L 1 KR 10/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
L 32 KR 248/03
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 10/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen sind. 2. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Kostenübernahme für die teilstationäre Behandlung der bei der Beklagten krankenversicherten Susanne R. (im Folgenden: Versicherte) für die Zeit vom 17. Oktober 2001 bis 4. Januar 2002 sowie für zwei nachstationäre Behandlungen am 11. und 18. Januar 2002 in Höhe von insgesamt 8.799,53 EUR.

Am 9. Juli 2001 gingen bei der Beklagten Aufnahmeanzeige und Kostenübernahmenantrag hinsichtlich der seit 28. Mai 2001 durchgeführten tagesklinischen Behandlung der Versicherten im zur Klägerin - damals noch in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts - gehörenden Klinikum Nord (im Folgenden: Klägerin) ein. Mit Schreiben vom 16. Juli 2001 gab die Beklagte zunächst eine Kostenübernahmeerklärung bis 17. Juli 2001 ab, verbunden mit der Bitte um zeitnahe Aufnahmemitteilungen in der Zukunft.

Mit Schreiben vom 5. November 2001 wurde von der Klägerin ein Verlängerungsantrag bis etwa 30. November 2001 unter Angabe einer schweren Depression und Persönlichkeitsstörung als Diagnose und der Erforderlichkeit einer sorgfältigen Entlassungsvorbereitung als Begründung gestellt.

Auf die Bitte der Beklagten vom 23. November 2001, zwecks Vorlage beim medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einen ausführlichen ärztlichen Befundbericht zu übersenden, erfolgte zunächst keine Reaktion seitens der Klägerin. Stattdessen erinnerte diese mit Schreiben vom 11. Dezember 2001 und 15. Januar 2002 an die beantragte weitere Kostenübernahme und übersandte schließlich unter dem 18. Januar 2002 eine Mitteilung über die Entlassung der Versicherten am 4. Januar 2002.

Nach Erhalt eines Arztberichts im Februar 2002 befürwortete die Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin Priv. Doz. Dr. M. vom MDK in einer für die Beklagte erstellten Stellungnahme vom 19. März 2002 die Kostenübernahme lediglich bis Ende August 2001.

Nach Abgabe der entsprechenden Erklärung durch die Beklagte machte die Klägerin mit einem erneuten Verlängerungsantrag vom 18. April 2002 geltend, dass die Versicherte im August 2001 noch nicht ansatzweise in der Lage gewesen sei, sich selbst um eine ambulante Psychotherapie zu kümmern. Jene habe auf Grund einer starken Selbstwertstörung bei einer traumatischen Vorgeschichte nur langsam Kontakte zu Behandlern und Mitpatienten entwickeln können.

Daraufhin erstellte Dr. M. nach Einsicht in die Krankengeschichte der Versicherten für die Beklagte unter dem 24. Juli 2002 eine ausführliche Stellungnahme, in der sie ausführte, dass sich aus den Unterlagen u. a. ergebe, dass die Versicherte vom 29. Januar bis 28. Mai 2001 wegen einer schweren depressiven Episode bei ängstlich-vermeidender Persönlichkeitsstörung stationär behandelt worden sei mit anfänglicher Suizidalität nach aktueller depressiver Dekompensation bei privaten Problemen, Konflikten am Arbeitsplatz und nach einer Operation. Nach der Entlassung mit der Empfehlung einer längerfristigen ambulanten Psychotherapie sei die Versicherte zur Stabilisierung in die Tagesklinik verlegt worden. Dr. M. rügte die aus ihrer Sicht dürftige Aktenführung der Klägerin. So fehlen aus ihrer Sicht z. B. Verlaufseintragungen, in denen die Erfahrungen der einzelnen Therapeuten in einer integrierten Form festgehalten werden, sowie die strukturierte Wiedergabe aktueller Therapieergebnisse und Therapieziele. Pflegerische Beobachtungen würden nicht dokumentiert wie auch nicht die Beobachtungen der einzelnen Therapeuten. Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen und in Zusammenschau mit dem Widerspruchschreiben der Behandler vom 27. Mai 2002 sei davon auszugehen, dass die Versicherte Anfang Oktober 2001 in der Lage gewesen sei, sich einer ambulanten Therapeutin vorzustellen. Spätestens ab Mitte Oktober fänden sich keine Eintragungen mehr, die auf eine den schützenden Rahmen der Tagesklinik begründende psychiatrische Symptomatik hinweisen. Insofern könne eine Kostenübernahme bis Mitte Oktober 2001 befürwortet werden. Danach wären gebündelte ambulante Maßnahmen ausreichend und zweckmäßig gewesen. Sie habe ohnehin Bedenken, was den zu langen Einsatz von engmaschigen Unterstützungs- und Betreuungsmaßnahmen bei neurotischen Störungen anbelange. Daraufhin erklärte die Beklagte die Übernahme der Kosten bis 16. Oktober 2001 und übernahm die angefallenen Kosten mit Ausnahme von 8.799,57 EUR.

Die leitende Krankenhausärztin und der Oberarzt gaben für die Klägerin unter dem 7. August 2002 eine ausführliche Stellungnahme zum Sachverhalt unter Auseinandersetzung mit dem MDK-Gutachten ab, die der Beklagten zugeleitet wurde. Hierin verwahrte sich die behandelnde Tagesklinik insbesondere gegen den Vorwurf der unzureichenden Dokumentation und verwies darauf, dass es sich nicht um eine stationäre, sondern bloß teilstationäre Behandlung gehandelt habe. Es wurde auf grundsätzlich andere Auffassungen zu Therapieansätzen hingewiesen, als sie von der MDK-Gutachterin Dr. M. vertreten werden, der unter Hinweis auf frühere Streitfälle fehlende Kenntnis von der praktischen Arbeit in der Psychiatrie vorgeworfen wurde.

Dennoch blieb die Beklagte bei ihrer ablehnenden Haltung.

Daraufhin hat die Klägerin am 18. Februar 2003 Klage erhoben, der das Sozialgericht nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Arztes für Nervenheilkunde, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie sowie für psychotherapeutische Medizin Dr. B. vom 13. Januar 2004 mit Urteil vom 3. Februar 2006, der Beklagten zugestellt am 21. Februar 2006, im wesentlichen stattgegeben hat. Es hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 8.799,53 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basissatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, und die Klage lediglich hinsichtlich der Zinsforderung für Zeiträume vor Rechtshängigkeit abgewiesen.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass sich der Vergütungsanspruch aus § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ergebe und die Zahlungsverpflichtung unabhängig vom Vorliegen einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherte entstanden sei. Die Krankenkasse sei beim zugelassenen Krankenhaus als Korrelat zu dessen Behandlungspflicht auch ohne zusätzliche vertragliche Vereinbarung verpflichtet, die normativ festgelegten Entgelte zu zahlen. Dabei korrespondiere der Zahlungsanspruch mit dem Anspruch des Versicherten auf Behandlung, so dass beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen müssen, wobei unter Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ein Krankheitszustand zu verstehen sei, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel des Krankenhauses erforderlich mache. Bei einer psychiatrischen Erkrankung könne der Einsatz krankenhausspezifischer Geräte ganz in den Hintergrund treten und allein der Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die stationäre Behandlung kennzeichnen. Begrenze die Krankenkasse ihre Kostenübernahmeerklärung und schalte zur Klärung der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung den MDK ein, so bleibe es Sache des Krankenhauses, die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung als Voraussetzung des Vergütungsanspruchs darzutun und notfalls zu beweisen, wobei allerdings im Sinne eines Entscheidungsspielraums des einweisenden Arztes zu berücksichtigen sei, dass eindeutig objektiv richtige Maßnahmen im Bereich ärztlichen Handelns oft nicht existieren und dass ärztliches Handeln gerade bei der Behandlung schwerwiegender psychiatrischer Erkrankungen auf unterschiedliche, auch wechselnde therapeutische Ansätze angewiesen sei. Diesen Beweis habe die Klägerin vorliegend geführt. Der Sachverständige Dr. B. habe nach sorgfältiger Sichtung der umfangreichen Unterlagen schlüssig und gut begründet ausgeführt, dass die Versicherte unter einer schweren, bereits mit den Charakteristika der Chronizität behafteten Erlebnisstörung mit hoher somatoformer Ausprägung gelitten habe, welches ihre Lebensqualität in schwerer Weise beeinträchtigte habe und unter anderem mit einer erhöhten Rückfallgefahr verbunden gewesen sei. Die Krankheit habe ein multimodales Vorgehen mit ausreichenden Maßnahmen im Hinblick auf das gesamte Beziehungsgefüge erfordert. Im Falle der Versicherten habe die Therapie auf eine Sicherung der sozialen und existenziellen Stabilität in den zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die Schaffung eines stabilen Vertrauens in die betreuenden Bezugspersonen, die Institution und das soziale Milieu gezielt. Ein zu früher Austausch der Bezugspersonen und des Betreuungspersonals führe bekanntermaßen zu erneuten Retraumatisierungen mit zum Teil irreversiblen Folgen. Daher seien schonungsvolle Übergänge in der Betreuung krankheitsbedingt notwendig und nicht ersetzbar. Die streitige teil- sowie nachstationäre Behandlung sei daher nach den damaligen Erkenntnismöglichkeiten vertretbar und auf eine langfristige Wirtschaftlichkeit der Behandlung ausgerichtet gewesen. Auch die Beklagte bzw. der MDK habe nicht behauptet, dass die Einschätzung der behandelnden Ärzte ersichtlich verfehlt oder unter Verstoß gegen ärztliche Standards zu Stande gekommen sei. Gerade im Bereich schwerer psycho-sozialer Erkrankungen werde man, insbesondere wenn, wie vorliegend, Anzeichen für eine Suizidgefahr bestehen, diesen Einschätzungsspielraum als besonders weit erachten müssen.

