Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 15 P 3085/13
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 P 248/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 28. Januar 2016 aufgehoben. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Kläger Anspruch auf Höherstufung in die Pflegestufe II bereits ab einem früheren Zeitpunkt als dem 1. Juni 2011 hat.
Gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 23. April 2012 und den Widerspruchs-bescheid vom 1. August 2013 hat der Kläger am 2. September 2013 durch seine Anwälte vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) Klage erhoben. Das Mandatsverhältnis hat er im August 2014 beendet und sich seither selbst vertreten.
Das SG hat u.a. das im Verfahren Az.: S 28 SB 3802/11 nach Aktenlage erstellte neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. B. vom 3. April 2013 beigezogen (Diagnosen: u.a. Anpassungsstörung mit depressiven Verstimmungen und herabgesetztem Antrieb). Der Kläger hat sich nach Anhörung zu einer Entscheidung mit Gerichtsbescheid im August 2015 auf Prozessunfähigkeit berufen und auf die Notwendigkeit eines besonderen Vertreters hingewiesen. Daraufhin hat das SG mit Beweisanordnung vom 19. August 2015 Dipl.-Med. L. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Prozessfähigkeit des Klägers beauftragt. Die Begutachtung hat dieser mit der Begründung abgelehnt, dem Gericht lägen alle medizinischen Unterlagen vor, die seine Prozessunfähigkeit belegen würden.
Auf die Anfrage des Vorsitzenden der 15. Kammer vom 10. November 2015 haben die Rechtsanwälte B. und St. mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2015 mitgeteilt, sie seien grund-sätzlich bereit, das Amt des besonderen Vertreters nach § 72 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu übernehmen, wenn die Finanzierung sichergestellt sei.
Mit Beschluss vom 28. Januar 2016 hat die Vorinstanz für den Kläger die Geschäftsleiterin des SG, Justizamtfrau N., als besondere Vertreterin bestellt. Es sei von der Prozessunfähigkeit des Klägers auszugehen. Der erwiesenen Prozessunfähigkeit stehe der Fall gleich, dass sich die Prozessfähigkeit bei Zweifeln trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten nicht klären lasse. Aufgrund des in den Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) e.V. zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit von August 2011 und April 2012 festgestellten eingeschränkten Kritik- und Urteilsvermögens in Verbindung mit den beschriebenen Vorstellungen, verfolgt zu werden, lasse sich Prozessunfähigkeit nicht ausschließen. Dies gelte umso mehr, als sich der Kläger selbst für prozessunfähig halte. Das Gutachten des Dr. B. vom 3. April 2013 sei nicht geeignet, die bestehenden Zweifel auszuräumen, da es nach Aktenlage erstellt sei. Die Zweifel würden verstärkt durch die Einschätzung des Dr. A. vom Oktober 2013 (richtig: 5. Juni 2014), wo dieser eine Suizidgefahr wegen chronischer Depressionen und Verhandlungsunfähigkeit annehme. Auch die weitere Voraussetzung, das Fehlen eines gesetzlichen Vertreters, sei gegeben.
Ebenfalls mit Beschluss vom 28. Januar 2016 hat die 2. Kammer des SG im Verfahren Az.: S 2 R 3652/05 die Geschäftsleiterin, Justizamtfrau N., als besondere Vertreterin bestellt.
Mit identischen Schreiben vom 12. Februar 2016 hat der Kläger gegen die Beschlüsse der 2. (Az.: L 6 R 247/16 B) und 15. Kammer (Az.: L 6 P 248/16 B) beim Thüringer Landessozialgericht (LSG) Beschwerde erhoben. Er sei prozessunfähig und ein Pflegefall. Ein besonderer Vertreter müsse seine Interessen vertreten. Aufgrund seiner Erfahrungen müsse er die vom SG als besondere Vertreterin bestellte Mitarbeiterin des SG ablehnen. Die Finanzierung des angefragten Rechtsanwaltes St. als besonderer Vertreter sei gesichert.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 28. Januar 2016 abzuändern und Rechtsanwalt Th. St., , als besonderen Vertreter nach § 72 SGG zu bestellen.
Die Beklagte hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.
