführen zu lassen. Es werde um Mitteilung gebeten, ob Bereitschaft bestehe, sich einer weiteren Nachuntersuchung durch Prof. Dr. M. zu unterziehen.
Im November 1996 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte, weil die Anpassung der Unfallrente von 20 auf 30 v.H. nach wie vor nicht erfolgt sei. Das sei ihm erst jetzt wieder bewusst geworden. Als Anlage fügte er eine Abschrift seines Schreibens vom 12. Mai 1991 sowie weitere Kopien bei.
Als Reaktion darauf holte die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. M. vom 6. Februar 1997 ein. Danach sei auf Grund der fehlenden Messblätter keine Aussage über Vorbefunde möglich. Damit sei auch keine objektive Aussage zur Frage der Verschlimmerung möglich. Unter Berücksichtigung des aktuellen Gesundheitszustandes habe die MdE zum Untersuchungszeitpunkt unter 10 v.H. betragen. Die von dem Kläger geschilderten Wirbelsäulenbeschwerden seien degenerativer Natur. Die bestehenden Kniebeschwerden rechtfertigten eine MdE von weniger als 10 v.H.
Im Rahmen eines weiteren Gutachtens führte Dr. S. unter dem 24. März 1997 aus, dass eine wesentliche Veränderung zu den Vorbefunden nicht nachweisbar sei, wenigstens keine solche, die eine Herabsetzung der MdE um 10 v.H. rechtfertigen könnte. Als Ausgangspunkt werde das Gutachten von 1988 genommen. Damals habe eine laterale, jetzt eine mediale Instabilität bestanden. Bei freier Einschätzung der MdE liege diese unter 10 v.H.
Mit Bescheid vom 10. April 1997 lehnte die Beklagte eine Erhöhung der Verletztenrente ab. Eine wesentliche Verschlimmerung liege nicht vor, weil sich das Ausmaß der durch die Folgen des Versicherungsfalles bedingten MdE nicht um mehr als 10 v.H. erhöht habe.
Auf den Widerspruch des Klägers, dass es nicht primär um die Erhöhung des Rentenanspruches bzw. der MdE um mehr als 10 v.H. ankomme, sondern um die ausstehende Rentenanpassung auf der Grundlage der Nachbegutachtung vom 11. Februar 1991 mit einer MdE von 30 v.H., holte die Beklagte ein weiteres unfallchirurgisches Gutachten von Professor Dr. D. vom 10. September 1997 ein. Dieser schätzte die unfallbedingte MdE mit 10 v.H. ein. In einem weiteren Gutachten kam Dr. S. unter dem 6. Oktober 1997 zu dem Ergebnis, dass eine Verschlimmerung im Unfallfolgenzustand nicht gegeben sei. Lediglich aus rechtlichen Gründen werde eine Beibehaltung der MdE von 20 v.H. empfohlen, auch wenn bei freier Einschätzung die MdE nur 10 v.H. betrage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 1997 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht ein Gutachten von Dr. H. (MdE 10 v.H.) und im Auftrage des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten von Dr. St. (MdE 20 v.H.) eingeholt und mit Urteil vom 6. November 2002 die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die Erhöhung der Verletztenrente abgelehnt. Auch zum Zeitpunkt des Eingangs des Verschlimmerungsantrages am 12. Mai 1991 habe die MdE nicht 30 v.H. betragen. Eine Verwaltungspraxis, dass die ärztliche Einschätzung zum Körperschaden die Sozialverwaltung während der Dauer der Geltung der Rentenverordnung gebunden habe, sei nicht bekannt. Auch über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lasse sich ein Anspruch nicht herleiten.
Mit der dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger weiterhin einen Anspruch auf Gewährung von Unfallrente wegen eines Körperschadens von 30 v. H. geltend. Die anders lautende Auffassung des Sozialgerichts Altenburg sei nicht nachvollziehbar. Für den maßgeblichen Zeitpunkt, den 12. Mai 1991, existiere ein Gutachten von Professor Dr. La. und Dr. Lb., nach dem auf Grund des Arbeitsunfalls ein Grad des Körperschadens von 30 v.H. bestehe. Es handele sich dabei um das einzig zeitnahe Gutachten, für das eine persönliche Untersuchung erfolgt sei. Nur die beiden Gutachter des Krankenhauses in E. hätten ihn zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich untersucht. Aus diesem Grund sei die damalige Einschätzung der Gutachter für die Beurteilung des Grades des Körperschadens weiterhin maßgeblich. Die anderen Gutachten, die von einem geringeren Grad eines Körperschadens ausgingen und auf die das Sozialgericht Altenburg seine Auffassung stütze, seien über sechs, teilweise bis zu zehn Jahren nach dem maßgeblichen Zeitpunkt angefertigt worden und träfen keine Aussage über seinen Gesundheitszustand zu diesem früheren Zeitpunkt. Auf Grund des erheblichen zeitlichen Abstandes sei den Gutachtern eine Einschätzung, welche nunmehr bestehenden Veränderungen im Kniebereich bzw. im Bereich der Wirbelsäule unfallbedingt seien oder nicht, gar nicht mehr möglich. Im Übrigen wäre nach der in der ehemaligen DDR üblichen Verwaltungspraxis, worauf er vertraut habe und die bis zum 31. Dezember 1991 weiter anzuwenden gewesen wäre, auf Grund des Gutachtens von Professor Dr. La. und Dr. Lb. eine Rente wegen des Grades des Körperschadens von 30 v.H. gewährt worden. Spätere Gutachten könnten daher nicht mehr berücksichtigt werden. Unabhängig davon bestehe zu seinen Gunsten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Auch deshalb könne er Rente nach einer MdE von 30 v.H. verlangen. Die Beklagte habe ihn nicht, wie erforderlich, über die Möglichkeit einer weiteren Begutachtung informiert. Sie hätte gerade nicht davon ausgehen dürfen, dass er das Schreiben vom 17. Oktober 1991, in dem der Hinweis auf die Möglichkeit einer weiteren Begutachtung enthalten gewesen sei, erhalten habe. Die Tatsache, dass er entgegen seinem früheren Verhalten sich nicht weiter bei der Beklagten gemeldet habe, hätte die Beklagte gerade nicht zum Anlass nehmen dürfen, die Angelegenheit als erledigt zu betrachten. Die Ansicht des Sozialgerichts messe in unzulässiger Weise seinem Schweigen einen rechtsnachteiligen Erklärungsinhalt zu. Bei rechtzeitiger Information über die Möglichkeit eines weiteren Gutachtens hätte er sich einer neuen, zeitnahen Begutachtung unterziehen können. Eine solche Begutachtung sei nunmehr wegen des großen zeitlichen Abstandes nicht mehr möglich.
