L 6 SF 1578/15 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 22 SF 5354/14 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1578/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 17. November 2015 wird zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Gotha (Az.: S 22 AS 4667/13).

Mit der im September 2013 erhobenen Klage hatten die von der Beschwerdeführerin vertretenen Kläger zu 1. bis 4. höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. August 2013 bis 31. Januar 2014 begehrt. Die für den Leistungszeitraum bewilligten Grundsicherungsleistungen entsprächen zwar hinsichtlich der Höhe des bewilligten Regelsatzes der aktuell gültigen Rechtslage, jedoch sei auch der neue Regelsatz verfassungswidrig. Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2014 hat die Beschwerdeführerin erklärt, der Klägerin zu 1. sei nach § 21 Abs. 3 SGB II weiterhin ein Mehrbedarf in Höhe von 36 v.H. zu gewähren. Die Kürzung des Mehrbedarfs auf 24 v.H. sei zu Unrecht erfolgt. Mit Verfügung vom 9. April 2014 hat die Kammervorsitzende die Beteiligten u.a. darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 14. Januar 2014 Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Mit Beschluss im Erörterungstermin am 15. April 2014, bewilligte das SG der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 3. Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete Rechtsanwaltin W. bei. In dem Termin erkannte die Beklagte die Klageforderung teilweise an. Die Erstattungsforderung gegen den Kläger zu 3. werde zurückgenommen. Die Erstattungsforderung gegen die Klägerin zu 1. werde für die Monate September bis November 2013 auf monatlich 27,52 EUR, insgesamt 82,56 EUR reduziert. Die Beschwerdeführerin nahm das Teilanerkenntnis an und erklärte den Rechts-streit im Übrigen für erledigt.

Unter dem 24. April 2014 beantragte die Beschwerdeführerin die Festsetzung folgender Gebühren für das Klageverfahren:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 i.V.m. 1008 VV-RVG 390,00 EUR Anrechnung Geschäftsgebühr nach § 15a nach Nr. 2503 Abs. 2 166,00 EUR VV-RVG Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 504,00 EUR Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG 300,00 EUR Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR Zwischensumme 1.048,00 EUR USt 199,12 EUR Summe 1.247,12 EUR Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 20. Oktober 2014 die der Beschwerdeführerin im Rahmen der PKH zustehende Vergütung auf 833,00 EUR (Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 80,00 EUR (=2/3 der Mittelgebühr unter Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV-RVG), Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 60,00 EUR, Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG 200,00 EUR, Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG 340,00, Auslagenpauschale 20,00 EUR). Hiergegen hat die Beschwerdeführerin Erinnerung eingelegt mit der Begründung, die Berechnung der UdG sei nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr sei die Mittelgebühr in Höhe von 300,00 EUR abzurechnen. Mit der Festsetzung des Terminsgebühr auf 340,00 EUR werde Einverständnis erklärt. Insgesamt seien 1.063,86 EUR festzusetzen. Der Beschwerdegegner hat ebenfalls Erinnerung eingelegt mit der Begründung, bei der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV-RVG handele es sich um einen Erhöhungsfaktor und nicht um eine zusätzliche eigenständige Gebühr, die erhöhte Geschäftsgebühr sei zur Hälfte auf die erhöhte Verfahrensgebühr anzurechnen, maximal mit einem Betrag von 175,00 EUR. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG sei in Höhe des festgesetzten Betrages von 200,00 EUR angemessen. Diese sei nach Nr. 1008 VV RVG um 30 v.H. für einen weiteren Auftraggeber zu erhöhen, was einen Gesamtbetrag von 260,00 EUR ergebe. Auf diesen sei die hälftige erhöhte Geschäftsgebühr in Höhe von 156,00 EUR anzurechnen, was einen Differenzbetrag von 104,00 EUR ergebe. Es ergebe sich ein Gesamtvergütungsanspruch von 790,16 EUR.

Mit Beschluss vom 17. November 2015 hat das SG auf die Erinnerung des Beschwerdegegners die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 790,16 EUR festgesetzt (Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG 260,00 EUR, Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 Abs. 2 VV-RVG - 156,00 EUR, Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG 340,00 EUR, Er-ledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV-RVG 200,00 EUR, Post- und Telekommunikations-pauschale nach Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR) und die Erinnerung der Beschwerdeführerin zu-rückgewiesen. Eine höhere Festsetzung der Verfahrensgebühr als 2/3 der Mittelgebühr sei nicht geboten. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei unterdurchschnittlich, die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ebenfalls leicht unterdurchschnittlich gewesen, der tatsächliche Lebenssachverhalt habe den üblichen Konstellationen entsprochen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeber seien unterdurchschnittlich gewesen, was sich schon daraus ergebe, dass sie Grundsicherungsleistungen erhielten. Diese würden vorliegend durch die Bedeutung der Angelegenheit für die Auftraggeber kompensiert. Die Verfahrensgebühr werde nach Nr. 1008 VV-RVG um 0,3 für den weiteren Auftraggeber erhöht, mithin auf 260,00 EUR. Auf die erhöhte Verfahrensgebühr sei die Hälfte der erhöhten Geschäftsgebühr für das durchgeführte Vorverfahren anzurechnen. Die Beteiligten seien sich darüber einig, dass es sich hierbei um einen Betrag in Höhe von 156,00 EUR handle.

Gegen den am 30. November 2015 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 10. Dezember 2015 Beschwerde eingelegt und die Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstat-tenden Vergütung auf 1.063,86 EUR beantragt. Die Verfahrensgebühr sei in Höhe von 300,00 EUR gerechtfertigt. Es sei eine fünfseitige Klageschrift gefertigt worden, weiterhin sei eine verfahrens- und einzelfallbezogene Stellungnahme aufgesetzt worden. Ebenso sei die Einigungsgebühr antragsgemäß festzusetzen.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 17. November 2015 aufzuheben und die von der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 1.063,86 festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses des SG. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 12. Januar 2016) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts i.V.m. dem Geschäftsverteilungsplan des 6. Senats die Berichterstatterin des Senats.

Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung ab 1. August 2013 (n.F.), denn Auftragserteilung und Beiordnung sind nach diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG). Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG statthaft und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 EUR. Die Beschwerdeführerin hat die Zwei-Wochen-Frist des §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG gewahrt.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die festgesetzte Vergütung ist jedenfalls zu Gunsten der Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hatte der Klägerin zu 1. und dem Kläger zu 3. mit Beschluss vom 15. April 2014 PKH gewährt und sie waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B m.w.N.). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss 14. Februar 2011 - Az.: L 6 SF 1376/10 B, nach juris); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Der Senat hat keine Bedenken gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr. Den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hat die Vorinstanz zu Recht als unterdurchschnittlich angesehen. Zu berücksichtigen ist der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv verwenden musste. Der durchschnittliche Umfang orientiert sich am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung am Ablauf eines Verfahrens. Insoweit wird in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG zuwächst auf die Ausführungen der Vorinstanz Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt. Soweit die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren ausführt, es sei eine einzelfallbezogene Stellungnahme aufgesetzt worden, ist hierzu auszuführen, dass der neben der Klageschrift angefertigte weitere Schriftsatz vom 17. Februar 2014 lediglich aus drei Zeilen besteht. Auch wenn es nicht alleine auf die Länge der Schriftsätze ankommt, wurde mit diesem Schriftsatz lediglich zu einer rechtlich und tatsächlich einfachen Problematik Stellung genommen. Zu dem Hinweis der Vorsitzenden vom 9. April 2014 hat sich die Beschwerdeführerin schriftlich ebenso wenig geäußert wie zu dem Bescheid vom 14. Januar 2014. Ein weiterer konkreter Vortrag der Beschwerdeführerin, der einen höheren Aufwand begründen könnte, liegt nicht vor. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, d.h. die Intensität der Arbeit war ausgehend von einem objektiven Maßstab leicht unterdurchschnittlich. Der Senat verweist auch insoweit zur Begründung auf die zutreffenden Gründe II des erstinstanzlichen Beschlusses vom 17. November 2015. Bezüglich der Bedeutung der Angelegenheit des Verfahrens für die Klägerin zu 1. und den Kläger zu 3. ist abzustellen auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit. Eine besondere Bedeutung ergibt sich nicht daraus, dass im Hauptsacheverfahren um Ansprüche nach dem SGB II gestritten wurde, denn wesentlich ist die Höhe der geltend gemachten Ansprüche. Soweit nach Hinweis der Vorsitzenden vom 9. April 2014 der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Januar 2014 Gegenstand des Verfahrens geworden ist, wonach die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 3. einen Betrag in Höhe von insgesamt 811,50 EUR zurückzahlen sollten, ist die Angelegenheit für die Klägerin zu 1. und den Kläger zu 3. als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II insgesamt als überdurchschnittlich anzusehen. Die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger wird durch die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich. Damit errechnet sich die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3102 i.V.m. 1008 VV-RVG 260,00 EUR Anrechnung Geschäftsgebühr nach § 15a nach Nr. 2503 Abs. 2 - 156,00 EUR VV-RVG Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 340,00 EUR Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV-RVG 200,00 EUR Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR Zwischensumme 664,00 EUR USt 126,16 EUR Summe 790,16 EUR

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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