Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 14 KN 63/03
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 2 KN 721/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 10. Juli 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Witwerrente zu zahlen.
Der im März 1927 geborene Kläger ist anerkannter Spätaussiedler. Er reiste im September 1998 als Witwer der am 10. August 1931 geborenen und am 28. September 1987 verstorbenen I. S. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Landesversicherungsanstalt Thüringen bewilligte dem Kläger beginnend ab dem 30. September 1998 eine eigene Regelaltersrente auf der Grundlage von 25,0 Entgeltpunkten für Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG). Mit Bescheid vom 18. August 1999 erkannte die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch des Klägers auf große Witwerrente an und lehnte gleichzeitig eine Zahlung der Rente ab, weil die nach § 22 b FRG höchstzulässigen 25 Entgeltpunkte vorrangig in der Rente aus eigener Versicherung zu berücksichtigen seien.
Den unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 (Az.: B 4 RA 118/00 R) gestellten Überprüfungsantrag des Klägers vom 8. Juli 2002 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. August 2002 ab. Sein Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2002). Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Altenburg die Beklagte mit Urteil vom 10. Juli 2003 verurteilt, dem Kläger eine große Witwerrente unter Berücksichtigung von 19,2668 Entgeltpunkten zu gewähren.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte auf die Regelung des Gesetzgebers im Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 hingewiesen. Hierdurch werde ihre Auffassung bestätigt, dass für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde zu legen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 10. Juli 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die von ihm für zutreffend erachteten Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG).
Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Das erstinstanzliche Urteil war aufzuheben. Der angefochtene Bescheid vom 7. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2002, mit dem die Beklagte eine Änderung ihres Bescheides vom 18. August 1999 abgelehnt hat, ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger eine Witwerrente zusätzlich zu seiner eigenen Rente zu zahlen.
Die Voraussetzungen des § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) liegen nicht vor. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein bindend gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte bei Erlass des Bescheides vom August 1999 das Recht unrichtig angewandt hat (so BSG, Urteil vom 21. Juni 2005, Az.: B 8 KN 9/04), sie hat jedenfalls zu Recht keine Witwerrente an den Kläger gezahlt.
Da weder der Kläger noch seine verstorbene Ehefrau Zeiten in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegt haben, sind Entgeltpunkte für die Renten des Klägers ausschließlich nach den Vorschriften des FRG zu ermitteln. Dabei ist § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG in der Neufassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes (FRG n.F.) anzuwenden. Die Höchstzahl von nach dem FRG anrechenbaren Entgeltpunkten ist bereits durch die Regelaltersrente des Klägers ausgeschöpft. Beitragszeiten bei einem nichtdeutschen Versicherungsträger werden bei Berechtigten nach dem FRG nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG den im Bundesgebiet zurückgelegten Beitragszeiten gleichgestellt. Für diese gleichgestellten Zeiten werden die Entgeltpunkte nach Maßgabe der §§ 22 ff. FRG ermittelt. § 22 b FRG, eingefügt durch Art. 3 Nr. 5 Abs. 3 des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25. September 1996, in Absatz 1 ergänzt um Satz 3 durch Art. 12 Nr. 2 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) vom 16. Dezember 1997 und in Absatz 1 Satz 1 geändert durch Art. 9 Nr. 2 RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004, schreibt vor, dass die nach § 22 Abs. 1 bis 3 FRG ermittelten und nach § 22 Abs. 4 FRG gekürzten Entgeltpunkte nur bis zu der in § 22 b Abs. 1 Satz 1 beziehungsweise § 22 b Abs. 3 FRG genannten Höchstzahl in die Rentenberechnung einfließen.
Die Begründetheit des Anspruchs auf Erlass eines Zugunstenbescheides nach § 44 SGB X richtet sich für die Beantwortung der Frage, ob Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind, grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Rechtsänderungen nach Erlass der angefochtenen Entscheidung während des anhängigen Rechtsstreites sind daher zu beachten, wenn das neue Recht nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis - wie im vorliegenden Fall - erfasst. § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG alte Fassung (a.F.) ist durch Art. 9 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz rückwirkend zum 7. Mai 1996 durch eine Neufassung (§ 22 b Abs. 1 S. 1 FRG n.F.) ersetzt worden. Hiernach sind für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 5. Oktober 2005, Az.: B 5 RJ 57/03 R).
