L 7 AS 924/06 ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 26 AS 2068/06 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 924/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 24. August 2006 aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 26. Juli 2006 bis zu einer Entscheidung in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Altenburg S 26 AS 3491/06 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich 398,00 Euro abzüglich für den Zeitraum vom 25. Januar 2007 bis zum 15. Februar 2007 erbrachter 291,87 Euro zu zahlen.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:
I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung beginnend ab 26. Juli 2006 Leistungen nach dem SGB II.

Die Antragstellerin ist ledig. Sie bewohnt zusammen mit ihrem am 7. Dezember 1994 geborenen Sohn R. verschiedene Zimmer in einem Haus des Kindesvaters W. S., der selbst in seinem Anwesen lebt. Sie ist einkommens- und vermögenslos. An den Kindesvater zahlt die Antragstellerin keine Miete, weil eine Vereinbarung getroffen wurde, dass die Miete mit dem von dem Kindesvater an das gemeinsame Kind R. zu zahlenden Unterhalt verrechnet wird. Der Kindesvater gab dabei in dem Erörterungstermin vor dem Senat am 15. Februar 2007 an, dass er die Kosten für Miete und Nebenkosten mit 300,00 Euro geschätzt habe. Daneben erhält die Antragstellerin das für R. zu zahlende Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro.

Am 7. September 2004 beantragte die Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II, die die Antragsgegnerin zunächst auch bewilligte, zuletzt bis 31. März 2006.

Im Ergebnis einer Außendienstprüfung (Hausbesuch bei der Antragstellerin) vertrat die Antragsgegnerin die Auffassung, dass die Antragstellerin mit Herrn W. S. in eheähnlicher Gemeinschaft lebe. Zahlungen wurden vorläufig eingestellt. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, Nachweise über das Einkommen des Herrn S. vorzulegen und einen Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu beantragen. Nachdem sie dieser Aufforderung nicht nachkam, entzog die Antragsgegnerin ihr die Leistungen ab 24. Februar 2006 wegen unterlassener Mitwirkung mit Bescheid vom 20. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16 November 2006 Leistungen. Am 28. März 2006 stellte die Antragstellerin einen neuen Leistungsantrag nach dem SGB II (wohl ab 1. April 2006), der mit Bescheid vom 26. April 2006 (allerdings für die Zeit ab Antragstellung, also dem 28. März 2006) mit der Begründung abgelehnt wurde, sie sei ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Gegen diesen Bescheid legte sie am 9. Mai 2006 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2006 zurückgewiesen wurde. Über die hiergegen unter dem Aktenzeichen S 26 AS 3491/06 erhobene Klage hat das Sozialgericht bislang nicht entschieden.

Am 26. Juli 2006 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 24. August 2006 mit der Begründung abgelehnt, nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sachlage sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin mit Herrn S. in eheähnlicher Gemeinschaft lebe. Die Antragstellerin und Herr S. hätten ein gemeinsames Kind. Sie lebten seit über einem Jahr in einer gemeinsamen Wohnung zusammen. Für ein gegenseitiges finanzielles Einstehen spreche, dass die Kosten der Kfz-Versicherung des Vaters der Antragstellerin von Herrn S. getragen würden. Für die Zeit ab 1. August 2006 sei eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn S. bereits aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen der gesetzlichen Vermutungsregelungen in § 7 Abs. 3 a SGB II anzunehmen.

Gegen die der Antragstellerin am 31. August 2006 zugestellten Entscheidung hat sie am 29. September 2006 Beschwerde eingelegt.

Sie beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab 26. Juli 2006 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass die Entscheidung des Sozialgerichts Altenburg nicht zu beanstanden sei.

Der Senat hat die Antragstellerin zu ihren persönlichen Verhältnissen und zum Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft gehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des W. S., dessen Onkel We. S. und dessen Cousin S. S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Niederschrift vom 15. Februar 2007 verwiesen. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und der Prozessakte, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall von § 86 b Abs. 1 SGG - wie hier - nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86 b Abs. 4 SGG).

Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und bzw. oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch bejahen kann. Ein solcher Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2005, Rdnr. 292). Darüber hinaus muss in Abwägung der für die Verwirklichung des Rechts bestehenden Gefahr einerseits und der Notwendigkeit einer Regelung eines vorläufigen Zustandes andererseits ein Anordnungsgrund zu bejahen sein (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt - Aßmann/Pietzner, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 1996, § 123 Rdnr. 62). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens dürfen dabei aus Gründen des Grundrechtsschutzes nach Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), insbesondere im Eilverfahren auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht überspannt werden (BVerfG NVwZ 2005, 927).

Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht worden.

Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen (Berechtigte), die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfsbedürftige).

Hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigen Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern andere Sozialleistungen erhält.

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Im Streit ist allein die Frage, ob die Antragstellerin in eheähnlicher Gemeinschaft mit Herrn W. S. lebt und aus diesem Grunde etwaiges Einkommen und Vermögen des W. S. bei der Bewilligung der Leistung an die Antragstellerin zu berücksichtigen ist. Im Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Senat und der Anhörung der Antragstellerin ist der Senat der Überzeugung, dass zwischen der Antragstellerin und Herrn W. S. keine eheähnliche Gemeinschaft (mehr) besteht.

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit dem Hilfebedürftigen – hier der Antragstellerin - in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (hier Unterfall: eheähnliche Gemeinschaft). Die eheähnliche Gemeinschaft ist nach einhelliger gefestigter Rechtsprechung definiert als die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinaus gehen (BVerfG, SozR 3 – 4100 § 137 Nr. 3). Für die Beurteilung, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist dabei stets maßgebend, ob das "Gesamtbild" aller zu wertenden Tatsachen die Annahme des Vorliegens einer solchen Gemeinschaft rechtfertigt, also den Schluss auf die inneren Bindungen, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, zulässt. Als wichtige Indizien für die Feststellung einer solchen eheähnlichen Gemeinschaft hat das Bundesverfassungsgericht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen, genannt (BVerfG a.a.O.). Hinsichtlich der Dauer des Zusammenlebens sind dabei wichtige Hinweisetatsachen, die Dauer und Intensität der Bekanntschaft vor Begründung der Wohngemeinschaft, der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation während der streitgegenständlichen Zeit und die nach außen erkennbare Intensität der gelebten Gemeinschaft, wobei das Bundessozialgericht eine dreijährige Dauer des Zusammenlebens nicht als zeitliche Mindestvoraussetzung für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft verstanden hat (BSG SozR 3 – 4300 § 144 Nr. 10). In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. August 2006 § 7 Abs. 3 a SGB II eingefügt. Danach wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen vermutet, wenn die Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Ob mit dieser Aufzählung der Gesetzgeber die Gesamtheit der Hinweistatsachen, die das Bundesverfassungsgericht für die eheähnliche Gemeinschaft aufgestellt hat, im Ergebnis verengt und eine "verfehlte" Beweislastumkehr einfügt, weil zwei Personen im Rechtssinne nicht beweisen können, dass sie einander nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft verbunden sind (vgl. Wenner in SozSich 2006, 146 f.), kann dahingestellt bleiben. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Vermutungsregelung überhaupt (für die Zeit ab 1. August 2006) zur Anwendung kommt, weil schon fraglich ist, ob die Antragstellerin und Herr S. i.S. von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II in einem "gemeinsamen Haushalt zusammenleben", wofür die Antragsgegnerin die Beweislast zu tragen hätte. Denn die vom Gesetzgeber aufgestellte Vermutung, die vorliegend hinsichtlich der Dauer des Zusammenlebens und des Zusammenlebens mit einem gemeinsamen Kind (§ 7 Abs. 3 a Ziffn. 