Mit ihrer am 28. Februar 2006 eingelegten Berufung trägt die Beklagte weiterhin vor, dass sich aus der aus ihrer Sicht nicht ausreichenden Dokumentation nicht die Erforderlichkeit der teilstationären Behandlung über den 16. Oktober 2001 hinaus herleiten lasse. Der schützende Rahmen der Klinik sei nicht mehr notwendig gewesen. Angesichts der Überversorgung im psychotherapeutischen Bereich in der Stadt Hamburg wäre eine konkrete ambulante Behandlung möglich gewesen. Ein konkreter Verweis durch die Beklagte sei durch die Klägerin wegen der zögerlichen Mitteilungen vereitelt worden. Die Beweislast für die Erforderlichkeit der teilstationären Behandlung liege auf Seiten der Klägerin, die sonst durch bloße Untätigkeit eine Beweislosigkeit herbeiführen und damit Ansprüche begründen könnte. Hinsichtlich des Zinsanspruches meint die Beklagte, dass der Klägerin gemäß § 191 (gemeint ist wohl § 291) i. V. m. § 288 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) allenfalls 4% Zinsen zustünden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 3. Februar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die auf Anforderung des Gerichts von der Klägerin übersandte Krankengeschichte der Versicherten, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung der teilstationären Behandlung der Versicherten auch über den 16. Oktober 2001 hinaus bis zu deren Abschluss am 4. Januar 2002 sowie der nachstationären Behandlungen am 11. und 18. Januar 2002 und ebenso auf Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten (nicht nur 5 %, insoweit war der Urteilstenor klarzustellen) über dem Basiszinssatz analog § 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Der Senat nimmt zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und klarstellend bleibt auszuführen, dass es dahingestellt bleiben kann, ob weiter an der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts festzuhalten ist, wonach allein maßgebend ist, ob die Entscheidung der Krankenhausärzte nach dem Erkenntnisstand ex ante vertretbar war (vgl. nur BSG 7. Juli 2005 – B 3 KR 40/04 R, KH 2006, 48) oder ob entsprechend dem Anfragebeschluss des 1. Senats vom 4. April 2006 – B 1 KR 32/04 R (mit nachgehendem Vorlagebeschluss an den Großen Senat des BSG vom 7. November 2006), an dieser Rechtsprechung zumindest in bestimmten Fallkonstellationen nicht mehr festzuhalten ist.