Die Anwendung von § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. ist nicht durch eine Bestimmung des einfachen Rechts ausgeschlossen. Ob § 300 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) überhaupt auf Änderungen im FRG anwendbar ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist der Witwerrentenanspruch des Klägers erst mit dessen Zuzug im September 1998 und damit nach Inkrafttreten des § 22 b FRG n.F. am 7. Mai 1996 entstanden; er hat auch nicht nach § 300 Abs. 2 SGB VI vor der Aufhebung der früheren Gesetzesfassung bestanden. "Aufhebung" im Sinne von § 300 Abs. 2 SGB VI bezeichnet nicht den tatsächlichen Akt der Aufhebung durch die Verkündung des Änderungsgesetzes, sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, wie er durch das Gesetz oder durch den Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem die das alte Recht ersetzenden Vorschriften im Sinne von Art. 82 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) in Kraft treten (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2005, Az.: B 5 RJ 39/04 R mit weiteren Nachweisen).
Verfassungsmäßige Rechte des Klägers werden durch § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. nicht verletzt. Die Einbeziehung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente in die Begrenzungsregelung nach § 22 b FRG n.F. ist verfassungsmäßig. Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente fällt auch bei ausschließlich in der bundesdeutschen Rentenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unter den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1998, Az.: 1BvR 1318, 1484/86). Die Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber Hinterbliebenen, deren Renten keine Entgeltpunkte für FRG-Zeiten zugrunde liegen, beruht wie die übrigen Begrenzungen des § 22 b FRG darauf, dass dem FRG-Anteil seiner Rente keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zugeordnet werden können, die entsprechenden Leistungen vielmehr aus sozialstaatlichen Gründen gewährt werden (BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juli 2006, Az.: 1 BvR 476/02 und vom 13. Juni 2006, Az.: 1 BvL 9/00, 11/00, 12/00, 5/01, 10/04). Das ist ein sachgerechtes Kriterium. Wenn der Gesetzgeber bei seiner Wahl, Rentenleistungen an Spätaussiedler höchstens nur noch zur Deckung eines pauschalierten Bedarfs zu erbringen, frei war, verstößt es auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot, durch Einbeziehung des Hinterbliebenenrentenanspruchs zu verhindern, dass die Berechtigten infolge des Todes ihres Ehegatten weitergehende Rentenleistungen erhalten (vgl. BSG a.a.O.).
§ 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. ist auch insoweit verfassungsgemäß, als er den bereits vor der Verkündung der Vorschrift bestehenden Anspruch des Klägers vom Zeitpunkt seines Bestehens an erfasst.
Bei der Neufassung in § 22 b FRG n.F. handelt es sich um eine echte rückwirkende Rechtsänderung, weil sie den Anspruch des Klägers bereits vom Zeitpunkt seines Entstehens erfasst. Rückwirkend belastende Gesetze sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar grundsätzlich unzulässig, weil mit dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes vereinbar. Zu Gunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers kann dieses Rückwirkungsverbot dann ausnahmsweise unterbrochen werden, wenn zwingende Gründe des gemeinen Wohls oder ein nicht mehr vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen die Durchbrechung rechtfertigen oder gar erfordern (BSG, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Vorliegend ist ein solcher Fall gegeben, weil sich berechtigtes Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage von vornherein nicht entwickeln konnte. Bis zum Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 wurde § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG a.F. von den Rentenversicherungsträgern durchgehend so verstanden, dass der Höchstwert von 25 Entgeltpunkten alle für FRG-Zeiten ermittelten Entgeltpunkte erfasse, unabhängig davon, aus welcher Versicherung sie stammten, also auch beim Zusammentreffen einer eigenen Rente mit einer Rente wegen Todes. Dieses Verständnis wurde von den Gerichten der ersten und zweiten Instanz und den Betroffenen selbst nicht in Frage gestellt. Das BSG selbst hat sein Normverständnis nur mit einem erheblichen Interpretationsaufwand unter rechtssystematischen und übergeordneten Gesichtspunkten bestimmen können (vgl. BSG, Urteile vom 11. März 2004, Az.: B 13 RJ 44/03 R und vom 07. Juli 2004, Az.: B 8 KN 10/03 R). Die Rentenversicherer folgten einhellig der Rechtsprechung des BSG nicht. Auch die Landessozialgerichte folgten nur in begrenztem Umfang der Auslegung des 4. Senats. Bei dieser Sachlage konnte sich jedenfalls vor höchstrichterlicher Bestätigung der Auffassung des 4. Senats zur Auslegung von § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG a.F. kein berechtigtes Vertrauen in eine dieser Auslegung entsprechenden Rechtslage bilden. Erst mit den Urteilen des 13. Senats vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R) und des 8. Senates vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R) konnte erwartet werden, dass es bei der Auslegung des 4. Senates bleiben werde. Ein berechtigtes Vertrauen in den ihnen günstigen Inhalt des § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG a.F. konnte sich daher bei den Betroffenen vor dem Gesetzesbeschluss über das RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 11. März 2004 nicht bilden. Mithin konnte das Gesetz kein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen verletzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Witwerrente zu zahlen.
Der im März 1927 geborene Kläger ist anerkannter Spätaussiedler. Er reiste im September 1998 als Witwer der am 10. August 1931 geborenen und am 28. September 1987 verstorbenen I. S. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Landesversicherungsanstalt Thüringen bewilligte dem Kläger beginnend ab dem 30. September 1998 eine eigene Regelaltersrente auf der Grundlage von 25,0 Entgeltpunkten für Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG). Mit Bescheid vom 18. August 1999 erkannte die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch des Klägers auf große Witwerrente an und lehnte gleichzeitig eine Zahlung der Rente ab, weil die nach § 22 b FRG höchstzulässigen 25 Entgeltpunkte vorrangig in der Rente aus eigener Versicherung zu berücksichtigen seien.
Den unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 (Az.: B 4 RA 118/00 R) gestellten Überprüfungsantrag des Klägers vom 8. Juli 2002 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. August 2002 ab. Sein Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2002). Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Altenburg die Beklagte mit Urteil vom 10. Juli 2003 verurteilt, dem Kläger eine große Witwerrente unter Berücksichtigung von 19,2668 Entgeltpunkten zu gewähren.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte auf die Regelung des Gesetzgebers im Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 hingewiesen. Hierdurch werde ihre Auffassung bestätigt, dass für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde zu legen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 10. Juli 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die von ihm für zutreffend erachteten Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG).
Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet.
Das erstinstanzliche Urteil war aufzuheben. Der angefochtene Bescheid vom 7. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2002, mit dem die Beklagte eine Änderung ihres Bescheides vom 18. August 1999 abgelehnt hat, ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger eine Witwerrente zusätzlich zu seiner eigenen Rente zu zahlen.
Die Voraussetzungen des § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) liegen nicht vor. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein bindend gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte bei Erlass des Bescheides vom August 1999 das Recht unrichtig angewandt hat (so BSG, Urteil vom 21. Juni 2005, Az.: B 8 KN 9/04), sie hat jedenfalls zu Recht keine Witwerrente an den Kläger gezahlt.
Da weder der Kläger noch seine verstorbene Ehefrau Zeiten in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegt haben, sind Entgeltpunkte für die Renten des Klägers ausschließlich nach den Vorschriften des FRG zu ermitteln. Dabei ist § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG in der Neufassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes (FRG n.F.) anzuwenden. Die Höchstzahl von nach dem FRG anrechenbaren Entgeltpunkten ist bereits durch die Regelaltersrente des Klägers ausgeschöpft. Beitragszeiten bei einem nichtdeutschen Versicherungsträger werden bei Berechtigten nach dem FRG nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG den im Bundesgebiet zurückgelegten Beitragszeiten gleichgestellt. Für diese gleichgestellten Zeiten werden die Entgeltpunkte nach Maßgabe der §§ 22 ff. FRG ermittelt. § 22 b FRG, eingefügt durch Art. 3 Nr. 5 Abs. 3 des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25. September 1996, in Absatz 1 ergänzt um Satz 3 durch Art. 12 Nr. 2 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) vom 16. Dezember 1997 und in Absatz 1 Satz 1 geändert durch Art. 9 Nr. 2 RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004, schreibt vor, dass die nach § 22 Abs. 1 bis 3 FRG ermittelten und nach § 22 Abs. 4 FRG gekürzten Entgeltpunkte nur bis zu der in § 22 b Abs. 1 Satz 1 beziehungsweise § 22 b Abs. 3 FRG genannten Höchstzahl in die Rentenberechnung einfließen.
Die Begründetheit des Anspruchs auf Erlass eines Zugunstenbescheides nach § 44 SGB X richtet sich für die Beantwortung der Frage, ob Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind, grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Rechtsänderungen nach Erlass der angefochtenen Entscheidung während des anhängigen Rechtsstreites sind daher zu beachten, wenn das neue Recht nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis - wie im vorliegenden Fall - erfasst. § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG alte Fassung (a.F.) ist durch Art. 9 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz rückwirkend zum 7. Mai 1996 durch eine Neufassung (§ 22 b Abs. 1 S. 1 FRG n.F.) ersetzt worden. Hiernach sind für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 5. Oktober 2005, Az.: B 5 RJ 57/03 R).
Die Anwendung von § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. ist nicht durch eine Bestimmung des einfachen Rechts ausgeschlossen. Ob § 300 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) überhaupt auf Änderungen im FRG anwendbar ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist der Witwerrentenanspruch des Klägers erst mit dessen Zuzug im September 1998 und damit nach Inkrafttreten des § 22 b FRG n.F. am 7. Mai 1996 entstanden; er hat auch nicht nach § 300 Abs. 2 SGB VI vor der Aufhebung der früheren Gesetzesfassung bestanden. "Aufhebung" im Sinne von § 300 Abs. 2 SGB VI bezeichnet nicht den tatsächlichen Akt der Aufhebung durch die Verkündung des Änderungsgesetzes, sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, wie er durch das Gesetz oder durch den Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem die das alte Recht ersetzenden Vorschriften im Sinne von Art. 82 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) in Kraft treten (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2005, Az.: B 5 RJ 39/04 R mit weiteren Nachweisen).
