Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 1709/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2016 verurteilt, der Klägerin eine Mammaaugmentationsplastik zu gewähren. Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Mammaaugmentationsplastik (Bruststraffung).
Die am 00.00.1900 geborene Klägerin stellte mit Eingang bei der Beklagten am 24.09.2015 einen Antrag auf Übernahme der Kosten einer Bruststraffung beidseits und einer Fettschürzenresektion im Rahmen einer Bauchdeckenstraffung mit Nabelversatz nach einer Gewichtsreduktion in Höhe von 50 Kilogramm (kg). Die Eingriffe sollten in den T. in E. stattfinden. Dem Antrag beigefügt war ein Attest der leitenden Ärztin Dr. M. Q., T. - Klinik für Allgemeinchirurgie/Plastische Chirurgie -. Ausweislich des Attestes der Frau Dr. Q. vom 28.08.2015 empfehle die Ärztin die begehrten Operationen. Weiterhin legte die Klägerin Atteste der behandelnden Ärzte H. (Fachärzte für Allgemeinmedizin), des Hautarztes T. und des Facharztes für Frauenheilkunde Dr. G. vor.
Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam in seinem Gutachten vom 20.10.2015 nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nur bezüglich der Fettschürzenresektion erfüllt seien. Es komme am Bauch zu rezidivierenden Entzündungen, die kaum auf eine Behandlung anspringen würden. Hinsichtlich der Bruststraffung liege keine medizinische Indikation vor. Bei der Untersuchung finde sich ein klinisch unauffälliger Befund der Brüste, ebenso seien der dermatologische und der orthopädische Befund unauffällig. Insbesondere seien keine Hautentzündungen im Brustbereich festzustellen. Es liege auch keine Entstellung der Klägerin vor.
Die Beklagte gewährte der Klägerin durch Bescheid vom 02.11.2015 die begehrte Fett-schürzenresektion. Unter Bezugnahme auf das MDK-Gutachten vom 20.10.2015 lehnte sie den Antrag bezüglich der Bruststraffung ab.
Am 12.11.2015 hat die Klägerin Klage auf Feststellung der Genehmigung des Antrages auf Gewährung von zwei Wiederherstellungsoperationen, der Fettschürzenresektion und der Bruststraffung, als Sachleistung erhoben. Sie habe einen Anspruch aus § 13 Abs. 3 a S. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Der am 24.09.2015 bei der Beklagten eingegangene Antrag sei erst am 02.11.2015 beschieden worden. Es sei keine schriftliche Mitteilung der Beklagten an die Klägerin erfolgt, dass die Beklagte die 3 bzw. 5-Wochen-Frist nicht einhalten könne. Als Folge trete die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V ein. Die Genehmigung ersetze den Bewilligungsbescheid. Eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit finde nicht mehr statt.
Gegen den Bescheid vom 02.11.2015 hat die Klägerin mit Schreiben vom 27.11.2015 ohne Begründung Widerspruch eingelegt.
Die Beklagte hat am 13.01.2016 den Widerspruch der Klägerin unter Verweis auf ihre medizinischen Ermittlungen zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2015 in Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 13.01.2016 zu verurteilen, ihr eine Mamma¬aug¬men-tationsplastik als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass eine Leistungspflicht nicht eingetreten sei. Die Klägerin habe sich die begehrte Leistung noch nicht selbst beschafft. Außerdem würden die Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Operation ausweislich des MDK-Gut¬achtens vom 20.10.2015 nicht vorliegen. Die medizinische Indikation sei auch bei der Geneh¬migungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V Voraussetzung für die Gewährung der begehrten Leistung. Dies entspreche dem Erforderlichkeitsvorbehalt der Norm. Außerdem seien die §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren- und Sozial¬datenschutz – (SGB X) auf § 13 Abs. 3 a SGB V anwendbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und den der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Da der Bescheid vom 02.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2016 jedenfalls einen formellen Verwaltungsakt darstellt und dem seitens der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Gewährung der Bruststraffung entgegensteht, kann sie die Aufhebung des Bescheides geltend machen. Mit der Leistungsklage kann eine Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die Klägerin ihren Rechtsanspruch auf § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V stützt. Nach dieser Norm gilt die Leistung, soweit keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt, nach Ablauf der Frist als genehmigt. Mit Eintritt der Fiktion besteht der Rechtsanspruch auf die beantragte Leistung, ohne dass hierüber noch ein Bescheid der Beklagten zu erteilen wäre. Die Fiktion der Genehmigung ersetzt den Genehmigungsbescheid.
Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 02.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 13.01.2016 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin. Sie hat einen An-spruch auf Gewährung der beantragten Bruststraffung nach § 13 Abs. 3a S. 6 in Verbin-dung mit S. 1 und S. 5 SGB V. Nach § 13 Abs. 3a S. 1 hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von 3 Wochen nach Antragsein-gang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von 5 Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Nach S. 5 teilt die Krankenkasse, soweit sie Fristen nach S. 1 nicht einhalten kann, dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Nach S. 6 gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt, wenn keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt.
Die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V liegen bei der Klägerin zur Überzeugung der Kammer vor. Die Beklagte hat über den Antrag der Klägerin nicht innerhalb der vorgegebenen Frist von 5 Wochen entschieden. Die 5-Wochenfrist ist einschlägig, da die Beklagte eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt hat. Fristbeginn war nach § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am 25.09.2015. Das Fristende fiel auf Donnerstag, den 29.10.2015 (§ 188 Abs. 2 BGB). Da die Beklagte den Antrag erst am 02.11.2015 beschieden hat, ist die Frist verstrichen ge-wesen.
Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V ist, dass die beantragte Leistung als genehmigt gilt.
Die Beklagte kann nicht mit ihrer Auffassung durchdringen, dass sich die Klägerin die begehrte Leistung bereits beschafft haben müsse, um einen Anspruch nach § 13 Abs. 3a S. 6 beiziehungsweise S. 7 SGB V zu haben.
§ 13 Abs. 3a SGB V ist nicht lediglich auf einen Kostenerstattungsanspruch beschränkt. Nach dem klaren Wortlaut der Norm gewähren S. 6 und S. 7 mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch für die erforderliche Leistung. Beide Sätze stehen ihrem Wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander. Bei einer anderen Betrachtungsweise käme Satz 6 kein eigener Regelungsgehalt zu. Zudem schlösse eine solche Auslegung mittellose Versicherte, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, entgegen des Gleich¬behandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) praktisch aus dem Schutz¬bereich des § 13 Abs. 3 a SGB V aus (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen – LSG NRW -, Beschluss vom 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER –, Rn. 7, zit. n. Juris m.w.N.).
Die Beklagte kann der Klägerin ferner nicht entgegenhalten, dass die begehrte Operation nicht erforderlich sei. Mit dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und im Sinn und Zweck des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V ist eine solche Auslegung nicht vereinbar. Die Norm enthält keine Einschränkung der Leistung auf eine erforderliche. Soweit bei der Kostenerstattungsregel des § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V von einer erforderlichen Leistung die Rede ist, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. S. 6 normiert einen uneingeschränkten Sachleistungsanspruch, der schon eintritt, wenn die Krankenkasse die Fristvorschriften nicht beachtet. Auf materielle Inhalte wird gerade nicht abgestellt (vgl. LSG Saarland, Urteil vom 17.06.2015 – L 2 KR 180/14 -, Rn. 24, zit. n. Juris). Die Erforderlichkeit der Leistung folgt schon aus der Rechtswirkung der Genehmigungsfiktion. Sinn und Zweck der Vorschrift stützen diese Auslegung. § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 eingefügt. Sinn und Zweck der Gesetzesänderung war, dass der Versicherte zügig Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hat. Mit diesem Ziel ist es nicht vereinbar, dass die Beklagte gleichwohl eine nachträgliche Prüfung der beantragten Leistung verbleibt. Durch die Fiktion der Ge-nehmigung ist vielmehr die Leistungsberechtigung der Klägerin wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen – auch dem Einwand der Erforderlichkeit - ausgeschlossen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER -, Rn. 9, zit. n. Juris).
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Auffassung der Beklagten, eine Beendigung der Fiktion könne nach §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren- und Sozialdatenschutz – (SGB X) erfolgen, zutreffend ist. Die Beklagte hat (bislang) kein Ende der Fiktion herbeigeführt. Insbesondere kann in dem Bescheid vom 02.11.2015 keine rechtmäßige Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X gesehen werden. Dies scheitert bereits daran, dass die Beklagte kein Ermessen bezüglich der Rücknahmeentscheidung ausgeübt hat.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG. Dabei berücksichtigt die Kammer, dass die Klägerin, obgleich die Beklagte mit Bescheid vom 02.11.2015 dem Begehren bezüg-lich der Fettschürzenresektion entsprochen hat, diese Operation zunächst auch mit ihrer Klage geltend gemacht hat.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Gelsenkirchen, Bochumer Straße 79, 45886 Gelsenkirchen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg-gelsenkirchen.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektroni-sche Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das Gericht über-prüfbar sein. Auf der Internetseite www.justiz.nrw.de sind die Bearbeitungsvoraussetzun-gen bekanntgegeben.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Über-gehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Beglaubigt
Regierungsbeschäftigte
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Mammaaugmentationsplastik (Bruststraffung).
Die am 00.00.1900 geborene Klägerin stellte mit Eingang bei der Beklagten am 24.09.2015 einen Antrag auf Übernahme der Kosten einer Bruststraffung beidseits und einer Fettschürzenresektion im Rahmen einer Bauchdeckenstraffung mit Nabelversatz nach einer Gewichtsreduktion in Höhe von 50 Kilogramm (kg). Die Eingriffe sollten in den T. in E. stattfinden. Dem Antrag beigefügt war ein Attest der leitenden Ärztin Dr. M. Q., T. - Klinik für Allgemeinchirurgie/Plastische Chirurgie -. Ausweislich des Attestes der Frau Dr. Q. vom 28.08.2015 empfehle die Ärztin die begehrten Operationen. Weiterhin legte die Klägerin Atteste der behandelnden Ärzte H. (Fachärzte für Allgemeinmedizin), des Hautarztes T. und des Facharztes für Frauenheilkunde Dr. G. vor.
Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam in seinem Gutachten vom 20.10.2015 nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nur bezüglich der Fettschürzenresektion erfüllt seien. Es komme am Bauch zu rezidivierenden Entzündungen, die kaum auf eine Behandlung anspringen würden. Hinsichtlich der Bruststraffung liege keine medizinische Indikation vor. Bei der Untersuchung finde sich ein klinisch unauffälliger Befund der Brüste, ebenso seien der dermatologische und der orthopädische Befund unauffällig. Insbesondere seien keine Hautentzündungen im Brustbereich festzustellen. Es liege auch keine Entstellung der Klägerin vor.
Die Beklagte gewährte der Klägerin durch Bescheid vom 02.11.2015 die begehrte Fett-schürzenresektion. Unter Bezugnahme auf das MDK-Gutachten vom 20.10.2015 lehnte sie den Antrag bezüglich der Bruststraffung ab.
Am 12.11.2015 hat die Klägerin Klage auf Feststellung der Genehmigung des Antrages auf Gewährung von zwei Wiederherstellungsoperationen, der Fettschürzenresektion und der Bruststraffung, als Sachleistung erhoben. Sie habe einen Anspruch aus § 13 Abs. 3 a S. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Der am 24.09.2015 bei der Beklagten eingegangene Antrag sei erst am 02.11.2015 beschieden worden. Es sei keine schriftliche Mitteilung der Beklagten an die Klägerin erfolgt, dass die Beklagte die 3 bzw. 5-Wochen-Frist nicht einhalten könne. Als Folge trete die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V ein. Die Genehmigung ersetze den Bewilligungsbescheid. Eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit finde nicht mehr statt.
Gegen den Bescheid vom 02.11.2015 hat die Klägerin mit Schreiben vom 27.11.2015 ohne Begründung Widerspruch eingelegt.
Die Beklagte hat am 13.01.2016 den Widerspruch der Klägerin unter Verweis auf ihre medizinischen Ermittlungen zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2015 in Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 13.01.2016 zu verurteilen, ihr eine Mamma¬aug¬men-tationsplastik als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass eine Leistungspflicht nicht eingetreten sei. Die Klägerin habe sich die begehrte Leistung noch nicht selbst beschafft. Außerdem würden die Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Operation ausweislich des MDK-Gut¬achtens vom 20.10.2015 nicht vorliegen. Die medizinische Indikation sei auch bei der Geneh¬migungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V Voraussetzung für die Gewährung der begehrten Leistung. Dies entspreche dem Erforderlichkeitsvorbehalt der Norm. Außerdem seien die §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren- und Sozial¬datenschutz – (SGB X) auf § 13 Abs. 3 a SGB V anwendbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und den der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Da der Bescheid vom 02.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2016 jedenfalls einen formellen Verwaltungsakt darstellt und dem seitens der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Gewährung der Bruststraffung entgegensteht, kann sie die Aufhebung des Bescheides geltend machen. Mit der Leistungsklage kann eine Leistung begehrt werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die Klägerin ihren Rechtsanspruch auf § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V stützt. Nach dieser Norm gilt die Leistung, soweit keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt, nach Ablauf der Frist als genehmigt. Mit Eintritt der Fiktion besteht der Rechtsanspruch auf die beantragte Leistung, ohne dass hierüber noch ein Bescheid der Beklagten zu erteilen wäre. Die Fiktion der Genehmigung ersetzt den Genehmigungsbescheid.
Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 02.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 13.01.2016 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin. Sie hat einen An-spruch auf Gewährung der beantragten Bruststraffung nach § 13 Abs. 3a S. 6 in Verbin-dung mit S. 1 und S. 5 SGB V. Nach § 13 Abs. 3a S. 1 hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von 3 Wochen nach Antragsein-gang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK eingeholt wird, innerhalb von 5 Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Nach S. 5 teilt die Krankenkasse, soweit sie Fristen nach S. 1 nicht einhalten kann, dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Nach S. 6 gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt, wenn keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt.
Die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V liegen bei der Klägerin zur Überzeugung der Kammer vor. Die Beklagte hat über den Antrag der Klägerin nicht innerhalb der vorgegebenen Frist von 5 Wochen entschieden. Die 5-Wochenfrist ist einschlägig, da die Beklagte eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt hat. Fristbeginn war nach § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am 25.09.2015. Das Fristende fiel auf Donnerstag, den 29.10.2015 (§ 188 Abs. 2 BGB). Da die Beklagte den Antrag erst am 02.11.2015 beschieden hat, ist die Frist verstrichen ge-wesen.
Rechtsfolge des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V ist, dass die beantragte Leistung als genehmigt gilt.
Die Beklagte kann nicht mit ihrer Auffassung durchdringen, dass sich die Klägerin die begehrte Leistung bereits beschafft haben müsse, um einen Anspruch nach § 13 Abs. 3a S. 6 beiziehungsweise S. 7 SGB V zu haben.
§ 13 Abs. 3a SGB V ist nicht lediglich auf einen Kostenerstattungsanspruch beschränkt. Nach dem klaren Wortlaut der Norm gewähren S. 6 und S. 7 mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch für die erforderliche Leistung. Beide Sätze stehen ihrem Wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander. Bei einer anderen Betrachtungsweise käme Satz 6 kein eigener Regelungsgehalt zu. Zudem schlösse eine solche Auslegung mittellose Versicherte, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, entgegen des Gleich¬behandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) praktisch aus dem Schutz¬bereich des § 13 Abs. 3 a SGB V aus (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen – LSG NRW -, Beschluss vom 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER –, Rn. 7, zit. n. Juris m.w.N.).
Die Beklagte kann der Klägerin ferner nicht entgegenhalten, dass die begehrte Operation nicht erforderlich sei. Mit dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und im Sinn und Zweck des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V ist eine solche Auslegung nicht vereinbar. Die Norm enthält keine Einschränkung der Leistung auf eine erforderliche. Soweit bei der Kostenerstattungsregel des § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V von einer erforderlichen Leistung die Rede ist, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. S. 6 normiert einen uneingeschränkten Sachleistungsanspruch, der schon eintritt, wenn die Krankenkasse die Fristvorschriften nicht beachtet. Auf materielle Inhalte wird gerade nicht abgestellt (vgl. LSG Saarland, Urteil vom 17.06.2015 – L 2 KR 180/14 -, Rn. 24, zit. n. Juris). Die Erforderlichkeit der Leistung folgt schon aus der Rechtswirkung der Genehmigungsfiktion. Sinn und Zweck der Vorschrift stützen diese Auslegung. § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 eingefügt. Sinn und Zweck der Gesetzesänderung war, dass der Versicherte zügig Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hat. Mit diesem Ziel ist es nicht vereinbar, dass die Beklagte gleichwohl eine nachträgliche Prüfung der beantragten Leistung verbleibt. Durch die Fiktion der Ge-nehmigung ist vielmehr die Leistungsberechtigung der Klägerin wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen – auch dem Einwand der Erforderlichkeit - ausgeschlossen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 – L 5 KR 222/14 B ER -, Rn. 9, zit. n. Juris).
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Auffassung der Beklagten, eine Beendigung der Fiktion könne nach §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren- und Sozialdatenschutz – (SGB X) erfolgen, zutreffend ist. Die Beklagte hat (bislang) kein Ende der Fiktion herbeigeführt. Insbesondere kann in dem Bescheid vom 02.11.2015 keine rechtmäßige Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X gesehen werden. Dies scheitert bereits daran, dass die Beklagte kein Ermessen bezüglich der Rücknahmeentscheidung ausgeübt hat.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG. Dabei berücksichtigt die Kammer, dass die Klägerin, obgleich die Beklagte mit Bescheid vom 02.11.2015 dem Begehren bezüg-lich der Fettschürzenresektion entsprochen hat, diese Operation zunächst auch mit ihrer Klage geltend gemacht hat.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Gelsenkirchen, Bochumer Straße 79, 45886 Gelsenkirchen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg-gelsenkirchen.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektroni-sche Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das Gericht über-prüfbar sein. Auf der Internetseite www.justiz.nrw.de sind die Bearbeitungsvoraussetzun-gen bekanntgegeben.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Über-gehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Beglaubigt
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