1 und 2 SGB II) Anwendung finden könnte, ist nach der Beweisaufnahme widerlegt. So hat schon die Antragstellerin glaubhaft dargelegt, dass sie zum einen aus finanziellen Gründen und zum anderen wegen des gemeinsamen Kindes R. bislang nicht aus der zunächst gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, jedoch seit ihrer Trennung im Jahr 1995 auch eine räumliche Trennung der bislang gemeinsam genutzten Räumlichkeiten vollzogen hatte, innerhalb ihrer Räume autark lebt, eine eigene Toilette und ein eigenes Bad zusammen mit dem Kind R. nutzt, nur für sich und R. kocht und wäscht, keine gemeinsamen Unternehmungen mit dem Kindesvater plant oder veranstaltet, sich im Wesentlichen allein um die Erziehung des Kindes R. kümmert, nur für sich selbst und R. einkauft und lediglich bei bestimmten Festivitäten (Geburtstag von R., Weihnachten oder Ähnliches) mit dem Kindesvater gegebenenfalls auch mit dessen Eltern den Tag verbringt. Diese Situation unterscheidet sich nicht von der Situation von Eheleuten, die innerhalb der Ehewohnung getrennt leben und die im Hinblick auf das Wohl des Kindes sowie zum Zwecke der Ausübung des Umgangsrechts bei bestimmten Anlässen gemeinsam etwas unternehmen. Die Angaben der Antragstellerin entsprechen im Wesentlichen auch den Angaben ihres früheren Lebensgefährten W. S., der als Zeuge vernommen worden ist. Dieser gab selbst an, dass man bis Anfang 1995 ein "Paar" gewesen sei und im Hinblick auf die Geburt des gemeinsamen Sohnes R. im Jahre 1994 zusammengezogen sei. Im Jahr 1995 habe man sich dann aber getrennt. Seitdem führe jeder seinen eigenen Haushalt. Er esse bei seinen Eltern, zahle lediglich an den gemeinsamen Sohn R. Unterhalt und habe auch allein mit ihm einen engeren Kontakt. Nur bei Geburtstagen oder bei anderen Feierlichkeiten würde er zusammen mit der Antragstellerin essen oder auch mal feiern. Dies rechtfertigt noch nicht die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft, weil derartige gemeinsame Unternehmungen aus der Verbindung des Kindes R. zu seinen Eltern beruhen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Angaben der Antragstellerin und des Herrn S. sich nicht in jedem Punkt decken. Dies zeigt aber gerade, dass die Aussagen nicht vorher miteinander abgesprochen wurden. Insgesamt sind jedenfalls die Angaben von Herrn S. für den Senat glaubhaft, sie sind nicht überzogen, auch hat Herr S. im Rahmen seiner Zeugenaussage nicht versucht, etwaige Gemeinsamkeiten zu verschweigen, in der Angst, hieraus könnte der Senat den Schluss auf eine eheähnliche Gemeinschaft ziehen. Bei dem Zeugen S. war eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der Antragstellerin offensichtlich, irgendwelche Gemeinsamkeiten, die einen Hinweis auf die Bereitschaft für ein gegenseitiges Einstehen geben könnten, waren nicht ersichtlich. Die letzten Zweifel des Senats wurden schließlich durch die Aussagen der Zeugen S. und We. S. ausgeräumt. So gab S. S., der weder mit der Antragstellerin noch mit seinem Cousin ein besonders inniges Verhältnis hegt und auf der anderen Seite des Vierseitenhofes wohnt, an, aus seiner Sicht habe in den letzten Jahren zwischen der Antragstellerin und seinem Cousin ein sehr "trockenes" Verhältnis bestanden. Er habe nie gesehen, dass die beiden etwa spazieren gingen oder sonst gemeinsame Unternehmungen hätten. Auf einem Vergleich mit einer Ehe angesprochen gab er an, es sei so, wie wenn die beiden geschiedene Eheleute seien. Diese Angaben des Zeugen S. S. entsprechen den Angaben des Zeugen We. S. der ebenfalls angab, relativ wenig Kontakt zu W. S.r und der Antragstellerin zu haben, wenn er aber gefragt würde, ob die Antragstellerin und Herr S. ein Paar seien, würde er sagen, dass man das manchmal denken könne, meistens aber nicht. Er sehe nur was sich außen abspiele, habe die beiden aber nie Arm in Arm oder gemeinsam spazieren gehen gesehen. Nur wenn die Familie zusammen sei oder etwas gemeinsam unternehme, seien auch die Antragstellerin und Herr S. dabei. Diese Aussagen zeigen, dass die Antragstellerin und Herr S., ohne eine eheähnliche Gemeinschaft zu sein, zwar wegen des gemeinsamen Sohnes bei gelegentlichen Anlässen, meist zusammen mit der übrigen Familie essen oder feiern, im Übrigen aber getrennte Wege gehen. Trotz der Hinweistatsachen, die für eine eheähnliche Gemeinschaft sprechen, insbesondere das Wohnen unter einem Dach, das gemeinsame Kind sowie die Übernahme der Kosten für das Fahrzeug der Antragstellerin ist der Senat davon überzeugt, dass eine eheähnliche Gemeinschaft jedenfalls in dem streitigen Zeitraum, vermutlich bereits seit längerer Zeit aber nicht mehr besteht. Die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3 a SGB II ist widerlegt.

