L 1 SF 788/17 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 13 SF 1607/14 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 788/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. Dezember 2016 aufgehoben. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG), mit dem zu seinen Lasten der Tenor des Beschlusses vom 20. Mai 2016 geändert wurde.

Mit Beschluss vom 12. September 2011 hatte das SG das Klageverfahren der Beschwerdeführer S 26 AS 2502/11 (gegen den Widerspruchsbescheid W 5359/10) und weitere Verfahren unter dem führenden Aktenzeichen S 26 AS 4932/10 verbunden. Diese Klage nahmen die Beschwerdeführer am 31. Mai 2013 zurück.

Am 23. August 2013 beantragten sie die Festsetzung der Gebühren für die Widerspruchsver-fahren W 5359/10 und W 5361/10 in Höhe von jeweils 737,80 Euro, u.a. jeweils eine Ge-schäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG in Höhe von 240,00 Euro und eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV-RVG in Höhe von 360,00 Euro, insgesamt 1.475,60 Euro. Mit Kostenfest-setzungsbeschluss vom 16. April 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) die nach § 197 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 3 des Rechtsanwaltsvergü-tungsgesetzes (RVG) vom Beschwerdeführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegner für das Klageverfahren S 26 AS 2502/11 auf 523,60 Euro (Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV-RVG 80,00 Euro, Gebührenerhöhung Nr. 1800 VV-RVG 120,00 Euro, Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG 41,80 Euro, Summe 261,80 Euro x 2) fest. Angemessen erscheine unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG der Ansatz von jeweils 1/3 der Geschäftsgebühr.

Mit Erinnerung vom 23. Mai 2014 (S 13 SF 1607/14 E) hat sich der Beschwerdeführer gegen die Kostenfestsetzung gewandt und vorgetragen, das SG sei für die Kostenfestsetzung nicht zuständig, weil durch Klagerücknahme kein gerichtliches Verfahren mehr anhängig sei. Mit Erinnerung vom 5. Juni 2014 (S 13 SF 1606/14 E) haben sich die Beschwerdegegner ebenfalls gegen die Kostenfestsetzung mit dem Antrag gewandt, die Geschäftsgebühr für die Wi-derspruchsverfahren W 5359/10 und W 5361/10 jeweils nach Nr. 2400 VV-RVG jeweils in Höhe von 240,00 Euro festzusetzen.

Mit Beschluss vom 20. Mai 2016 hat das SG die Erinnerungen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen S 13 SF 1607/14 miteinander verbunden. Mit Beschluss vom gleichen Tage hat es wie folgt entschieden: "1. Auf die Erinnerung der Kläger vom 05. Juni 2014 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. April 2014 abgeändert: Die den Klägern von dem Beklagten in dem Verfahren S 26 AS 2502/11 zu erstattenden Kosten werden auf 737,80 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 23. August 2013 festgesetzt. Bereits gezahlte Beträge sind anzurechnen. 2. Die Erinnerung des Beklagten vom 23. Mai 2014 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. April 2014 wird zurückgewiesen." Unter Gründe I werden die vom Beschwerdegegner im Einzelnen geltend gemachten Gebühren auf 737,80 Euro summiert und der Antrag der Beschwerdegegner mit: " jeweils eine Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV-RVG in Höhe von 42,00 EUR festzusetzen" angegeben. Unter Gründe II hat das SG ausgeführt, die Erinnerung der Beschwerdegegner sei begründet; die zulässige Erinnerung des Beschwerdeführers unbegründet. Die Kostenfestsetzung der UdG sei abzuändern, eine Minderung der beantragten Kosten sei nicht zulässig gewesen. Der Beschwerdeführer habe im Kostenfestsetzungsverfahren lediglich im Wege eines standardisierten Schriftsatzes pauschal vorgetragen, gegen die geltend gemachten Gebühren bestünden Bedenken und die angemessenen Rechtsanwaltsgebühren seien um 20 v.H. überschritten. Eine konkrete Bezifferung der angemessenen Gebührenhöhe bezogen auf den Einzelfall sei nicht erfolgt. Die Kosten seien daher wie "von den Klägern am 23. August 2013 beantragt" in Höhe von insgesamt 737,80 Euro festzusetzen.

Unter dem 12. August 2016 haben die Beschwerdegegner die Berichtigung des Beschlusses vom 20. Mai 2016 wegen offensichtlicher Unrichtigkeit beantragt. Richtig müsse der Tenor wie folgt lauten: " Die den Klägern von dem Beklagten in dem Verfahren S 26 AS 2002/11 zu erstattenden Kosten werden auf 1.475,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 23. August 2013 festgesetzt. Bereits gezahlte Beträge sind anzurechnen". Dem ist der Beschwerdeführer entgegengetreten und hat vorgetragen, es handle sich nicht um einen offensichtlichen Schreibfehler im Sinne des § 138 SGG. Der Antrag der Beschwerdegegner sei vielmehr auf eine Abänderung der Sachentscheidung gerichtet, die aber wegen fehlender Anfechtbarkeit der Entscheidung nicht vorzunehmen sei.

Mit Beschluss vom 23. Dezember 2016 hat das SG seinen Beschluss vom 20. Mai 2016 da-hingehend berichtigt, dass Ziffer 1 des Beschlusstenors nunmehr laute: "Auf die Erinnerung der Kläger vom 05. Juni 2014 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. April 2014 abgeändert: Die den Klägern von dem Beklagten in den Verfahren S 26 AS 2502/11 zu erstattenden Kosten werden auf 1.475,60 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 23. August 2013 festgesetzt. Bereits gezahlte Beträge sind anzurechnen." Zur Begründung hat das SG ausgeführt, im Beschluss vom 20. Mai 2016 sei fehlerhaft nur der Betrag für ein Vorverfahren (= 737,80 Euro) angegeben und dementsprechend tenoriert worden. Es liege deshalb ein mathematischer Fehler bei der Bildung der Gesamt-summe vor. Aus der Sachverhaltsdarstellung ergebe sich aber, dass die Summe beider Vorverfahren mit 737,80 Euro (offenkundig) fehlerhaft ermittelt wurde. Die Summe müsse richtig auf 1.475,60 Euro lauten. Ferner heiße es in den Entscheidungsgründen, dass die Kosten "von dem Kläger wie beantragt" festzusetzen seien.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 23. Januar 2017 Beschwerde eingelegt. Er hält an der Ansicht fest, dass die Berichtigung des Beschlusses nach § 138 SGG hier nicht möglich sei. Tenor und Sachverhaltsdarstellung stimmten überein. Ein mit dem Sachverhalt nicht näher vertrauter Dritter müsse gerade davon ausgehen, dass die Festsetzung im Tenor genauso erfolgen sollte. Zudem bildeten die beiden Widerspruchsverfahren vergütungsrechtlich eine Angelegenheit, weil die Klage sich gegen parallele Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen gegenüber den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft gerichtet habe. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG könne der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 28. Februar 2017) und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht nach § 197 Abs. 2 SGG ausgeschlossen, weil sie sich nicht gegen die Kostenfestsetzung im Beschluss vom 20. Mai 2016 an sich richtet, sondern gegen die Rechtmäßigkeit des Berichtigungsbeschlusses vom 23. Dezember 2016 (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017 § 138 Rdnr. 5).

Die Beschwerde ist auch begründet. Die Änderung des Tenors des Beschlusses vom 20. Mai 2016 kann nicht auf § 138 SGG gestützt werden. Nach § 138 SGG, der nach § 142 Abs. 1 SGG für Beschlüsse entsprechend gilt, sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit von Amts wegen zu berichtigen. Bei der Unrichtigkeit darf es sich nicht um einen Fehler in der Willensbildung des Gerichts handeln, z.B. aufgrund unrichtiger Tatsachenbewertung oder aufgrund Rechtsirrtums, denn die Berichtigung ist kein Mittel zur Änderung einer nachträglich als unrichtig erkannten Entscheidung. Berichtigungsfähig sind vielmehr ausschließlich die einem "mechanischen Versehen" gleich zu erachtenden Erklärungsmängel bzw. Fehler im Ausdruck des Willens, die zu dem Erklärungswillen erkennbar in Widerspruch stehen. Zum anderen muss die Unrichtigkeit "offenbar" sein. Der Fehler im Ausdruck des Gewollten muss als solcher auch einem verständigen Außenstehenden klar erkennbar sein. Bereits Zweifel dahingehend, dass die Unrichtigkeit möglicherweise auf einer unrichtigen Tatsachenbewertung, einem Rechtsirrtum oder einem Denkfehler beruht, schließen die Möglichkeit einer Berichtigung aus (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. Oktober 1987 - 1 RA 57/85, Rn. 15, m.w.N., Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 27. Februar 1970 - III B 3/69, Rn. 6, nach juris).

Hier handelt es sich bei der begehrten Berichtigung tatsächlich um die Berichtigung eines Denkfehlers, was die Berichtigung ausschließt. Aus den Gründen II ergibt sich gerade kein offenbarer Widerspruch zu Ziffer 1 im Tenor des Beschlusses vom 20. Mai 2016. Dort werden die beantragten Kosten nämlich ebenfalls ausdrücklich mit 737,80 Euro beziffert. Dass sich diese Summe aus den einzeln genannten Gebühren nicht errechnet, ist für die Frage, ob ein Fehler in der Willensbildung oder der Artikulation vorliegt, nicht entscheidend. Auch aus dem ausdrücklich aufgenommenen (inhaltlich aber fehlerhaft übernommenen) Antrag der Beschwerdeführer ergibt sich nicht, dass das SG im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung tatsächlich davon ausgegangen ist, über einen Antrag der Beschwerdegegner auf Festsetzung von Kosten in Höhe von 1.475,60 Euro zu entscheiden und diesen Willen nur unrichtig artikuliert hat. Tatsächlich erklärt das SG im letzten Absatz ausdrücklich, dass die Kosten "wie von den Klägern am 23. August 2013 beantragt", in Höhe von insgesamt 737,80 Euro festzusetzen sind. Weitere Ausführungen zur konkreten Höhe der festzusetzenden Kosten finden sich dort nicht, sodass sich dem Beschluss nicht entnehmen lässt, dass das SG tatsächlich gewillt war, Kosten in Höhe von 1.475,60 Euro festzusetzen und diesen Willen nur unrichtig artikuliert hat. Dass die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen und der Erinnerung der Beschwerdegegner entsprochen wurde, bietet unter Berücksichtigung des Vorgenannten ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass das SG gerade über den Kostenfestsetzungsantrag der Beschwerdegegner in Höhe von 1.475,60 Euro entschieden hat. Insoweit ist die Unrichtigkeit für einen verständigen Außenstehenden nicht klar erkennbar.

Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass sich im vorliegenden Fall beide Erinnerungen gegen denselben Beschluss gerichtet hatten, damit ein einheitliches Verfahren vorlag und eine Verbindung ausschied (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 113 Rdnr. 2).

Die Entscheidung ist nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved