L 6 KR 1033/16 B ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 5 KR 1798/16 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1033/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 19. Juli 2016 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Der Antragsteller verfolgt auch im Beschwerdeverfahren sein erstinstanzliches Begehren, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm 2.500.000,00 Euro Schadenersatz "auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches" zu zahlen.

Der 1947 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert und ließ sich in der Vergangenheit wegen der bei ihm vorliegenden Erkrankungen in der Schweiz behandeln. Er beabsichtigt, auch die weiteren Behandlungen in der Schweiz durchführen zu lassen, da er der Auffassung ist, dass er die letzten zehn Jahre und auch jetzt nicht die Be-handlung bekomme, die in Anbetracht seines Gesundheitszustandes nötig gewesen wäre bzw. sei. Die jährlichen Krankheitskosten würden nach seinen Angaben ca. 200.000 Euro, die Le-benshaltungskosten ca. 100.000 Euro, die Mietkosten ca. 40.000 Euro und die Pflegekosten ca. 80.000 Euro, insgesamt also 420.000 Euro betragen. Auf 18 Jahre hochgerechnet ergebe sich ein Betrag in Höhe von 7.500.000 Euro, wovon die Antragsgegnerin ein Drittel zu tragen habe.

Das SG hat den Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 19. Juli 2016 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, für die in der Vergangenheit entstandenen Kosten, soweit diese durch den Antragsteller auch begehrt würden, fehle es an einem Anordnungsgrund. Es handele sich hier um eine Geldleistung für die Vergangenheit vor Antragstellung im Eilverfahren, für die ein Anordnungsgrund außer bei einem Nachholbedarf in der Regel nicht in Betracht kommt. Ein solcher Nachholbedarf sei hier nicht ersichtlich. Die Behandlungen seien durchgeführt worden, für eventuell noch ausstehenden Kosten könne der Antragsteller auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Soweit der Antragsteller Zahlungen für die Zukunft begehre, sei ein Anordnungsgrund ebenfalls nicht ersichtlich. Es sei nicht ersichtlich, welche notwendige Behandlung dem Antragsteller vorenthalten werde, so dass eine Gefährdung seiner Gesundheit drohe. Die unspezifische und in der Höhe nicht im Ansatz nachvollziehbare Aufzählung von Kostenpositionen genüge nicht, um eine Eilbedürftigkeit glaubhaft zu machen.

Gegen den am 22. Juli 2016 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 19. August 2016 Beschwerde eingelegt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass das Verfahren im Zusammenhang mit dem Verfahren L 6 KR 973/16 B ER sowie seinen einstweiligen Rechts-schutzverfahren im Schwerbehindertenrecht gesehen werden müsse. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, "Naturalrestitution" zu leisten für die mitverursachte Verweigerung lebenserhaltender Behandlungen als Sozialleistungen. In Deutschland bekomme er seit 10 Jahren nicht die Behandlung, die in Anbetracht seines Gesundheitszustandes nötig sei. Da die Antragsgegnerin die 2015 erfolgte "Zwangsverlegung" aus der Schweiz nach Deutschland zu vertreten habe, müsse sie nach dem "Verursacherprinzip" auch für alle Kosten aufkommen. Sein Leben sei bedroht.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 19. Juli 2016 aufzuheben und die An-tragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig, längstens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft einer Hauptsacheentscheidung, Schadensersatz in Höhe von 2.500.000,00 Euro zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses und teilt mit, dass kein Verwaltungsvorgang existiere, da der Antragsteller bislang bei ihr keinen Antrag auf Zahlung von 2.500.000,00 Euro gestellt habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch un-begründet. Das SG hat im angefochtenen Beschluss zu Recht entschieden, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung hat.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, sog. Regelungsanordnung). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (Satz 4).

Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsa-chenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86b Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Ein Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn es für den Antragsteller unzumutbar erscheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden.

Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht.

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verweist der Senat hierzu in entsprechender An-wendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Be-schlusses des SG, denen er sich anschließt.

Im Hinblick auf die Beschwerdebegründung sowie die Mitteilung der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller noch gar keinen entsprechenden Antrag bei ihr gestellt habe, weist der Senat zum einen ergänzend darauf hin, dass hier bereits ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für die von ihm begehrte einstweilige Anordnung in Frage steht, da er bislang bei der Antragsgegnerin keinen entsprechenden (Zahlungs-)Antrag gestellt hat. Da er mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lediglich "Schadensersatz" begehrt, dessen besondere Eiligkeit ohnehin regelmäßig, und so auch mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Falle des Antragstellers ausscheidet, kann auf die vorherige Antragstellung bei der Behörde auch nicht ausnahmsweise verzichtet werden. Zum anderen dürfte, worauf mittelbar selbst der Antragsteller hinweist, wenn er mit der Beschwerdebegründung sein paralleles Beschwerdeverfahren L 6 KR 973/16 B ER in Bezug nimmt, eine doppelte Rechtshängigkeit zumindest hinsichtlich der mit dem in Bezug genommenen Beschwerdeverfahrens begehrten Behandlungskosten in Höhe von 38,836,91 Euro gegeben sein, so dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit als unzulässig abgelehnt werden müsste.

Letztlich ist dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland auch ein "Ver-ursacherprinzip" fremd, so dass ungeachtet der Frage, worin der Schaden des Antragstellers überhaupt liegt und wodurch die Antragsgegnerin zur angeblichen Schadensentstehung beige-tragen habe soll, ein Schadensersatzanspruch auch aus diesem Grunde ausscheidet.

Weitere Ausführungen erübrigen sich angesichts der eindeutigen Rechtslage. Obwohl der Senat das Beharren des Antragstellers auf seinem offensichtlich aussichtlosen Begehren nur schwer nachvollziehen kann, sieht er hier von der Auferlegung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG ab.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved