Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 26 U 185/99
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 16/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 16/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Januar 2001 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1999 wird aufgehoben. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin als Erbin ihres Ehemannes zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung für ein veräußertes Unternehmen verpflichtet ist.
Der verstorbene Ehemann der Klägerin war mit seinem Unternehmen "Dr. Ing. H. M., Bauausführungen" Mitglied der Beklagten. Mit Verrechnungstag vom 1. August 1992 veräußerte er dieses an den Bauunternehmer M1 R ... Der Unternehmerwechsel wurde am 25. September 1992 angezeigt. Für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Juli 1992 erklärte der Veräußerer mit Jahreslohnnachweis vom 15. März 1993 eine Lohnsumme von insgesamt 813.428 DM, davon 100.432 DM zur Tarifstelle 0928 (kaufmännisches Personal) und 712.995 DM zur Tarifstelle 0101 (gewerbliches Personal). Der Übernehmer erklärte mit am 24. März 1993 bei der Beklagten eingegangenem Jahreslohnnachweis eine Lohnsumme von insgesamt 118.053 DM, davon 39.987 DM zur Tarifstelle 0928 und von 78.066 DM zur Tarifstelle 0101 für den Zeitraum 1. August bis 31. Dezember 1992. Mit Bescheid vom 8. Juli 1993 setzte die Beklagte auf der Grundlage dieser Meldung den Beitrag 1992 für das veräußerte Unternehmen auf 4.156,07 DM fest.
Nachdem das zuständige Ordnungsamt im Rahmen eines dort laufenden Gewerbeuntersagungsverfahrens um Mitteilung gebeten hatte, ob der Betriebsübernehmer den ihm obliegenden Beitragsverpflichtungen nachkomme und gegen diesen von der Beklagten die Vollstreckung wegen des für das Jahr 1992 festgesetzten Beitrages und wegen der Vorschüsse für das Jahr 1993 eingeleitet worden war, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 6. April 1994 die Klägerin als Erbin des Veräußerers wegen des offenen Beitrages für 1992 in Anspruch. Die Klägerin beglich diesen Betrag.
Am 23. März 1995 führte die Beklagte in den Betriebsräumen des veräußerten Unternehmens eine Lohnbuchprüfung durch. Durch Auswertung der Buchungsunterlagen für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1992 wurden die Lohnsummen mit 43.066 DM zur Tarifstelle 0928 und 554.437 DM zur Tarifstelle 0101 und die Lohnsummendifferenzen mit 3.079 DM und 476.371 DM festgestellt. Auf der Grundlage dieser Feststellungen setzte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 1995 für den übernommenen Betrieb einen Nachtragsbeitrag für das Jahr 1992 in Höhe von 22.723,40 DM fest und forderte diesen von dem Übernehmer an. Nach Vollstreckungsversuchen gegen den Übernehmer und nachdem dieser um Zahlungsaufschub wegen bestehender Liquiditätsschwierigkeiten gebeten hatte, setzte die Beklagte mit dem vorliegend angegriffenen Bescheid vom 4. Dezember 1996 den Nachtragsbeitrag 1992 auch gegenüber der Klägerin als Erbin des Veräußerers fest. Hiergegen erhob diese Widerspruch und wies zur Begründung darauf hin, dass gegen Zahlung des ersten Nachtrages für 1992 der Abschluss des sie betreffenden Beitragskontos erfolgt und ihr Generalquittung erteilt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei bei der turnusmäßigen Lohnbuchprüfung in dem Unternehmen des M1 R. am 23. März 1995 eine bisher nicht gemeldete Gesamtlohnsumme von 479.450 DM festgestellt worden. Der hierauf für das Jahr 1992 zu erhebende Beitrag in Höhe von 22.723,40 DM sei mit Bescheid vom 5. Mai 1995 festgestellt worden. Nachdem dieser Betrag trotz umfangreicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht entrichtet worden sei, habe man nach § 665 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO - erneut die Klägerin in Anspruch nehmen müssen. Die gesamtschuldnerische Haftung erstrecke sich ohne Einschränkung auf rückständige Beiträge bis zum Ablauf des Geschäftsjahres, in dem der Unternehmerwechsel angezeigt werde. Aus § 744 RVO folge, dass die Berufsgenossenschaften durch Rechnungsbeamte Geschäftsbücher oder sonstige Unterlagen einsehen könnten, um die eingereichten Lohnnachweise prüfen oder selbst aufstellen oder ergänzen zu können. Die sei geschehen und es sei auf Grund dessen der Nachtragsbeitrag festgestellt worden.
Die Klägerin hat gegen den Heranziehungsbescheid fristgerecht Klage erhoben und sich gegen die Höhe der Forderung gewandt. Diese sei aus der Niederschrift über die Lohnbuchprüfung nicht abzuleiten. Die Lohnbuchprüfung habe im Übrigen nicht zur Betriebsnummer des veräußerten Unternehmens stattgefunden. Die dort festgestellten Lohnsummen würden bestritten. Ihre Heranziehung sei schließlich ermessensfehlerhaft. Zunächst habe man mit dem Übernehmer eine Stundungsvereinbarung getroffen, um dann an seiner Stelle die Klägerin in Anspruch zu nehmen. Auch sei gar nicht ersichtlich, welche Zahlungen der Übernehmer geleistet habe und wie diese verrechnet worden seien.
Die Beklagte ist dem Vorbringen unter Hinweis auf die durchgeführte Lohnbuchprüfung entgegen getreten. Deren Ergebnis könne durch ein lediglich unsubstantiiertes Bestreiten nicht in Frage gestellt werden.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2001 abgewiesen. Es ist hierbei im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten gefolgt. Die Lohnsummedifferenz ergebe sich aus dem Lohnprüfungsbericht vom 23. März 1995. Das bloße Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen sei nicht geeignet, hieran Zweifel zu wecken. Die für den Zeitraum Januar bis Juli 1992 gemeldeten Zahlen belegten vielmehr die Richtigkeit der späteren Veranlagung. Schließlich hätte die von der Klägerin behauptete Generalquittung zu ihrer Wirksamkeit im Hinblick auf § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) der Schriftform bedurft. Es habe sich überdies nach Abgabe dieser Zusicherung die Sachlage geändert, § 34 Abs. 3 SGB X. Der Gerichtsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. Februar 2001 zugestellt worden.
Mit ihrer am 14. März 2001 eingelegten Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Es bestünden nach wie vor erhebliche Zweifel hinsichtlich der Höhe des angeforderten Beitrages. Auch sei nicht klar, wie die Zahlungen des Übernehmers verrechnet worden seien. Die Beklagte habe es überdies fehlerhaft unterlassen, die von dem Übernehmer abgegebenen Lohnnachweise auf ihre Plausibilität zu prüfen. Hätte sie dies getan, so hätte sie eine Außenprüfung sofort durchgeführt und den Erblasser hieran beteiligt. Dann wäre es auch noch problemlos möglich gewesen, die Außenstände bei dem Übernehmer einzutreiben, bzw. es wäre dem Erblasser möglich gewesen, die Beiträge bei der Beklagten nachzuzahlen und sich diese Beträge im Innenverhältnis von dem Unternehmer zurückzuholen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Januar 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Januar 2001 zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts. Der Gesetzgeber räume ihr bei der Schuldnerauswahl ein Ermessen nicht ein. Der Rechtsprechung der Obergerichte sei hierzu allerdings nur zu entnehmen, dass ein etwaiges Ermessen durch das Willkürverbot und die offenbare Unbilligkeit beschränkt sei. Auch habe die Klägerin den Nachweis für die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides zu führen. Der Bericht des Rechnungsprüfungbeamten sei ein zulässiges Beweismittel. Der Übernehmer selbst habe Zahlungen nicht geleistet.
Im Berufungsverfahren ist die Ehefrau des Übernehmers als Zeugin zu den Umständen der Lohnbuchprüfung vernommen worden. Sie hat sich an Einzelheiten nicht erinnern können, jedoch die Unterschrift auf dem Lohnbuchprüfungsprotokoll als die ihre erkannt. Sie hat ferner einen Hefter Lohnbuchhaltungsunterlagen vorgelegt, der Bestandteil der Gerichtsakten ist. Die Beklagte hat nach Einsicht in diese Unterlagen erklärt, es ergebe sich hieraus, dass die am 23. März 1995 festgestellten Bruttoentgelte mit den Lohnkonten übereinstimmten. Die Berechnungsgrundlage für den Beitragsbescheid 1992, der wiederum dem angegriffenen Haftungsbescheid zugrunde liege, entspreche den tatsächlichen Verhältnissen. Der festgestellte Betrag entspreche exakt den Gesamtentgelten aller Arbeitnehmer nach Auswertung der Lohnkonten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 8. Juni 2004 hat dieser die Beteiligten darauf hingewiesen, dass dem angefochtenen Bescheid die Ermächtigungsgrundlage fehlen könnte, weil die Regelung des § 665 Satz 2 RVO weder von ihrem Wortlaut her noch unter Anwendung der Auslegungsregeln so zu verstehen sei, dass sie die Beklagte dazu ermächtige, auch gegen einen Erben eines bisherigen Unternehmers durch Bescheid vorzugehen. Sie habe vielmehr ihre Forderung durch Leistungsklage geltend zu machen.
