L 1 SF 624/16 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 13 SF 1424/14 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 624/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Rechtsansicht, dass pauschale Mindestgebührensätze ohne Begründung und deren Erhöhung automatisch nach der Anzahl der betroffenen Bescheide festzusetzen sind, widerspricht der eindeutigen gesetzlichen Regelung, wonach die Bestimmung der Gebühr im Einzelfall nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu erfolgen hat.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. April 2016 (S 13 SF 1424/14 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdegegners für das Verfahren S 30 AS 4709/11 auf 343,79 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung für das beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesene Verfahren S 30 AS 4709/11 in dem der Beschwerdegegner den Kläger vertrat.

Gegenstand der am 17. Juni 2011 erhobenen Klage waren die Verletzung des Rechts auf Gewährung von Akteneinsicht durch die Beklagte und die Aufhebung des Sanktionsbescheides vom 17. Februar 2011 (Absenkung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai 2011 auf die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung wegen Nichtteilnahme an einer Maßnahme und Aufhebung des Bescheids vom 10. Februar 2011) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2011. Zur Begründung führte der Beschwerdegegner aus, die Absenkungsentscheidung sei weder dem Grunde, noch der Höhe nach vollständig nachvollziehbar. Die von dem Kläger geforderte Maßnahme sei nicht geeignet, nach deren Abbruch Grundsicherungsleistungen abzusenken. Es sei insbesondere nicht konkret und hinreichend bestimmt nachvollziehbar, wofür die Maßnahme geeignet sein sollte bzw. wie durch sie die Eingliederung des Klägers in den allgemeinen Arbeitsmarkt konkret verbessert werden sollte. Er sei zudem nicht ordnungsgemäß über die entsprechenden Rechtsfolgen bei einem eventuellen Abbruch der Maßnahme belehrt worden. Darüber hinaus habe die Beklagte keinerlei Ermessensprüfung vorgenommen, inwieweit hier eine Reduzierung des Sanktionszeitraumes auf sechs Wochen in Betracht kommen könnte. Insbesondere sei die Ablehnung der beantragten Akteneinsicht rechtswidrig. Beigefügt war der an N. G. gerichtete Bewilligungsbescheid (Änderung zum Bescheid vom 19. November 2010) vom 10. Februar 2011, mit dem u.a. dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 bewilligt worden waren. Mit Schriftsatz vom 30. November 2011 machte der Beschwerdegegner nach Gewährung der Akteneinsicht nochmals Ausführungen zur Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht. Es habe sich nunmehr bestätigt, dass offensichtlich tatsächlich keine Ermessensprüfung stattgefunden habe. In dem Erörterungstermin vom 29. Januar 2013, der von 15:00 Uhr bis 15:28 Uhr dauerte, bewilligte das SG dem Kläger unter Beiordnung des Beschwerdegegners Prozesskostenhilfe (PKH) ab dem 24. Januar 2013 ohne Kostenbeteiligung. Der Beschwerdegegner erklärte die Klage in der Hauptsache für erledigt. Das SG verpflichtete die Beklagte mit Beschluss vom 5. März 2013 zur Tragung von 1/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Am 27. Juni 2013 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebühren aus der Staatskasse:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 221,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV RVG 190,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 Euro Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG 64,60 Euro Fahrkosten und Abwesenheitsgeld Vorb. Nr. 7 VV-RVG 5,57 Euro Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 701,17 Euro USt Nr. 7008 VV RVG 133,22 Euro

Summe 834,39 Euro

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 17. März 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) den auszuzahlenden Betrag auf 262,43 Euro (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 85,00 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 100,00 Euro, Kopiekosten Nr. 7000 VV RVG 10,00 Euro, Auslagen/Pauschale Nr. 7008 VV RVG 20,00 Euro, Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG und Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 5,57 Euro, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG: 39,62 Euro) fest. Zur Begründung führte sie aus, das Klageverfahren sei für den Kläger von durchschnittlicher Bedeutung gewesen, die anwaltliche Tätigkeit sei dagegen im Hinblick auf Umfang, Schwierigkeit und Haftungsrisiko als weit unterdurchschnittlich anzusehen. Unter Berücksichtigung der Kriterien zu § 14 RVG werde die halbe Mittelgebühr als angemessen erachtet. Eine Erledigungsgebühr sei nicht entstanden, die Terminsgebühr werde unter Berücksichtigung der kurzen Dauer des Termins in Höhe der halben Mittelgebühr festgesetzt. Die Dokumentenpauschale werde für angenommene 20 erforderliche Kopien auf 10,00 EUR festgesetzt.