Der Kläger beantragt,
von Amts wegen ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR hinsichtlich der Bindung der zuständigen Dienststellen der Sozialversicherung an die ärztliche Feststellung zum Grad des Körperschadens in Folge von mehreren Arbeitsunfällen einzuholen.
Er beantragt ferner,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 6. November 2002 sowie den Bescheid vom 10. April 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach einem Gesamtkörperschaden bzw. einer MdE von 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die eingeholten Gutachten keine MdE von 30 v.H. rechtfertigen. Entscheidend sei, dass auch nach der Rentenverordnung der DDR die entscheidende Verwaltung nicht zwingend die medizinischen Feststellungen eines Gutachters übernommen hätten, denn Gutachten könnten immer nur Entscheidungshilfen darstellen, nie aber die eigenständige Wertung einer Verwaltungsbehörde ersetzen. Auch damals wäre im Hinblick auf das Gutachten von Dr. S. eine Verschlechterung der Unfallfolgen nicht anerkannt und dem entsprechend keine höhere Rente gewährt worden. Über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lasse sich eine höhere Rentengewährung nicht begründen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Sie verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Die Rentengewährung nach einer MdE von 20 v.H. ist rechtmäßig, auch wenn der tatsächliche MdE-Grad bei 10 bzw. unter 10 v.H. liegt, wie verschiedentlich von den Sachverständigen eingeschätzt.
Nach § 215 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist § 1150 Abs. 2 und 3 RVO für die Übernahme vor dem 1. Januar 1992 eintretenden Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung weiter anzuwenden. Nach § 1150 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gelten Unfälle und Berufskrankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltendem Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches der RVO. Nach § 1154 Abs. 1 RVO gilt bei vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet festgestellten Renten der zugrunde gelegte Grad des Körperschadens als MdE im Sinne des Dritten Buches.
Da der Antrag auf höhere Rentengewährung im Mai 1991 gestellt wurde, gilt nach dem Einigungsvertrag, Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 6a die Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung (Rentenverordnung) vom 23. November 1979 (GBl. I Nr. 38 S. 401). Diese war bis zum 31. Dezember 1991 in Kraft.
Nach § 23 Abs. 1 Rentenverordnung besteht Anspruch auf Unfallrente für den Versicherten, der durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit einen Körperschaden von mindestens 20 v.H. erlitten hat. Dies ist hier der Fall. Ausweislich der Gutachten von 1988 hat der Kläger durch den Arbeitsunfall vom 25. November 1986 einen Körperschaden erlitten, der einen Grad von 20 v.H. rechtfertigt. Dem entsprechend hat der Kläger auch Rente erhalten.
Ein Anspruch auf höhere Leistung besteht nicht. Weder war bis zum 31. Dezember 1991 ein höherer Grad des Körperschadens als 20 v.H. rechtsverbindlich festgestellt worden, der nach § 1154 Abs. 1 RVO ab 1. Januar 1992 als MdE hätte gelten müssen, noch war die Beklagte im Nachgang verpflichtet, eine MdE in Höhe von mehr als 20 v.H. festzustellen.
Die Bemessung des Grades der MdE, also die durch eine Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSGE 4, 147, 149; BSG Urteil vom 23. April 1987 - 2 RU 42/86 - HV-Info 1988, 1210; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 7 und 8, jeweils m.w.N.). Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer oder sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (BSGE SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 m.w.N.).
Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Hierbei sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23 und 27; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 5 und 8).
Die Feststellung der Höhe der MdE erfordert als tatsächliche Feststellung stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8).
Ausweislich der Gutachten von Dr. H. und Dr. St., die im gerichtlichen Verfahren eingeholt wurden, beträgt die MdE zu keinem Zeitpunkt mehr als 20 v.H. Dies entspricht auch allen im Verwaltungsverfahren nach 1996 eingeholten Gutachten und dem ersten Gutachten von Dr. S. aus dem Jahr 1991. Die MdE ist auf keinen Fall höher als 20 v.H. einzuschätzen. Vielmehr wäre sie bei der erstmaligen Festsetzung mit 10 bzw. weniger als 10 v.H. zu bemessen. Dass es hier nicht zu einer Abänderung nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gekommen ist, liegt daran, dass in den Verhältnissen keine Veränderung eingetreten ist, sondern dass von Anbeginn an die MdE bzw. der Grad des Körperschadens zu hoch bemessen wurde und rechtswidrige Festsetzungen über Art. 19 des Einigungsvertrages wirksam bleiben. Insofern profitiert der Kläger davon, dass 1988 der Grad des Körperschadens bereits zu hoch eingeschätzt wurde und aus rechtlichen Gründen keine Änderung zu seinem Nachteil, auch keine Abschmelzung, vorgenommen werden kann.
Dies bedeutet aber nicht, dass ab dem 12. Mai 1991 eine Rente nach einem Grad des Körperschadens von 30 v.H. bzw. ab 1. Januar 1992 nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren wäre. Zum einen gibt es entgegen der klägerischen Auffassung keine Verwaltungspraxis dergestalt, dass die Sozialversicherungsbehörden der DDR ungeprüft gutachterliche Einschätzungen übernommen haben. Das Gutachten von Professor Dr. La. und Dr. Lb. vermag eine MdE-Einschätzung von 30 v.H. im Übrigen auch nicht zu rechtfertigen, wie sich aus dem Gutachten von Dr. S. ergibt. Das Gutachten von Prof. Dr. La. und Dr. Lb. geht insofern fehl, als fallunabhängige degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule in die Gesamt-MdE-Bewertung einbezogen wurden. Dies ist unzulässig.
Dem Sozialgericht ist auch insoweit beizutreten, dass eine Verwaltungspraxis, die darauf hinauslief, dass die Verwaltung bei der Feststellung des Grades des Körperschadens an den Vorschlag eines ärztlichen Gutachters zwingend gebunden war, und zwar ohne eigenes Prüfungsrecht und ohne die Möglichkeit, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben, nicht erkennbar ist. Weder die gesetzlichen Grundlagen noch die zur Verfügung stehende Kommentarliteratur sprechen für eine derartige Praxis. Dies gilt sowohl für die Feststellung der Höhe des Grades des Körperschadens als auch für die Frage, ob ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit grundsätzlich anzuerkennen sind. Nach § 63 Abs. 1 der Rentenverordnung sind Leistungen nach dieser Verordnung schriftlich bei der zuständigen Dienststelle der Sozialversicherung zu beantragen. Nach § 63 Abs. 2 der Rentenverordnung entscheidet über Anträge auf Leistungen die dafür zuständige Dienststelle der Sozialversicherung. § 64 der Rentenverordnung betrifft die ärztliche Begutachtung und bestimmt, dass die Begutachtung im Rahmen der vom staatlichen Gesundheitswesen geleiteten Gutachtertätigkeit erfolgt. § 72 der Rentenverordnung betrifft die Änderung der Leistungen. All diesen Vorschriften ist keine Bindung der zuständigen Dienststelle der Sozialversicherung an das Ergebnis der nach § 64 der Rentenverordnung durchzuführenden Begutachtung zu entnehmen.
Zudem lässt der Kläger in seiner Argumentation unberücksichtigt, dass es ein weiteres Gutachten gibt und zwar vom 25. September 1991, das ebenfalls nur eine MdE von 10 v.H. attestiert. Es existieren also bereits zu einem Zeitpunkt, als die Rentenverordnung noch galt, zwei sich widersprechende Gutachten. Um den klägerischen Anspruch zu stützen, müsste es eine Verwaltungspraxis geben, dass bei Vorliegen eines Gutachtens kein weiteres eingeholt werden darf, bzw. dass beim Vorliegen zwei sich widersprechender Gutachten das für den Kläger günstigere zu heranzuziehen ist. Eine solche Verwaltungspraxis ist erst recht nicht bekannt.
Die Argumentation des Klägers überzeugt auch nicht, wenn er behauptet, dass das im Februar 1991 erstellte Gutachten aussagekräftiger sei als die von Dr. S. Ende 1991 angefertigte Expertise. Auch das Gutachten von Professor Dr. La. und Dr. L. vom Februar 1991 trifft keine Aussage über den Gesamtkörperschaden, sondern befasst sich nur mit den Folgen des Arbeitsunfalls vom 25. November 1986. Insofern kann man auch nicht davon ausgehen, dass das erste Gutachten eines ist, das nach den Grundsätzen der Rentenverordnung erstellt wurde und das andere nach der Reichsversicherungsordnung. Beide Gutachten betreffen ein und denselben Sachverhalt. Keines von beiden hat für sich gesehen einen höheren Beweiswert. Keines von beiden bindet die Verwaltung in der allein von ihr zu treffenden Verwaltungsentscheidung. Keines von beiden rechtfertigt inhaltlich einen Anspruch des Klägers auf höhere Rente.
Der Kläger kann auch keinen Anspruch aus dem so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist ein vom Bundessozialgericht entwickeltes Rechtsinstitut, das an der Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialrechtsverhältnis anknüpft. Der Anspruch soll als Institut des Verwaltungsrechts eine Lücke im Schadensersatzrecht schließen (vgl. BSGE 55, 263). Er ist aber nicht auf die Gewährung von Schadensersatz im Sinne einer Kompensationsleistung in Geld, sondern auf Naturalrestitution gerichtet, d.h. auf Vornahme einer Handlung zur Herstellung einer sozialrechtlichen Position im Sinne desjenigen Zustandes, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2000, Az.: 12 KR 10/99 in SozR 3-2400 § 28 h Nr. 11). Die begehrte Amtshandlung muss in ihrer Art nach zulässig sein, wobei nicht alle Voraussetzungen gesetzlich geregelter Amtshandlungen vorzuliegen brauchen; anderenfalls bedürfte es des Herstellungsanspruches nicht. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Verwaltung eine Pflicht versäumt hat. Insofern ist das Schreiben des Klägers von Bedeutung, in dem er ausführt, dass er das Verfahren nicht weiter beobachtet habe. Inwieweit die Beklagte nochmalig nachzufragen verpflichtet gewesen wäre, ob ein weiteres Gutachten eingeholt werden soll, ist bereits zweifelhaft. Im Übrigen scheitert der sozialrechtliche Herstellungsanspruch daran, dass keine rechtswidrige Rechtsfolge daraus hergeleitet werden kann. Darüber kann niemals ein Gesundheitsschaden fingiert werden, der nachweislich nicht vorgelegen hat.
Auch dem ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zur Frage der Verwaltungspraxis war nicht zu folgen. Es handelt es sich dabei um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Es ist nicht Aufgabe des Senats, eine mögliche Verwaltungspraxis zu ermitteln, ohne genügenden Anhaltspunkt dafür, worum es eigentlich geht und wer die Frage aus Sicht des Klägers zuverlässig beantworten kann und zwar im Hinblick auf die ihn insoweit treffende Kompetenz. Der Ausforschungsbeweis ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren trotz Amtsermittlungsgrundsatz nicht statthaft. Ein Beweisantrag zielt nach den im Zivilprozess entwickelten Grundsätzen zum "Ausforschungsbeweis" auf einen unzulässigen Beweisantrag, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will (vgl. Urteil BSG vom 19. September 1979, Az.: 11 RA 84/78). Genau das wäre aber der Fall, weil der Kläger weder konkrete Tatsachen noch das konkrete Beweismittel benennt. Ziel der Beweiserhebung ist die Ermittlung einer Verwaltungspraxis und nicht die Bestätigung der behaupteten.
