Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 P 108/05
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 P 5/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung im Streit.
Bei dem am XX.XXXXX 2002 geborenen, heute 4-jährigen Kläger wurde im November 2003 ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus festgestellt, der seitdem mit Insulin behandelt wird. Es konnte eine stabile Langzeitstoffwechsellage erzielt werden. Er lebt zusammen mit seinem am XX.XXXX 2000 geborenen, ebenfalls an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus erkrankten Bruder im Haushalt seiner allein erziehenden Mutter, die die etwa fünf Mal täglich notwendigen Insulingaben und die sechs bis acht Mal täglich notwendigen Blutzuckerkontrollen vornimmt. Dem Kläger wurden ein GdB von 50 und das Merkzeichen "H" zuerkannt. Er besucht einen integrativen Kindergarten. Seit kurzem ist er mit einer Insulinpumpe versorgt.
Am 20. Januar 2005 begehrte der Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung in der Gestalt von Geldleistungen. Es bestehe ein Hilfebedarf bei der Ernährung, der Bewegung und der Körperpflege. Die Beklagte ließ den Pflegeaufwand durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachten. Die Kinderkrankenschwester A. M. gelangte nach einem am 14. Februar 2005 durchgeführten Hausbesuch in ihrem schriftlichen Gutachten vom selben Tage zu der Einschätzung, dass eine Pflegestufe nicht erreicht werde. Der Kläger sei in den von der Pflegeversicherung abgedeckten Bereichen weitgehend normal entwickelt. Krankheitsbedingt fänden unfangreiche behandlungspflegerische Maßnahmen statt, die für eine Einstufung nicht herangezogen werden dürften. Der Mehrbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung allein reiche nicht für die Anerkennung von Pflegebdürftigkeit aus. Von dem insgesamt ermittelten Gesamtpflegeaufwand in Höhe von 174 Minuten pro Tag sei ein altersphysiologischer Bedarf von 165 Minuten abzuziehen. Der verbleibende Bedarf von 9 Minuten erfülle nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung erheblicher Pflegebedürftigkeit.
Mit Bescheid vom 28. Februar 2005 lehnte die Beklagte die begehrten Leistungen ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung heißt es, die vom MDK ermittelten Zeiten seien vor allem im Bereich der Nahrungszubereitung schlicht falsch. Daraufhin bat die Beklagte, zur Vorbereitung der Widerspruchsentscheidung ein Pflegetagebuch zu führen. Das von der Mutter des Klägers für beide Geschwister gemeinsam für eine nicht benannte Kalenderwoche geführte und der Beklagten mit Schreiben vom 9. Juni 2005 vorgelegte Tagebuch schließt mit einem täglichen Gesamtpflegebedarf von 567 Minuten ab, wovon 376, 5 Minuten auf die Grundpflege (Körperpflege 93, Ernährung 72 (mundgerechte Zubereitung 36, Aufnahme der Nahrung 36), Mobilität 211,5) entfallen, ohne indessen eine Differenzierung oder Aufteilung zwischen den Geschwistern vorzunehmen. Im Begleitschreiben der Mutter heißt es, abweichend von den Vorgaben des Tagebuchs müssten die regelmäßigen Insulingaben und Blutzuckermessungen ebenso Berücksichtigung finden, wie der zeitliche Aufwand für den Transfer zum Kindergarten.
Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger erneut durch den MDK begutachten. Der Facharzt für Kinderheilkunde Dr. V. gelangte nach Hausbesuch am 30. August 2005 zu der Einschätzung, dass keine Pflegestufe vorliege. Neben dem Diabetes lägen eine Sprachentwicklungsverzögerung und eine verzögerte Kontinenzentwicklung vor. Der Aufwand in der Grundpflege sei mit dem Vorgutachten praktisch identisch. Nach Abzug des altersnormalen Aufwandes ergebe sich in der Grundpflege ein geringfügig erhöhter Mehraufwand. Der Gesamtpflegezeitaufwand in der Grundpflege betrage nunmehr 173 Minuten. Hiervon seien 150 Minuten altersnormaler Hilfebedarf abzuziehen. Bei der Nahrungsaufnahme sei altersnormale Unterstützung notwendig. Zusätzlich sei Unterstützung bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (Diät) erforderlich. Außerdem benötige der Kläger aufwändige behandlungspflegerische Versorgung in Gestalt von mindestens 5 Insulininjektionen und 6 bis 8 Blutzuckerkontrollen am Tag sowie gelegentlichen Kontrollen des Urinzuckers.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei einem täglichen Mehrbedarf in der Grundpflege in Höhe von nur 9 Minuten könne eine Pflegestufe nicht anerkannt werden. Das Sozialgericht hat die daraufhin fristgerecht erhobene Klage, mit der geltend gemacht worden war, dass der Kläger mehr Mahlzeiten als ein gleichaltriges gesundes Kind benötige, welche überdies aufwändig vorbereitet und überwacht werden müssten, dass ferner Blutzuckerkontrollen und Insulingaben untrennbar mit den Mahlzeiten verbunden seien und dass ihm schließlich krankheitsbedingt ein Kindergarten in der Nähe der Wohnung verschlossen sei, durch am 11. Juli 2006 zugestellten Gerichtsbescheid vom 6. Juli 2006 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen auf die zu vergleichbaren Fällen ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Bezug genommen. Danach bedürfe der Kläger für die nach dem abschließenden Gesetzeskatalog allein maßgeblichen persönlichen Verrichtungen der Grundpflege gegenüber einen gesunden Kind mit Ausnahme eines etwas höheren Überwachungsbedarfs bei der Ernährung praktisch keiner und insgesamt jedenfalls nicht mehr als 45 Minuten zusätzlicher Hilfen am Tag. Auf die Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger hat am 9. August 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er bedürfe aufgrund seiner Erkrankung nach wie vor eines erheblich höheren Pflegeaufwandes als gesunde Kinder seines Alters. Schon nach dem Gutachten der Beklagten vom 30. August 2005 habe er einen täglichen Grundpflegeaufwand in Höhe von 173 Minuten benötigt. Nunmehr sei er 51 Monate alt, sodass altersbedingt lediglich noch 135 Minuten von den ermittelten Zeiten abzuziehen seien. Der tatsächliche Pflegeaufwand sei aber erheblich höher. Außerdem seien entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sowohl die Insulingabe, die Portionierung der Nahrungsmittel nach Broteinheiten als auch die regelmäßige Kontrolle der Blutwerte untrennbar mit der Nahrungsaufnahme verbunden. Eine Trennung dieser Schritte von der Nahrungsaufnahme sei wirklichkeitsfremd. Sie führe in letzter Konsequenz dazu, dass bei einem an Diabetes erkrankten Kind in absehbarer Zeit eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintreten werde. Für ein solches Kind seien diese Schritte überlebensnotwendig und gleichzusetzen mit der Vorbereitung von Nahrungsmitteln für erkrankte Menschen, die nicht mehr kauen oder schlucken könnten. Außerdem liege ein anderes Krankheitsbild als bei dem älteren Bruder vor. Er – der Kläger – leide nämlich zusätzlich an einer Sprachentwicklungsverzögerung. Der Anspruch werde auch auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt. Er habe sich nämlich an die Beklagte auch gewandt, um beraten zu werden. Diese Beratung hätte dahin gehen müssen, ihm aufzuzeigen, welche Möglichkeiten im Bereich der Krankenversicherung bestünden. Dies gelte umso mehr, als sich Pflegeversicherung und Krankenversicherung unter einem Dach befänden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2005 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung und ihren Bescheid für rechtens. Bei dem Kläger sei ein Gesamtzeitaufwand in der Grundpflege von 174 Minuten ermittelt worden. Hiervon sei noch ein altersphysiologischer Mehrbedarf von 165 Minuten pro Tag abzuziehen. Es verbleibe lediglich ein Pflegebedarf von 9 Minuten pro Tag. Zu berücksichtigen seien weder Blutzuckerwertmessungen noch Insulininjektionen. Dies folge aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Trotz seiner Zweckmäßigkeit stehe der Besuch des integrativen Kindergartens nicht im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Existenz in der häuslichen Umgebung, sodass er nicht dem Aufgabenbereich der Pflegeversicherung, sondern der Eingliederungshilfe zugeordnet werden könne. Soweit im Berufungsverfahren darauf abgehoben werde, dass von dem ermittelten Aufwand lediglich noch ein altersphysiologischer Mehrbedarf von 135 Minuten abgezogen werden müsse, sei dies zwar korrekt, jedoch sei auch der Entwicklungsstand des Klägers nicht stehen geblieben, sodass man ebenfalls nicht von den seinerzeit ermittelten Zeitwerten ausgehen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist nach §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sie ist auch zulässig, namentlich fristgerecht (§ 105 Abs. 2 SGG) erhoben worden.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die auf die Gewährung von Pflegegeld gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung der Pflegekasse ist nicht zu beanstanden.