Hiergegen hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, die Terminsgebühr auf 200,00 Euro festzusetzen. Eine volle Terminsgebühr entstehe bereits, wenn der Anwalt einen Termin wahrnehme bzw. auftrete und Verhandlungsbereitschaft anzeige. Eine Erledigungsgebühr sei entstanden, weil er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt habe. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr werde zumindest eine Gebühr in Höhe von 102,00 Euro geltend gemacht. Aufgrund der bisherigen Rechtsprechung der 26. Kammer des SG Nordhausen sei bei zumindest rechtswahrend erhobenen Klagen von einer Gebühr in Höhe von 60 v.H. der Mittelgebühr auszugehen. Zudem habe das SG Nordhausen darauf hingewiesen, dass die Schriftsätze hierfür keinen "ungewöhnlichen Umfang" erkennen lassen müssen, gefordert sei lediglich der Durchschnitt. Auch bezüglich des Rationalisierungseffektes könne keine Gebührenreduzierung erfolgen. Nach dem Beschluss des SG Nordhausen vom 26. Januar 2014 (S 31 AS 914/13) liege es in der Natur der Sache, dass immer wieder gleiche/ähnliche Sachverhalte eingeklagt werden. Somit ergebe sich letztendlich eine Arbeitsweise mit Textbausteinen und formularmäßigen Schriften, welche nur durch die Eigenheiten des Einzelfalles ergänzt werden müssten. Dies sei rationell und allein aus diesem Grund könnte die Mittelgebühr nicht herabgesetzt werden. Hinsichtlich der Terminsgebühr dürfte allerdings eine Kürzung der Mittelgebühr von einem Drittel zulässig sein. Soweit eine Dokumentenpauschale lediglich in Höhe von 10,00 Euro berücksichtigt wurde, könne dies nicht nachvollzogen werden. Die Kopien der übersandten Verwaltungsakte seien mittels Scanner gefertigt worden. Nach Nr. 7000 VV RVG sei die Herstellungsart gleichgültig.

Mit Beschluss vom 3. Februar 2016 hat die UdG die Bewilligung von PKH aufgehoben, weil der Kläger keine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) abgegeben hat.

Mit Beschluss vom 29. April 2016 hat das SG die zu erstattende Vergütung auf 473,70 Euro (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 127,50 Euro, Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 150,00 Euro, Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 95,00 EUR, Fahrt- und Abwesenheitsgeld Nr. 7002 VV-RVG 5,57 Euro, Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 75,63 Euro) festgesetzt. Die Verfahrensgebühr sei in Höhe von ¾ der Mittelgebühr (127,50 Euro) angemessen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren sei vorliegend deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Der Beschwerdegegner habe zu einem erheblichen Teil vorformulierte Textbausteine verwandt, welche er gerichtsbekannt in einer Vielzahl von Verfahren gebrauche. Dies verringere jedenfalls den Gesamtaufwand ganz erheblich und sei aufgrund der mit ihrer Verwendung verbundenen erheblichen Synergieeffekte bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen (Thüringer Landessozialgericht, Beschlüsse vom 21. Dezember 2015 - L 6 SF 1225/15 B und 21. Januar 2013 - L 6 SF 1578/12 B, nach juris). Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit habe im gerichtlichen Verfahren ebenfalls deutlich unter dem Durchschnitt gelegen. Der Vortrag des Beschwerdegegners habe zu einem erheblichen Teil aus allgemeinen rechtlichen und pauschal gehaltenen Ausführungen bestanden. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in sozialrechtlichen Verfahren resultiere aber vornehmlich gerade erst aus der konkreten Bezifferung der Leistungshöhe und den einzelnen dazu anzustellenden Ermittlungen und Berechnungen bezogen auf den konkreten Einzelfall. Bei der Terminsgebühr sei eine Gebühr in Höhe von ¾ der Mittelgebühr (150,00 Euro) angemessen. Eine Erledigungsgebühr sei entstanden. Diese sei in Höhe von ½ der Mittelgebühr (95,00 Euro) angemessen. Mit der Abgabe einer Erledigungserklärung sehe der Kläger von der Rechtsverfolgung weitergehender Ansprüche ab, worin die Mitwirkung an der Erledigung des Rechtsstreits zu erblicken sei. Die Voraussetzungen für die Erstattung der beantragten Dokumentenpauschale Nr. 7000 Abs. 1 Buchst. a VV RVG lägen nicht vor. Eine Berücksichtigung von bloßen Scans scheide aus.

