L 6 KR 1238/12 NZB

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 4257/09
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1238/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Juni 2012 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 642,52 Euro festgesetzt. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob die Beklagte der Klägerin für die vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten der Beklagten E. R. vom 14. bis zum 17. März 2008 642,52 EUR zu zahlen hat

Mit Rechnung vom 1. April 2008 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der Kosten der vollstationären Behandlung des Versicherten in Höhe von insgesamt 2.320,16 EUR auf der Grundlage der Fallpauschale G-DRG F39A (Unterbindung und Stripping von Venen mit beidseitigem Eingriff oder Ulzeration oder äußerst schweren oder schweren CC) nach dem Fallpauschalen-Katalog 2008. Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag zunächst, verrechnete aber am 17. Juli 2008 einen Betrag in Höhe von 642,52 EUR mit anderen Forderungen der Klägerin. Zur Begründung führte sie aus, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung ihres Versicherten nur bis zum 15. März 2008 medizinisch erforderlich gewesen sei

Die Klägerin hat am 24. November 2009 Zahlungsklage beim Sozialgericht Altenburg (SG) erhoben und zur Begründung die Auffassung geäußert, die Beklagte sei verpflichtet, auch die weiteren Kosten für die vollstationäre Krankenhausbehandlung ihres Versicherten in Höhe von insgesamt noch 642,52 EUR an sie zu zahlen, da diese aus medizinischen Gründen bis zum 17. März 2008 erforderlich gewesen sei. Dem ist die Beklagte entgegengetreten.

Das SG hat im Rahmen der medizinischen Sachaufklärung zur Frage der medizinischen Er-forderlichkeit und Dauer einer voll stationären Krankenhausbehandlung des Versicherten ein gefäßchirurgisches Sachverständigengutachten bei Dr. med. Sch. in Auftrag gegeben. Dieser hat in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 13. Juli 2011 ausgeführt, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten aus medizinischen Gründen vom 14. März 2008 bis 17. März 2008 erforderlich gewesen sei.

Die Beklagte hat unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Thüringen e.V. (MDK) vom 6. Oktober 2011 Einwände gegen das Sachverständigengutachten erhoben. Mit ergänzender Stellungnahme vom 16. April 2012 hat der gerichtliche Sachverständige seine im Gutachten getroffenen Aussagen bekräftigt.

Im Einverständnis der Beteiligten hat das SG die Beklagte mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2012 verurteilt, an die Klägerin 642,52 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 über dem Basiszinssatz der E. Z. ab dem 18. Juli 2008 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe der Anspruch auf die Vergütung in voller Höhe von 2.320,16 EUR für die vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten vom 14. März 2008 bis zum 17. März 2008 zu, da nach dem gefäßchirurgischen Gutachten nach Aktenlage des Dr. med. Sch. die medizinischen Voraussetzungen für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung vom 14. März 2008 bis zum 17. März 2008 aufgrund des beim Versicherten vorliegenden Krankheitsbildes vorgelegen hätten. Der Sachverständige habe sich dabei mit den vorliegenden medizinischen Befunden auseinandergesetzt und diese hinsichtlich der Notwendigkeit und Dauer der vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten im Einzelnen gewürdigt. Ihm hätten alle medizinischen Unterlagen vorgelegen und er sei insbesondere auf die Besonderheiten bei der Behandlung des Versicherten eingegangen. Auch die Einwände der Beklagten und des MDK könnten die Kammer nicht davon zu überzeugen, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten aus medizinischen Gründen nicht bis zum 17. März 2008 sondern nur bis zum 15. März 2008 erforderlich gewesen sei. Der Sachverständige habe sich in seiner ausführlichen ergänzenden Stellungnahme mit den Einwänden der Beklagten und des MDK auseinandergesetzt und diese Einwände für die Kammer nachvollziehbar und in sich schlüssig widerlegt. Im Ergebnis habe er sich mit dem vorliegenden medizinischen Sachverhalt umfänglich sowie sachlich auseinandergesetzt und dann in seinem ausführlichen schriftlichen gefäßchirurgischen Gutachten nach Aktenlage sowie seiner ausführlichen ergänzenden Stellungnahme nach der Ansicht der Kammer auf medizinischer Grundlage seine medizinische Einschätzung der Erforderlichkeit und Dauer der voll stationären Krankenhausbehandlung beim Versicherten ausführlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig erläutert.

