L 1 KR 19/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 KR 1276/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 19/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 31. Mai 2006 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist, ob die Beklagte der Klägerin Zahlungen für die von dieser in der Zeit vom 11. September 2001 bis zum 26. August 2002 erbrachten ärztlich verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 Sozialgesetzbuch - SGB V) zu leisten hat.

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Sie erbrachte bereits gegenüber Versicherten der Rechtsvorgängerin der Beklagten (BKK Stadt Hamburg) seit Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit im Jahr 1997 Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Für deren Vergütung fand die "Rahmenvereinbarung über die Durchführung häuslicher Pflege- und Versorgungsleistungen - § 132 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V" vom 1. August 1994 Anwendung.

Dieser Vertrag war von dem die Beklagte damals vertretenden BKK-Landesverband NORD mit Schreiben vom 25. Juni 1998 zum 31. Dezember 1998 gekündigt worden. Der BKK-Landesverband NORD erklärte jedoch mit Schreiben vom 18. Dezember 1998 und vom 12. April 2000, die Betriebskrankenkassen – also auch die Beklagte – ließen den gekündigten Vertrag ab 1. Januar 1999 und mit Modifikationen ab 12. April 2000 "bis zum Abschluss der Verhandlungen eines neuen Vertrages" weiter gegen sich gelten. Die Beklagte vergütete auch weiterhin auf dieser Grundlage durch die Klägerin erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

Nachdem die Beklagte dem BKK-Landesverband NORD am 26. Oktober 2000 das Verhandlungsmandat entzogen hatte, übermittelte sie mit Schreiben vom 12. März 2001 der Klägerin (und anderen Pflegebetrieben; vgl. LSG Hamburg 10.11.2004 – L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472) ein schriftliches Vertragsangebot mit einer Vergütungsregelung. In diesem den Beteiligten bekannten Schreiben ist ausgeführt:

"Sollten Sie den Vertrag nicht unterschreiben wollen, bitten wir um kurzfristige Information, damit wir die Versorgung des Patienten über einen Partner, der den Vertrag unterschrieben hat, sicherstellen können. Da wir in der Lage sind, die Versorgung aller unserer Patienten mit Partnern sicherzustellen, die dem Vertrag beigetreten sind, bitten wir um Ihr Verständnis, daß unser Vertragsangebot nicht verhandlungsfähig ist."

Die Klägerin nahm dieses Vertragsangebot – zunächst – nicht an. Eine Besprechung am 3. April 2001 von Vertretern der Beklagten und der Hamburgische Pflegegesellschaft e. V. (HPG), die auch die Klägerin in den Verhandlungen vertrat, endete damit, dass die Beklagte die Verhandlungen vorerst für gescheitert erklärte. Mit dem den Beteiligten bekannten Schreiben vom 5. April 2001 unterrichtete sie die Klägerin (und andere Pflegebetriebe; vgl. LSG Hamburg 10.11.2004 – L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472) davon, dass die Verhandlungen ohne Ergebnis abgeschlossen worden seien. Damit ende die zwischen der HPG und dem BKK-Landesverband NORD abgeschlossene Übergangsregelung vom 12. April 2000 mit der Folge, dass Versicherte der Beklagten vom 4. April 2001 an nicht mehr zu Lasten der Beklagten betreut werden könnten.

Gleichwohl vergütete die Beklagte weiterhin die von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Dies hatte seinen Grund darin, dass die Klägerin bis zum Jahr 2000 Mitglied im Zentralverband Hamburger Pflegedienste e. V. (ZHP) gewesen und dann zum Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. gewechselt, dies aber der Beklagten zunächst nicht bekannt geworden war. Infolge dessen vergütete sie bis zum 10. September 2001 durch die Klägerin erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege aufgrund eines zwischen ihr und dem ZHP geschlossenen Vergleichs. Für die Zeit ab 11. September 2001 stellte die Beklagte nach Kenntniserlangung die Vergütungen für die von der Klägerin erbrachten Leistungen ein.

Dies teilte sie der Klägerin in der Form mit, dass sie dieser in den einzelnen Leistungsfällen schriftlich anzeigte, es würden keine Kosten übernommen, da ein Versorgungsvertrag nicht abgeschlossen sei. Hierzu verwies die Beklagte auf ihre Schreiben an die Klägerin im Leistungsfall des Versicherten O., dem die Klägerin ab 27. Dezember 2001 Pflegeleistungen erbrachte.

Die Beklagte informierte zudem ihre Versicherten schriftlich darüber, dass verordnete Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu ihren Lasten nur von Pflegediensten erbracht werden könnten, mit denen ein Versorgungsvertrag bestehe und dass diese Voraussetzung der beauftragte Pflegedienst nicht erfülle. Doch könnten die Versicherten die Leistungen, auf die sie nach wie vor einen Anspruch hätten, jederzeit von einem Pflegedienst erhalten, mit dem die Beklagte einen Versorgungsvertrag geschlossen habe. Eine Liste der Vertragspartner war diesen Schreiben an die Versicherten beigefügt.

Ein neuer Vertrag kam auch weiterhin zwischen den Beteiligten zunächst nicht zustande.

Gleichwohl erbrachte die Klägerin fortwährend Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber Versicherten der Beklagten, die jedoch von der Beklagten für die Zeit vom 11. September 2001 bis zum 26. August 2002 nicht vergütet wurden.

Erst am 27. August 2002 unterschrieb die Klägerin einen neuen Vertrag nach § 132 Abs. 1, § 132a Abs. 2 SGB V mit der Beklagten, der noch am 27. August 2002 in Kraft trat. Aufgrund dieses Vertrags nahm die Beklagte die Vergütung der von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege ab diesem Zeitpunkt wieder auf.

Mit ihrer Klage vom 19. Juli 2002 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht der Sache nach geltend gemacht, die Beklagte habe ihr die in der Zeit vom 11. September 2001 bis zum 26. August 2002 erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach den Sätzen des Vertrags vom 1. August 1994 unter Beachtung der Modifikationen vom 12. April 2000, zumindest aber nach den Sätzen des am 27. August 2002 zwischen ihnen in Kraft getretenen Vertrags zu vergüten. Dies habe die Beklagte abgelehnt.

Durch am 7. Juni 2006 der Beklagten zugestellten Gerichtsbescheid vom 31. Mai 2006 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung von 16.722,11 EUR nebst Zinsen an die Klägerin. Zwar habe die Klägerin keine vertraglichen Ansprüche gegen die Beklagte, wie sich aus der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Hamburg ergebe. Doch habe die Klägerin einen Anspruch nach §§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die 16.722,11 EUR, "welche die Beklagte ohne die von der Klägerin für Versicherte der Beklagten erbrachten Pflegeleistungen an einen Vertragspflegedienst hätte aufwenden müssen, und die damit den von der Beklagten nach § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzenden (objektiven Verkehrs-)Wert der von ihr i. S. d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne rechtlichen Grund erlangten Leistungen ausmachen". Diesem Anspruch stehe weder § 814 BGB noch der Einwand einer aufgedrängten Bereicherung entgegen. Die Klägerin habe lediglich während ins Stocken geratener Vertragsverhandlungen weiter Leistungen der häuslichen Krankenpflege für Versicherte der Beklagten in Erwartung einer noch zu erzielenden Einigung erbracht.

Die Beklagte hat am 19. Juni 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie unter anderem vor, es könne nicht angehen, dass die Klägerin in Kenntnis der Vertragslosigkeit einfach "drauflos pflegt" in der Hoffnung, hinterher "zumindest etwas" von dem Rechnungsbetrag zu erhalten. Die anwaltlich betreute Klägerin habe nicht damit rechnen können, trotz des vertragslosen Zustands ihre Leistung durch Entgelt belohnt zu erhalten. Auch habe sie im streitigen Zeitraum schon mit zahlreichen Pflegediensten einen neuen Vertrag geschlossen gehabt und die Klägerin monatlich im Durchschnitt nur sechs Versicherte betreut. Dies zeige, dass diese Versicherten auch durch Vertragsunternehmen hätten betreut werden können.

Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 31. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie verweist unter anderem darauf, dass es ihr darum gegangen sei, den Anspruch der Versicherten der Beklagten auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege dieser gegenüber weiterhin zu erfüllen. Durch ihr Tätigwerden sei die Beklagte von ihrer Leistungspflicht befreit worden, ohne dass hierfür ein Rechtsgrund zwischen den Beteiligten bestanden habe. Ihr Anspruch scheitere auch nicht an § 814 BGB. Dies käme nur in Betracht, wenn sie erkennbar keine Gegenleistung erwartet hätte. So liege der Fall aber nicht, denn sie habe während der Zeit der Vertragsverhandlungen und der Auseinandersetzung um die Frage des Inhalts des Vertrags weiterhin Leistungen für die Beklagte erbracht und diese in Höhe der erbrachten Leistungen von ihren Verbindlichkeiten gegenüber den Versicherten befreit. Die Beteiligten hätten in dieser Zeit im Wesentlichen nur über die Höhe der Vergütung gestritten. Die Leistungen seien auch nicht als aufgedrängte Bereicherung zu werten, denn sie hätten im objektiven Interesse der Beklagten gelegen, die lediglich keine höhere als die in ihrem Vertragsangebot bezeichnete Vergütung habe zahlen wollen. Im Übrigen wird bestritten, dass die Beklagte in der Lage gewesen sei, in dem hier streitigen Zeitraum ihren Versorgungsauftrag auch ohne die Leistungen der Klägerin erfüllen zu können.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 105 Abs. 2, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat der zulässigen allgemeinen Leistungsklage zu Unrecht im tenorierten Umfang – das heißt teilweise, auch wenn eine ausdrückliche Abweisung der weitergehenden Klage im Übrigen fehlt – stattgegeben. Der Klägerin steht ein Zahlungsanspruch nicht zu.

Vertragliche Ansprüche für das Zahlungsbegehren der Klägerin scheiden von vornherein aus. Im streitigen Zeitraum bestand zwischen den Beteiligten kein Vertrag. Dieser war wirksam zum 31. Dezember 1998 gekündigt worden (so bereits die Urteile des erkennenden Senats LSG Hamburg 22.9.2004 – L 1 KR 1/03, n. v., und LSG Hamburg 10.11.2004 – L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472).

Auch nachwirkende Vertragsansprüche mit Blick auf den zum 31. Dezember 1998 gekündigten Vertrag oder vorwirkende Vertragsansprüche mit Blick auf den am 27. August 2002 zwischen den Beteiligten in Kraft getretenen neuen Vertrag scheiden aus.

Der gekündigte Vertrag wirkte nach Ablauf des Jahres 1998 nicht fort (siehe auch insoweit schon die Urteile des erkennenden Senats LSG Hamburg 22.9.2004 – L 1 KR 1/03, n. v., und LSG Hamburg 10.11.2004 – L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472). Ein allgemeiner Fortgeltungsgrundsatz lässt sich auch nicht aus der Pflicht zur Versorgung der Versicherten nach § 70 SGB V ableiten, weil diese Vorschrift nichts über die Vergütung aussagt (BSG 13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 4 Rn. 8). Dem steht die Erklärung des BKK-Landesverbandes NORD, die gekündigten Regelungen zunächst weiter gegen sich gelten zu lassen, nicht entgegen. Diese einseitige Erklärung band die Beklagte allenfalls bis zu ihrem Widerruf. Dementsprechend verlor sie ihre Geltung, nachdem die Klägerin das ihr von der Beklagten unterbreitete Vertragsangebot vom 12. März 2001 nicht angenommen hatte und ihr mit Schreiben der Beklagten vom 5. April 2001 mitgeteilt worden war, dass ohne Vertragsabschluss ab dem 4. April 2001 Leistungen weder bewilligt noch vergütet würden (siehe auch insoweit das Urteil des erkennenden Senats LSG Hamburg 10.11.2004 – L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472). Nach dieser Erklärung der Beklagten, durch die sie ihren einer Fortwirkung der früheren Vergütungsregelung entgegenstehenden Willen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, kann sich die Klägerin nicht mehr auf ein fortbestehendes Vertrauen berufen (vgl. BSG 13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 4 Rn. 8).

Daran ändert letztlich auch nichts, dass sich die Beklagte zunächst nicht entsprechend verhalten sondern nach dem 4. April 2001 bis zum 10. September 2001 weiterhin durch die Klägerin erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege tatsächlich vergütet hatte. Denn ein erneuerter, erkennbarer Wille der Beklagten, die frühere Vergütungsregelung – etwa mit Blick auf laufende Vertragsverhandlungen oder auf der Grundlage einer vergleichsweisen Regelung – gegen sich fortwirken zu lassen, der der Klägerin einen entsprechenden Anspruch auf eine weitere Vergütung auf rechtsgeschäftlicher Grundlage zu vermitteln vermöchte, lässt sich hieraus nicht herleiten.

Für eine Vorwirkung von Hauptleistungspflichten – hier der Vergütung – des erst am 27. August 2002 zwischen den Beteiligten in Kraft getretenen Vertrags fehlt schon ein rechtlicher Anknüpfungspunkt.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Krankenkassen über die Preise und deren Abrechnung Verträge mit den Leistungserbringern abschließen (§ 132a Abs. 2 SGB V). Kommen solche Verträge nicht zustande, liegt ein vertragsloser Zustand vor, der nicht schlicht dadurch überbrückt werden kann, dass Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht, abgerechnet und vergütet werden, so als ob das Vertragsverhältnis fortbestünde (so aber im Ergebnis Kranig, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 132a Rn. 15 f.). Dies jedenfalls dann nicht, wenn Vertragsverhandlungen nicht mehr stattfinden.

So aber liegt es hier. Die Beklagte hielt bereits ab 4. April 2001 die Vertragsverhandlungen für gescheitert. Diese sind auch nicht durch den – politischen – Mediationsversuch, der zudem am 12. September 2001 scheiterte, wieder aufgenommen worden. Anders als die Klägerin immer wieder vorträgt befanden sich die Beteiligten im streitbefangenen Zeitraum nicht mehr in Vertragsverhandlungen. Sie haben also nicht mehr nur um die Höhe der Vergütung gestritten.

Über das Fehlen eines vertraglichen Vergütungsanspruchs vermag vorliegend auch das zivilrechtliche Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB, das auf die öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen der Beteiligten entsprechend anwendbar ist (siehe BSG 13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 3 Rn. 6, unter Hinweis auf § 69 Satz 3 SGB V; LSG Berlin-Brandenburg 4.7.2006 – L 24 KR 1127/05, PflR 2006, 534), nicht hinweg zu helfen.

Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 2 BGB ist, wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zum Ersatz des Wertes verpflichtet. Vorliegend hat die Beklagte im Rahmen des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses die Befreiung von dem ihr gegenüber bestehenden Sachleistungsanspruch (§ 2 Abs. 2 SGB V) der bei ihr Versicherten auf Gewährung von Leistungen der ambulanten häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) erlangt, denen gegenüber die Klägerin ärztlich verordnete Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht und so den Anspruch erfüllt und zum Erlöschen gebracht hatte. Dies geschah im Verhältnis zur Beklagten auch – wie gezeigt – ohne rechtlichen Grund.

Deshalb wäre die Beklagte grundsätzlich zum Ersatz des Wertes des dadurch Erlangten verpflichtet (so BSG 13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 7 Rn. 13). Die Verpflichtung zum Ersatz des Wertes ist zwar nach § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Doch besteht hier die Befreiung von den Ansprüchen ihrer Versicherten für die Beklagte fort.

Auch nach § 814 BGB ist die Verpflichtung der Beklagten zum Wertersatz nicht ausgeschlossen. Nach § 814 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die im Zeitpunkt der Leistung in Wirklichkeit nicht bestand (Palandt-Sprau, BGB, 66. Aufl. 2007, § 814 Rn. 1), Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Erforderlich ist positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung. Der Leistende muss also, ggf. aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre, wissen, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet; Kennenmüssen genügt nicht (Palandt-Sprau, a. a. O., § 814 Rn. 3).

Eine Kenntnis der Nichtschuld im Sinne des § 814 BGB lag bei der Klägerin jedoch nicht vor. Davon könnte etwa dann ausgegangen werden, wenn die Klägerin für ihre Leistung erkennbar keine Gegenleistung erwartet hätte, ihr Verlangen nach Wertersatz deshalb widersprüchlich wäre (so BSG 13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 9 Rn. 17), woran es hier schon deshalb fehlen dürfte, weil die Beklagte bis zum 10. September 2001 die Leistungen der Klägerin trotz Vertragslosigkeit vergütet hatte. Oder aber der Kenntnis von der Nichtschuld steht schon entgegen, dass die Klägerin auf eine Verbindlichkeit geleistet hat, die tatsächlich bestand, nämlich den Anspruch der Versicherten auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegen die Beklagte im Rahmen eines Dreiecksverhältnisses (so M. Krasney, jurisPR-SozR 36/2004 mit Anmerkung zu o. g. Urteil des BSG).

Doch ist die Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin zum Wertersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung vorliegend ausgeschlossen, da es sich um eine aufgedrängte Bereicherung handelt. Diese durch Rechtsfortbildung entwickelte dogmatische Konstruktion ist hier im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung anwendbar, weil die Klägerin nicht unmittelbar an die Beklagte sondern aufgrund des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses an deren Versicherte leistete. Die Beklagte ist so ohne ihr Zutun bereichert worden und bedarf hiergegen eines wertungsoffenen Aufdrängungsschutzes (dazu, dass zu dessen Reichweite das Meinungsbild in der zivilrechtlichen Dogmatik viele Schattierungen aufweist, siehe Lieb, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 812 Rn. 307, 310, 311).

Eine aufgedrängte Bereicherung liegt nach dem Grundgedanken dieser Konstruktion vor, wenn für den Erwerbenden die ohne seine Zustimmung erfolgte objektive Wertsteigerung subjektiv kein Interesse hat; dann kollidiert dessen Selbstbestimmungsrecht mit dem Bereicherungsausgleich (vgl. Palandt-Bassenge, a. a. O., § 951 Rn. 18). Ist die Beseitigung der Bereicherung nicht mehr möglich, so ist der Wertersatzanspruch entsprechend § 818 Abs. 2 BGB nach dem subjektivierten Interesse zu bemessen, das der Zuwachs für den Erwerbenden hat (vgl. Palandt-Bassenge, a. a. O., § 951 Rn. 21; Lieb, a. a. O., § 812 Rn. 313 f.; LSG Berlin-Brandenburg 4.7.2006 – L 24 KR 1127/05, PflR 2006, 534).

Ein solches Interesse an den von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege aber bestand hier für die Beklagte im streitigen Zeitraum nicht. Zwar war sie nach § 37 SGB V verpflichtet, ihre Versicherten mit diesen Leistungen zu versorgen. Sie hatte jedoch kein Interesse daran, dass diese Leistungen durch die Klägerin erbracht wurden. Sie hatte sich im hier streitigen Zeitraum auch mit dem entsprechenden Tätigwerden der Klägerin nicht einverstanden erklärt (dies unterscheidet den vorliegenden vom Sachverhalt im Urteil LSG Berlin-Brandenburg 4.7.2006 – L 24 KR 1127/05, PflR 2006, 534). Die Erfüllung ihres Versorgungsauftrags gegenüber den bei ihr Versicherten war nicht gefährdet, denn die Beklagte war zur Erfüllung der Ansprüche ihrer im Durchschnitt nur sechs zeitgleich durch die Klägerin betreuten Versicherten durch die über 80 Pflegebetriebe in der Lage, mit denen sie im streitigen Zeitraum in Vertragsbeziehungen stand. Darüber waren sowohl die Versicherten als auch die Klägerin informiert. Die Klägerin vereitelte die Inanspruchnahme der Vertragsunternehmen der Beklagten und wich zudem dem Einigungsdruck, der von vertragslosen Zeiten auch ausgehen soll, aus, indem sie ohne Vertrag weiter Leistungen erbrachte. Dies lag nicht nur nicht im subjektiven Interesse der Beklagten; es lag auch nicht in ihrem objektiven Interesse, denn der Leistungen der Klägerin bedurfte es nicht zur Erfüllung des Versorgungsauftrags der Beklagten.

Die Leistungserbringung lag auch deshalb nicht im objektiven Interesse der Beklagten und schließt einen bereicherungsrechtlichen Anspruch der Klägerin aus, weil die Zahlung für vertragslose Leistungen im vorliegenden Fall das Vertragskonzept des Gesetzgebers konterkarieren würde. Dieses Konzept könnte seine insbesondere wettbewerbliche und qualitätssichernde Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn Leistungserbringer, die mangels Vertragsschluss nicht zur Leistungserbringung zugelassen sind (zur mit dem Vertragsschluss verbundenen Zulassungsentscheidung siehe Kranig, a. a. O., § 132a Rn. 8, 10) und deren vertragslose Leistungen auf die Einhaltung vertraglich zu regelnder Qualitätsanforderungen durch die Krankenkasse nicht überprüfbar sind, ihre dennoch erbrachten Leistungen immer über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis vergütet bekämen (vgl. – in anderen Zusammenhängen – BSG 8.9.2004 – B 6 KA 14/03 R, SozR 4-2500 § 39 Nr. 3, S. 5 Rn. 14; BSG 17.3.2005 – B 3 KR 2/05 R, BSGE 94, 213, 220 Rn. 26).