Verfassungsmäßige Rechte des Klägers werden durch § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG n.F. nicht verletzt. Die Einbeziehung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente in die Begrenzungsregelung nach § 22 b FRG n.F. ist verfassungsmäßig. Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente fällt auch bei ausschließlich in der bundesdeutschen Rentenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unter den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1998, Az.: 1BvR 1318, 1484/86). Die Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber Hinterbliebenen, deren Renten keine Entgeltpunkte für FRG-Zeiten zugrunde liegen, beruht wie die übrigen Begrenzungen des § 22 b FRG darauf, dass dem FRG-Anteil seiner Rente keine Beiträge zur bundesdeutschen Rentenversicherung zugeordnet werden können, die entsprechenden Leistungen vielmehr aus sozialstaatlichen Gründen gewährt werden (BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juli 2006, Az.: 1 BvR 476/02 und vom 13. Juni 2006, Az.: 1 BvL 9/00, 11/00, 12/00, 5/01, 10/04). Das ist ein sachgerechtes Kriterium. Wenn der Gesetzgeber bei seiner Wahl, Rentenleistungen an Spätaussiedler höchstens nur noch zur Deckung eines pauschalierten Bedarfs zu erbringen, frei war, verstößt es auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot, durch Einbeziehung des Hinterbliebenenrentenanspruchs zu verhindern, dass die Berechtigten infolge des Todes ihres Ehegatten weitergehende Rentenleistungen erhalten (vgl. BSG a.a.O.).
§ 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F. ist auch insoweit verfassungsgemäß, als er den bereits vor der Verkündung der Vorschrift bestehenden Anspruch des Klägers vom Zeitpunkt seines Bestehens an erfasst.
Bei der Neufassung in § 22 b FRG n.F. handelt es sich um eine echte rückwirkende Rechtsänderung, weil sie den Anspruch des Klägers bereits vom Zeitpunkt seines Entstehens erfasst. Rückwirkend belastende Gesetze sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar grundsätzlich unzulässig, weil mit dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes vereinbar. Zu Gunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers kann dieses Rückwirkungsverbot dann ausnahmsweise unterbrochen werden, wenn zwingende Gründe des gemeinen Wohls oder ein nicht mehr vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen die Durchbrechung rechtfertigen oder gar erfordern (BSG, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Vorliegend ist ein solcher Fall gegeben, weil sich berechtigtes Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage von vornherein nicht entwickeln konnte. Bis zum Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 wurde § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG a.F. von den Rentenversicherungsträgern durchgehend so verstanden, dass der Höchstwert von 25 Entgeltpunkten alle für FRG-Zeiten ermittelten Entgeltpunkte erfasse, unabhängig davon, aus welcher Versicherung sie stammten, also auch beim Zusammentreffen einer eigenen Rente mit einer Rente wegen Todes. Dieses Verständnis wurde von den Gerichten der ersten und zweiten Instanz und den Betroffenen selbst nicht in Frage gestellt. Das BSG selbst hat sein Normverständnis nur mit einem erheblichen Interpretationsaufwand unter rechtssystematischen und übergeordneten Gesichtspunkten bestimmen können (vgl. BSG, Urteile vom 11. März 2004, Az.: B 13 RJ 44/03 R und vom 07. Juli 2004, Az.: B 8 KN 10/03 R). Die Rentenversicherer folgten einhellig der Rechtsprechung des BSG nicht. Auch die Landessozialgerichte folgten nur in begrenztem Umfang der Auslegung des 4. Senats. Bei dieser Sachlage konnte sich jedenfalls vor höchstrichterlicher Bestätigung der Auffassung des 4. Senats zur Auslegung von § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG a.F. kein berechtigtes Vertrauen in eine dieser Auslegung entsprechenden Rechtslage bilden. Erst mit den Urteilen des 13. Senats vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R) und des 8. Senates vom 7. Juli 2004 (B 8 KN 10/03 R) konnte erwartet werden, dass es bei der Auslegung des 4. Senates bleiben werde. Ein berechtigtes Vertrauen in den ihnen günstigen Inhalt des § 22 b Abs. 1 S. 1 FRG a.F. konnte sich daher bei den Betroffenen vor dem Gesetzesbeschluss über das RV-Nachhaltigkeitsgesetz am 11. März 2004 nicht bilden. Mithin konnte das Gesetz kein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen verletzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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