Gegen das ihr am 21. Juni 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. Juli 2012, einem Montag, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, dass ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrens-mangel vorliege, auf dem die Entscheidung des SG beruhen könne. Das SG habe keine hin-reichende Beweiswürdigung vorgenommen, da es bei seiner Bewertung das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend berücksichtigt habe. Es habe sich - wie die Entscheidungsgründe deutlich machten - nicht mit den von ihr vorgetragenen Argumenten und Einwänden gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen und der ausführlich begründeten Auffassung des MDK inhaltlich auseinandergesetzt, sondern sich mit lediglich allgemein gehaltenen Formulierungen dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen angeschlossen. Zwar stelle ein Fehler in der Beweiswürdigung in der Regel keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Dies gelte aber dann nicht, wenn die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten seien, weil das Gericht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze, Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend berücksichtigt habe. Das Gesamtergebnis des Verfahrens sei u.a. dann nicht ausreichend berücksichtigt, wenn das Tatsachengericht einem Sachverständigen folge, ohne sich mit den Gegengründen eines anderen Gutachtens auseinander zu setzen oder wenn das Gericht ein Gutachten ganz oder teilweise nicht in die Beweiswürdigung einbeziehe. Die Verpflichtung, das Gesamtergebnis des Verfahrens zu würdigen, werde verletzt, wenn das Gericht nicht sämtliche ärztlichen Äußerungen würdige, die in das Verfahren eingeführt worden seien. Die unzureichende Verwertung von Beweismitteln stelle einen Verfahrensfehler dar. Das SG habe ihre Argumentation und die des MDK nicht gewürdigt und damit das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend berücksichtigt. Es habe sich mit ihrer Argumentation und den Gutachten des MDK inhaltlich nicht auseinander gesetzt. Das Gericht sei verpflichtet, sämtliche Sachverständigengutachten, und zwar sowohl gerichtliche Gutachten als auch Privatgutachten, zu würdigen, d.h. sie kritisch nachzuvollziehen und zu überprüfen. Insbesondere müsse es sich mit den dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen entgegenstehenden Ergebnissen anderer Gutachter und den Einwänden gegen das gerichtliche Gutachten eingehend auseinander setzen. Die Entscheidungsgründe müssten über die Abwägung Aufschluss geben. Dabei müsse das Gericht auch deutlich machen, warum es den Einwendungen gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen nicht folge. Dieser Verpflichtung sei das SG vorliegend nicht nachgekommen. Es habe vielmehr lediglich mit allgemein gehaltenen Formulierungen ausgeführt, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige die medizinische Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung bis zum 17. März 2008 begründet habe. Zu ihrem umfassenden Vorbringen insbesondere im Gutachten des MDK und in ihren Schriftsätzen habe es lediglich ausgeführt, ihre Einwände und die des MDK hätten die Kammer nicht davon überzeugt, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten aus medizinischen Gründen nicht bis zum 17. März 2008 erforderlich gewesen sei. Eine inhaltliche Auseinandersetzung werde durch mehrere Wiederholungen der allgemein gehaltenen Formulierungen ersetzt. Damit habe das SG nur eine allgemein gehaltene Begründung formuliert, sich aber gerade nicht inhaltlich mit ihrem Vorbringen und ihren Einwendungen und den medizinischen Ausführungen des MDK auseinander gesetzt. Welche Gründe für die richterliche Überzeugungsbildung maßgebend gewesen seien und aus welchen Gründen es dem medizinischen Sachverstand des MDK nicht gefolgt sei, ließen die knappen Ausführungen im Urteil nicht erkennen. Eine Abwägung der Argumente des MDK und der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen auf sachlicher Basis sei nicht erfolgt. Auch seien die Widersprüche im Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen und in seiner ergänzenden Stellungnahme, auf die sie eingegangen sei, nicht angesprochen und gewertet worden.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Juni 2012 zuzulassen. Die Klägerin stellt keinen Antrag und hält die Beschwerde für verfristet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist zulässig. Insbesondere hat sie die Beschwerde gegen das ihr am 21. Juni 2012 zugestellte Urteil am Montag, dem 23. Juli 2012, und damit gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) innerhalb der Monatsfrist des § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG eingelegt.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist jedoch unbegründet, denn der einzig von ihr geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensfehlers des SG nach §§ 145 Abs. 2, 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt nicht vor.

Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Dieser kann u.a. dann vorliegen, wenn die Entscheidung der Vorinstanz auf Mängeln in der Beweiswürdigung, etwa bei vorweggenommener Beweiswürdigung oder unzureichender Auswertung von Beweismitteln, beruht oder aber nicht mit Gründen versehen ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 144, Rdnr. 34).

Entgegen der mit der Beschwerde geäußerten Auffassung der Beklagten hat das SG die vor-liegenden Beweise hinreichend ausgewertet und gewürdigt. Es hat dies in den Entscheidungs-gründen, wenn auch in sehr knapper Form, jedoch noch ausreichend klar dargestellt. So hat sich das SG in seinem Urteil ausweislich der Entscheidungsgründe auf das von Amts wegen eingeholte Sachverständigengutachten gestützt und die dortigen Erwägungen und Schlussfolgerungen als überzeugend seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Einwände der Beklagten sowie des MDK hat das SG berücksichtigt, indem es den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in dessen ergänzender Stellungnahme, in der dieser sich mit den genannten Einwänden auseinandergesetzt hat, den Vorzug gegeben hat Die Inbezugnahme der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen und dessen Begründung des von ihm vertretenen Ergebnisses genügt noch dem Erfordernis der Beweiswürdigung und der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten der Beklagten.

Dass das SG dies in seinem Urteil mit formelhaften Wendungen und Wiederholungen dargestellt hat, führt nicht dazu, dass das Urteil als im Sinne von § 202 SGG i.V.m. § 547 Nr. 6 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht mit Gründen versehen zu bezeichnen wäre. Die Inbezugnahme der Ausführungen des Sachverständigen zeigt noch hinreichend klar, welche Gründe für die richterliche Überzeugungsbildung maßgebend gewesen sind und aus welchen Gründen das SG dem medizinischen Sachverstand des MDK nicht gefolgt ist.

Letztlich rügt die Beklagte das Ergebnis der Beweiswürdigung und damit die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Die Frage der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung ist jedoch im Berufungszulassungsverfahren ohne Belang.

Die übrigen Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung sowie der Divergenz nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG hat die Beklagte ausdrücklich nicht geltend gemacht und sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in entsprechender Anwendung. § 197a SGG ist anzuwenden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Dies ist vorliegend der Fall, da weder der Kläger noch die Beklagte zu den Versicherten, Leistungsempfängern oder sonstigen in § 183 SGG genannten Personengruppen gehören. Danach waren die Kosten des Verfahrens für die ohne Erfolg eingelegte Beschwerde nach § 154 Abs. 2 VwGO zwingend dem Kläger aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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