L 6 R 1450/16

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 42 R 3534/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 1450/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 7. November 2016 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der 1980 geborene Kläger war zuletzt vom 1. Dezember 2009 bis 28. Februar 2011 als Ma-schinen- und Anlagenführer tätig. Er bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialge-setzbuch (SGB II).

Im April 2015 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und führte zur Begründung aus, er sei vergiftet worden und habe Magen- und Darmprobleme. Er habe kein Vertrauen mehr zu Ärzten und anderen fremden Personen. Die Beklagte zog einen Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. E. vom 16. Februar 2015 (Diagnosen: rezidivierende Bauchschmerzen, dyspeptische Beschwerden, Meteorismus u.ä. bei bisher nicht nachgewiesenen Unverträglichkeiten, Mangelernährung, Verdacht auf soziale Anpassungsstörung, chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom) bei. Nach Angaben des Klägers habe er im Jahr 2010 eine Vergiftung durch Dritte erlitten. Gastroenterologische Untersuchungen hätten bisher zu keiner eindeutigen Diagnose geführt. Eine psychiatrische Behandlung lehne der Kläger ab. Er behandle sich bezüglich seiner Ernährung selbst, Medikamente würden nicht eingenommen. Bei einer Größe von 178 cm wiege er 60 kg. Er sei zurzeit nicht arbeitsunfähig und sei dies auch nicht den letzten zwei Jahren gewesen. Dr. E. legte u.a. zwei Berichte der Klinikum M. GmbH (Koloskopie-Bericht, Gastroskopie-Bericht) jeweils vom 5. Dezember 2012 bei. Des Weiteren zog die Beklagte eine Gesamtauskunft Leistungen der Südwest vom 4. Februar 2015 bei und lehnte mit Bescheid vom 9. Juni 2015 den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. August 2015).

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, aufgrund seines Gesundheitszustandes sei er verpflichtet, bestimmte Arbeitsbedingungen zu fordern, um eines Tages eventuell wieder "vollständig" zu genesen. Das Jobcenter könne seine Forderung nicht erfüllen, da das kom-plexe Zusammenspiel von möglichen Gegebenheiten so nirgends erreicht werden könne, um überhaupt gesund werden zu können. Außerdem sei Dr. E. nicht genügend über seinen Ge-sundheitszustand informiert. In der vom Gericht angeforderten Schweigepflichtentbindungs-erklärung hat er verschiedene Ärzte benannt und u.a. ausgeführt, er untersage die Verwendung von mündlichen Überlieferungen. Der Verwertung der Unterlagen in diesem Verfahren stimme er zu, sofern er jegliche Information in gleicher Form erhalte. Aus ermittlungstaktischen Gründen stünden mehrere Ärzte nicht auf dieser Liste. Gerade durch diese sei ihm so geschadet worden, dass er nun Ärzten gegenüber misstrauisch und gerade durch eine Verkettung von mysteriösen Erlebnissen so krank geworden sei, dass er nur unter bestimmten Bedingungen leben und arbeiten könne, die seiner Genesung zuträglich seien. Des Weiteren hat er ausgeführt: " die Verwendung jeglicher Arzt-Infos (A.I.) die für mich negativ sein könnten/sind nur mit schriftlicher Anfrage und Erklärung mit mir, nur unter Genehmigung verwendet werden dürfen. Das Sozialgericht Gotha (S.G.) verpflichtet sich mit Annahme dieses Schreibens jeder in diesem Schreiben genannten Bedingung". Auf Anforderung des Gerichts, eine uneingeschränkte Schweigepflichtentbindungserklärung zu erteilen, hat er mitgeteilt, er habe eine solche erteilt. Alles Weitere seien lediglich persönliche Datenschutzbedingungen, um Missbräuche in diesem Verfahren zu vermeiden. Eine uneingeschränkte Nutzung der Inhalte sei nicht datenschutzkonform. Das Amtsgericht Bad Salzungen hat am 30. August 2011 mitgeteilt, dass nun der Berufsbetreuer Sch.-W. für den Kläger bestellt worden sei. Dieser hat gegenüber dem Sozialgericht erklärt, er werde die Vertretung in diesem Verfahren nicht über-nehmen.

Mit Gerichtsbescheid vom 7. November 2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Be-gründung auf die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2015 Bezug genommen. Weitergehende Ermittlungen zum Gesundheitszustand und zur Erwerbsfähigkeit des Klägers seien nicht möglich, weil er trotz der erfolgten Erläuterungen und Hinweise, die von ihm erklärten Einschränkungen für die Einholung von Auskünften bei seinen behandelnden Ärzten nicht zurückgenommen und insbesondere die Verwendung von für ihn "negativen" Auskünften von seiner Zustimmung abhängig gemacht habe. Da er eine Rente wegen Erwerbsminderung begehre, habe er die negativen Folgen der Nichterweislichkeit von Tatsachen zu tragen.

Im Berufungsverfahren hält der Kläger an seiner Ansicht fest, er könne aus gesundheitlichen Gründen nicht wie gewünscht arbeiten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 7. November 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Mai 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung. Mit der Berufung seien keine neuen Beweismittel beigebracht sowie keine neuen Sachverhalte vorgetragen worden.

Mit Verfügung vom 1. März 2017 hat die Berichterstatterin den Kläger aufgefordert, die be-handelnden Ärzte zu benennen und sie von ihrer ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden. Dieser hat daraufhin mitgeteilt, er warte noch auf zukünftige Behandlungen, befinde sich der-zeit nicht in Behandlung und könne daher auch keine Ärzte benennen. Mit Verfügung vom 13. März 2017 hat ihn die Berichterstatterin um Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklärung bis zum 30. April 2017 ersucht. Daraufhin hat der Kläger vorgetragen, er könne sich in ein Krankenhaus erst nach Prüfung der Krankenkasse begeben. Er bitte um mindestens drei Monate Fristverlängerung. Die Berichterstatterin hat dem Kläger letztmalig unter dem 3. Mai 2017 eine Frist bis zum 20. Mai 2017 zur Einreichung einer Schweigepflichtentbindungserklärung gesetzt. Eine solche hat der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente sind nicht nachweisbar.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn die Versicherten voll erwerbsgemindert sind und die versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Voll erwerbsgemindert sind sie, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Es steht nicht im Sinne des Vollbeweises, d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken ist. Hierfür trägt dieser die Darlegungs- und objektive Beweislast. Ausreichende Anhaltspunkte sind den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Der Kläger hat lediglich im Verwaltungsverfahren seine damals behandelnde Ärztin Dr. E. von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Aus dem Befundbericht vom 16. Februar 2015 ergibt sich nicht, dass sein Restleistungsvermögen i.S.d. § 43 Abs. II SGB V unter sechs Stunden täglich gesunken ist. Dr. E. bescheinigte schon keine Arbeitsunfähigkeit. Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Kläger zwar Ärzte benannt, diese aber nicht uneingeschränkt von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden.

Im Berufungsverfahren war - mangels Mitwirkung des Klägers - keine weitere medizinische Sachaufklärung und Leistungseinschätzung geboten. Der Kläger ist seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 103 Satz 1 SGG) nicht nachgekommen. Zwar erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG), wobei die Beteiligten mit heranzuziehen sind (§ 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG). Sie müssen jedoch ihrer Mitwirkungslast genügen, sonst können sie Nachteile treffen. Das Gericht kann den Kläger nicht zwingen, seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Verweigert er dies aber wie im vorliegenden Fall, so hat er die prozessrechtlichen Folgen seines Verhaltens zu tragen. Hierauf ist der Kläger ausdrücklich mit Verfügung vom 1. März 2017 hingewiesen worden. Die Mitwirkungspflichten sind durch die gerichtliche Aufforderung zur Entbindung von der Schweigepflicht nicht überspannt worden. Nach den auch im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwendenden Grundsätzen besteht eine Mitwirkungspflicht des Versicherten nur dann nicht, wenn ihm ihre Erfüllung aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Entsprechende Umstände sind hier nicht im Ansatz ersichtlich.

Der Senat hat auch keinen Anlass, unabhängig vom Vorliegen ärztlicher Befundberichte ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Hierfür bietet der allein vorliegende Befundbericht der Dr. E. keinen Anlass. Die Behauptung des Klägers, er könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht erwerbstätig sein, reicht dafür keinesfalls aus. Für seine Behauptung, er sei im Jahr 2010 vergiftet worden, liegen keine Anhaltspunkte vor. Im Übrigen ergibt sich daraus auch kein Umfang der Leistungseinschränkung. Die im erstinstanzlichen Verfahren benannten Ärzte hat der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Die Untersuchungen des Magen- und Darmtrakts in der Klinikum M. GmbH im Dezember 2012 ergaben keine pathologischen Befunde. Einen Laktose-H2-Atemtest hat er dort verweigert. Der Vortrag des Klägers mit Schriftsatz vom 10. März 2017, er befinde sich zurzeit nicht in ärztlicher Behandlung und möchte sich erst künftig in Behandlung begeben, begründet eine medizinische Begutachtung gerade nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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