Mit Beschluss vom 20. April 2016 (Az.: L 6 P 416/16 AB) hat der Senat das Gesuch des Klägers vom 31. März 2016, Richter am Landessozialgericht Sch. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, als unbegründet abgelehnt und mit Beschluss vom 29. April 2016 (Az.: L 6 R 247/16 B) den Beschluss der 2. Kammer des SG vom 28. Januar 2016 (Az.: S 2 R 3652/05) aufgehoben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der vorliegenden Beschwerdeakte sowie der Beschwerdeakte Az.: L 6 R 247/16 B und der beigezogenen Ge-richtsakten des SG Altenburg (Az.: S 2 RA 3652/05, S 15 P 3085/13) Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.
II.
Die nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 172 SGG zulässig, unabhängig davon, ob er prozessfähig ist oder nicht. Für ein Rechtsmittel, mit dem ein Kläger eine Entscheidung angreift, in dem es um die Frage seiner Prozessfähigkeit geht, ist er als prozessfähig zu behandeln (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. Februar 2012 - Az.: L 5 AS 276/10 B ER m.w.N., nach juris). Dies muss auch dann gelten, wenn der Kläger - wie hier - nur die Bestellung der Person des besonderen Vertreters angreift.
Da es sich bei der Prozessfähigkeit um eine zwingende Sachurteilsvoraussetzung handelt, hat der Senat den Beschluss vom 28. Januar 2016 von Amts wegen insgesamt und nicht nur hinsichtlich der Frage zu überprüfen, ob eine Bestellung der Justizamtfrau N. als besondere Vertreterin ermessensfehlerfrei möglich war.
Hier liegen die Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 SGG nicht vor. Danach ist für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren ein besonderer Vertreter zu bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Die im Gesetz genannten Gründe sind abschließend (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 72 Rdnr. 1a). Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl. § 71 SGG), also u.a. eine Person, die nicht geschäftsfähig i.S.d. § 104 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist, weil sie sich nach § 104 Nr. 2 BGB in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. Dezember 2013 - Az.: B 8 SO 24/12 R, nach juris). Bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit, hat das mit der Sache befasste Gericht dies von Amts wegen zu ermitteln. Abzustellen ist allein darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich erscheint oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, weil diese aufgrund einer krankhaften Störung der Willenstätigkeit entfallen ist (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 5. Dezember 1995 - Az.: XI ZR 70/95, Rn. 11, nach juris). Es kommt entscheidend darauf an, ob der Betreffende in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 9. September 2004 - Az.: III B 165/03, Rn. 4, nach juris), was nicht mehr der Fall ist, wenn die Willensbetätigung nicht auf rationalen Erwägungen beruht, sondern unkontrollierbaren Trieben oder Vorstellungen unterworfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1970 - Az.: IV ZR 83/69, Rn. 11, nach juris). Die Entscheidung bedarf einer vorherigen persönlichen Anhörung (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 1993 - Az.: 9/9a RVG 5/92, nach juris). Verbleiben nach Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisquellen hinreichende Anhaltspunkte für die Prozessunfähigkeit, gehen noch vorhandene Zweifel zulasten des betroffenen Beteiligten; ihn trifft also grundsätzlich das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Prozessfähigkeit im Sinne einer objektiven Beweislast (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 71 Rdnr. 8 b).
In seinem Beschluss vom 29. April 2016 (Az.: L 6 R 247/16 B) hat der erkennende Senat wie folgt ausgeführt: "Eine Prozessunfähigkeit des Klägers in diesem Sinne ist aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht ersichtlich. Hierfür liegen entgegen der Ansicht der Vorinstanz auch keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Sie kommt nicht bereits deshalb in Betracht, weil das Amtsgericht Jena (Az.: 3 XVII 676/04) keine Betreuerbestellung (§ 1896 BGB) vorgenommen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 3. Juli 2003 - Az.: B 7 AL 216/02). Die dort beauftragte Dr. G. hat in ihrem Gutachten vom 25. September 2010 nach Aufsuchen des Klägers in häuslicher Umgebung festgestellt, dass dieser sich als wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert und bemüht zur Gesprächsführung sowie zur Zusammenhangsbetrachtung erwies. Auch wenn unzweifelhaft Defizite in einer Vielzahl psychischer aber auch kognitiver Parameter wie u.a. bei der vom Kläger selbst geschilderten Einschränkung der Merkfähigkeit und der Dauer seiner mentalen Aufnahmefähigkeit fortbestehen, war er durchaus in der Lage, sich alternative Hilfsmöglichkeiten zu erschließen, z.B. in der Form der Beauftragung von Rechtsanwälten und der Erteilung einer Vollmacht an seine Tochter. Angesichts dieser Umstände ist nachvollziehbar, dass sie die Bestellung nicht als empfehlenswert angesehen hat.