Gegen den am 11. Mai 2016 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 12. Mai 2016 Beschwerde eingelegt. Eine Verfahrens- und Terminsgebühr in Höhe von ¾ der jeweiligen Mittelgebühr Nr. 3103 VV RVG bzw. Nr. 3106 VV RVG sei nicht von der Begründung im angefochtenen Beschluss gedeckt. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit habe das SG zutreffend als deutlich unterdurchschnittlich bewertet. Die Bedeutung der Angelegenheit sei nicht bestimmt worden. Mangels Bezifferung des Klageantrags könne sie nicht als durchschnittlich bewertet werden. Angemessen sei eine Verfahrensgebühr in Höhe von 50 v.H. der Mittelgebühr (85,00 Euro). Auch hinsichtlich der Terminsgebühr sei eine Gebühr in Höhe von 50 v.H. der Mittelgebühr (110,00 Euro) angemessen. Zutreffend habe das SG die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im angefochtenen Beschluss bei der Wahrnehmung des Termins mit erheblich unterdurchschnittlich bewertet. Nicht geteilt werde die Auffassung, dass eine Terminsdauer von 28 Minuten ein durchschnittlicher Aufwand sei. Eine Erledigungsgebühr sei nicht entstanden. Die im Termin abgegebene Erledigungserklärung sei als Klagerücknahme zu werten, die keine Erledigungsgebühr entstehen lasse. Es bestünde dann noch ein Vergütungsanspruch in Höhe von 262,48 Euro. Der Beschwerdegegner ist dem entgegengetreten. Durch den angefochtenen Sanktionsbescheid seien die dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 10. Februar 2011 bewilligten Leistungen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt worden. Hinsichtlich der Terminsgebühr sei bei einer Verhandlungsdauer von 30 Minuten nach Entscheidungen des Thüringer Landessozialgerichts von einer zumindest durchschnittlichen Angelegenheit auszugehen. Hier habe die Verhandlung 28 Minuten gedauert. Eine Erledigungsgebühr sei entstanden. Diese sei grundsätzlich in Anlehnung an die Verfahrensgebühr festzusetzen.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 12. Mai 2016) und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach der aktuellen Geschäftsverteilung des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit der Geschäftsverteilung des 1. Senats die Berichterstatterin des Senats.

Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung bis 31. Juli 2013 (a.F.), denn die Beiordnung des Beschwerdeführers ist vor diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 S 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Rechtsprechung des 6. Senats des Thüringer Landessozialgerichts, vgl. u.a. Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 Euro.

Die Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet. Dem Beschwerdegegner steht eine Vergütung in Höhe von 343,79 Euro zu.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Der Kläger war kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).

Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von PKH durch Beschluss vom 3. Februar 2016 beseitigt den bis zur Aufhebung bereits erwachsenen Vergütungsanspruch des Beschwerdegegners nicht (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Auflage 2017, § 48 Rn. 103).

Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B m.w.N., nach juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B, nach juris); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Dem Beschwerdegegner steht die Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3103 VV RVG in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr (= 113,33 Euro) zu. Die vom Beschwerdegegner geltend gemachte Vergütung in Höhe von 221,00 Euro übersteigt den Toleranzrahmen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. August 2011 - L 6 SF 872/11 B, nach juris) deutlich unterdurchschnittlich. Der durchschnittliche Umfang orientiert sich am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung am Ablauf eines Verfahrens (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 13. August 2015 - L 6 SF 515/15 B, nach juris), jeweils bezogen auf das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld. Zu berücksichtigen ist der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieb und objektiv verwenden musste (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a.a.O., Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. März 2011 - L 6 SF 1418/10 B, nach juris). Mit zwei Schriftsätzen lag er auch unter Berücksichtigung der allgemeinen notwendigen sonstigen außergerichtlichen Aktivitäten unter dem Durchschnitt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Begründung der Klage bezüglich der Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht dem Senat zum Teil aus anderen Verfahren bekannt ist. Der daraus resultierende Synergieeffekt ist zu berücksichtigen und mindert den Aufwand im Verfahren erheblich (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Juni 2013 - L 6 SF 654/13 B m.w.N., nach juris). Bezüglich der geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheides enthalten die Ausführungen des Beschwerdegegners gleichfalls weitgehend formelhafte Wendungen. Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war unterdurchschnittlich. Eine Subsumtion des tatsächlichen Geschehens unter rechtliche Regelungen ist nur hinsichtlich der dem Senat aus anderen Verfahren bekannten gängigen Rechtsproblematik (Akteneinsicht) erfolgt. Zu bedeutenden Rechtsproblemen, Gutachten oder medizinischen Unterlagen hatte der Beschwerdegegner nicht Stellung zu nehmen. Bezüglich der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger ist auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a.a.O.). Eine Bezifferung des geltend gemachten Anspruchs erfolgte nicht, lässt sich allerdings dem der Klageschrift beigefügten Bescheid vom 10. Februar 2011 entnehmen. Danach wurden dem Kläger in dem streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts z.B. für die Monate April und Mai 2011 in Höhe von jeweils 209,45 Euro bewilligt, die durch den angefochtenen Bescheid aufgehoben wurden. Insofern ergibt sich eine überdurchschnittliche Bedeutung des Rechtsstreits für den Kläger, wodurch seine unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse kompensiert werden. Ein besonderes Haftungsrisiko des Beschwerdegegners ist nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar.

Im Hinblick auf den Vortrag des Beschwerdegegners wird nochmals ausgeführt, dass der Senat der zitierten Rechtsansicht des SG Nordhausen, dass pauschale Mindestgebührensätze ohne Begründung und deren Erhöhung automatisch nach der Anzahl der betroffenen Bescheide festzusetzen sind, nicht folgt. Diese Rechtsprechung widerspricht der eindeutigen gesetzlichen Regelung, wonach die Bestimmung der Gebühr im Einzelfall nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu erfolgen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Februar 2018 - L 1 SF 196/16 B m.w.N., nach juris).

Hinsichtlich der Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV-RVG verweist der Senat in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Gründe II im erstinstanzlichen Beschluss. Die Dauer des Termins war mit 28 Minuten nur leicht unterdurchschnittlich.

Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1002 VV RVG kann der Beschwerdegegner nicht beanspruchen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 1002, 1006 VV RVG entsteht die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

Die anwaltliche Mitwirkung nach Nr. 1002 VV RVG setzt regelmäßig eine qualifizierte besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 24. November 2010 - L 6 SF 653/10 B, nach juris), denn Ziel der Erledigungsgebühr ist es, die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtanwalts zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken (BT-Drucks. 15/1971 S. 204). Sie liegt weder bei einer bloßen Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs vor, noch bei einer vollständigen Abhilfe der Behörde ohne besondere anwaltliche Aktivität (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 23/06; BAG, Beschluss vom 29. März 2006 - 3 AZB 69/05, beide nach juris). Der Beschwerdegegner hat den Rechtsstreit am 29. Januar 2013 für erledigt erklärt. Unter Berücksichtigung der amtlichen Anmerkung zu Nr. 1002 VV-RVG und der genannten Grundsätze ist die Erklärung des Beschwerdegegners als Klagerücknahme nach § 102 Abs. 1 SGG auszulegen. Eine Aufhebung bzw. Änderung des Bescheides vom 17. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2011 ist nicht erfolgt. Die Beklagte hat in der Rechtssache auch keinen bisher abgelehnten Verwaltungsakt erlassen, durch den sich die Rechtssache ganz oder teilweise erledigt hat.

Zusätzlich zu vergüten sind die Pauschale Nr. 7002 VV-RVG, die Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV-RVG, das Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV-RVG und die Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG). Sie sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Damit errechnet sich die Vergütung des Beschwerdegegners wie folgt: Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 113,33 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 150,00 Euro Auslagen Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld Nr. 7003, 7005 VV-RVG 5,57 Euro Zwischensumme 288,90 Euro Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 54,89 Euro Gesamtsumme 343,79 Euro

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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