Es kann auch nicht Aufgabe des Senats sein, zu einer Rechtsfrage ein Gutachten einzuholen. Nach wie vor ist es Sache der Gerichte, Rechtsfragen selbst zu beantworten, auch die nach einer zweifelsfreien Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR. In diesem Kontext sind weder Historiker noch Zeitzeugen zu bemühen. Auch wenn eine bestimmte Verwaltungspraxis der DDR weiterhin Geltung finden würde, so müsste sich diese "zweifelsfrei" aus gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen ergeben. Wie bereits zuvor ausgeführt, existieren entsprechende Regelungen nicht. Wenn es solche aber nicht gibt, dann kann ein Rechtsanspruch daraus auch nicht hergeleitet werden. Wenn zu DDR-Zeiten gegen geltendes Recht verstoßen worden sein sollte, was der Kläger im Ergebnis behauptet, wenn er vorträgt, dass es eine Verwaltungspraxis der Bindung der Sozialversicherung an einen ärztlichen Gutachter gegeben habe, so ist dies keine Verwaltungspraxis, die das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 4. Dezember 2001 (Az.: B 2 U 35/00 R) meint. Eine Bindungswirkung kann nur an eine rechtmäßige, also der damaligen Gesetzeslage entsprechende Verwaltungspraxis anknüpfen, die im Übrigen auch mit dem Grundgesetz (GG) im Einklang steht. Daraus kann auch kein Anspruch auf Gleichbehandlung nach Art. 3 GG herrühren. Es gibt keine Gleichheit im Unrecht.
Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 4. Dezember 2001 (Az.: B 2 U 35/00 R) ausgeführt, dass keine Bedenken bestehen, auch der Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR bei der Konkretisierung des jeweiligen Inhalts einer Norm aus dem das Unfallversicherungsrecht betreffenden Bereich des Übergangsrechts für das Beitrittsgebiet entscheidende Bedeutung beizumessen, wenn diese Praxis sich zweifelsfrei feststellen lässt, mit dem Wortlaut der betreffenden Norm in Einklang steht und sich innerhalb von Schranken hält. Dadurch wird einerseits der Zielsetzung, die Betroffenen während eines Übergangszeitraums in dem in der ehemaligen DDR geltenden Rechtszustand zu belassen (vgl BGHZ 123, 65, 68), in vollem Umfang Rechnung getragen, weil so gewährleistet wird, dass sie weiterhin auch tatsächlich so behandelt werden, wie es damals durch die zuständigen Stellen der DDR geschehen wäre. Andererseits trägt die Beschränkung auf Bestimmungen und Auslegungsgrundsätze, die nicht von spezifisch sozialistischen Wertungen bestimmt sind, dem Umstand Rechnung, dass die Vorschriften des Rechts der DDR bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsvertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (Staatsvertrag, BGBl II 537) und sodann des Beitritts diese Änderung erfahren hatten und so auch nur ihr Fortgelten in diesem Status angeordnet werden konnte. Denn nach Art 4 Abs. 1 des Staatsvertrages waren die einer föderativen, rechtsstaatlichen und sozialen Grundordnung entgegenstehenden Vorschriften der Verfassung der DDR über die Grundlagen ihrer bisherigen sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung nicht mehr anzuwenden und war fortbestehendes Recht nach den im Gemeinsamen Protokoll vereinbarten Leitsätzen, durch welche die Grundsätze einer freiheitlichen, demokratischen, föderativen, rechtsstaatlichen und sozialen Ordnung aufgestellt wurden, auszulegen und anzuwenden. Nach den Grundgedanken des Staatsvertrages und des Einigungsvertrages darf das Recht der ehemaligen DDR, dessen temporäre Fortgeltung angeordnet ist, auch nur insoweit angewendet werden, als dies mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl BGHZ 123, 65, 69). Spezifisch sozialistische, mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbarende Rechtsnormen, Richtlinien und Auslegungsgrundsätze durften seither nicht mehr angewandt werden.
Im Übrigen kommt es auf die Frage der Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR hinsichtlich der Bindung der zuständigen Dienststellen der Sozialversicherung an die ärztliche Feststellung zum Grad des Körperschadens in Folge mehrerer Arbeitsunfälle auch nicht entscheidend an. Das Gutachten vom Februar 1991, worauf sich der Kläger ausschließlich stützt, sagt über den Gesamtkörperschaden aus mehreren Unfällen schon gar nichts aus. Ebenso wie das im Ergebnis widersprechende Gutachten von Dr. S. hat es nicht den Gesamtkörperschaden im Sinne von § 23 Abs. 2 Rentenverordnung zum Inhalt, sondern nur den Körperschaden aus einem einzigen Unfall und zwar den vom 25. November 1986.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die der Verletztenrentengewährung zugrunde liegende Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Der 1938 geborene Kläger ist Tierarzt und erlebte in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit mehrere Unfälle im Jahr 1986. Am 11. März 1986 trat ihn eine Kuh gegen das rechte Knie. Am 13. April 1986 prellte er sich erneut das rechte Knie sowie die Lendenwirbelsäule. Am 25. November 1986 stürzte er und zog sich eine Bänderzerrung und eine mediale Meniskusverletzung am linken Knie zu. Drei Tage später, am 28. November 1986, erlitt er eine weitere Prellung und Quetschung des linken Knies.
Ausweislich des Gutachtens von Dr. L. vom 30. Juni 1987 für die staatliche Versicherung der ehemaligen DDR wurde der Körperschaden für den Unfall vom 25. November 1986 mit 20 v.H. bewertet. Mit weiterem Gutachten vom 2. September 1988 bezifferte Dr. L. den Dauerschaden mit 20 v.H. In einem ärztlichen Gutachten von Prof. Dr. La. und Dr. Lb. vom 13. Februar 1991 wurde ausgeführt, dass der Kläger über belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenkes klage. Er werde vor allem bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Tierarzt behindert. Weiterhin klage er über Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich bei schwerer körperlicher Arbeit und auch bei längerem Autofahren. Gegenüber dem Gutachten vom 2. August 1988, das für die bisher gewährte Unfallrente von 20 v.H. maßgebend sei, sei keine Verbesserung eingetreten. Zusätzlich seien Beschwerden im Bereich des Rückens aufgetreten und die Beschwerden im Bereich beider Kniegelenke hätten zugenommen. Der Körperschaden aus dem Arbeitsunfall vom 25. November 1986 betrage 30 v.H.