Die Klägerin hat dazu vorgetragen, sie folge der Rechtsauffassung des Senats. Die Mithaftung des durch öffentlich-rechtlichen Leistungsbescheid in Anspruch zu nehmenden Unternehmers knüpfe an seine zukünftige oder ehemalige Unternehmereigenschaft an. Nur aus dieser ergebe sich das öffentlich-rechtliche Subordinationsverhältnis, welches gestatte, Abgaben und Beiträge im Bescheidsweg anfordern zu können. Die Vorschrift des § 1967 BGB sei eine rein zivilrechtliche Haftungsnorm. Sie sei jedenfalls nicht so weit rechtsgestaltend, dass ein auf Grund gesetzlicher Erbfolge und/oder auf Grund eines Testaments Erbe gewordener Dritter Unternehmer im Sinne des § 665 Abs. 2 RVO und damit Adressat eines auf die Unternehmereigenschaft gestützten Verwaltungsaktes sein könne.
Die Beklagte ist dieser Auffassung entgegen getreten. Es gebe zu der Frage, ob ein Erbe per Bescheid wegen öffentlich-rechtlicher Forderungen gegen den Erblasser in Anspruch genommen werden könne, durchaus höchstrichterliche Rechtsprechung. So habe das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 3.9.1986 (9a RV 10/85) festgestellt, dass derjenige, der das Vermögen desjenigen übernimmt, der zur Rückzahlung einer zu Unrecht empfangen Sozialleistung verpflichtet war, durch Verwaltungsakt in Anspruch genommen werden muss. Dies gelte auch für den Fall, dass eine Vermögensübernahme infolge Erbschaft stattgefunden habe. Diese Rechtsauffassung habe der 9. Senat des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 15.9.1988 (9/9a RV 32/86) bestätigt. Der Erbe sei mittels eines Rückforderungsbescheides wegen zu Unrecht gewährter Leistungen an den Erblasser nach dessen Tode zur Rückzahlung zu verpflichten, weil dieser grundsätzlich in die öffentlich-rechtliche Rechtsstellung des Erblassers entsprechend den §§ 1922, 1967 BGB einrücke. Mit Urteil vom 27.3.2003 habe sich zuletzt der 8. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen dieser Rechtsauffassung angeschlossen (L 8 AL 279/02). Auch die Fachlehrerkonferenz "Beitragswesen" der gewerblichen Berufsgenossenschaften habe sich bereits im Mai 1984 mit dieser Thematik auseinander gesetzt und sei zu den gleichen Ergebnissen gelangt, wobei der Eintritt des Erben in die öffentlich-rechtliche Rechtsstellung des Erblassers auch wegen Beitragsansprüchen, die zu dessen Lebzeiten entstanden sind, zu bejahen sei. Diese Verfahrensweise werde seither von den gewerblichen Berufsgenossenschaft vertreten und umgesetzt. Die Beklagte sehe keine Veranlassung, sich vorliegend der Sichtweise des erkennenden Senates anzuschließen, weil Gründe für eine abweichende Betrachtungsweise nicht ersichtlich seien. Die Klägerin sei als Alleinerbin des Betriebsvorgängers in dessen öffentlich-rechtliche Stellung als Haftende eingetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf denjenigen der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist nach §§ 105 Abs. 2, 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, verletzt deshalb die Klägerin in ihren Rechten und ist aufzuheben (§ 131 Abs. 1 SGG). Die Beklagte war nicht berechtigt, die Klägerin durch Leistungsbescheid wegen der Beitragsforderung aus dem durch ihren verstorbenen Ehemann veräußerten Unternehmen in Anspruch zu nehmen.
Zwar unterliegt es nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens keinem Zweifel, dass die geltend gemachte Beitragsforderung gegenüber dem verstorbenen Ehemann der Klägerin nach Grund und Höhe zu Recht bestanden hat. Es hat ein Unternehmerwechsel im Sinne des hier noch anwendbaren § 665 RVO stattgefunden und der verstorbene Ehemann der Klägerin war nach § 665 Satz 2 RVO als bisheriger Unternehmer zur Zahlung des Beitrages für das Jahr 1992 als Gesamtschuldner dem Grunde nach verpflichtet. Auch die Höhe der geltend gemachten Beitragsforderung begegnet rechtlichen Bedenken insoweit nicht. Sie steht in Übereinstimmung mit dem Prüfprotokoll. Dieses wiederum ist den Vorschriften des § 744 RVO entsprechend zustande gekommen, von der Zeugin Ross, die die Buchhaltung für die übernommene Firma geführt hat, abgezeichnet worden und schließlich hat das veranlagte Unternehmen selbst keine Einwände gegen die Höhe der festgestellten Lohnsumme erhoben. Soweit die Klägerin vorträgt, es sei unklar, ob und falls ja welche Zahlungen der Übernehmer vor Erlass des streitigen Bescheides geleistet hat, so ergibt sich aus der Sachakte der Beklagten, dass Zahlungen auf die Schuld durch den Unternehmer nicht geleistet wurden.
Jedoch stellt die von der Beklagten herangezogene Vorschrift eine hinreichende Grundlage für die durch Leistungsbescheid erfolgte Inanspruchnahme der Klägerin nicht dar. Nach allgemeiner Auffassung muss sich die Ermächtigung zum Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes aus dem anzuwendenden materiellen Recht ergeben. Zwar bedarf es insoweit nicht notwendig einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers, vielmehr reicht es aus, wenn sich aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnissen ergibt, dass die Behörde berechtigt sein soll, durch Erlass eines Bescheides tätig zu werden (vgl. statt vieler Engelmann in v. Wulffen, SGB X, 4. Aufl. 2001, § 31, Rdnr. 7 m.N.).
Dem Wortlaut von § 665 Satz 2 RVO ist für eine derartige Ermächtigung aber nichts zu entnehmen. Auch § 746 Abs. 1 RVO, welcher die Beklagte ermächtigt, die Beitragsforderung gegenüber dem Unternehmer durch Leistungsbescheid geltend zu machen, und welcher sie in gleicher Weise ermächtigt, durch Leistungsbescheid gegen den bisherigen Unternehmer vorzugehen (vgl. Hess. Landessozialgericht, Urt. vom 24. Oktober 1979 – L 3 U 1044/78 – , zit. nach Juris), weil es sich insoweit um eine originäre Beitragsschuld handelt, gibt für eine gleichartige Ermächtigung gegenüber dem Erben eines bisherigen Unternehmers nichts her. Sie ist nach der Auffassung des erkennenden Senats auch nicht durch Auslegung unter Heranziehung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Gesamtrechtsnachfolge zu gewinnen. Zwar haftet nach § 1967 BGB die Klägerin für die Verbindlichkeiten des Nachlasses nach ihrem verstorbenen Ehemann. Dies berechtigt die Beklagte indessen nicht, die Erbin durch Leistungsbescheid in Anspruch zu nehmen. Denn die Vorschrift regelt allein die Beziehungen der Gläubiger zum Nachlass, und zwar auf der gleichgeordneten Ebene des Zivilrechts. Gleiches gilt nach der Auffassung des Senats auch für § 1922 BGB. Danach ist zwar das Vermögen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin als Ganzes auf diese übergegangen und der Senat verkennt nicht, dass nach allgemeiner Auffassung auch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen – soweit sie nicht höchstpersönlicher Natur sind – nach § 1922 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben übergehen. Auf den vorliegenden Fall ist dies indessen nicht übertragbar. Denn die Klägerin ist damit nicht zum bisherigen Unternehmer im Sinne von § 665 Satz 2 RVO geworden, weil der Gesetzgeber in § 1922 BGB zwar den Übergang des Vermögens im Ganzen mit allen Aktiva und Passiva, nicht jedoch gleichzeitig angeordnet hat, dass durch den Erbfall ein Unterordnungsverhältnis zum Träger der Unfallversicherung entsteht. Die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des Bundessozialgerichts erfassen den vorliegenden Fall nicht, weil dort jeweils bereits ein die Rückzahlungsverpflichtung feststellender Bescheid gegenüber dem Erblasser ergangen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin als Erbin ihres Ehemannes zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung für ein veräußertes Unternehmen verpflichtet ist.
Der verstorbene Ehemann der Klägerin war mit seinem Unternehmen "Dr. Ing. H. M., Bauausführungen" Mitglied der Beklagten. Mit Verrechnungstag vom 1. August 1992 veräußerte er dieses an den Bauunternehmer M1 R ... Der Unternehmerwechsel wurde am 25. September 1992 angezeigt. Für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Juli 1992 erklärte der Veräußerer mit Jahreslohnnachweis vom 15. März 1993 eine Lohnsumme von insgesamt 813.428 DM, davon 100.432 DM zur Tarifstelle 0928 (kaufmännisches Personal) und 712.995 DM zur Tarifstelle 0101 (gewerbliches Personal). Der Übernehmer erklärte mit am 24. März 1993 bei der Beklagten eingegangenem Jahreslohnnachweis eine Lohnsumme von insgesamt 118.053 DM, davon 39.987 DM zur Tarifstelle 0928 und von 78.066 DM zur Tarifstelle 0101 für den Zeitraum 1. August bis 31. Dezember 1992. Mit Bescheid vom 8. Juli 1993 setzte die Beklagte auf der Grundlage dieser Meldung den Beitrag 1992 für das veräußerte Unternehmen auf 4.156,07 DM fest.
Nachdem das zuständige Ordnungsamt im Rahmen eines dort laufenden Gewerbeuntersagungsverfahrens um Mitteilung gebeten hatte, ob der Betriebsübernehmer den ihm obliegenden Beitragsverpflichtungen nachkomme und gegen diesen von der Beklagten die Vollstreckung wegen des für das Jahr 1992 festgesetzten Beitrages und wegen der Vorschüsse für das Jahr 1993 eingeleitet worden war, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 6. April 1994 die Klägerin als Erbin des Veräußerers wegen des offenen Beitrages für 1992 in Anspruch. Die Klägerin beglich diesen Betrag.
Am 23. März 1995 führte die Beklagte in den Betriebsräumen des veräußerten Unternehmens eine Lohnbuchprüfung durch. Durch Auswertung der Buchungsunterlagen für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1992 wurden die Lohnsummen mit 43.066 DM zur Tarifstelle 0928 und 554.437 DM zur Tarifstelle 0101 und die Lohnsummendifferenzen mit 3.079 DM und 476.371 DM festgestellt. Auf der Grundlage dieser Feststellungen setzte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 1995 für den übernommenen Betrieb einen Nachtragsbeitrag für das Jahr 1992 in Höhe von 22.723,40 DM fest und forderte diesen von dem Übernehmer an. Nach Vollstreckungsversuchen gegen den Übernehmer und nachdem dieser um Zahlungsaufschub wegen bestehender Liquiditätsschwierigkeiten gebeten hatte, setzte die Beklagte mit dem vorliegend angegriffenen Bescheid vom 4. Dezember 1996 den Nachtragsbeitrag 1992 auch gegenüber der Klägerin als Erbin des Veräußerers fest. Hiergegen erhob diese Widerspruch und wies zur Begründung darauf hin, dass gegen Zahlung des ersten Nachtrages für 1992 der Abschluss des sie betreffenden Beitragskontos erfolgt und ihr Generalquittung erteilt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei bei der turnusmäßigen Lohnbuchprüfung in dem Unternehmen des M1 R. am 23. März 1995 eine bisher nicht gemeldete Gesamtlohnsumme von 479.450 DM festgestellt worden. Der hierauf für das Jahr 1992 zu erhebende Beitrag in Höhe von 22.723,40 DM sei mit Bescheid vom 5. Mai 1995 festgestellt worden. Nachdem dieser Betrag trotz umfangreicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht entrichtet worden sei, habe man nach § 665 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO - erneut die Klägerin in Anspruch nehmen müssen. Die gesamtschuldnerische Haftung erstrecke sich ohne Einschränkung auf rückständige Beiträge bis zum Ablauf des Geschäftsjahres, in dem der Unternehmerwechsel angezeigt werde. Aus § 744 RVO folge, dass die Berufsgenossenschaften durch Rechnungsbeamte Geschäftsbücher oder sonstige Unterlagen einsehen könnten, um die eingereichten Lohnnachweise prüfen oder selbst aufstellen oder ergänzen zu können. Die sei geschehen und es sei auf Grund dessen der Nachtragsbeitrag festgestellt worden.
