Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 42 RA 23/04
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 R 109/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist ein Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG) auf Feststellung der Beschäftigungszeiten in Betrieben der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in der Zeit vom 1. September 1967 bis 12. März 1980 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG)
Der 1944 in Leipzig geborene Kläger war nach Abschluss der Staatlichen Ingenieurschule für Maschinenbau G. von September 1967 bis März 1980 in verschiedenen volkseigenen Betrieben (VEB) der DDR als Ingenieur tätig, erwarb in diesem Zeitraum die akademischen Grade des Hochschulingenieurs und des Diplomingenieurs. Am 13. März 1980 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) über.
Im Juli 2001 beantragte der Kläger bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Versorgungsträger nach dem AAÜG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, (im Folgenden: Beklagte) die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften für den Zeitraum vom 1. September 1967 bis 12. März 1980 in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 AAÜG entstanden sei. Die Kläger habe weder zu DDR- Zeiten eine positive Versorgungszusage erhalten noch habe er am Stichtag 30. Juni 1990, dem Tag vor der Schließung der Zusatzversorgungssysteme, eine Beschäftigung ausgeübt, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Das AAÜG sei nicht anwendbar, weil der Kläger nicht mehr im Beitrittsgebiet beschäftigt gewesen sei (Bescheid vom 20. Juni 2003, Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2003).
Hiergegen hat der Kläger am 14. Januar 2004 Klage erhoben und die Ansicht geäußert, es sei unerheblich, ob er sich am Stichtag in der DDR aufgehalten habe. Würde es die DDR noch geben, hätte er heute seine Zusatzanwartschaften. Es solle kein neuer Anspruch im Sinne des AAÜG begründet werden, es werde lediglich die offizielle Bestätigung eines bereits bestehenden Anspruchs eingefordert. Zur Begründung seiner Auffassung hat der Kläger auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) Bezug genommen, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nicht notwendig davon abhänge, ob und wann in der DDR eine Versorgungszusage erteilt worden sei, so insbesondere auf die Entscheidungen vom 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R und 94/97 R, SGb 1998,526 und 527 (Kurzwiedergabe), sowie vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 2.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. Mai 2006 abgewiesen. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG lägen nicht vor, weil der Kläger nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG unterfalle. Er habe weder Ansprüche auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben noch entsprechende Anwartschaften. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn dem Kläger in der DDR eine Position zuerkannt worden wäre, auf Grund derer er bei Eintritt des Versorgungsfalls vom DDR-Versorgungsträger die im jeweiligen System vorgesehenen Leistungen hätte bekommen müssen. Die Versorgungszusage sei in der Regel in Form einer Urkunde erteilt worden. Für die Erteilung einer Versorgungszusage an den Kläger vor seiner Ausreise sei kein Anhaltspunkt ersichtlich. Es könne auch keine Versorgungsanwartschaft im Sinne der erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG durch das BSG fingiert werden, wonach das Gesetz auch auf Personen anwendbar sei, die zwar nicht in ein DDR-Versorgungssystem einbezogen gewesen seien, aber auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage (also zum Zeitpunkt der Schließung der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme) nach der am 31. Juli 1991 gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage (also zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG) einen Anspruch auf Erteilung der Versorgungszusage nach bundesrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätten. Denn diese fingierte Versorgungsanwartschaft hänge von drei Voraussetzungen ab: Der Versicherte müsse berechtigt gewesen sein, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), er müsse die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt (sachliche Voraussetzung) und sie in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb verrichtet haben (betriebliche Voraussetzung). Der Kläger erfülle diese Voraussetzungen nicht, weil er am Stichtag keine ingenieur-technische Position in einem derartigen Betrieb innegehabt habe. § 1 Abs. 1 AAÜG in der erweiternden Auslegung durch das BSG sei nicht verfassungswidrig. Das Sozialgericht hat insbesondere unter Bezugnahme auf den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05, NZS 2006, 314, ausgeführt, dass sich das höchste deutsche Gericht mehrfach mit der Rentenüberleitung aus Anlass der deutschen Einheit befasst und das Konzept in seinen wesentlichen Zügen verfassungsrechtlich gebilligt habe, insbesondere auch die Stichtagsregelung. Darin, dass die fingierte Versorgungsanwartschaft an das Inkrafttreten des Neueinbeziehungsverbots anknüpfe, sei keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu erblicken. Der Gesetzgeber beziehungsweise die sozialgerichtliche Rechtsprechung seien auch nicht gehalten, den Anwendungsbereich des AAÜG auf alle diejenigen auszudehnen, die zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine fiktive Versorgungszusage erfüllt haben. Hierdurch wäre die Grundentscheidung des gesamtdeutschen Gesetzgebers abgeschwächt worden, schnell ein einheitliches Rentenversicherungssystem herbeizuführen. Dies gelte unbeschadet dessen, dass die Anwendung des Stichtags mit erheblichen Härten verbunden sei. Das Urteil ist dem Kläger am 31. Mai 2006 zugestellt worden.
Mit seiner am 30. Juni 2006 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er stellt zunächst klar, dass er 1980 nicht auf eigenen Wunsch aus der DDR ausgereist, sondern ausgewiesen worden sei. Weiter meint er, in seinem Fall gehe es nicht um die vom Gesetzgeber nicht gewollte Neueinbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nach dessen Schließung zum 30. Juni 1990, weil er schon lange vor diesem Stichtag die Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt habe, räumt jedoch zugleich ein, dass eine Aufnahme nicht erfolgt war (Zitat: "Übrigens wäre nicht auszuschließen, dass auch ich, wäre ich in der DDR geblieben, später ebenfalls in ein Zusatzversorgungssystem aufgenommen worden wäre."). Sein Fall sei vergleichbar mit den vom BSG am 24. März 1998 - B 4 RA 27/97 R - und am 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R – entschiedenen Fällen, wonach die Anwendbarkeit des AAÜG nicht notwendig davon abhänge, ob und wann eine Versorgungszusage erteilt worden sei. Im Übrigen wäre ein Ausschluss sämtlicher ehemaliger DDR-Bürger von den Begünstigungen des AAÜG eine grundgesetzwidrige Ungleichbehandlung, die anders als in den von der Beklagten und dem Sozialgericht zitierten Entscheidungen des BSG und des BVerfG nicht nur gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstieße, sondern darüber hinaus auch gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Eine solche Auslegung hätte von ihm verlangt, nach der Wende und vor dem Stichtag in die DDR zurückzukehren, um eine Einbeziehung der Zusatzversorgungsanwartschaften zu erreichen. Dies wäre unbillig. Gleiches gelte für die mit einer solchen Auslegung verbundene Schlechterstellung derjenigen – nicht konformen – DDR-Bürger, die geholfen haben, das System zu Fall zu bringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seine Beschäftigungszeiten in Betrieben der ehemaligen DDR in der Zeit vom 1. September 1967 bis 12. März 1980 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit den diesbezüglichen Entgelten festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG für nicht einschlägig und das angefochtene Urteil für zutreffend. § 1 AAÜG und dessen erweiternde Auslegung durch das BSG seien verfassungskonform, was das BVerfG bestätigt habe. Danach sei die Anwendung des AAÜG für Versicherte ausgeschlossen, bei denen am 30. Juni 1990, dem Tag vor der Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Vertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der BRD und der DDR vom 18. Mai 1990, eine der folgenden Sachlagen bestanden habe: a) Der bisherige Arbeitgeberbetrieb ist aus dem Geltungsbereich der Versorgungsordnung ausgeschieden, etwa durch Privatisierung (Umwandlung in GmbH, AG), oder b) der Versicherte hat den Betrieb gewechselt oder sich selbständig gemacht, oder c) der Versicherte hat seine zur Versorgung berechtigende Tätigkeit aufgegeben und/oder wurde arbeitslos, oder d) der Versicherte hielt sich nicht mehr in der (ehemaligen) DDR auf. Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen politische Flüchtlinge besser gestellt werden sollten als Personen, die z.B. wegen Invalidität oder wegen erfolgter Umwandlung eines VEB in eine GmbH am Stichtag nicht mehr in einem entsprechenden Produktionsbetrieb tätig gewesen seien.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Beschäftigungszeiten in der ehemaligen DDR als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz.
Der Senat nimmt zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend und verdeutlichend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger nicht dem Anwendungsbereich des § 1 AAÜG unterfällt, weder nach dessen Wortlaut noch in der erweiternden Auslegung durch das BSG. Am maßgeblichen Stichtag hatte er weder Ansprüche noch Anwartschaften auf zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz erworben. Eine fingierte Versorgungsanwartschaft scheitert daran, dass der Kläger am Stichtag nicht als Ingenieur in einem volkseigenen Produktions- oder diesem gleichgestellten Betrieb in der DDR tätig war (sogenannte betriebliche Voraussetzung). Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das BVerfG hat in dem schon von der Beklagten und dem Sozialgericht zitierten Nichtannahmebeschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05 – nicht nur entschieden, dass sowohl § 1 AAÜG als auch die erweiternde Auslegung durch das BSG einschließlich der Stichtagsregelung (vgl. zuletzt: BSG 13.12.2005 – B 4 RA 3/05 R, Die Beiträge Beilage 2006, 239; BSG 16.03.2006 – B 4 RA 29/05 R, Die Beiträge Beilage 2006, 233; BSG 07.09.2006 – B 4 RA 41/05, noch nv) verfassungskonform seien. Vielmehr ist das Konzept der Rentenüberleitung mit dem Ziel der möglichst schnellen Herstellung eines einheitlichen Rentenrechts trotz der damit verbundenen Härten in ständiger Rechtsprechung des BVerfG gebilligt worden. Der Stichtag für die Prüfung einer fingierten Versorgungsanwartschaft knüpft an das Inkrafttreten des nach Vorgabe der Ziele im Staatsvertrag vom DDR-Gesetzgeber erlassenen Rentenangleichungsgesetzes am 1. Juli 1990 an, so dass keine Willkür und damit kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegen. Versorgungsrechtliche Nachteile aufgrund einer autonomen Entscheidung der DDR hat die Bundesrepublik Deutschland nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen auszugleichen, die Fachgerichte sind verfassungsrechtlich nicht gehalten, die aus einer Normsetzung oder Verwaltungspraxis der DDR folgende Ungleichbehandlung von Bürgern zu überprüfen und ggf. zu beseitigen (so auch ausdrücklich: BSG 09.04.2002 – B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 2).
Das BVerfG hat im Übrigen ausdrücklich den Unterschied zwischen den vom BSG entschiedenen Fällen, auf die sich der Kläger - ebenso wie die dortigen Verfassungsbeschwerdeführer - beruft, und den dort zu beurteilenden aufgezeigt, dass nämlich in ersteren eine Versorgungszusage erteilt worden und nur die Erstreckung auf einen weiteren Zeitraum begehrt worden ist, so dass es sich um keine Neueinbeziehung in das Zusatz- oder Sonderversorgungssystem und auch nur um wenige Fälle handelte. Eine Erstreckung auf Personen, die irgendwann zu einem Zeitpunkt vor dem Stichtag die Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllten und damit keine gesicherte Rechtsposition, sondern nur eine "Chance oder Aussicht" hatten, ist verfassungsrechtlich nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist ein Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG) auf Feststellung der Beschäftigungszeiten in Betrieben der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in der Zeit vom 1. September 1967 bis 12. März 1980 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG)
Der 1944 in Leipzig geborene Kläger war nach Abschluss der Staatlichen Ingenieurschule für Maschinenbau G. von September 1967 bis März 1980 in verschiedenen volkseigenen Betrieben (VEB) der DDR als Ingenieur tätig, erwarb in diesem Zeitraum die akademischen Grade des Hochschulingenieurs und des Diplomingenieurs. Am 13. März 1980 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) über.
Im Juli 2001 beantragte der Kläger bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Versorgungsträger nach dem AAÜG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, (im Folgenden: Beklagte) die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften für den Zeitraum vom 1. September 1967 bis 12. März 1980 in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 AAÜG entstanden sei. Die Kläger habe weder zu DDR- Zeiten eine positive Versorgungszusage erhalten noch habe er am Stichtag 30. Juni 1990, dem Tag vor der Schließung der Zusatzversorgungssysteme, eine Beschäftigung ausgeübt, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Das AAÜG sei nicht anwendbar, weil der Kläger nicht mehr im Beitrittsgebiet beschäftigt gewesen sei (Bescheid vom 20. Juni 2003, Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2003).
