L 2 RJ 343/04

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 19 RJ 837/02
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 2 RJ 343/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 15. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen.

Der 1947 geborene Kläger ist ungarischer Staatsangehöriger. Von 1989 bis April 1999 arbeitete er in der Bundesrepublik Deutschland und leistete für insgesamt 114 Monate – zuletzt im April 1999 - Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Danach kehrte er in sein Heimatland zurück, wo er seitdem seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Bereits mit Schreiben vom 1. März 1999 hatte der Kläger die Erstattung der von ihm geleisteten Beiträge beantragt; eine Entscheidung erging seinerzeit jedoch nicht. Im Mai 2001 stellte der Kläger erneut einen Erstattungsantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 24. Juli 2001 ablehnte, weil der Kläger ein Recht auf freiwillige Versicherung habe und Ansprüche auf Rentenleistungen nach dem mittlerweile geschlossenen Sozialversicherungsabkommen sowohl in Ungarn als auch in Deutschland geltend gemacht werden könnten. Seinen dagegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er seinen Antrag vom März 1999 vor Inkrafttreten des Sozialversicherungsabkommens gestellt habe und damit auf die seinerzeitigen Anspruchsvoraussetzungen abzustellen sei, die er erfülle. Im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2002 führte die Beklagte unter anderem aus, dass sich der Kläger auf Vertrauensschutz nicht berufen könne. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2002, der nach dem Postabgangsvermerk vom 21. Januar 2002 per Einschreiben mit Rückschein an die seinerzeitige Bevollmächtigte des Klägers, eine Rentenberaterin mit Sitz im Inland, mit der Bitte um Weiterleitung an den Kläger gesandt wurde, enthält den Hinweis, dass Klage innerhalb von drei Monaten erhoben werden könne.

Die am 22. April 2002 erhobene Klage hat das Sozialgericht Gotha mit Urteil vom 15. Dezember 2003 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass das Recht anzuwenden sei, das zum Zeitpunkt der Entscheidung gelte, zumal das Sozialversicherungsabkommen keine abweichende Regelung enthalte. Ein schützenswertes Vertrauen des Klägers sei nicht mehr denkbar, denn das Abkommen sei bereits ein Jahr vor seiner Rückkehr nach Ungarn vereinbart worden; lediglich die Ratifizierung sei später erfolgt.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er sei zur Leistung der Beiträge für eine freiwillige Versicherung nicht in der Lage. Der Abschluss des Sozialversicherungsabkommens sei ihm völlig unbekannt gewesen. Es sei auch an die Zeit zu erinnern, als die Wartefrist des § 210 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) lediglich sechs Monate betragen habe. Als er Deutschland verlassen habe, sei das Sozialversicherungsabkommen noch nicht in Kraft gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 15. Dezember 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die geleisteten Rentenbeiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die angegriffene Entscheidung rechtmäßig ist.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klage war zulässig, obwohl hier – entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid - nicht die Drei-Monats-Frist des § 87 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) galt, sondern die einmonatige Frist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG. Denn die Zustellung an die seinerzeitige Bevollmächtigte des Klägers mit der Bitte um Weiterleitung an den Kläger stellte eine Zustellung im Inland dar. Im Hinblick auf die unrichtig erteilte Rechtsbehelfsbelehrung lief jedoch die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG, so dass die im April 2002 erhobene Klage fristgerecht war.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beitragserstattung, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat.

Nach § 210 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben, Beiträge auf Antrag erstattet.

Der Kläger ist nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit in Deutschland und Rückkehr nach Ungarn nicht mehr in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig, er hat jedoch das Recht auf freiwillige Versicherung. Das ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 des nach § 6 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) auf das Erstattungsbegehren des Klägers anwendbaren "Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über Soziale Sicherheit" vom 2. Mai 1998 (nachfolgend: ASS, BGBl. II S. 902ff.), wonach die vom persönlichen Geltungsbereich des Abkommens unmittelbar oder mittelbar erfassten Personen, die sich gewöhnlich im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates aufhalten, bei der Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates dessen Staatsangehörigen gleich stehen. Das Abkommen ist am 1. Mai 1990 in Kraft getreten und besitzt damit für den hier vorliegenden Sachverhalt Geltung.

Als ungarischer Staatsangehöriger unterliegt der Kläger dem persönlichen Geltungsbereich des ASS; mit der hier in Rede stehenden rentenversicherungsrechtlichen Frage ist nach Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c ASS auch der sachliche Geltungsbereich eröffnet. Nach Nummer 3 Buchstabe c des Schlussprotokolls zum ASS (aaO S. 918ff.) sind ungarische Staatsangehörige, die sich gewöhnlich außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung berechtigt, wenn sie zu dieser für mindestens 60 Monate Beiträge wirksam entrichtet haben. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger.

Damit kann er sich wie ein Deutscher nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB VI freiwillig versichern lassen. Ob der Kläger über die dafür notwendigen Mittel verfügt – was er hier verneint -, ist unerheblich.

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es auch nicht darauf an, dass er den Antrag auf Beitragserstattung (erstmals) bereits im März 1999 – und damit vor dem nach Art. 42 Abs. 2 ASS (vgl. auch Art. 4 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. Mai 1998 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über Soziale Sicherheit vom 4. Oktober 1998, BGBl. II S. 900) geregelten Inkrafttreten des ASS -, gestellt hat. Denn seine letzten Pflichtversicherungsbeiträge wurden für April 1999 abgeführt, und nach § 210 Abs. 2 SGB VI werden Beiträge nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist. Diese zeitliche Voraussetzung war erst mit Ablauf des April 2001 eingetreten, und zu diesem Zeitpunkt galt das ASS bereits, so dass sich der Kläger freiwillig weiterversichern konnte. Da im Zeitpunkt des erstmaligen Antrags die Voraussetzungen des § 210 Abs. 2 SGB VI noch nicht vorlagen, kann für die rechtliche Beurteilung des Erstattungsbegehrens nicht auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden.

Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der der Senat folgt, entsteht der Anspruch auf Beitragserstattung mit der Stellung des Antrags, sofern zu diesem Zeitpunkt die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (BSGE 10, 127, 129; BSGE 41, 89, 90). Auf das Fehlen eines Rechts zur freiwilligen Versicherung im Zeitpunkt des Entfallens der Versicherungspflicht kommt es nicht an (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1975 – 11 RA 64/75 -, Breith 1976, 567). In jenem Verfahren hat das BSG zum Sinn der Beitragserstattung ausgeführt: "Die Beitragserstattung wurde 1957 im Hinblick auf die damalige Erschwerung des Weiterversicherungsrechts eingeführt; sie sollte den vom Verlust des Weiterversicherungsrechts Betroffenen einen Ausgleich bieten (BSGE 14, 33, 35), allein im Bedürfnis eines solchen Ausgleichs findet sie ihre Rechtfertigung (vgl. BSGE 10, 127, 129). Demgemäß hat das BSG einen Erstattungsanspruch nicht schon deswegen verneint, weil im Zeitpunkt des Entfallens der Versicherungspflicht ein Weiterversicherungsrecht bestand, sondern es hat allein auf das Bestehen eines solchen Rechts zur Zeit des Antrags abgestellt (vgl. BSGE 10, 127, 129)".

Unter den gegebenen Umständen kann sich der Kläger auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Dies gilt insbesondere, soweit er vorträgt, dass die Wartefrist des § 210 Abs. 2 SGB VI früher nur sechs Monate betragen habe. Denn die entsprechende Regelung wurde bereits mit Wirkung vom 28. September 1996 wieder – wie vorher - auf 24 Monate verlängert, und zu diesem Zeitpunkt stand ein Erstattungsbegehren des Klägers nicht in Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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