Nach § 37 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) kann der Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflege ein Pflegegeld beantragen, um damit die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung sicherzustellen. Dieser Anspruch setzt Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI voraus. Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftig im Sinne des SGB XI solche Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen. Zu berücksichtigen ist hierbei ausschließlich der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, die Absatz 4 der Vorschrift in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufteilt. Ferner muss nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; Abs. 3 Nr. 1 SGB XI für die Pflegestufe I ein Mindestmaß an Hilfebedarf bei der Grundpflege, d.h. bei Körperpflege, Ernährung und Mobilität, in Höhe von mehr als 45 Minuten täglich bestehen. Nach § 15 Abs. 2 SGB XI ist bei Kindern für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgeblich.
Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Gerichts (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) steht fest, dass der zusätzliche Hilfebedarf des Klägers in der Grundpflege seit Antragstellung 45 Minuten nicht übersteigt. Das Gericht schöpft seine Überzeugung aus der zweimaligen Begutachtung durch den MDK, der auch der Kläger nicht substantiiert entgegen getreten ist. Danach ist er weitgehend altersnormal entwickelt und bedarf – verglichen mit einem gesunden gleichaltrigen Kind – zusätzlicher Hilfe lediglich in geringfügigem Umfang, und zwar im Bereich der Ernährung in Gestalt einer Beaufsichtigung bei den 3 Hauptmahlzeiten zu je 10 Minuten und zwei Zwischenmahlzeiten zu je 5 Minuten, insgesamt 45 Minuten. Hiervon wiederum ist nur derjenige Teil anrechenbar, der den Bedarf eines gleichaltrigen, gesunden Kindes im Bereich der Ernährung übersteigt, so dass letztlich ein Hilfebedarf von nur wenigen Minuten am Tag bleibt. Diese Feststellung deckt sich mit den Angaben der Mutter im Pflegetagebuch, welches in diesem Bereich von 72 Minuten täglich bezogen auf zwei Kinder, mithin von lediglich 36 Minuten täglich für den Kläger allein ausgeht. Schon danach lässt sich ein Gesamtaufwand von mehr als 45 Minuten nicht feststellen. Dies gilt auch für den Zeitraum zwischen der letzten Begutachtung und der Entscheidung des Senats. Denn für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist weder etwas dargetan noch sonst ersichtlich. Weiterer Ermittlungen bedarf es deshalb insoweit nicht.
Der darüber hinaus geltend gemachte zusätzliche Hilfebedarf in Gestalt der Portionierung der Lebensmittel nach Broteinheiten (1) und die Durchführung mehrmals täglicher Messungen des Blutzuckerwertes und mehrmals täglicher Gabe von Insulininjektionen (2) sowie der Aufwand für die Begleitung des Klägers auf dem Weg von und zum integrativen Kindergarten (3) unterfällt nicht der gesetzlichen Pflegeversicherung.
1) Das Portionieren der Lebensmittel im Rahmen der diätetischen Versorgung eines Diabetikers gehört nicht zur Grundpflege. Im Bereich der Ernährung unterscheidet § 14 Abs. 4 SGB XI nämlich zwischen der mundgerechten Zubereitung oder der Aufnahme der Nahrung einerseits, wobei ein Hilfebedarf bei diesen Verrichtungen der Grundpflege nach Nummer 2 zuzuordnen ist, sowie dem Einkaufen und Kochen andererseits, das dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Nr. 4 zugewiesen ist. Die Vorschrift differenziert damit allein nach dem äußeren Ablauf der Verrichtungen; sie knüpft nicht an das mit der Verrichtung angestrebte Ziel an. Bezogen auf den allerdings existenznotwendigen Lebensbereich Ernährung bedeutet dies, dass in die Grundpflege nicht umfassend alle Maßnahmen einzubeziehen sind, die im konkreten Einzelfall im weitesten Sinn dem Ernährungsvorgang zugeordnet werden können. Zur Grundpflege gehört nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI vielmehr nur die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme selbst sowie die letzte Vorbereitungsmaßnahme, soweit eine solche nach der Fertigstellung der Mahlzeit krankheits- oder behinderungsbedingt erforderlich wird. Für einen derartigen – über denjenigen eines gleichaltrigen gesunden Kindes hinausgehenden – Hilfebedarf ist bei dem Kläger nichts ersichtlich. Vielmehr nimmt er die mundgerecht zubereitete Nahrung weitgehend selbständig auf bedarf ansonsten lediglich der Beaufsichtigung in dem festgestellten Umfange. Im Übrigen ist bei an Stoffwechselstörungen leidenden Personen die Einbeziehung solcher Hilfen in die Grundpflege ausgeschlossen, die nur dazu dienen, die Verträglichkeit der Nahrung – etwa durch Kontrollmaßnahmen oder durch Zuführung von Arzneimitteln – sicherzustellen, wenn derartige Maßnahmen nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit den im Katalog aufgeführten Verrichtungen der Grundpflege vorgenommen werden müssen. Daran fehlt es bei Diabetikern generell. Vielmehr gehört – auch bei einem an Diabetes leidenden Kind – das Berechnen, Zusammenstellen und Abwiegen der Mahlzeiten nicht zum "mundgerechten Zubereiten" der Nahrung (Bundessozialgericht 19.02.1998 – B 3 P 3/97 R, SozR 3-3300 § 14 Nr. 2). Es handelt sich vielmehr um Vorbereitungshandlungen für die Nahrungsaufnahme. Entsprechende Hilfeleistungen sind dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ("Kochen") zuzurechnen (BSG a.a.O.).
2) Eben so wenig gehören Blutzuckertests, das Spritzen von Insulin und die entsprechende Dokumentation zur Grundpflege im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB XI. Hierbei handelt es sich vielmehr um krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen (Behandlungspflege), die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O.) nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie einer der in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen zugerechnet werden können. Hieran fehlt es. Die Messungen des Blutzuckerspiegels und die entsprechende Dokumentation dienen als Vorbereitungshandlungen dem Berechnen, Zusammenstellen sowie Abwiegen und Portionieren der Mahlzeiten und damit allenfalls der hauswirtschaftlichen Versorgung ("Kochen") (19.02.1998, B 3 P 3/97 R, SozR 3-3300 § 14 Nr. 2). Das Spritzen von Insulin ist zu weit vom natürlichen Vorgang des Essens entfernt, um noch unter "Aufnahme der Nahrung" (§ 15 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) subsumiert werden zu können. Es handelt sich um eine selbständige Maßnahme der Behandlungspflege ohne Bezug zu einer der Verrichtungen des Katalogs des § 14 Abs. 4 SGB XI (BSG 16.12.1999, B 3 P 5/98 R, juris). Seinen diesbezüglichen Leistungsanspruch kann der Kläger schließlich auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte ihn über Ansprüche aufgeklärt hat, die hinsichtlich der Behandlungspflege im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen könnten. Denn nach § 37 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) hat zwar der Versicherte Anspruch auf häusliche Krankenpflege, nach Absatz 2 der Vorschrift besteht unter Umständen auch Anspruch auf Behandlungspflege, die nach Absatz 4 auch durch eine Geldleistung erbracht werden kann, jedoch wäre im Falle des Klägers ein solcher Anspruch nach § 37 Abs. 3 SGB V schon deswegen ausgeschlossen, weil seine Mutter die erforderlichen Leistungen erbringen kann.
3) Zur Grundpflege gehört auch nicht der zeitliche Aufwand der Mutter im Zusammenhang mit dem Besuch des integrativen Kindergartens. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 i.V.m. § 15 Abs. 3 SGB XI ist hierzu zwar unter dem Blickwinkel der Aufrechterhaltung der Mobilität auch das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu rechnen. Jedoch gilt dies nur für Wege, die zur Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind, mit denen eine stationäre Unterbringung mithin abgewendet werden soll. Hieran fehlt es bei dem Besuch eines integrativen Kindergartens. Denn die hierdurch erfolgende Förderung bliebe auch bei Heimunterbringung in gleicher Weise erforderlich, um die geistigen und körperlichen Kräfte zu entwickeln und zu stabilisieren. Sie ist deshalb der Eingliederungshilfe zuzurechnen. Es handelt sich um keine Leistung der gesetzlichen Pflegversicherung (BSG 29.04.1999, B 3 P 7/98 R, SozR 3-3300 § 14 Nr. 10).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung im Streit.
Bei dem am XX.XXXXX 2002 geborenen, heute 4-jährigen Kläger wurde im November 2003 ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus festgestellt, der seitdem mit Insulin behandelt wird. Es konnte eine stabile Langzeitstoffwechsellage erzielt werden. Er lebt zusammen mit seinem am XX.XXXX 2000 geborenen, ebenfalls an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus erkrankten Bruder im Haushalt seiner allein erziehenden Mutter, die die etwa fünf Mal täglich notwendigen Insulingaben und die sechs bis acht Mal täglich notwendigen Blutzuckerkontrollen vornimmt. Dem Kläger wurden ein GdB von 50 und das Merkzeichen "H" zuerkannt. Er besucht einen integrativen Kindergarten. Seit kurzem ist er mit einer Insulinpumpe versorgt.
Am 20. Januar 2005 begehrte der Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung in der Gestalt von Geldleistungen. Es bestehe ein Hilfebedarf bei der Ernährung, der Bewegung und der Körperpflege. Die Beklagte ließ den Pflegeaufwand durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachten. Die Kinderkrankenschwester A. M. gelangte nach einem am 14. Februar 2005 durchgeführten Hausbesuch in ihrem schriftlichen Gutachten vom selben Tage zu der Einschätzung, dass eine Pflegestufe nicht erreicht werde. Der Kläger sei in den von der Pflegeversicherung abgedeckten Bereichen weitgehend normal entwickelt. Krankheitsbedingt fänden unfangreiche behandlungspflegerische Maßnahmen statt, die für eine Einstufung nicht herangezogen werden dürften. Der Mehrbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung allein reiche nicht für die Anerkennung von Pflegebdürftigkeit aus. Von dem insgesamt ermittelten Gesamtpflegeaufwand in Höhe von 174 Minuten pro Tag sei ein altersphysiologischer Bedarf von 165 Minuten abzuziehen. Der verbleibende Bedarf von 9 Minuten erfülle nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung erheblicher Pflegebedürftigkeit.
Mit Bescheid vom 28. Februar 2005 lehnte die Beklagte die begehrten Leistungen ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung heißt es, die vom MDK ermittelten Zeiten seien vor allem im Bereich der Nahrungszubereitung schlicht falsch. Daraufhin bat die Beklagte, zur Vorbereitung der Widerspruchsentscheidung ein Pflegetagebuch zu führen. Das von der Mutter des Klägers für beide Geschwister gemeinsam für eine nicht benannte Kalenderwoche geführte und der Beklagten mit Schreiben vom 9. Juni 2005 vorgelegte Tagebuch schließt mit einem täglichen Gesamtpflegebedarf von 567 Minuten ab, wovon 376, 5 Minuten auf die Grundpflege (Körperpflege 93, Ernährung 72 (mundgerechte Zubereitung 36, Aufnahme der Nahrung 36), Mobilität 211,5) entfallen, ohne indessen eine Differenzierung oder Aufteilung zwischen den Geschwistern vorzunehmen. Im Begleitschreiben der Mutter heißt es, abweichend von den Vorgaben des Tagebuchs müssten die regelmäßigen Insulingaben und Blutzuckermessungen ebenso Berücksichtigung finden, wie der zeitliche Aufwand für den Transfer zum Kindergarten.
Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger erneut durch den MDK begutachten. Der Facharzt für Kinderheilkunde Dr. V. gelangte nach Hausbesuch am 30. August 2005 zu der Einschätzung, dass keine Pflegestufe vorliege. Neben dem Diabetes lägen eine Sprachentwicklungsverzögerung und eine verzögerte Kontinenzentwicklung vor. Der Aufwand in der Grundpflege sei mit dem Vorgutachten praktisch identisch. Nach Abzug des altersnormalen Aufwandes ergebe sich in der Grundpflege ein geringfügig erhöhter Mehraufwand. Der Gesamtpflegezeitaufwand in der Grundpflege betrage nunmehr 173 Minuten. Hiervon seien 150 Minuten altersnormaler Hilfebedarf abzuziehen. Bei der Nahrungsaufnahme sei altersnormale Unterstützung notwendig. Zusätzlich sei Unterstützung bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (Diät) erforderlich. Außerdem benötige der Kläger aufwändige behandlungspflegerische Versorgung in Gestalt von mindestens 5 Insulininjektionen und 6 bis 8 Blutzuckerkontrollen am Tag sowie gelegentlichen Kontrollen des Urinzuckers.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei einem täglichen Mehrbedarf in der Grundpflege in Höhe von nur 9 Minuten könne eine Pflegestufe nicht anerkannt werden. Das Sozialgericht hat die daraufhin fristgerecht erhobene Klage, mit der geltend gemacht worden war, dass der Kläger mehr Mahlzeiten als ein gleichaltriges gesundes Kind benötige, welche überdies aufwändig vorbereitet und überwacht werden müssten, dass ferner Blutzuckerkontrollen und Insulingaben untrennbar mit den Mahlzeiten verbunden seien und dass ihm schließlich krankheitsbedingt ein Kindergarten in der Nähe der Wohnung verschlossen sei, durch am 11. Juli 2006 zugestellten Gerichtsbescheid vom 6. Juli 2006 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen auf die zu vergleichbaren Fällen ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Bezug genommen. Danach bedürfe der Kläger für die nach dem abschließenden Gesetzeskatalog allein maßgeblichen persönlichen Verrichtungen der Grundpflege gegenüber einen gesunden Kind mit Ausnahme eines etwas höheren Überwachungsbedarfs bei der Ernährung praktisch keiner und insgesamt jedenfalls nicht mehr als 45 Minuten zusätzlicher Hilfen am Tag. Auf die Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger hat am 9. August 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er bedürfe aufgrund seiner Erkrankung nach wie vor eines erheblich höheren Pflegeaufwandes als gesunde Kinder seines Alters. Schon nach dem Gutachten der Beklagten vom 30. August 2005 habe er einen täglichen Grundpflegeaufwand in Höhe von 173 Minuten benötigt. Nunmehr sei er 51 Monate alt, sodass altersbedingt lediglich noch 135 Minuten von den ermittelten Zeiten abzuziehen seien. Der tatsächliche Pflegeaufwand sei aber erheblich höher. Außerdem seien entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sowohl die Insulingabe, die Portionierung der Nahrungsmittel nach Broteinheiten als auch die regelmäßige Kontrolle der Blutwerte untrennbar mit der Nahrungsaufnahme verbunden. Eine Trennung dieser Schritte von der Nahrungsaufnahme sei wirklichkeitsfremd. Sie führe in letzter Konsequenz dazu, dass bei einem an Diabetes erkrankten Kind in absehbarer Zeit eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintreten werde. Für ein solches Kind seien diese Schritte überlebensnotwendig und gleichzusetzen mit der Vorbereitung von Nahrungsmitteln für erkrankte Menschen, die nicht mehr kauen oder schlucken könnten. Außerdem liege ein anderes Krankheitsbild als bei dem älteren Bruder vor. Er – der Kläger – leide nämlich zusätzlich an einer Sprachentwicklungsverzögerung. Der Anspruch werde auch auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt. Er habe sich nämlich an die Beklagte auch gewandt, um beraten zu werden. Diese Beratung hätte dahin gehen müssen, ihm aufzuzeigen, welche Möglichkeiten im Bereich der Krankenversicherung bestünden. Dies gelte umso mehr, als sich Pflegeversicherung und Krankenversicherung unter einem Dach befänden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2005 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung und ihren Bescheid für rechtens. Bei dem Kläger sei ein Gesamtzeitaufwand in der Grundpflege von 174 Minuten ermittelt worden. Hiervon sei noch ein altersphysiologischer Mehrbedarf von 165 Minuten pro Tag abzuziehen. Es verbleibe lediglich ein Pflegebedarf von 9 Minuten pro Tag. Zu berücksichtigen seien weder Blutzuckerwertmessungen noch Insulininjektionen. Dies folge aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Trotz seiner Zweckmäßigkeit stehe der Besuch des integrativen Kindergartens nicht im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Existenz in der häuslichen Umgebung, sodass er nicht dem Aufgabenbereich der Pflegeversicherung, sondern der Eingliederungshilfe zugeordnet werden könne. Soweit im Berufungsverfahren darauf abgehoben werde, dass von dem ermittelten Aufwand lediglich noch ein altersphysiologischer Mehrbedarf von 135 Minuten abgezogen werden müsse, sei dies zwar korrekt, jedoch sei auch der Entwicklungsstand des Klägers nicht stehen geblieben, sodass man ebenfalls nicht von den seinerzeit ermittelten Zeitwerten ausgehen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist nach §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sie ist auch zulässig, namentlich fristgerecht (§ 105 Abs. 2 SGG) erhoben worden.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die auf die Gewährung von Pflegegeld gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung der Pflegekasse ist nicht zu beanstanden.