Im Mai 1991 wandte sich der Kläger an die Bundesausführungsbehörde der Unfallversicherung (Rechtsvorgängerin der Beklagten). Er beantragte die Erhöhung der bislang gewährten Unfallrente nach einer MdE von 30 v.H. Zur Begründung bezog er sich auf das Gutachten von Prof. La. und Dr. Lb. vom Februar des Jahres.
Im Verwaltungsverfahren holte die Beklagte ein fachärztliches Gutachten von Dr. S. vom 25.September 1991 ein. Danach sei es im Vergleich zu den Vorgutachten nicht zu einer Veränderung gekommen. Es sei sogar eine geringe Verbesserung nachweisbar. Die Muskulatur des linken Beines habe sich erholt. Der übrige Befund sei identisch mit den Vorgutachten. Warum plötzlich die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule mit aufgenommen worden seien, sei nicht nachvollziehbar. Hierbei handele es sich eindeutig um eine unfallunabhängige degenerative Erkrankung, die nichts mit dem Knieschaden zu tun habe.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 1991 teilte die Beklagte dem Kläger das Ergebnis der Begutachtung durch Dr. S. mit. Zudem schlug sie vor, zur abschließenden Bearbeitung eine weitere Nachuntersuchung bei Prof. Dr. M. durchführen zu lassen. Es werde um Mitteilung gebeten, ob Bereitschaft bestehe, sich einer weiteren Nachuntersuchung durch Prof. Dr. M. zu unterziehen.
Im November 1996 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte, weil die Anpassung der Unfallrente von 20 auf 30 v.H. nach wie vor nicht erfolgt sei. Das sei ihm erst jetzt wieder bewusst geworden. Als Anlage fügte er eine Abschrift seines Schreibens vom 12. Mai 1991 sowie weitere Kopien bei.
Als Reaktion darauf holte die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. M. vom 6. Februar 1997 ein. Danach sei auf Grund der fehlenden Messblätter keine Aussage über Vorbefunde möglich. Damit sei auch keine objektive Aussage zur Frage der Verschlimmerung möglich. Unter Berücksichtigung des aktuellen Gesundheitszustandes habe die MdE zum Untersuchungszeitpunkt unter 10 v.H. betragen. Die von dem Kläger geschilderten Wirbelsäulenbeschwerden seien degenerativer Natur. Die bestehenden Kniebeschwerden rechtfertigten eine MdE von weniger als 10 v.H.
Im Rahmen eines weiteren Gutachtens führte Dr. S. unter dem 24. März 1997 aus, dass eine wesentliche Veränderung zu den Vorbefunden nicht nachweisbar sei, wenigstens keine solche, die eine Herabsetzung der MdE um 10 v.H. rechtfertigen könnte. Als Ausgangspunkt werde das Gutachten von 1988 genommen. Damals habe eine laterale, jetzt eine mediale Instabilität bestanden. Bei freier Einschätzung der MdE liege diese unter 10 v.H.
Mit Bescheid vom 10. April 1997 lehnte die Beklagte eine Erhöhung der Verletztenrente ab. Eine wesentliche Verschlimmerung liege nicht vor, weil sich das Ausmaß der durch die Folgen des Versicherungsfalles bedingten MdE nicht um mehr als 10 v.H. erhöht habe.
Auf den Widerspruch des Klägers, dass es nicht primär um die Erhöhung des Rentenanspruches bzw. der MdE um mehr als 10 v.H. ankomme, sondern um die ausstehende Rentenanpassung auf der Grundlage der Nachbegutachtung vom 11. Februar 1991 mit einer MdE von 30 v.H., holte die Beklagte ein weiteres unfallchirurgisches Gutachten von Professor Dr. D. vom 10. September 1997 ein. Dieser schätzte die unfallbedingte MdE mit 10 v.H. ein. In einem weiteren Gutachten kam Dr. S. unter dem 6. Oktober 1997 zu dem Ergebnis, dass eine Verschlimmerung im Unfallfolgenzustand nicht gegeben sei. Lediglich aus rechtlichen Gründen werde eine Beibehaltung der MdE von 20 v.H. empfohlen, auch wenn bei freier Einschätzung die MdE nur 10 v.H. betrage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 1997 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht ein Gutachten von Dr. H. (MdE 10 v.H.) und im Auftrage des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten von Dr. St. (MdE 20 v.H.) eingeholt und mit Urteil vom 6. November 2002 die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte die Erhöhung der Verletztenrente abgelehnt. Auch zum Zeitpunkt des Eingangs des Verschlimmerungsantrages am 12. Mai 1991 habe die MdE nicht 30 v.H. betragen. Eine Verwaltungspraxis, dass die ärztliche Einschätzung zum Körperschaden die Sozialverwaltung während der Dauer der Geltung der Rentenverordnung gebunden habe, sei nicht bekannt. Auch über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lasse sich ein Anspruch nicht herleiten.