Hiergegen hat der Kläger am 14. Januar 2004 Klage erhoben und die Ansicht geäußert, es sei unerheblich, ob er sich am Stichtag in der DDR aufgehalten habe. Würde es die DDR noch geben, hätte er heute seine Zusatzanwartschaften. Es solle kein neuer Anspruch im Sinne des AAÜG begründet werden, es werde lediglich die offizielle Bestätigung eines bereits bestehenden Anspruchs eingefordert. Zur Begründung seiner Auffassung hat der Kläger auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) Bezug genommen, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nicht notwendig davon abhänge, ob und wann in der DDR eine Versorgungszusage erteilt worden sei, so insbesondere auf die Entscheidungen vom 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R und 94/97 R, SGb 1998,526 und 527 (Kurzwiedergabe), sowie vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 2.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. Mai 2006 abgewiesen. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG lägen nicht vor, weil der Kläger nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG unterfalle. Er habe weder Ansprüche auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben noch entsprechende Anwartschaften. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn dem Kläger in der DDR eine Position zuerkannt worden wäre, auf Grund derer er bei Eintritt des Versorgungsfalls vom DDR-Versorgungsträger die im jeweiligen System vorgesehenen Leistungen hätte bekommen müssen. Die Versorgungszusage sei in der Regel in Form einer Urkunde erteilt worden. Für die Erteilung einer Versorgungszusage an den Kläger vor seiner Ausreise sei kein Anhaltspunkt ersichtlich. Es könne auch keine Versorgungsanwartschaft im Sinne der erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG durch das BSG fingiert werden, wonach das Gesetz auch auf Personen anwendbar sei, die zwar nicht in ein DDR-Versorgungssystem einbezogen gewesen seien, aber auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage (also zum Zeitpunkt der Schließung der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme) nach der am 31. Juli 1991 gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage (also zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG) einen Anspruch auf Erteilung der Versorgungszusage nach bundesrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätten. Denn diese fingierte Versorgungsanwartschaft hänge von drei Voraussetzungen ab: Der Versicherte müsse berechtigt gewesen sein, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), er müsse die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt (sachliche Voraussetzung) und sie in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb verrichtet haben (betriebliche Voraussetzung). Der Kläger erfülle diese Voraussetzungen nicht, weil er am Stichtag keine ingenieur-technische Position in einem derartigen Betrieb innegehabt habe. § 1 Abs. 1 AAÜG in der erweiternden Auslegung durch das BSG sei nicht verfassungswidrig. Das Sozialgericht hat insbesondere unter Bezugnahme auf den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05, NZS 2006, 314, ausgeführt, dass sich das höchste deutsche Gericht mehrfach mit der Rentenüberleitung aus Anlass der deutschen Einheit befasst und das Konzept in seinen wesentlichen Zügen verfassungsrechtlich gebilligt habe, insbesondere auch die Stichtagsregelung. Darin, dass die fingierte Versorgungsanwartschaft an das Inkrafttreten des Neueinbeziehungsverbots anknüpfe, sei keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu erblicken. Der Gesetzgeber beziehungsweise die sozialgerichtliche Rechtsprechung seien auch nicht gehalten, den Anwendungsbereich des AAÜG auf alle diejenigen auszudehnen, die zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine fiktive Versorgungszusage erfüllt haben. Hierdurch wäre die Grundentscheidung des gesamtdeutschen Gesetzgebers abgeschwächt worden, schnell ein einheitliches Rentenversicherungssystem herbeizuführen. Dies gelte unbeschadet dessen, dass die Anwendung des Stichtags mit erheblichen Härten verbunden sei. Das Urteil ist dem Kläger am 31. Mai 2006 zugestellt worden.
Mit seiner am 30. Juni 2006 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er stellt zunächst klar, dass er 1980 nicht auf eigenen Wunsch aus der DDR ausgereist, sondern ausgewiesen worden sei. Weiter meint er, in seinem Fall gehe es nicht um die vom Gesetzgeber nicht gewollte Neueinbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nach dessen Schließung zum 30. Juni 1990, weil er schon lange vor diesem Stichtag die Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt habe, räumt jedoch zugleich ein, dass eine Aufnahme nicht erfolgt war (Zitat: "Übrigens wäre nicht auszuschließen, dass auch ich, wäre ich in der DDR geblieben, später ebenfalls in ein Zusatzversorgungssystem aufgenommen worden wäre."). Sein Fall sei vergleichbar mit den vom BSG am 24. März 1998 - B 4 RA 27/97 R - und am 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R – entschiedenen Fällen, wonach die Anwendbarkeit des AAÜG nicht notwendig davon abhänge, ob und wann eine Versorgungszusage erteilt worden sei. Im Übrigen wäre ein Ausschluss sämtlicher ehemaliger DDR-Bürger von den Begünstigungen des AAÜG eine grundgesetzwidrige Ungleichbehandlung, die anders