Nach § 37 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) kann der Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflege ein Pflegegeld beantragen, um damit die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung sicherzustellen. Dieser Anspruch setzt Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI voraus. Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftig im Sinne des SGB XI solche Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen. Zu berücksichtigen ist hierbei ausschließlich der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, die Absatz 4 der Vorschrift in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufteilt. Ferner muss nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; Abs. 3 Nr. 1 SGB XI für die Pflegestufe I ein Mindestmaß an Hilfebedarf bei der Grundpflege, d.h. bei Körperpflege, Ernährung und Mobilität, in Höhe von mehr als 45 Minuten täglich bestehen. Nach § 15 Abs. 2 SGB XI ist bei Kindern für die Zuordnung der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgeblich.
Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Gerichts (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) steht fest, dass der zusätzliche Hilfebedarf des Klägers in der Grundpflege seit Antragstellung 45 Minuten nicht übersteigt. Das Gericht schöpft seine Überzeugung aus der zweimaligen Begutachtung durch den MDK, der auch der Kläger nicht substantiiert entgegen getreten ist. Danach ist er weitgehend altersnormal entwickelt und bedarf – verglichen mit einem gesunden gleichaltrigen Kind – zusätzlicher Hilfe lediglich in geringfügigem Umfang, und zwar im Bereich der Ernährung in Gestalt einer Beaufsichtigung bei den 3 Hauptmahlzeiten zu je 10 Minuten und zwei Zwischenmahlzeiten zu je 5 Minuten, insgesamt 45 Minuten. Hiervon wiederum ist nur derjenige Teil anrechenbar, der den Bedarf eines gleichaltrigen, gesunden Kindes im Bereich der Ernährung übersteigt, so dass letztlich ein Hilfebedarf von nur wenigen Minuten am Tag bleibt. Diese Feststellung deckt sich mit den Angaben der Mutter im Pflegetagebuch, welches in diesem Bereich von 72 Minuten täglich bezogen auf zwei Kinder, mithin von lediglich 36 Minuten täglich für den Kläger allein ausgeht. Schon danach lässt sich ein Gesamtaufwand von mehr als 45 Minuten nicht feststellen. Dies gilt auch für den Zeitraum zwischen der letzten Begutachtung und der Entscheidung des Senats. Denn für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist weder etwas dargetan noch sonst ersichtlich. Weiterer Ermittlungen bedarf es deshalb insoweit nicht.
Der darüber hinaus geltend gemachte zusätzliche Hilfebedarf in Gestalt der Portionierung der Lebensmittel nach Broteinheiten (1) und die Durchführung mehrmals täglicher Messungen des Blutzuckerwertes und mehrmals täglicher Gabe von Insulininjektionen (2) sowie der Aufwand für die Begleitung des Klägers auf dem Weg von und zum integrativen Kindergarten (3) unterfällt nicht der gesetzlichen Pflegeversicherung.
1) Das Portionieren der Lebensmittel im Rahmen der diätetischen Versorgung eines Diabetikers gehört nicht zur Grundpflege. Im Bereich der Ernährung unterscheidet § 14 Abs. 4 SGB XI nämlich zwischen der mundgerechten Zubereitung oder der Aufnahme der Nahrung einerseits, wobei ein Hilfebedarf bei diesen Verrichtungen der Grundpflege nach Nummer 2 zuzuordnen ist, sowie dem Einkaufen und Kochen andererseits, das dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Nr. 4 zugewiesen ist. Die Vorschrift differenziert damit allein nach dem äußeren Ablauf der Verrichtungen; sie knüpft nicht an das mit der Verrichtung angestrebte Ziel an. Bezogen auf den allerdings existenznotwendigen Lebensbereich Ernährung bedeutet dies, dass in die Grundpflege nicht umfassend alle Maßnahmen einzubeziehen sind, die im konkreten Einzelfall im weitesten Sinn dem Ernährungsvorgang zugeordnet werden können. Zur Grundpflege gehört nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI vielmehr nur die Hilfe bei der Nahrungsaufnahme selbst sowie die letzte Vorbereitungsmaßnahme, soweit eine solche nach der Fertigstellung der Mahlzeit krankheits- oder behinderungsbedingt erforderlich wird. Für einen derartigen – über denjenigen eines gleichaltrigen gesunden Kindes hinausgehenden – Hilfebedarf ist bei dem Kläger nichts ersichtlich. Vielmehr nimmt er die mundgerecht zubereitete Nahrung weitgehend selbständig auf bedarf ansonsten lediglich der Beaufsichtigung in dem festgestellten Umfange. Im Übrigen ist bei an Stoffwechselstörungen leidenden Personen die Einbeziehung solcher Hilfen in die Grundpflege ausgeschlossen, die nur dazu dienen, die Verträglichkeit der Nahrung – etwa durch Kontrollmaßnahmen oder durch Zuführung von Arzneimitteln – sicherzustellen, wenn derartige Maßnahmen nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit den im Katalog aufgeführten Verrichtungen der Grundpflege vorgenommen werden müssen. Daran fehlt es bei Diabetikern generell. Vielmehr gehört – auch bei einem an Diabetes leidenden Kind – das Berechnen, Zusammenstellen und Abwiegen der Mahlzeiten nicht zum "mundgerechten Zubereiten" der Nahrung (Bundessozialgericht 19.02.1998 – B 3 P 3/97 R, SozR 3-3300 § 14 Nr. 2). Es handelt sich vielmehr um Vorbereitungshandlungen für die Nahrungsaufnahme. Entsprechende Hilfeleistungen sind dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ("Kochen") zuzurechnen (BSG a.a.O.).
2) Eben so wenig gehören Blutzuckertests, das Spritzen von Insulin und die entsprechende Dokumentation zur Grundpflege im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB XI. Hierbei handelt es sich vielmehr um krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen (Behandlungspflege), die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (a.a.O.) nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie einer der in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen zugerechnet werden können. Hieran fehlt es. Die Messungen des Blutzuckerspiegels und die entsprechende Dokumentation dienen als Vorbereitungshandlungen dem Berechnen, Zusammenstellen sowie Abwiegen und Portionieren der Mahlzeiten und damit allenfalls der hauswirtschaftlichen Versorgung ("Kochen") (19.02.1998, B 3 P 3/97 R, SozR 3-3300 § 14 Nr. 2). Das Spritzen von Insulin ist zu weit vom natürlichen Vorgang des Essens entfernt, um noch unter "Aufnahme der Nahrung" (§ 15 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) subsumiert werden zu können. Es handelt sich um eine selbständige Maßnahme der Behandlungspflege ohne Bezug zu einer der Verrichtungen des Katalogs des § 14 Abs. 4 SGB XI (BSG 16.12.1999, B 3 P 5/98 R, juris). Seinen diesbezüglichen Leistungsanspruch kann der Kläger schließlich auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte ihn über Ansprüche aufgeklärt hat, die hinsichtlich der Behandlungspflege im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen könnten. Denn nach § 37 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) hat zwar der Versicherte Anspruch auf häusliche Krankenpflege, nach Absatz 2 der Vorschrift besteht unter Umständen auch Anspruch auf Behandlungspflege, die nach Absatz 4 auch durch eine Geldleistung erbracht werden kann, jedoch wäre im Falle des Klägers ein solcher Anspruch nach § 37 Abs. 3 SGB V schon deswegen ausgeschlossen, weil seine Mutter die erforderlichen Leistungen erbringen kann.
3) Zur Grundpflege gehört auch nicht der zeitliche Aufwand der Mutter im Zusammenhang mit dem Besuch des integrativen Kindergartens. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 i.V.m. § 15 Abs. 3 SGB XI ist hierzu zwar unter dem Blickwinkel der Aufrechterhaltung der Mobilität auch das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu rechnen. Jedoch gilt dies nur für Wege, die zur Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind, mit denen eine stationäre Unterbringung mithin abgewendet werden soll. Hieran fehlt es bei dem Besuch eines integrativen Kindergartens. Denn die hierdurch erfolgende Förderung bliebe auch bei Heimunterbringung in gleicher Weise erforderlich, um die geistigen und körperlichen Kräfte zu entwickeln und zu stabilisieren. Sie ist deshalb der Eingliederungshilfe zuzurechnen. Es handelt sich um keine Leistung der gesetzlichen Pflegversicherung (BSG 29.04.1999, B 3 P 7/98 R, SozR 3-3300 § 14 Nr. 10).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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