Denn zum einen stellt auch der 1. Senat unter Hinweis auf seine eigene frühere Rechtsprechung in dem Beschluss vom 4. April 2006 klar, dass die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bei psychiatrisch behandlungsbedürftigen Versicherten stets nur mit Blick auf die objektiv tatsächlich in Betracht kommenden Behandlungsalternativen beurteilt werden kann, so dass nur rein theoretisch vorstellbare, besonders günstige Behandlungsmöglichkeiten im ambulanten Bereich dem Anspruch auf weitere Krankenhauspflege im Sinne von § 39 SGB V nicht schon entgegenstehen; im Streitfall muss dann vielmehr die Krankenkasse, welche die Notwendigkeit weiterer stationärer Behandlung in Frage stellt, im Einzelfall konkret zur Verfügung stehende Alternativen der Krankenbehandlung aufzeigen, um so die kontinuierliche medizinische Versorgung des Versicherten zu gewährleisten, was vorliegend nicht geschehen ist.

Zum anderen ist, selbst wenn man die Beweislast auf Seiten der Klägerin sähe - ob nun wegen behaupteter Vereitelung einer früheren Einschaltung des MDK oder wegen der für den Senat nicht nachvollziehbar behaupteten dürftigen Dokumentation -, mit dem Sozialgericht die entsprechende Beweisführung zu bejahen. Die Erforderlichkeit der teilstationären und nachstationären Behandlungen steht nach dem schlüssigen Gutachten des Dr. B. in Zusammenschau mit der Krankengeschichte der Versicherten fest.

Hierin befindet sich die insgesamt elfseitige persönliche Therapiebilanz der Versicherten vom 8. Oktober 2001 - also kurz vor dem Zeitpunkt erstellt, zu dem die Beklagte eine ambulante Weiterbehandlung für ausreichend erachtet hätte -, in der sie - die Versicherte -unter anderem schildert, dass sie noch die Stabilität, den Alltag bewältigen und arbeiten zu können, erreichen müsse. Sie leide nach wie vor unter Kopfschmerz, Schwindel, Magenbeschwerden, Müdigkeit, Albträumen, fühle sich angespannt und unruhig, leide unter Zittern, Traurigkeit, Hilflosigkeit, Schüchternheit, Minderwertigkeitsgefühlen, Konzentrationsstörungen und könne keine Entscheidungen fällen.

Aus der Verlaufsdokumentation ergibt sich, dass die Versicherte bis Ende Dezember 2001 an einer Vielzahl von Therapieangeboten teilgenommen hat, so an einer Bezugsgruppe, einer Therapiegruppe, einer weiteren Bezugsgruppe , "Kochen mit Lust und Laune", Bewegungsmeditation, Tanztherapie, "psyched." Gruppe "Du darfst", Entspannung, Frauengruppe, Trommelwerkstatt, Rhythmus und Stimme sowie einer Frühstücksgruppe. Die Verlaufsberichte schildern unter anderen am 26. Oktober: "Lebensfreude und Humor begannen sich zwischen depressiven/resignativen Stimmungen zu zeigen, die Patientin wechselte öfter von der passiven in die aktive Rolle. Die Kontakte zu Mitpatientinnen haben einen höheren Stellenwert bekommen." Am 9. November ist die Rede von starken Entwertungsgefühlen nach der Ablehnung durch die Therapeutin. Am 23. November werden zunehmende Schlafstörungen und Ängste erwähnt, die zu einer ergänzenden Medikation und der Erhöhung der Dosis eines Angst mindernden Medikaments geführt haben. Beim Einkleben alter Fotos sei die Erinnerung an den Missbrauch durch einen Busfahrer während einer Urlaubsfahrt 1983 aufgetaucht und gleichzeitig die Erinnerung an einen Missbrauch im jugendlichen Alter und 1990. Die Versicherte habe sehr verstört reagiert, habe noch nie über den Missbrauch gesprochen. Am 7. Dezember heißt es, dass die Versicherte unter häufiger Überflutung von Trauma-erinnerungen leide. Die Distanzierungstechniken seien nicht ausreichend wirksam. Die ambulante Therapeutin habe für die ab Februar geplante Psychotherapie zugesagt. Unter dem 14. Dezember wird mitgeteilt, dass die Therapeutin fest zugesagt habe. Diese Woche sei die Versicherte entspannter, die belastenden flash-backs haben deutlich abgenommen und sie sei ausgeglichener, nehme offener die Kontakte auf, die sie sonst vermieden habe. Am 21. Dezember wird u. a. mitgeteilt, dass die noch zeitweise auftretenden Angstattacken mit der Bedarfsmedikation beherrscht würden. Sie zittere aber noch oft, die Augen schmerzten abends, sie könne nicht lesen, weil "vielleicht etwas hochkomme". Unter dem 28. Dezember heißt es, die Entlassungsvorbereitungen laufen wie geplant, der Abschied falle der Versicherten schwer. Am letzten Tag der teilstationären Behandlung, dem 4.Januar 2002, ist eingetragen, dass die Versicherte zwar Ängste vor der nächsten Woche äußere, aber entspannter wirke, ihre früher stark hochgezogenen Schultern habe lockern können. Sie sei offener und selbstbewusster geworden, habe gelernt, depressive Stimmungseinbrüche zu begrenzen. Da jetzt eine ausreichende Stabilität für die ambulante Therapie erreicht sei, erfolge die Entlassung aus der Tagesklinik.

Aus den vorgenannten Auszügen aus der Krankengeschichte ergibt sich nach Überzeugung des Senats, dass auch über Mitte Oktober hinaus erhebliche, zum Teil neue Krisen auftraten, die ein weiteres physisches und organisatorisches Einbinden in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses im Unterschied zur rein ambulanten Behandlung (vgl. hierzu Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung – Pflegeversicherung, Loseblattkommentar, § 39 SGB V Rz. 4 mit Nachweisen) erforderlich erscheinen ließen. Dabei ist den behandelnden Krankenhausärzten ein Einschätzungsspielraum zuzugestehen. Die Ausführungen der Beklagten und der MDK-Gutachterin Dr. M. vermögen hieran nichts zu ändern, da diese grundsätzliche und nicht substantiiert vorgetragene Vorbehalte deutlich werden lassen, die Zweifel an der medizinischen Richtigkeit der Auffassung der behandelnden Ärzte nicht begründen können.

Im Übrigen ergibt sich aus der Dokumentation, dass im Oktober 2001 die ambulante Weiterbetreuung nicht gesichert war. Erst im Februar 2002 konnte die Weiterbetreuung bei unstreitig vorhandener ärztlicher Behandlungsbedürftigkeit unter weiterer intensiver Einbindung der Versicherten erfolgen. Noch aus den Verlaufsberichten Ende Dezember geht hervor, dass die Stabilität durch die physische und organisatorische Einbindung gerade beim Krankheitsbild der Versicherten von großer Wichtigkeit war.

Darauf, dass selbst der lange Zeitraum teilstationärer Behandlung - deren Notwendigkeit ohnehin nur schwer gegenüber ambulanter Behandlung abzugrenzen ist - unter Umständen nicht ausreichend war, mag das Erfordernis weiterer stationärer Behandlung ab 28. Mai 2002 hindeuten.

Der Prozesszinsenanspruch ergibt sich dem Grunde nach in entsprechender Anwendung des § 291 BGB (vgl. zum Anspruch des Leistungserbringers in der gesetzlichen Krankenversicherung auf Prozesszinsen: BSG 4. März 2004 – B 3 KR 4/03 R, BSGE 92, 223; noch weitergehend zum Anspruch jedenfalls in den von § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG erfassten Streitigkeiten: LSG Hamburg L 1 R 41/06 - 16. August 2006, noch nv). Die Höhe ergibt sich aus § 291 Satz 2 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB analog. Dem Einwand der Beklagten, dass sich hieraus nur eine Zinsanspruchshöhe von vier Prozent ergebe, vermag der Senat vor dem Hintergrund nicht zu folgen, dass die jetzige Fassung des § 288 BGB seit dem 1. Februar 2002 gilt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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