Für eine Prozessunfähigkeit liefern auch die Gutachten des MDK keine hinreichenden An-haltspunkte. Die Ausführungen im Beschluss der Vorinstanz hierzu sind insoweit nicht nach-vollziehbar. Nach dem Gutachten vom 15. August 2011 war die verbale Kommunikation mit dem Kläger möglich. Er konnte seine Begutachtungssituation vollständig einordnen und adäquat antworten. Er war bewusstseinsklar, in allen Bereichen orientiert, (aber) wenig am Ta-gesgeschehen interessiert. Festgestellt wurden eine depressive Stimmungslage und eine Ein-schränkung der Merk- und Konzentrationsfähigkeit. Nach dem Gutachten vom 12. April 2012 war der Kläger während der Begutachtung zur Zeit, zum Ort, zur Situation und zur Person orientiert. Es bestand eine depressive und dysphorische Stimmungslage. Der Kläger gab an, er fühle sich ungerecht behandelt, betrogen, verleumdet und verfolgt. Einschränkungen wurden im Kurzzeitgedächtnis und bei der Konzentration festgestellt. Die Ausführungen des Dr. B. in seinem Gutachten vom 3. April 2013 liefern ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit.
Die eigene Behauptung des Klägers, er sei prozessunfähig, entbehrt einer erforderlichen me-dizinischen Grundlage und erscheint auch unter Berücksichtigung seiner sonstigen schriftsätz-lichen Äußerungen und des Entzuges des Mandates seiner Prozessbevollmächtigten vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. April 2015 - taktisch motiviert. Er hat sich im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens durchaus in der Lage gesehen, sogar mehrmals Prozessbevollmächtigte zu bestellen. Es ist nicht ersichtlich, dass dies wegen ungenügender Wahrnehmung seiner Interessen erfolgte. Das Kurzgutachten des Dipl.-Med. L. vom 26. August 2004 ist zeitlich ebenso wenig aktuell wie die Bescheinigung der Dipl.-Med.-Sch. vom 1. Juli 2009 und das "Gutachten" des Internisten und Rheumatologen Dr. A. vom 6. Juli 2009. Soweit Letzterer in seiner Bescheinigung vom 5. Juni 2014 aufgrund eines "psychosomatischen Schmerzsyndroms" Verhandlungs- und Prozessunfähigkeit bescheinigt, überzeugt dies nicht. Es ist nicht ersichtlich, woher er die Fachkenntnisse für diese fachfremde Beurteilung hat. Im Übrigen ist die unbestimmte Diagnose eines "Schmerzsyndroms" nicht im Ansatz geeignet, eine Prozessunfähigkeit begründen. Sie sagt nichts zum Umfang der behaupteten Einschränkung aus. Auch die Stellung der Diagnose "chronisch reaktive Depression" entspricht nicht der Qualifikation des Dr. A. und sagt nichts zur Prozessfähigkeit. Wäre sie richtig, hätte sich zudem die Überweisung an einen Facharzt aufgedrängt." Der Senat hält an dieser Ansicht fest. Zur Vollständigkeit weist er darauf hin, dass das BSG mehrfach, zuletzt im Beschluss vom 24. März 2016 (Az.: B 6 KA 3/16 B), die Prozessunfähigkeit des Klägers verneint hat.
Angesichts dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, dass die Bestellung der Geschäftsleiterin des SG als besondere Vertreterin angesichts der offenkundigen Probleme des Klägers mit der Sozialgerichtsbarkeit nicht sinnvoll und ermessensfehlerhaft war.
Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da es sich nur um eine Zwischenentscheidung handelt.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Kläger Anspruch auf Höherstufung in die Pflegestufe II bereits ab einem früheren Zeitpunkt als dem 1. Juni 2011 hat.
Gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 23. April 2012 und den Widerspruchs-bescheid vom 1. August 2013 hat der Kläger am 2. September 2013 durch seine Anwälte vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) Klage erhoben. Das Mandatsverhältnis hat er im August 2014 beendet und sich seither selbst vertreten.
Das SG hat u.a. das im Verfahren Az.: S 28 SB 3802/11 nach Aktenlage erstellte neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. B. vom 3. April 2013 beigezogen (Diagnosen: u.a. Anpassungsstörung mit depressiven Verstimmungen und herabgesetztem Antrieb). Der Kläger hat sich nach Anhörung zu einer Entscheidung mit Gerichtsbescheid im August 2015 auf Prozessunfähigkeit berufen und auf die Notwendigkeit eines besonderen Vertreters hingewiesen. Daraufhin hat das SG mit Beweisanordnung vom 19. August 2015 Dipl.-Med. L. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Prozessfähigkeit des Klägers beauftragt. Die Begutachtung hat dieser mit der Begründung abgelehnt, dem Gericht lägen alle medizinischen Unterlagen vor, die seine Prozessunfähigkeit belegen würden.
Auf die Anfrage des Vorsitzenden der 15. Kammer vom 10. November 2015 haben die Rechtsanwälte B. und St. mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2015 mitgeteilt, sie seien grund-sätzlich bereit, das Amt des besonderen Vertreters nach § 72 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu übernehmen, wenn die Finanzierung sichergestellt sei.
Mit Beschluss vom 28. Januar 2016 hat die Vorinstanz für den Kläger die Geschäftsleiterin des SG, Justizamtfrau N., als besondere Vertreterin bestellt. Es sei von der Prozessunfähigkeit des Klägers auszugehen. Der erwiesenen Prozessunfähigkeit stehe der Fall gleich, dass sich die Prozessfähigkeit bei Zweifeln trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten nicht klären lasse. Aufgrund des in den Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) e.V. zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit von August 2011 und April 2012 festgestellten eingeschränkten Kritik- und Urteilsvermögens in Verbindung mit den beschriebenen Vorstellungen, verfolgt zu werden, lasse sich Prozessunfähigkeit nicht ausschließen. Dies gelte umso mehr, als sich der Kläger selbst für prozessunfähig halte. Das Gutachten des Dr. B. vom 3. April 2013 sei nicht geeignet, die bestehenden Zweifel auszuräumen, da es nach Aktenlage erstellt sei. Die Zweifel würden verstärkt durch die Einschätzung des Dr. A. vom Oktober 2013 (richtig: 5. Juni 2014), wo dieser eine Suizidgefahr wegen chronischer Depressionen und Verhandlungsunfähigkeit annehme. Auch die weitere Voraussetzung, das Fehlen eines gesetzlichen Vertreters, sei gegeben.
Ebenfalls mit Beschluss vom 28. Januar 2016 hat die 2. Kammer des SG im Verfahren Az.: S 2 R 3652/05 die Geschäftsleiterin, Justizamtfrau N., als besondere Vertreterin bestellt.
Mit identischen Schreiben vom 12. Februar 2016 hat der Kläger gegen die Beschlüsse der 2. (Az.: L 6 R 247/16 B) und 15. Kammer (Az.: L 6 P 248/16 B) beim Thüringer Landessozialgericht (LSG) Beschwerde erhoben. Er sei prozessunfähig und ein Pflegefall. Ein besonderer Vertreter müsse seine Interessen vertreten. Aufgrund seiner Erfahrungen müsse er die vom SG als besondere Vertreterin bestellte Mitarbeiterin des SG ablehnen. Die Finanzierung des angefragten Rechtsanwaltes St. als besonderer Vertreter sei gesichert.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 28. Januar 2016 abzuändern und Rechtsanwalt Th. St., , als besonderen Vertreter nach § 72 SGG zu bestellen.
Die Beklagte hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.