als in den von der Beklagten und dem Sozialgericht zitierten Entscheidungen des BSG und des BVerfG nicht nur gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstieße, sondern darüber hinaus auch gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Eine solche Auslegung hätte von ihm verlangt, nach der Wende und vor dem Stichtag in die DDR zurückzukehren, um eine Einbeziehung der Zusatzversorgungsanwartschaften zu erreichen. Dies wäre unbillig. Gleiches gelte für die mit einer solchen Auslegung verbundene Schlechterstellung derjenigen – nicht konformen – DDR-Bürger, die geholfen haben, das System zu Fall zu bringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seine Beschäftigungszeiten in Betrieben der ehemaligen DDR in der Zeit vom 1. September 1967 bis 12. März 1980 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit den diesbezüglichen Entgelten festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG für nicht einschlägig und das angefochtene Urteil für zutreffend. § 1 AAÜG und dessen erweiternde Auslegung durch das BSG seien verfassungskonform, was das BVerfG bestätigt habe. Danach sei die Anwendung des AAÜG für Versicherte ausgeschlossen, bei denen am 30. Juni 1990, dem Tag vor der Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Vertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der BRD und der DDR vom 18. Mai 1990, eine der folgenden Sachlagen bestanden habe: a) Der bisherige Arbeitgeberbetrieb ist aus dem Geltungsbereich der Versorgungsordnung ausgeschieden, etwa durch Privatisierung (Umwandlung in GmbH, AG), oder b) der Versicherte hat den Betrieb gewechselt oder sich selbständig gemacht, oder c) der Versicherte hat seine zur Versorgung berechtigende Tätigkeit aufgegeben und/oder wurde arbeitslos, oder d) der Versicherte hielt sich nicht mehr in der (ehemaligen) DDR auf. Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen politische Flüchtlinge besser gestellt werden sollten als Personen, die z.B. wegen Invalidität oder wegen erfolgter Umwandlung eines VEB in eine GmbH am Stichtag nicht mehr in einem entsprechenden Produktionsbetrieb tätig gewesen seien.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Beschäftigungszeiten in der ehemaligen DDR als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz.
Der Senat nimmt zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend und verdeutlichend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger nicht dem Anwendungsbereich des § 1 AAÜG unterfällt, weder nach dessen Wortlaut noch in der erweiternden Auslegung durch das BSG. Am maßgeblichen Stichtag hatte er weder Ansprüche noch Anwartschaften auf zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz erworben. Eine fingierte Versorgungsanwartschaft scheitert daran, dass der Kläger am Stichtag nicht als Ingenieur in einem volkseigenen Produktions- oder diesem gleichgestellten Betrieb in der DDR tätig war (sogenannte betriebliche Voraussetzung). Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das BVerfG hat in dem schon von der Beklagten und dem Sozialgericht zitierten Nichtannahmebeschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05 – nicht nur entschieden, dass sowohl § 1 AAÜG als auch die erweiternde Auslegung durch das BSG einschließlich der Stichtagsregelung (vgl. zuletzt: BSG 13.12.2005 – B 4 RA 3/05 R, Die Beiträge Beilage 2006, 239; BSG 16.03.2006 – B 4 RA 29/05 R, Die Beiträge Beilage 2006, 233; BSG 07.09.2006 – B 4 RA 41/05, noch nv) verfassungskonform seien. Vielmehr ist das Konzept der Rentenüberleitung mit dem Ziel der möglichst schnellen Herstellung eines einheitlichen Rentenrechts trotz der damit verbundenen Härten in ständiger Rechtsprechung des BVerfG gebilligt worden. Der Stichtag für die Prüfung einer fingierten Versorgungsanwartschaft knüpft an das Inkrafttreten des nach Vorgabe der Ziele im Staatsvertrag vom DDR-Gesetzgeber erlassenen Rentenangleichungsgesetzes am 1. Juli 1990 an, so dass keine Willkür und damit kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegen. Versorgungsrechtliche Nachteile aufgrund einer autonomen Entscheidung der DDR hat die Bundesrepublik Deutschland nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen auszugleichen, die Fachgerichte sind verfassungsrechtlich nicht gehalten, die aus einer Normsetzung oder Verwaltungspraxis der DDR folgende Ungleichbehandlung von Bürgern zu überprüfen und ggf. zu beseitigen (so auch ausdrücklich: BSG 09.04.2002 – B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 2).
Das BVerfG hat im Übrigen ausdrücklich den Unterschied zwischen den vom BSG entschiedenen Fällen, auf die sich der Kläger - ebenso wie die dortigen Verfassungsbeschwerdeführer - beruft, und den dort zu beurteilenden aufgezeigt, dass nämlich in ersteren eine Versorgungszusage erteilt worden und nur die Erstreckung auf einen weiteren Zeitraum begehrt worden ist, so dass es sich um keine Neueinbeziehung in das Zusatz- oder Sonderversorgungssystem und auch nur um wenige Fälle handelte. Eine Erstreckung auf Personen, die irgendwann zu einem Zeitpunkt vor dem Stichtag die Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllten und damit keine gesicherte Rechtsposition, sondern nur eine "Chance oder Aussicht" hatten, ist verfassungsrechtlich nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved