Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 18 R 4007/11
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 1280/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Mitgliedsbeiträge für Jahresendprämien waren im SED-Parteibuch im jeweiligen Monat aufzuführen und zu kennzeichnen. Es spricht gegen eine Glaubhaftmachung von Jahresendprämien durch Eintragungen von Beiträgen zur SED, wenn keine getrennte Beitragsquittung erfolgt ist und es an einer hinreichenden Kennzeichnung mangelt (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 2.10.2012 - L 5 RS 361/11).
2. Eine Anerkennung kommt dann nur in Betracht, wenn praktisch ausgeschlossen werden kann, dass andere einmalige Entgelte als eine Jahresendprämie im März bzw. April des jeweiligen Jahres zugeflossen und der Beitragsabführung zugrunde gelegt wurden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.01.2014 - L 2 R 341/13).
2. Eine Anerkennung kommt dann nur in Betracht, wenn praktisch ausgeschlossen werden kann, dass andere einmalige Entgelte als eine Jahresendprämie im März bzw. April des jeweiligen Jahres zugeflossen und der Beitragsabführung zugrunde gelegt wurden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.01.2014 - L 2 R 341/13).
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 29. Juni 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger neben den bereits berücksichtigten Arbeitsentgelten aus laufenden Leistungen seines Arbeitgebers weitere Arbeitsentgelte in Gestalt von Jahresendprämien in der Zeit von 1977 bis 1989 festzustellen.
Der 1945 geborene Kläger erlangte am 12. August 1972 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen. Er war vom 16. August 1972 bis zum 30. Juni 1990 beim als Arbeitsökonom, Gruppenleiter Koordinierung und Abteilungsleiter tätig. Mit Bescheid vom 24. August 2010 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG erfüllt sind, erkannte die Zeiten vom 16. August 1972 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz an und stellte die entsprechenden Arbeitsentgelte fest. Hierbei berücksichtigte sie nicht die Zahlung von Jahresendprämien.
Mit Schreiben vom 8. September 2010 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 24. August 2010 im Hinblick auf die Anerkennung der Jahresendprämie beim Anspruch auf Zusatzversorgung nach dem AAÜG. Als Nachweis dafür, dass an ihn eine Jahresendprämie ausgezahlt wurde, legte er ein Mitgliedsbuch der ( ) vor. Daraus ergibt sich, dass der Kläger seit September 1976 Parteimitglied war und seitdem entsprechend Beiträge zahlte. Sie waren jährlich entweder im Monat März oder im Monat April gegenüber den vorhergehenden bzw. nachfolgenden Monaten deutlich erhöht. Eine Anmerkung, worauf die Erhöhung beruhte, findet sich in dem Mitgliedsbuch und auch in sonstigen Unterlagen nicht. Mit Bescheid vom 9. November 2010 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 10. September 2010 ab, da die Zahlung einer Jahresendprämie nicht nachgewiesen sei. Durch das vorgelegte Mitgliedsbuch könne der Nachweis nicht erbracht werden, weil die Angaben nicht erkennen ließen, dass der höhere Beitrag ausschließlich auf den Bezug einer Jahresendprämie beruhe. In seinem daraufhin erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass für den erhöhten Beitrag in den Monaten März bzw. April nur die Jahresendprämie und allenfalls noch eine Treueprämie in Betracht kämen. Ob eine Treueprämie im gezahlt wurde, könne er nicht sagen. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass in den Jahren 1977 bis 1989 jeweils im gleichen Monat beide Zahlungen fällig gewesen wären. Er wisse, dass er jährlich nur eine solche Zahlung, nämlich die Jahresendprämie, erhalten habe. Zum weiteren Nachweis übersandte er die Richtlinie für die Beitragskassierung der vom 26. Mai 1976 (Beitragsrichtlinie). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2011 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, dass sich aus den erhöhten Beiträgen in den Monaten März bzw. April die jeweilige Höhe der Jahresendprämie im Rückschluss ergäbe.
Das Sozialgericht Altenburg hat die Beklagte mit Urteil vom 29. Juni 2012 verurteilt, als glaubhaft gemachte zusätzliche Arbeitsentgelte (5/6) anzuerkennen: 1977 in Höhe von 1.310,- Mark, 1978 in Höhe von 1.190,- Mark, 1979 in Höhe von 1.000,- Mark, 1980 in Höhe von 1.300,- Mark, 1981 in Höhe von 1.330,- Mark, 1982 in Höhe von 1.240,- Mark, 1983 in Höhe von 1.200,- Mark, 1984 in Höhe von 1.170,- Mark, 1985 in Höhe von 1.330,- Mark, 1986 in Höhe von 1.200,- Mark, 1987 in Höhe von 1.400,- Mark, 1988 in Höhe von 1.510,- Mark und 1989 in Höhe von 1.550,- Mark. Der Kläger habe durch Vorlage des -Mitgliedsbuches die Zahlung der Jahresendprämie glaubhaft gemacht. Auf die Eintragung des Kürzels "JP" oder "JEP" im Mitgliedsbuch komme es nicht an, weil diese Vermerke seinerzeit ohne jede rechtliche Bedeutung waren und zeitweilig je nach Beitragskassierer verwendet oder nicht verwendet wurden.
Im Berufungsverfahren macht die Beklagte geltend, dass die Regelungen über den Beitragseinzug vorsahen, dass der Beitrag für die Einmalzahlung gesondert auszuweisen war. Mitgliedsausweise und Beitragszahlungen zu gesellschaftlichen Organisationen kämen daher nur eingeschränkt als Mittel der Glaubhaftmachung in Betracht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 29. Juni 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass durch Vorlage des -Mitgliedsbuches die Zahlung der Jahresendprämie glaubhaft gemacht wurde.
Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 21. Oktober 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 101ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Der Kläger hat im Rahmen des Berufungsverfahrens verschiedene schriftliche Einkommensnachweise vorgelegt, in denen die Zahlung der Jahresendprämie nicht dokumentiert ist und die Richtlinie des Generaldirektors vom 15. Dezember 1982, die Ordnung des Generaldirektors vom 5. Juni 1987 sowie einen Aushang vom 4. März 1986 (in Kopie) vorgelegt, in dem für verschiedene Mitarbeiter die Jahresendprämien mitgeteilt wurden; der Kläger selbst wird dort nicht genannt.
Die Beklagte hat auf Anfrage des Senats ein Schreiben der Stiftung vom 26. Oktober 2010 eingereicht, nach dem im Archiv des ehemaligen zu betrieblichen Einmalzahlungen wie Jahresendprämie keine Unterlagen mehr vorhanden sind.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, weitere Arbeitsentgelte anzuerkennen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 24. August 2010. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) liegen nicht vor. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Es ist nicht nachgewiesen, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder das Recht unrichtig angewandt hat.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 24. August 2010 gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG als zuständiger Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben die Zeiten vom 16. August 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (§ 5 AAÜG) und die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie bei dem Kläger zu Recht nicht berücksichtigt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten für jedes Kalenderjahr als Verdienst das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit seinem Urteil vom 23. August 2007 (Az.: B 4 RS 4/06 R, nach juris) klargestellt, dass auch die in der DDR gezahlten Jahresendprämien Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG darstellen, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen war. Bei dem Kläger scheidet eine Anerkennung allerdings aus, weil der tatsächliche Bezug von Jahresendprämien im Zeitraum der Zugehörigkeit des Klägers zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz weder nachgewiesen noch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG glaubhaft gemacht ist.
Eine Tatsache ist nachgewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 128 Rn. 3b). Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - Az.: B 9 V 23/01 B, nach juris).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist weder der Nachweis noch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den tatsächlichen Bezug von Jahresendprämien durch den Kläger erbracht. Vielmehr ist die Zahlung in unbekannter Höhe nur möglich. Insbesondere das vom Kläger vorgelegte -Parteibuch ist nicht geeignet, den Erhalt von Jahresendprämien in einer konkret nachvollziehbaren Höhe glaubhaft zu machen.
Gegen eine Glaubhaftmachung spricht bereits der Umstand, dass Beiträge zur auf eine Vielzahl von einmal jährlich gewährten Einkommensteilen erhoben wurden, ohne dass hinreichend ersichtlich ist, ob es sich um nach dem AAÜG relevantes Entgelt handelt. Die in Abschnitt 1.4. der Beitragsrichtlinie enthaltene Aufzählung ist ausdrücklich offen, die aufgeführten Bestandteile - wie die Jahresendprämie - sind nur Beispiele. Damit bleibt unklar, auf welche Lohnbezüge überhaupt Beiträge entrichtet wurden, so dass allein anhand der Beiträge und der Beitragsabführung nicht nachvollzogen werden kann, ob es sich um Lohnbestandteile handelte, die berücksichtigungsfähige Entgeltbestandteile nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sein können (vgl. Sächsisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 2. Oktober 2012 - Az.: L 5 RS 362/11, nach juris Rn. 36).