Mit Beschluss vom 20. April 2016 (Az.: L 6 P 416/16 AB) hat der Senat das Gesuch des Klägers vom 31. März 2016, Richter am Landessozialgericht Sch. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, als unbegründet abgelehnt und mit Beschluss vom 29. April 2016 (Az.: L 6 R 247/16 B) den Beschluss der 2. Kammer des SG vom 28. Januar 2016 (Az.: S 2 R 3652/05) aufgehoben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der vorliegenden Beschwerdeakte sowie der Beschwerdeakte Az.: L 6 R 247/16 B und der beigezogenen Ge-richtsakten des SG Altenburg (Az.: S 2 RA 3652/05, S 15 P 3085/13) Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.
II.
Die nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 172 SGG zulässig, unabhängig davon, ob er prozessfähig ist oder nicht. Für ein Rechtsmittel, mit dem ein Kläger eine Entscheidung angreift, in dem es um die Frage seiner Prozessfähigkeit geht, ist er als prozessfähig zu behandeln (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. Februar 2012 - Az.: L 5 AS 276/10 B ER m.w.N., nach juris). Dies muss auch dann gelten, wenn der Kläger - wie hier - nur die Bestellung der Person des besonderen Vertreters angreift.
Da es sich bei der Prozessfähigkeit um eine zwingende Sachurteilsvoraussetzung handelt, hat der Senat den Beschluss vom 28. Januar 2016 von Amts wegen insgesamt und nicht nur hinsichtlich der Frage zu überprüfen, ob eine Bestellung der Justizamtfrau N. als besondere Vertreterin ermessensfehlerfrei möglich war.
Hier liegen die Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 SGG nicht vor. Danach ist für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren ein besonderer Vertreter zu bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Die im Gesetz genannten Gründe sind abschließend (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 72 Rdnr. 1a). Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl. § 71 SGG), also u.a. eine Person, die nicht geschäftsfähig i.S.d. § 104 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist, weil sie sich nach § 104 Nr. 2 BGB in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. Dezember 2013 - Az.: B 8 SO 24/12 R, nach juris). Bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit, hat das mit der Sache befasste Gericht dies von Amts wegen zu ermitteln. Abzustellen ist allein darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich erscheint oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, weil diese aufgrund einer krankhaften Störung der Willenstätigkeit entfallen ist (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 5. Dezember 1995 - Az.: XI ZR 70/95, Rn. 11, nach juris). Es kommt entscheidend darauf an, ob der Betreffende in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 9. September 2004 - Az.: III B 165/03, Rn. 4, nach juris), was nicht mehr der Fall ist, wenn die Willensbetätigung nicht auf rationalen Erwägungen beruht, sondern unkontrollierbaren Trieben oder Vorstellungen unterworfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1970 - Az.: IV ZR 83/69, Rn. 11, nach juris). Die Entscheidung bedarf einer vorherigen persönlichen Anhörung (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 1993 - Az.: 9/9a RVG 5/92, nach juris). Verbleiben nach Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisquellen hinreichende Anhaltspunkte für die Prozessunfähigkeit, gehen noch vorhandene Zweifel zulasten des betroffenen Beteiligten; ihn trifft also grundsätzlich das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Prozessfähigkeit im Sinne einer objektiven Beweislast (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 71 Rdnr. 8 b).
In seinem Beschluss vom 29. April 2016 (Az.: L 6 R 247/16 B) hat der erkennende Senat wie folgt ausgeführt: "Eine Prozessunfähigkeit des Klägers in diesem Sinne ist aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht ersichtlich. Hierfür liegen entgegen der Ansicht der Vorinstanz auch keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Sie kommt nicht bereits deshalb in Betracht, weil das Amtsgericht Jena (Az.: 3 XVII 676/04) keine Betreuerbestellung (§ 1896 BGB) vorgenommen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 3. Juli 2003 - Az.: B 7 AL 216/02). Die dort beauftragte Dr. G. hat in ihrem Gutachten vom 25. September 2010 nach Aufsuchen des Klägers in häuslicher Umgebung festgestellt, dass dieser sich als wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert und bemüht zur Gesprächsführung sowie zur Zusammenhangsbetrachtung erwies. Auch wenn unzweifelhaft Defizite in einer Vielzahl psychischer aber auch kognitiver Parameter wie u.a. bei der vom Kläger selbst geschilderten Einschränkung der Merkfähigkeit und der Dauer seiner mentalen Aufnahmefähigkeit fortbestehen, war er durchaus in der Lage, sich alternative Hilfsmöglichkeiten zu erschließen, z.B. in der Form der Beauftragung von Rechtsanwälten und der Erteilung einer Vollmacht an seine Tochter. Angesichts dieser Umstände ist nachvollziehbar, dass sie die Bestellung nicht als empfehlenswert angesehen hat.
