L 6 R 1632/14 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 14 R 4089/13
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 1632/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 19. November 2014 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Altenburg. Dort ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat.

Der 1988 geborene Beschwerdeführer ist in Folge einer Halswirbelverletzung durch einen Autounfall am 11. Juli 1990 partiell querschnittsgelähmt, leidet an einer neurogenen Harn- und Stuhlinkontinenz und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Nach dem Gutachten der vom 9. Januar 2006 lässt das Leistungsbild eine Bürotätigkeit zu. Der Kläger sei zur Teilnahme am Arbeitsleben auf besondere Hilfen angewiesen. Vom 1. September 2006 bis 31. Juli 2007 nahm er an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme beim G. gGmbH teil und absolvierte vom 29. August 2007 bis 28. August 2010 eine Ausbildung zum Bürokaufmann.

Im April 2013 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog diverse medizinische Unterlagen bei. Nach der Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes vom 11. Juli 2014 besteht eine in das Erwerbsleben eingebrachte Behinderung und Schwerpflegebedürftigkeit. Hinweise auf eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes innerhalb der letzten Jahre gebe es nicht. Mit Bescheid vom 12. September 2013 lehnte die Beklagte die Rentengewährung ab, weil die allgemeine Wartezeit vor der Erwerbsminderung nicht erfüllt sei. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2013 zurück.

Am 27. November 2013 hat der Kläger Klage erhoben und die Gewährung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwältin M. beantragt. Zur Begründung hat er angegeben, er habe eine Berufsausbildung absolviert, was bei einer vollen Erwerbsminderung nicht möglich gewesen wäre. Das spreche für eine Erwerbsminderung nach dem 11. Juli 1990.

Mit Beschluss vom 19. November 2014 hat das SG Altenburg die Gewährung von PKH abgelehnt. Die Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Erwerbsminderung am 11. Juli 1990 eingetreten sei und damit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht vorlägen. Dem Vortrag des Beschwerdeführers, dass die Erwerbsminderung erst nach dem 11. Juli 1990 eingetreten sei, weil er von 2006 bis 2011 eine Berufsausbildung absolviert habe, sei nicht zu folgen. Dieser habe die Ausbildung nur unter den besonderen Bedingungen des Berufsbildungswerks absolviert.

Der Beschwerdeführer hat am 19. Dezember 2014 Beschwerde gegen die Ablehnung der Be-willigung von PKH eingelegt. Zwar habe er bereits am 11. Juli 1990 die Querschnittslähmung erlitten. Jedoch sei er in der Lage gewesen, im Zeitraum vom 1. September 2006 bis 22. De-zember 2011 erfolgreich seine Ausbildung zu absolvieren. Im Gutachten des Ärztlichen Dienstes der vom 9. Januar 2006 sei eine vollschichtige Erwerbsfähigkeit mit qualitativen Einschränkungen festgestellt worden. Insofern habe zumindest für den Zeitraum der Berufs-ausbildung Erwerbsfähigkeit vorgelegen und die nunmehr vorliegende Erwerbsunfähigkeit sei 6 Jahre nach Abschluss der Ausbildung eingetreten. Tatsächliche Ermittlungen zur Erwerbsfähigkeit habe das SG nicht angestellt. Auch im Falle einer Querschnittslähmung könne eine Erwerbsfähigkeit vorliegen.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 19. November 2014 aufzuheben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. M. Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem SG Altenburg (Az.: S 14 R 4089/13) ab dem 28. November 2013 ohne Ratenzahlungsbestimmung zu bewilligen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie die Gründe des Beschlusses des SG vom 19. November 2014.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beschwerde- und Gerichtsakte (Az.: S 14 R 4089/13) sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf Bewilligung der begehrten PKH.

Nach § 73 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Er-folgsaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum Erfolg führen kann.

Dies ist hier nicht der Fall. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI liegen offensichtlich nicht vor. Insoweit verweist der Senat gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die insoweit zutreffende Begründung im Beschluss der Vorinstanz vom 19. November 2014 und weist die Beschwerde als unbegründet zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass hier ein sog. eingebrachtes Leiden vorliegt, weil der Be-schwerdeführer bereits im Kleinkindalter eine Querschnittslähmung erlitten hat. Deswegen ist er zeitlebens voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Sein Vorbringen gibt keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Der Beschwerdeführer verkennt, dass die Erwerbsfähigkeit unter "den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" gegeben sein muss. Folglich müsste er wettbewerbsfähig zu anderen Arbeitnehmern (ohne Behinderung) erwerbstätig sein können (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 5. Juni 2012 – L 6 R 729/07). Dies ist ersichtlich nicht der Fall und folgt insbesondere nicht aus der Absolvierung der von der als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben geförderten Ausbildung zur Büro-kraft beim G. gGmbH. Insoweit ist mit der Vorinstanz darauf hinzuweisen, dass diese Ausbildung nur unter den geschützten Bedingungen einer Berufsförderschule möglich war. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass selbst aus einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit z.B. im Rahmen eines Behindertenprogramms auf einem angepassten Arbeitsplatz nicht abgeleitet werden kann, dass der Versicherte wettbewerbsfähig und unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes hatte tätig werden können (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. August 2011 – L 13 R 5780/09 –, juris). Dass mit dem Gutachten des Ärztlichen Dienstes der vom 9. Januar 2006 die Eignung für die Fördermaßnahme festgestellt wurde, beinhaltet keine Aussage zur Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 43 SGB VI.

Im Übrigen ist das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht schlüssig, da er lediglich aus formalen Gründen (Gutachten des Ärztlichen Dienstes der vom 9. Januar 2006 und Absolvierung der Ausbildung) zeitweise erwerbsfähig gewesen, nunmehr aber wieder aufgrund derselben Erkrankung bzw. Behinderung erwerbsgemindert sein will.

Damit steht im vorliegenden Fall fest, dass der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung bereits zu einem Zeitpunkt eingetreten war, in dem die allgemeine Wartezeit des § 50 Abs. 1 SGB VI noch nicht erfüllt war, also die versicherungsrechtlichen Voraussetzung einer Rentengewährung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI noch nicht erfüllt sind. Bei dieser Sachlage kann sich ein Rentenanspruch nur aus § 43 Abs. 6 SGB VI ergeben. Danach haben Versicherte - als Ausnahme zu dem in §§ 43 Abs. 1 und 2, 240 SGB VI verwirklichten Versicherungsprinzip - dann Anspruch auf eine volle Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben (§ 43 Abs. 6 SGB VI). Die Vorschrift ermöglicht es Versicherten - im Besonderen profitieren schwerbehinderte Menschen -, die bereits bei Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung oder vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, eine Rente zu erhalten, die auf Beiträgen beruht, die erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalles der vollen Erwerbsminderung entrichtet wurden (vgl. Gabke in jurisPK-SGB VI, § 43 Rdnr. 305 ff.). Da der Kläger (derzeit) die Wartezeit von 20 Jahren (§ 50 Abs. 2 i.V.m. § 51 Abs. 1 und Abs. 4, § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 55 SGB VI) nicht erfüllt hat, kommt eine Rentengewährung auch nach dieser Vorschrift ersichtlich nicht in Betracht.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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