Mit der dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger weiterhin einen Anspruch auf Gewährung von Unfallrente wegen eines Körperschadens von 30 v. H. geltend. Die anders lautende Auffassung des Sozialgerichts Altenburg sei nicht nachvollziehbar. Für den maßgeblichen Zeitpunkt, den 12. Mai 1991, existiere ein Gutachten von Professor Dr. La. und Dr. Lb., nach dem auf Grund des Arbeitsunfalls ein Grad des Körperschadens von 30 v.H. bestehe. Es handele sich dabei um das einzig zeitnahe Gutachten, für das eine persönliche Untersuchung erfolgt sei. Nur die beiden Gutachter des Krankenhauses in E. hätten ihn zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich untersucht. Aus diesem Grund sei die damalige Einschätzung der Gutachter für die Beurteilung des Grades des Körperschadens weiterhin maßgeblich. Die anderen Gutachten, die von einem geringeren Grad eines Körperschadens ausgingen und auf die das Sozialgericht Altenburg seine Auffassung stütze, seien über sechs, teilweise bis zu zehn Jahren nach dem maßgeblichen Zeitpunkt angefertigt worden und träfen keine Aussage über seinen Gesundheitszustand zu diesem früheren Zeitpunkt. Auf Grund des erheblichen zeitlichen Abstandes sei den Gutachtern eine Einschätzung, welche nunmehr bestehenden Veränderungen im Kniebereich bzw. im Bereich der Wirbelsäule unfallbedingt seien oder nicht, gar nicht mehr möglich. Im Übrigen wäre nach der in der ehemaligen DDR üblichen Verwaltungspraxis, worauf er vertraut habe und die bis zum 31. Dezember 1991 weiter anzuwenden gewesen wäre, auf Grund des Gutachtens von Professor Dr. La. und Dr. Lb. eine Rente wegen des Grades des Körperschadens von 30 v.H. gewährt worden. Spätere Gutachten könnten daher nicht mehr berücksichtigt werden. Unabhängig davon bestehe zu seinen Gunsten ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Auch deshalb könne er Rente nach einer MdE von 30 v.H. verlangen. Die Beklagte habe ihn nicht, wie erforderlich, über die Möglichkeit einer weiteren Begutachtung informiert. Sie hätte gerade nicht davon ausgehen dürfen, dass er das Schreiben vom 17. Oktober 1991, in dem der Hinweis auf die Möglichkeit einer weiteren Begutachtung enthalten gewesen sei, erhalten habe. Die Tatsache, dass er entgegen seinem früheren Verhalten sich nicht weiter bei der Beklagten gemeldet habe, hätte die Beklagte gerade nicht zum Anlass nehmen dürfen, die Angelegenheit als erledigt zu betrachten. Die Ansicht des Sozialgerichts messe in unzulässiger Weise seinem Schweigen einen rechtsnachteiligen Erklärungsinhalt zu. Bei rechtzeitiger Information über die Möglichkeit eines weiteren Gutachtens hätte er sich einer neuen, zeitnahen Begutachtung unterziehen können. Eine solche Begutachtung sei nunmehr wegen des großen zeitlichen Abstandes nicht mehr möglich.
Der Kläger beantragt,
von Amts wegen ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR hinsichtlich der Bindung der zuständigen Dienststellen der Sozialversicherung an die ärztliche Feststellung zum Grad des Körperschadens in Folge von mehreren Arbeitsunfällen einzuholen.
Er beantragt ferner,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 6. November 2002 sowie den Bescheid vom 10. April 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach einem Gesamtkörperschaden bzw. einer MdE von 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die eingeholten Gutachten keine MdE von 30 v.H. rechtfertigen. Entscheidend sei, dass auch nach der Rentenverordnung der DDR die entscheidende Verwaltung nicht zwingend die medizinischen Feststellungen eines Gutachters übernommen hätten, denn Gutachten könnten immer nur Entscheidungshilfen darstellen, nie aber die eigenständige Wertung einer Verwaltungsbehörde ersetzen. Auch damals wäre im Hinblick auf das Gutachten von Dr. S. eine Verschlechterung der Unfallfolgen nicht anerkannt und dem entsprechend keine höhere Rente gewährt worden. Über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lasse sich eine höhere Rentengewährung nicht begründen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Sie verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Die Rentengewährung nach einer MdE von 20 v.H. ist rechtmäßig, auch wenn der tatsächliche MdE-Grad bei 10 bzw. unter 10 v.H. liegt, wie verschiedentlich von den Sachverständigen eingeschätzt.
Nach § 215 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist § 1150 Abs. 2 und 3 RVO für die Übernahme vor dem 1. Januar 1992 eintretenden Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung weiter anzuwenden. Nach § 1150 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gelten Unfälle und Berufskrankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltendem Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches der RVO. Nach § 1154 Abs. 1 RVO gilt bei vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet festgestellten Renten der zugrunde gelegte Grad des Körperschadens als MdE im Sinne des Dritten Buches.
Da der Antrag auf höhere Rentengewährung im Mai 1991 gestellt wurde, gilt nach dem Einigungsvertrag, Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 6a die Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung (Rentenverordnung) vom 23. November 1979 (GBl. I Nr. 38 S. 401). Diese war bis zum 31. Dezember 1991 in Kraft.
Nach § 23 Abs. 1 Rentenverordnung besteht Anspruch auf Unfallrente für den Versicherten, der durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit einen Körperschaden von mindestens 20 v.H. erlitten hat. Dies ist hier der Fall. Ausweislich der Gutachten von 1988 hat der Kläger durch den Arbeitsunfall vom 25. November 1986 einen Körperschaden erlitten, der einen Grad von 20 v.H. rechtfertigt. Dem entsprechend hat der Kläger auch Rente erhalten.
Ein Anspruch auf höhere Leistung besteht nicht. Weder war bis zum 31. Dezember 1991 ein höherer Grad des Körperschadens als 20 v.H. rechtsverbindlich festgestellt worden, der nach § 1154 Abs. 1 RVO ab 1. Januar 1992 als MdE hätte gelten müssen, noch war die Beklagte im Nachgang verpflichtet, eine MdE in Höhe von mehr als 20 v.H. festzustellen.
Die Bemessung des Grades der MdE, also die durch eine Schätzung vorzunehmende Festlegung des konkreten Umfangs der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSGE 4, 147, 149; BSG Urteil vom 23. April 1987 - 2 RU 42/86 - HV-Info 1988, 1210; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 7 und 8, jeweils m.w.N.). Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer oder sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (BSGE SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 m.w.N.).
Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Hierbei sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23 und 27; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 5 und 8).
Die Feststellung der Höhe der MdE erfordert als tatsächliche Feststellung stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8).
Ausweislich der Gutachten von Dr. H. und Dr. St., die im gerichtlichen Verfahren eingeholt wurden, beträgt die MdE zu keinem Zeitpunkt mehr als 20 v.H. Dies entspricht auch allen im Verwaltungsverfahren nach 1996 eingeholten Gutachten und dem ersten Gutachten von Dr. S. aus dem Jahr 1991. Die MdE ist auf keinen Fall höher als 20 v.H. einzuschätzen. Vielmehr wäre sie bei der erstmaligen Festsetzung mit 10 bzw. weniger als 10 v.H. zu bemessen. Dass es hier nicht zu einer Abänderung nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gekommen ist, liegt daran, dass in den Verhältnissen keine Veränderung eingetreten ist, sondern dass von Anbeginn an die MdE bzw. der Grad des Körperschadens zu hoch bemessen wurde und rechtswidrige Festsetzungen über Art. 19 des Einigungsvertrages wirksam bleiben. Insofern profitiert der Kläger davon, dass 1988 der Grad des Körperschadens bereits zu hoch eingeschätzt wurde und aus rechtlichen Gründen keine Änderung zu seinem Nachteil, auch keine Abschmelzung, vorgenommen werden kann.
Dies bedeutet aber nicht, dass ab dem 12. Mai 1991 eine Rente nach einem Grad des Körperschadens von 30 v.H. bzw. ab 1. Januar 1992 nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren wäre. Zum einen gibt es entgegen der klägerischen Auffassung keine Verwaltungspraxis dergestalt, dass die Sozialversicherungsbehörden der DDR ungeprüft gutachterliche Einschätzungen übernommen haben. Das Gutachten von Professor Dr. La. und Dr. Lb. vermag eine MdE-Einschätzung von 30 v.H. im Übrigen auch nicht zu rechtfertigen, wie sich aus dem Gutachten von Dr. S. ergibt. Das Gutachten von Prof. Dr. La. und Dr. Lb. geht insofern fehl, als fallunabhängige degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule in die Gesamt-MdE-Bewertung einbezogen wurden. Dies ist unzulässig.
Dem Sozialgericht ist auch insoweit beizutreten, dass eine Verwaltungspraxis, die darauf hinauslief, dass die Verwaltung bei der Feststellung des Grades des Körperschadens an den Vorschlag eines ärztlichen Gutachters zwingend gebunden war, und zwar ohne eigenes Prüfungsrecht und ohne die Möglichkeit, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben, nicht erkennbar ist. Weder die gesetzlichen Grundlagen noch die zur Verfügung stehende Kommentarliteratur sprechen für eine derartige Praxis. Dies gilt sowohl für die Feststellung der Höhe des Grades des Körperschadens als auch für die Frage, ob ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit grundsätzlich anzuerkennen sind. Nach § 63 Abs. 1 der Rentenverordnung sind Leistungen nach dieser Verordnung schriftlich bei der zuständigen Dienststelle der Sozialversicherung zu beantragen. Nach § 63 Abs. 2 der Rentenverordnung entscheidet über Anträge auf Leistungen die dafür zuständige Dienststelle der Sozialversicherung. § 64 der Rentenverordnung betrifft die ärztliche Begutachtung und bestimmt, dass die Begutachtung im Rahmen der vom staatlichen Gesundheitswesen geleiteten Gutachtertätigkeit erfolgt. § 72 der Rentenverordnung betrifft die Änderung der Leistungen. All diesen Vorschriften ist keine Bindung der zuständigen Dienststelle der Sozialversicherung an das Ergebnis der nach § 64 der Rentenverordnung durchzuführenden Begutachtung zu entnehmen.
Zudem lässt der Kläger in seiner Argumentation unberücksichtigt, dass es ein weiteres Gutachten gibt und zwar vom 25. September 1991, das ebenfalls nur eine MdE von 10 v.H. attestiert. Es existieren also bereits zu einem Zeitpunkt, als die Rentenverordnung noch galt, zwei sich widersprechende Gutachten. Um den klägerischen Anspruch zu stützen, müsste es eine Verwaltungspraxis geben, dass bei Vorliegen eines Gutachtens kein weiteres eingeholt werden darf, bzw. dass beim Vorliegen zwei sich widersprechender Gutachten das für den Kläger günstigere zu heranzuziehen ist. Eine solche Verwaltungspraxis ist erst recht nicht bekannt.
Die Argumentation des Klägers überzeugt auch nicht, wenn er behauptet, dass das im Februar 1991 erstellte Gutachten aussagekräftiger sei als die von Dr. S. Ende 1991 angefertigte Expertise. Auch das Gutachten von Professor Dr. La. und Dr. L. vom Februar 1991 trifft keine Aussage über den Gesamtkörperschaden, sondern befasst sich nur mit den Folgen des Arbeitsunfalls vom 25. November 1986. Insofern kann man auch nicht davon ausgehen, dass das erste Gutachten eines ist, das nach den Grundsätzen der Rentenverordnung erstellt wurde und das andere nach der Reichsversicherungsordnung. Beide Gutachten betreffen ein und denselben Sachverhalt. Keines von beiden hat für sich gesehen einen höheren Beweiswert. Keines von beiden bindet die Verwaltung in der allein von ihr zu treffenden Verwaltungsentscheidung. Keines von beiden rechtfertigt inhaltlich einen Anspruch des Klägers auf höhere Rente.
Der Kläger kann auch keinen Anspruch aus dem so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist ein vom Bundessozialgericht entwickeltes Rechtsinstitut, das an der Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialrechtsverhältnis anknüpft. Der Anspruch soll als Institut des Verwaltungsrechts eine Lücke im Schadensersatzrecht schließen (vgl. BSGE 55, 263). Er ist aber nicht auf die Gewährung von Schadensersatz im Sinne einer Kompensationsleistung in Geld, sondern auf Naturalrestitution gerichtet, d.h. auf Vornahme einer Handlung zur Herstellung einer sozialrechtlichen Position im Sinne desjenigen Zustandes, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2000, Az.: 12 KR 10/99 in SozR 3-2400 § 28 h Nr. 11). Die begehrte Amtshandlung muss in ihrer Art nach zulässig sein, wobei nicht alle Voraussetzungen gesetzlich geregelter Amtshandlungen vorzuliegen brauchen; anderenfalls bedürfte es des Herstellungsanspruches nicht. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Verwaltung eine Pflicht versäumt hat. Insofern ist das Schreiben des Klägers von Bedeutung, in dem er ausführt, dass er das Verfahren nicht weiter beobachtet habe. Inwieweit die Beklagte nochmalig nachzufragen verpflichtet gewesen wäre, ob ein weiteres Gutachten eingeholt werden soll, ist bereits zweifelhaft. Im Übrigen scheitert der sozialrechtliche Herstellungsanspruch daran, dass keine rechtswidrige Rechtsfolge daraus hergeleitet werden kann. Darüber kann niemals ein Gesundheitsschaden fingiert werden, der nachweislich nicht vorgelegen hat.
Auch dem ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zur Frage der Verwaltungspraxis war nicht zu folgen. Es handelt es sich dabei um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Es ist nicht Aufgabe des Senats, eine mögliche Verwaltungspraxis zu ermitteln, ohne genügenden Anhaltspunkt dafür, worum es eigentlich geht und wer die Frage aus Sicht des Klägers zuverlässig beantworten kann und zwar im Hinblick auf die ihn insoweit treffende Kompetenz. Der Ausforschungsbeweis ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren trotz Amtsermittlungsgrundsatz nicht statthaft. Ein Beweisantrag zielt nach den im Zivilprozess entwickelten Grundsätzen zum "Ausforschungsbeweis" auf einen unzulässigen Beweisantrag, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will (vgl. Urteil BSG vom 19. September 1979, Az.: 11 RA 84/78). Genau das wäre aber der Fall, weil der Kläger weder konkrete Tatsachen noch das konkrete Beweismittel benennt. Ziel der Beweiserhebung ist die Ermittlung einer Verwaltungspraxis und nicht die Bestätigung der behaupteten.
Es kann auch nicht Aufgabe des Senats sein, zu einer Rechtsfrage ein Gutachten einzuholen. Nach wie vor ist es Sache der Gerichte, Rechtsfragen selbst zu beantworten, auch die nach einer zweifelsfreien Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR. In diesem Kontext sind weder Historiker noch Zeitzeugen zu bemühen. Auch wenn eine bestimmte Verwaltungspraxis der DDR weiterhin Geltung finden würde, so müsste sich diese "zweifelsfrei" aus gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen ergeben. Wie bereits zuvor ausgeführt, existieren entsprechende Regelungen nicht. Wenn es solche aber nicht gibt, dann kann ein Rechtsanspruch daraus auch nicht hergeleitet werden. Wenn zu DDR-Zeiten gegen geltendes Recht verstoßen worden sein sollte, was der Kläger im Ergebnis behauptet, wenn er vorträgt, dass es eine Verwaltungspraxis der Bindung der Sozialversicherung an einen ärztlichen Gutachter gegeben habe, so ist dies keine Verwaltungspraxis, die das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 4. Dezember 2001 (Az.: B 2 U 35/00 R) meint. Eine Bindungswirkung kann nur an eine rechtmäßige, also der damaligen Gesetzeslage entsprechende Verwaltungspraxis anknüpfen, die im Übrigen auch mit dem Grundgesetz (GG) im Einklang steht. Daraus kann auch kein Anspruch auf Gleichbehandlung nach Art. 3 GG herrühren. Es gibt keine Gleichheit im Unrecht.
Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 4. Dezember 2001 (Az.: B 2 U 35/00 R) ausgeführt, dass keine Bedenken bestehen, auch der Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR bei der Konkretisierung des jeweiligen Inhalts einer Norm aus dem das Unfallversicherungsrecht betreffenden Bereich des Übergangsrechts für das Beitrittsgebiet entscheidende Bedeutung beizumessen, wenn diese Praxis sich zweifelsfrei feststellen lässt, mit dem Wortlaut der betreffenden Norm in Einklang steht und sich innerhalb von Schranken hält. Dadurch wird einerseits der Zielsetzung, die Betroffenen während eines Übergangszeitraums in dem in der ehemaligen DDR geltenden Rechtszustand zu belassen (vgl BGHZ 123, 65, 68), in vollem Umfang Rechnung getragen, weil so gewährleistet wird, dass sie weiterhin auch tatsächlich so behandelt werden, wie es damals durch die zuständigen Stellen der DDR geschehen wäre. Andererseits trägt die Beschränkung auf Bestimmungen und Auslegungsgrundsätze, die nicht von spezifisch sozialistischen Wertungen bestimmt sind, dem Umstand Rechnung, dass die Vorschriften des Rechts der DDR bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Staatsvertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (Staatsvertrag, BGBl II 537) und sodann des Beitritts diese Änderung erfahren hatten und so auch nur ihr Fortgelten in diesem Status angeordnet werden konnte. Denn nach Art 4 Abs. 1 des Staatsvertrages waren die einer föderativen, rechtsstaatlichen und sozialen Grundordnung entgegenstehenden Vorschriften der Verfassung der DDR über die Grundlagen ihrer bisherigen sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung nicht mehr anzuwenden und war fortbestehendes Recht nach den im Gemeinsamen Protokoll vereinbarten Leitsätzen, durch welche die Grundsätze einer freiheitlichen, demokratischen, föderativen, rechtsstaatlichen und sozialen Ordnung aufgestellt wurden, auszulegen und anzuwenden. Nach den Grundgedanken des Staatsvertrages und des Einigungsvertrages darf das Recht der ehemaligen DDR, dessen temporäre Fortgeltung angeordnet ist, auch nur insoweit angewendet werden, als dies mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl BGHZ 123, 65, 69). Spezifisch sozialistische, mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbarende Rechtsnormen, Richtlinien und Auslegungsgrundsätze durften seither nicht mehr angewandt werden.
Im Übrigen kommt es auf die Frage der Verwaltungspraxis der ehemaligen DDR hinsichtlich der Bindung der zuständigen Dienststellen der Sozialversicherung an die ärztliche Feststellung zum Grad des Körperschadens in Folge mehrerer Arbeitsunfälle auch nicht entscheidend an. Das Gutachten vom Februar 1991, worauf sich der Kläger ausschließlich stützt, sagt über den Gesamtkörperschaden aus mehreren Unfällen schon gar nichts aus. Ebenso wie das im Ergebnis widersprechende Gutachten von Dr. S. hat es nicht den Gesamtkörperschaden im Sinne von § 23 Abs. 2 Rentenverordnung zum Inhalt, sondern nur den Körperschaden aus einem einzigen Unfall und zwar den vom 25. November 1986.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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FST
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