Die Klägerin hat gegen den Heranziehungsbescheid fristgerecht Klage erhoben und sich gegen die Höhe der Forderung gewandt. Diese sei aus der Niederschrift über die Lohnbuchprüfung nicht abzuleiten. Die Lohnbuchprüfung habe im Übrigen nicht zur Betriebsnummer des veräußerten Unternehmens stattgefunden. Die dort festgestellten Lohnsummen würden bestritten. Ihre Heranziehung sei schließlich ermessensfehlerhaft. Zunächst habe man mit dem Übernehmer eine Stundungsvereinbarung getroffen, um dann an seiner Stelle die Klägerin in Anspruch zu nehmen. Auch sei gar nicht ersichtlich, welche Zahlungen der Übernehmer geleistet habe und wie diese verrechnet worden seien.
Die Beklagte ist dem Vorbringen unter Hinweis auf die durchgeführte Lohnbuchprüfung entgegen getreten. Deren Ergebnis könne durch ein lediglich unsubstantiiertes Bestreiten nicht in Frage gestellt werden.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2001 abgewiesen. Es ist hierbei im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten gefolgt. Die Lohnsummedifferenz ergebe sich aus dem Lohnprüfungsbericht vom 23. März 1995. Das bloße Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen sei nicht geeignet, hieran Zweifel zu wecken. Die für den Zeitraum Januar bis Juli 1992 gemeldeten Zahlen belegten vielmehr die Richtigkeit der späteren Veranlagung. Schließlich hätte die von der Klägerin behauptete Generalquittung zu ihrer Wirksamkeit im Hinblick auf § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) der Schriftform bedurft. Es habe sich überdies nach Abgabe dieser Zusicherung die Sachlage geändert, § 34 Abs. 3 SGB X. Der Gerichtsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. Februar 2001 zugestellt worden.
Mit ihrer am 14. März 2001 eingelegten Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Es bestünden nach wie vor erhebliche Zweifel hinsichtlich der Höhe des angeforderten Beitrages. Auch sei nicht klar, wie die Zahlungen des Übernehmers verrechnet worden seien. Die Beklagte habe es überdies fehlerhaft unterlassen, die von dem Übernehmer abgegebenen Lohnnachweise auf ihre Plausibilität zu prüfen. Hätte sie dies getan, so hätte sie eine Außenprüfung sofort durchgeführt und den Erblasser hieran beteiligt. Dann wäre es auch noch problemlos möglich gewesen, die Außenstände bei dem Übernehmer einzutreiben, bzw. es wäre dem Erblasser möglich gewesen, die Beiträge bei der Beklagten nachzuzahlen und sich diese Beträge im Innenverhältnis von dem Unternehmer zurückzuholen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Januar 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Januar 2001 zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts. Der Gesetzgeber räume ihr bei der Schuldnerauswahl ein Ermessen nicht ein. Der Rechtsprechung der Obergerichte sei hierzu allerdings nur zu entnehmen, dass ein etwaiges Ermessen durch das Willkürverbot und die offenbare Unbilligkeit beschränkt sei. Auch habe die Klägerin den Nachweis für die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides zu führen. Der Bericht des Rechnungsprüfungbeamten sei ein zulässiges Beweismittel. Der Übernehmer selbst habe Zahlungen nicht geleistet.
Im Berufungsverfahren ist die Ehefrau des Übernehmers als Zeugin zu den Umständen der Lohnbuchprüfung vernommen worden. Sie hat sich an Einzelheiten nicht erinnern können, jedoch die Unterschrift auf dem Lohnbuchprüfungsprotokoll als die ihre erkannt. Sie hat ferner einen Hefter Lohnbuchhaltungsunterlagen vorgelegt, der Bestandteil der Gerichtsakten ist. Die Beklagte hat nach Einsicht in diese Unterlagen erklärt, es ergebe sich hieraus, dass die am 23. März 1995 festgestellten Bruttoentgelte mit den Lohnkonten übereinstimmten. Die Berechnungsgrundlage für den Beitragsbescheid 1992, der wiederum dem angegriffenen Haftungsbescheid zugrunde liege, entspreche den tatsächlichen Verhältnissen. Der festgestellte Betrag entspreche exakt den Gesamtentgelten aller Arbeitnehmer nach Auswertung der Lohnkonten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 8. Juni 2004 hat dieser die Beteiligten darauf hingewiesen, dass dem angefochtenen Bescheid die Ermächtigungsgrundlage fehlen könnte, weil die Regelung des § 665 Satz 2 RVO weder von ihrem Wortlaut her noch unter Anwendung der Auslegungsregeln so zu verstehen sei, dass sie die Beklagte dazu ermächtige, auch gegen einen Erben eines bisherigen Unternehmers durch Bescheid vorzugehen. Sie habe vielmehr ihre Forderung durch Leistungsklage geltend zu machen.
Die Klägerin hat dazu vorgetragen, sie folge der Rechtsauffassung des Senats. Die Mithaftung des durch öffentlich-rechtlichen Leistungsbescheid in Anspruch zu nehmenden Unternehmers knüpfe an seine zukünftige oder ehemalige Unternehmereigenschaft an. Nur aus dieser ergebe sich das öffentlich-rechtliche Subordinationsverhältnis, welches gestatte, Abgaben und Beiträge im Bescheidsweg anfordern zu können. Die Vorschrift des § 1967 BGB sei eine rein zivilrechtliche Haftungsnorm. Sie sei jedenfalls nicht so weit rechtsgestaltend, dass ein auf Grund gesetzlicher Erbfolge und/oder auf Grund eines Testaments Erbe gewordener Dritter Unternehmer im Sinne des § 665 Abs. 2 RVO und damit Adressat eines auf die Unternehmereigenschaft gestützten Verwaltungsaktes sein könne.
Die Beklagte ist dieser Auffassung entgegen getreten. Es gebe zu der Frage, ob ein Erbe per Bescheid wegen öffentlich-rechtlicher Forderungen gegen den Erblasser in Anspruch genommen werden könne, durchaus höchstrichterliche Rechtsprechung. So habe das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 3.9.1986 (9a RV 10/85) festgestellt, dass derjenige, der das Vermögen desjenigen übernimmt, der zur Rückzahlung einer zu Unrecht empfangen Sozialleistung verpflichtet war, durch Verwaltungsakt in Anspruch genommen werden muss. Dies gelte auch für den Fall, dass eine Vermögensübernahme infolge Erbschaft stattgefunden habe. Diese Rechtsauffassung habe der 9. Senat des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 15.9.1988 (9/9a RV 32/86) bestätigt. Der Erbe sei mittels eines Rückforderungsbescheides wegen zu Unrecht gewährter Leistungen an den Erblasser nach dessen Tode zur Rückzahlung zu verpflichten, weil dieser grundsätzlich in die öffentlich-rechtliche Rechtsstellung des Erblassers entsprechend den §§ 1922, 1967 BGB einrücke. Mit Urteil vom 27.3.2003 habe sich zuletzt der 8. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen dieser Rechtsauffassung angeschlossen (L 8 AL 279/02). Auch die Fachlehrerkonferenz "Beitragswesen" der gewerblichen Berufsgenossenschaften habe sich bereits im Mai 1984 mit dieser Thematik auseinander gesetzt und sei zu den gleichen Ergebnissen gelangt, wobei der Eintritt des Erben in die öffentlich-rechtliche Rechtsstellung des Erblassers auch wegen Beitragsansprüchen, die zu dessen Lebzeiten entstanden sind, zu bejahen sei. Diese Verfahrensweise werde seither von den gewerblichen Berufsgenossenschaft vertreten und umgesetzt. Die Beklagte sehe keine Veranlassung, sich vorliegend der Sichtweise des erkennenden Senates anzuschließen, weil Gründe für eine abweichende Betrachtungsweise nicht ersichtlich seien. Die Klägerin sei als Alleinerbin des Betriebsvorgängers in dessen öffentlich-rechtliche Stellung als Haftende eingetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf denjenigen der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist nach §§ 105 Abs. 2, 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, verletzt deshalb die Klägerin in ihren Rechten und ist aufzuheben (§ 131 Abs. 1 SGG). Die Beklagte war nicht berechtigt, die Klägerin durch Leistungsbescheid wegen der Beitragsforderung aus dem durch ihren verstorbenen Ehemann veräußerten Unternehmen in Anspruch zu nehmen.
Zwar unterliegt es nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens keinem Zweifel, dass die geltend gemachte Beitragsforderung gegenüber dem verstorbenen Ehemann der Klägerin nach Grund und Höhe zu Recht bestanden hat. Es hat ein Unternehmerwechsel im Sinne des hier noch anwendbaren § 665 RVO stattgefunden und der verstorbene Ehemann der Klägerin war nach § 665 Satz 2 RVO als bisheriger Unternehmer zur Zahlung des Beitrages für das Jahr 1992 als Gesamtschuldner dem Grunde nach verpflichtet. Auch die Höhe der geltend gemachten Beitragsforderung begegnet rechtlichen Bedenken insoweit nicht. Sie steht in Übereinstimmung mit dem Prüfprotokoll. Dieses wiederum ist den Vorschriften des § 744 RVO entsprechend zustande gekommen, von der Zeugin Ross, die die Buchhaltung für die übernommene Firma geführt hat, abgezeichnet worden und schließlich hat das veranlagte Unternehmen selbst keine Einwände gegen die Höhe der festgestellten Lohnsumme erhoben. Soweit die Klägerin vorträgt, es sei unklar, ob und falls ja welche Zahlungen der Übernehmer vor Erlass des streitigen Bescheides geleistet hat, so ergibt sich aus der Sachakte der Beklagten, dass Zahlungen auf die Schuld durch den Unternehmer nicht geleistet wurden.
Jedoch stellt die von der Beklagten herangezogene Vorschrift eine hinreichende Grundlage für die durch Leistungsbescheid erfolgte Inanspruchnahme der Klägerin nicht dar. Nach allgemeiner Auffassung muss sich die Ermächtigung zum Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes aus dem anzuwendenden materiellen Recht ergeben. Zwar bedarf es insoweit nicht notwendig einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers, vielmehr reicht es aus, wenn sich aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnissen ergibt, dass die Behörde berechtigt sein soll, durch Erlass eines Bescheides tätig zu werden (vgl. statt vieler Engelmann in v. Wulffen, SGB X, 4. Aufl. 2001, § 31, Rdnr. 7 m.N.).
Dem Wortlaut von § 665 Satz 2 RVO ist für eine derartige Ermächtigung aber nichts zu entnehmen. Auch § 746 Abs. 1 RVO, welcher die Beklagte ermächtigt, die Beitragsforderung gegenüber dem Unternehmer durch Leistungsbescheid geltend zu machen, und welcher sie in gleicher Weise ermächtigt, durch Leistungsbescheid gegen den bisherigen Unternehmer vorzugehen (vgl. Hess. Landessozialgericht, Urt. vom 24. Oktober 1979 – L 3 U 1044/78 – , zit. nach Juris), weil es sich insoweit um eine originäre Beitragsschuld handelt, gibt für eine gleichartige Ermächtigung gegenüber dem Erben eines bisherigen Unternehmers nichts her. Sie ist nach der Auffassung des erkennenden Senats auch nicht durch Auslegung unter Heranziehung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Gesamtrechtsnachfolge zu gewinnen. Zwar haftet nach § 1967 BGB die Klägerin für die Verbindlichkeiten des Nachlasses nach ihrem verstorbenen Ehemann. Dies berechtigt die Beklagte indessen nicht, die Erbin durch Leistungsbescheid in Anspruch zu nehmen. Denn die Vorschrift regelt allein die Beziehungen der Gläubiger zum Nachlass, und zwar auf der gleichgeordneten Ebene des Zivilrechts. Gleiches gilt nach der Auffassung des Senats auch für § 1922 BGB. Danach ist zwar das Vermögen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin als Ganzes auf diese übergegangen und der Senat verkennt nicht, dass nach allgemeiner Auffassung auch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen – soweit sie nicht höchstpersönlicher Natur sind – nach § 1922 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben übergehen. Auf den vorliegenden Fall ist dies indessen nicht übertragbar. Denn die Klägerin ist damit nicht zum bisherigen Unternehmer im Sinne von § 665 Satz 2 RVO geworden, weil der Gesetzgeber in § 1922 BGB zwar den Übergang des Vermögens im Ganzen mit allen Aktiva und Passiva, nicht jedoch gleichzeitig angeordnet hat, dass durch den Erbfall ein Unterordnungsverhältnis zum Träger der Unfallversicherung entsteht. Die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des Bundessozialgerichts erfassen den vorliegenden Fall nicht, weil dort jeweils bereits ein die Rückzahlungsverpflichtung feststellender Bescheid gegenüber dem Erblasser ergangen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.
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