Hinsichtlich der Höhe der der Antragstellerin zustehenden Leistung war zu berücksichtigen, dass Herr S. an den gemeinsamen Sohn dadurch Unterhalt leistet, dass er die zu zahlende Miete, die er mit ca. 300,00 Euro angesetzt hat, verrechnet. R. hat aus diesem Grund auch keinen eigenen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Er gehört nicht der Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II an. Danach gehören zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder des Erwerbsfähigen, wenn sie das 25. Lebensjahr nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Der Bedarf von R. in Höhe von 207,00 Euro (Sozialgeldregelsatz nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 SGB II) zuzüglich der anteiligen Unterkunftskosten in Höhe von 150,00 Euro (300,00 Euro: 2) beläuft sich auf 357,00 Euro. Abzüglich des gezahlten Unterhalts in Höhe von 300,00 Euro, der letztlich mit den Mietkosten verrechnet wird, verbleibt ein Bedarf von 57,00 Euro. Das an die Antragstellerin ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro ist nach § 11 Satz 1 Satz 3 SGB II ebenfalls auf den Bedarf von R. anzurechnen, allerdings nur soweit es bei ihm zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt wird, hier also in Höhe von 57,00 Euro. Da R. danach in der Lage ist, aus eigenem Einkommen seinen Bedarf zu decken, ist er selbst nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft und bleibt in diesem Zusammenhang unberücksichtigt. Der Betrag von 97,00 Euro Kindergeld, den R. nicht zur Sicherung seines eigenen Bedarfs (Lebensunterhalt) benötigt, ist nach der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Einkommen der Antragstellerin zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich folgender Bedarf der Antragstellerin: Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts beträgt bei der Antragstellerin nach § 20 Abs. 2 SGB II 345,00 Euro. Zuzüglich der Unterkunftskosten in Höhe von 150,00 Euro ergibt sich ein Gesamtbedarf von 495,00 Euro. Hiervon ist das Kindergeld in Höhe von 97,00 Euro in Abzug zu bringen, das über den zu deckenden Bedarf von R. hinausgeht (siehe oben), sodass ein Bedarf von 398,00 Euro verbleibt. Dieser Betrag ist von der Antragsgegnerin monatlich an die Antragstellerin ab Eingang des Eilantrages zu zahlen. Dieser Betrag entspricht auch dem von der Antragsgegnerin gezahlten einmaligen Betrag in Höhe von 291,87 Euro für 22 Tage im Januar/Februar 2007. Die bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 291,87 Euro waren bei der Verurteilung der Antragsgegnerin in Abzug zu bringen.

Im Hinblick auf die Sicherung ihres soziokulturellen Existenzminimums steht der Antragstellerin auch ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) zur Seite. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Antragstellerin keinerlei eigene Einnahmen hat und auf die Leistungen der Antragsgegnerin angewiesen ist, weil anderweitige Leistungen Dritter nicht gezahlt werden und ihr bislang lediglich das Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro zur Verfügung stand. Die Antragstellerin hat in dem Erörterungstermin vom 25. Januar 2007 glaubhaft vorgetragen, dass sie ihr Kraftfahrzeug verkaufen müsse, da sie über keinerlei finanzielle Mittel und Hilfen verfüge.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die Entscheidung kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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