Für eine Prozessunfähigkeit liefern auch die Gutachten des MDK keine hinreichenden An-haltspunkte. Die Ausführungen im Beschluss der Vorinstanz hierzu sind insoweit nicht nach-vollziehbar. Nach dem Gutachten vom 15. August 2011 war die verbale Kommunikation mit dem Kläger möglich. Er konnte seine Begutachtungssituation vollständig einordnen und adäquat antworten. Er war bewusstseinsklar, in allen Bereichen orientiert, (aber) wenig am Ta-gesgeschehen interessiert. Festgestellt wurden eine depressive Stimmungslage und eine Ein-schränkung der Merk- und Konzentrationsfähigkeit. Nach dem Gutachten vom 12. April 2012 war der Kläger während der Begutachtung zur Zeit, zum Ort, zur Situation und zur Person orientiert. Es bestand eine depressive und dysphorische Stimmungslage. Der Kläger gab an, er fühle sich ungerecht behandelt, betrogen, verleumdet und verfolgt. Einschränkungen wurden im Kurzzeitgedächtnis und bei der Konzentration festgestellt. Die Ausführungen des Dr. B. in seinem Gutachten vom 3. April 2013 liefern ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit.
Die eigene Behauptung des Klägers, er sei prozessunfähig, entbehrt einer erforderlichen me-dizinischen Grundlage und erscheint auch unter Berücksichtigung seiner sonstigen schriftsätz-lichen Äußerungen und des Entzuges des Mandates seiner Prozessbevollmächtigten vor dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. April 2015 - taktisch motiviert. Er hat sich im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens durchaus in der Lage gesehen, sogar mehrmals Prozessbevollmächtigte zu bestellen. Es ist nicht ersichtlich, dass dies wegen ungenügender Wahrnehmung seiner Interessen erfolgte. Das Kurzgutachten des Dipl.-Med. L. vom 26. August 2004 ist zeitlich ebenso wenig aktuell wie die Bescheinigung der Dipl.-Med.-Sch. vom 1. Juli 2009 und das "Gutachten" des Internisten und Rheumatologen Dr. A. vom 6. Juli 2009. Soweit Letzterer in seiner Bescheinigung vom 5. Juni 2014 aufgrund eines "psychosomatischen Schmerzsyndroms" Verhandlungs- und Prozessunfähigkeit bescheinigt, überzeugt dies nicht. Es ist nicht ersichtlich, woher er die Fachkenntnisse für diese fachfremde Beurteilung hat. Im Übrigen ist die unbestimmte Diagnose eines "Schmerzsyndroms" nicht im Ansatz geeignet, eine Prozessunfähigkeit begründen. Sie sagt nichts zum Umfang der behaupteten Einschränkung aus. Auch die Stellung der Diagnose "chronisch reaktive Depression" entspricht nicht der Qualifikation des Dr. A. und sagt nichts zur Prozessfähigkeit. Wäre sie richtig, hätte sich zudem die Überweisung an einen Facharzt aufgedrängt." Der Senat hält an dieser Ansicht fest. Zur Vollständigkeit weist er darauf hin, dass das BSG mehrfach, zuletzt im Beschluss vom 24. März 2016 (Az.: B 6 KA 3/16 B), die Prozessunfähigkeit des Klägers verneint hat.
Angesichts dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, dass die Bestellung der Geschäftsleiterin des SG als besondere Vertreterin angesichts der offenkundigen Probleme des Klägers mit der Sozialgerichtsbarkeit nicht sinnvoll und ermessensfehlerhaft war.
Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da es sich nur um eine Zwischenentscheidung handelt.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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