Entscheidend gegen eine Glaubhaftmachung durch das -Parteibuch spricht entgegen der Auffassung des Sozialgerichts der Umstand, dass keine getrennte Beitragsquittierung erfolgt ist und es an einer hinreichenden Kennzeichnung mangelt (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 2. Oktober 2012, a.a.O., Rn. 37). Nach Abschnitt 2.7. der Beitragsrichtlinie sind für alle unter Punkt 1.4. aufgeführten einmaligen zusätzlichen Einkommensteile getrennte Beitragsquittungslisten zu führen. Sie sind entsprechend zu kennzeichnen (z.B. Jahresendprämie). Die Mitgliedbeiträge einzelner Mitglieder für Jahresendprämie, zusätzliche Belohnung u.a. sind im jeweiligen Monat auf der Beitragsquittungsliste am Schluss aufzuführen und entsprechend zu kennzeichnen. Dies ist bei dem Kläger nicht erfolgt, zumindest liegen keine entsprechenden Unterlagen vor, aus denen sich eine getrennte Quittierung und eine Kennzeichnung ergeben. Zwar mag es tatsächlich so sein, dass dies in der Praxis oft unterblieben ist, da hiermit keine besondere Bedeutung verbunden war. Das ändert aber nichts daran, das nunmehr die Aussagekraft zu Lasten des Klägers eingeschränkt ist.
Eine andere Sichtweise käme nur dann in Betracht, wenn praktisch ausgeschlossen werden kann, dass andere einmalige Entgelte als eine Jahresendprämie im März bzw. April des jeweiligen Jahres zugeflossen und der Beitragsabführung zugrunde gelegt wurden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Januar 2014 - Az.: L 2 R 341/13, nach juris Rn. 31). Zwar stellt der Senat nicht in Abrede, dass im Jahresendprämien gezahlt wurden, was sich auch aus dem vom Kläger vorgelegten Aushang ergibt. Allerdings betrifft er ihn selbst nicht. Jedenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere einmalige Zahlungen erfolgt sind. Der Kläger selbst hat dargelegt, dass auch eine Treueprämie in Betracht käme. Darüber hinaus zeigt die vom Kläger vorgelegte Ordnung des Generaldirektors vom 5. Juni 1987, dass nicht nur ein Jahresendprämienfonds, sondern auch ein Kombinatsprämienfonds und ein Initiativprämienfonds bestanden, die Grundlage weiterer Zahlungen sein konnten.
Auch die weiteren vom Kläger vorgelegten Unterlagen, insbesondere die Lohnabrechnungen, weisen keine Jahresendprämie aus und können so einen Nachweis oder eine Glaubhaftmachung nicht erbringen. Es lässt sich letztendlich nicht mehr hinreichend aufklären, da ausweislich des Schreibens Stiftung vom 26. Oktober 2010 im Archiv des ehemaligen zu betrieblichen Einmalzahlungen keine Unterlagen mehr vorhanden sind. Der Senat sieht vor diesem Hintergrund auch keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Kläger neben den bereits berücksichtigten Arbeitsentgelten aus laufenden Leistungen seines Arbeitgebers weitere Arbeitsentgelte in Gestalt von Jahresendprämien in der Zeit von 1977 bis 1989 festzustellen.
Der 1945 geborene Kläger erlangte am 12. August 1972 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen. Er war vom 16. August 1972 bis zum 30. Juni 1990 beim als Arbeitsökonom, Gruppenleiter Koordinierung und Abteilungsleiter tätig. Mit Bescheid vom 24. August 2010 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG erfüllt sind, erkannte die Zeiten vom 16. August 1972 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz an und stellte die entsprechenden Arbeitsentgelte fest. Hierbei berücksichtigte sie nicht die Zahlung von Jahresendprämien.
Mit Schreiben vom 8. September 2010 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 24. August 2010 im Hinblick auf die Anerkennung der Jahresendprämie beim Anspruch auf Zusatzversorgung nach dem AAÜG. Als Nachweis dafür, dass an ihn eine Jahresendprämie ausgezahlt wurde, legte er ein Mitgliedsbuch der ( ) vor. Daraus ergibt sich, dass der Kläger seit September 1976 Parteimitglied war und seitdem entsprechend Beiträge zahlte. Sie waren jährlich entweder im Monat März oder im Monat April gegenüber den vorhergehenden bzw. nachfolgenden Monaten deutlich erhöht. Eine Anmerkung, worauf die Erhöhung beruhte, findet sich in dem Mitgliedsbuch und auch in sonstigen Unterlagen nicht. Mit Bescheid vom 9. November 2010 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 10. September 2010 ab, da die Zahlung einer Jahresendprämie nicht nachgewiesen sei. Durch das vorgelegte Mitgliedsbuch könne der Nachweis nicht erbracht werden, weil die Angaben nicht erkennen ließen, dass der höhere Beitrag ausschließlich auf den Bezug einer Jahresendprämie beruhe. In seinem daraufhin erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass für den erhöhten Beitrag in den Monaten März bzw. April nur die Jahresendprämie und allenfalls noch eine Treueprämie in Betracht kämen. Ob eine Treueprämie im gezahlt wurde, könne er nicht sagen. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass in den Jahren 1977 bis 1989 jeweils im gleichen Monat beide Zahlungen fällig gewesen wären. Er wisse, dass er jährlich nur eine solche Zahlung, nämlich die Jahresendprämie, erhalten habe. Zum weiteren Nachweis übersandte er die Richtlinie für die Beitragskassierung der vom 26. Mai 1976 (Beitragsrichtlinie). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2011 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, dass sich aus den erhöhten Beiträgen in den Monaten März bzw. April die jeweilige Höhe der Jahresendprämie im Rückschluss ergäbe.
Das Sozialgericht Altenburg hat die Beklagte mit Urteil vom 29. Juni 2012 verurteilt, als glaubhaft gemachte zusätzliche Arbeitsentgelte (5/6) anzuerkennen: 1977 in Höhe von 1.310,- Mark, 1978 in Höhe von 1.190,- Mark, 1979 in Höhe von 1.000,- Mark, 1980 in Höhe von 1.300,- Mark, 1981 in Höhe von 1.330,- Mark, 1982 in Höhe von 1.240,- Mark, 1983 in Höhe von 1.200,- Mark, 1984 in Höhe von 1.170,- Mark, 1985 in Höhe von 1.330,- Mark, 1986 in Höhe von 1.200,- Mark, 1987 in Höhe von 1.400,- Mark, 1988 in Höhe von 1.510,- Mark und 1989 in Höhe von 1.550,- Mark. Der Kläger habe durch Vorlage des -Mitgliedsbuches die Zahlung der Jahresendprämie glaubhaft gemacht. Auf die Eintragung des Kürzels "JP" oder "JEP" im Mitgliedsbuch komme es nicht an, weil diese Vermerke seinerzeit ohne jede rechtliche Bedeutung waren und zeitweilig je nach Beitragskassierer verwendet oder nicht verwendet wurden.
Im Berufungsverfahren macht die Beklagte geltend, dass die Regelungen über den Beitragseinzug vorsahen, dass der Beitrag für die Einmalzahlung gesondert auszuweisen war. Mitgliedsausweise und Beitragszahlungen zu gesellschaftlichen Organisationen kämen daher nur eingeschränkt als Mittel der Glaubhaftmachung in Betracht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 29. Juni 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass durch Vorlage des -Mitgliedsbuches die Zahlung der Jahresendprämie glaubhaft gemacht wurde.
Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 21. Oktober 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 101ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Der Kläger hat im Rahmen des Berufungsverfahrens verschiedene schriftliche Einkommensnachweise vorgelegt, in denen die Zahlung der Jahresendprämie nicht dokumentiert ist und die Richtlinie des Generaldirektors vom 15. Dezember 1982, die Ordnung des Generaldirektors vom 5. Juni 1987 sowie einen Aushang vom 4. März 1986 (in Kopie) vorgelegt, in dem für verschiedene Mitarbeiter die Jahresendprämien mitgeteilt wurden; der Kläger selbst wird dort nicht genannt.
Die Beklagte hat auf Anfrage des Senats ein Schreiben der Stiftung vom 26. Oktober 2010 eingereicht, nach dem im Archiv des ehemaligen zu betrieblichen Einmalzahlungen wie Jahresendprämie keine Unterlagen mehr vorhanden sind.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, weitere Arbeitsentgelte anzuerkennen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 24. August 2010. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) liegen nicht vor. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Es ist nicht nachgewiesen, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder das Recht unrichtig angewandt hat.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 24. August 2010 gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG als zuständiger Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben die Zeiten vom 16. August 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (§ 5 AAÜG) und die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie bei dem Kläger zu Recht nicht berücksichtigt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten für jedes Kalenderjahr als Verdienst das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit seinem Urteil vom 23. August 2007 (Az.: B 4 RS 4/06 R, nach juris) klargestellt, dass auch die in der DDR gezahlten Jahresendprämien Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG darstellen, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen war. Bei dem Kläger scheidet eine Anerkennung allerdings aus, weil der tatsächliche Bezug von Jahresendprämien im Zeitraum der Zugehörigkeit des Klägers zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz weder nachgewiesen noch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG glaubhaft gemacht ist.
Eine Tatsache ist nachgewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 128 Rn. 3b). Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - Az.: B 9 V 23/01 B, nach juris).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist weder der Nachweis noch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den tatsächlichen Bezug von Jahresendprämien durch den Kläger erbracht. Vielmehr ist die Zahlung in unbekannter Höhe nur möglich. Insbesondere das vom Kläger vorgelegte -Parteibuch ist nicht geeignet, den Erhalt von Jahresendprämien in einer konkret nachvollziehbaren Höhe glaubhaft zu machen.
Gegen eine Glaubhaftmachung spricht bereits der Umstand, dass Beiträge zur auf eine Vielzahl von einmal jährlich gewährten Einkommensteilen erhoben wurden, ohne dass hinreichend ersichtlich ist, ob es sich um nach dem AAÜG relevantes Entgelt handelt. Die in Abschnitt 1.4. der Beitragsrichtlinie enthaltene Aufzählung ist ausdrücklich offen, die aufgeführten Bestandteile - wie die Jahresendprämie - sind nur Beispiele. Damit bleibt unklar, auf welche Lohnbezüge überhaupt Beiträge entrichtet wurden, so dass allein anhand der Beiträge und der Beitragsabführung nicht nachvollzogen werden kann, ob es sich um Lohnbestandteile handelte, die berücksichtigungsfähige Entgeltbestandteile nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sein können (vgl. Sächsisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 2. Oktober 2012 - Az.: L 5 RS 362/11, nach juris Rn. 36).
Entscheidend gegen eine Glaubhaftmachung durch das -Parteibuch spricht entgegen der Auffassung des Sozialgerichts der Umstand, dass keine getrennte Beitragsquittierung erfolgt ist und es an einer hinreichenden Kennzeichnung mangelt (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 2. Oktober 2012, a.a.O., Rn. 37). Nach Abschnitt 2.7. der Beitragsrichtlinie sind für alle unter Punkt 1.4. aufgeführten einmaligen zusätzlichen Einkommensteile getrennte Beitragsquittungslisten zu führen. Sie sind entsprechend zu kennzeichnen (z.B. Jahresendprämie). Die Mitgliedbeiträge einzelner Mitglieder für Jahresendprämie, zusätzliche Belohnung u.a. sind im jeweiligen Monat auf der Beitragsquittungsliste am Schluss aufzuführen und entsprechend zu kennzeichnen. Dies ist bei dem Kläger nicht erfolgt, zumindest liegen keine entsprechenden Unterlagen vor, aus denen sich eine getrennte Quittierung und eine Kennzeichnung ergeben. Zwar mag es tatsächlich so sein, dass dies in der Praxis oft unterblieben ist, da hiermit keine besondere Bedeutung verbunden war. Das ändert aber nichts daran, das nunmehr die Aussagekraft zu Lasten des Klägers eingeschränkt ist.
Eine andere Sichtweise käme nur dann in Betracht, wenn praktisch ausgeschlossen werden kann, dass andere einmalige Entgelte als eine Jahresendprämie im März bzw. April des jeweiligen Jahres zugeflossen und der Beitragsabführung zugrunde gelegt wurden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Januar 2014 - Az.: L 2 R 341/13, nach juris Rn. 31). Zwar stellt der Senat nicht in Abrede, dass im Jahresendprämien gezahlt wurden, was sich auch aus dem vom Kläger vorgelegten Aushang ergibt. Allerdings betrifft er ihn selbst nicht. Jedenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere einmalige Zahlungen erfolgt sind. Der Kläger selbst hat dargelegt, dass auch eine Treueprämie in Betracht käme. Darüber hinaus zeigt die vom Kläger vorgelegte Ordnung des Generaldirektors vom 5. Juni 1987, dass nicht nur ein Jahresendprämienfonds, sondern auch ein Kombinatsprämienfonds und ein Initiativprämienfonds bestanden, die Grundlage weiterer Zahlungen sein konnten.
Auch die weiteren vom Kläger vorgelegten Unterlagen, insbesondere die Lohnabrechnungen, weisen keine Jahresendprämie aus und können so einen Nachweis oder eine Glaubhaftmachung nicht erbringen. Es lässt sich letztendlich nicht mehr hinreichend aufklären, da ausweislich des Schreibens Stiftung vom 26. Oktober 2010 im Archiv des ehemaligen zu betrieblichen Einmalzahlungen keine Unterlagen mehr vorhanden sind. Der Senat sieht vor diesem Hintergrund auch keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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