Eine andere Wertung könnte allenfalls in Betracht zu kommen, wenn während des streitbefangenen Zeitraums zwischen den Beteiligten gewiss gewesen wäre, dass auch die Klägerin einen Vertrag mit der Beklagten zu den von dieser formulierten Bedingungen abschließen werde und eine kontinuierliche Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber den Versicherten bis dahin deshalb sachgerecht gewesen wäre. Doch war dies hier, anders als die Klägerin und auch das Sozialgericht zu meinen scheinen, keineswegs gewiss. Vertragsverhandlungen fanden zwischen den Beteiligten im streitbefangenen Zeitraum nicht statt. Vielmehr gab die Klägerin spät ihren Widerstand auf und unterschrieb am 27. August 2002 das ihr schon im März 2001 unterbreitete Vertragsangebot der Beklagten. Bis zu diesem Zeitpunkt aber war der Klägerin bekannt, dass sie zur Vergütung ihrer Leistungen durch die Beklagte mit dieser grundsätzlich eines Vertrags nach § 132a Abs. 2 SGB V bedurfte und dass ihre Beziehungen zur Beklagten insoweit während der hier streitigen Zeit prekär waren. Dass sie dennoch fortgesetzt leistete und dies auch bis zum August 2002 tat, obwohl die Beklagte schon ab 11. September 2001 die Leistungen nicht mehr bezahlte, was die Klägerin zudem erst mit ihrer Zahlungsklage vom 19. Juli 2002 zum Anlass nahm, um um Rechtsschutz nachzusuchen, vermag der Klägerin nunmehr nicht über den Umweg über das Zivilrecht einen Zahlungsanspruch zu verleihen.

Anders als in den vom Bundessozialgericht (13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1) und vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (4.7.2006 – L 24 KR 1127/05, PflR 2006, 534) entschiedenen Fällen liegt es hier auch nicht so, dass die Beklagte, wenn auch unter Kürzung des Rechnungsbetrags weiterhin Leistungen vergütete. Vorliegend geht es also nicht darum, festzustellen, in welcher Höhe die Beklagte durch von ihr schon in geringerer Höhe vergütete Leistungen tatsächlich (noch) bereichert ist. Vielmehr liegt es hier so, dass die Klägerin über einen langen Zeitraum hinweg ohne Vertrag fortwährend Leistungen erbrachte, obwohl die Beklagte hierfür keinerlei Vergütung zahlte und deutlich gemacht hatte, der Leistungen zur Erfüllung ihres Versorgungsauftrags nicht zu bedürfen. Dass sie der Leistungen der Klägerin auch tatsächlich nicht bedurfte, hat die Beklagte im Berufungsverfahren deutlich machen können.

Dass die Klägerin zuletzt vorgetragen hat, die Versicherten der Beklagten auch deshalb weiter im Rahmen der häuslichen Krankenpflege betreut zu haben, weil sie diesen auch im Rahmen der Pflegeversicherung Leistungen erbrachte und fürchtete, würde sie den Versicherten nicht mehr häusliche Krankenpflege leisten, verlöre sie diese auch im Rahmen der Pflegeversicherung, unterstreicht nur, dass die Bewertung der hier streitigen Leistungen als aufgedrängte Bereicherung angezeigt ist. Die Klägerin erbrachte die Leistungen zumindest auch deshalb, weil sie dies für sich als wirtschaftlich vorteilhaft ansah, ohne dass dieser Vorteil allein in der Erwartung einer Vergütung für die erbrachten Leistungen bestand. Das Ziel der Klägerin, die mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege versorgten Versicherten der Beklagten auch im Rahmen der Pflegeversicherung an sich gebunden zu halten, mag wirtschaftlich verständlich sein, vermittelt der Klägerin aber keinen Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte.

Der mit der Berufung angegriffene Gerichtsbescheid konnte daher im Wesentlichen keinen Bestand haben. Er war gleichwohl nicht aufzuheben sondern nur abzuändern, weil die weitergehende Klage abgewiesen worden war, ohne dass dies von der Klägerin mit einer Berufung angegriffen worden ist. Da der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung dies jedoch nicht ausdrücklich ausweist, war die Klage durch den Senat aus Klarstellungsgründen in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere liegt keine Divergenz vor. Auch das Bundessozialgericht (13.5.2004 – B 3 KR 2/03 R, SozR 4-2500 § 132a Nr. 1, S. 9 Rn. 15) hat darauf hingewiesen, dass eine aufgedrängte Bereicherung dann vorliegen könnte, "wenn die beklagte Krankenkasse weitere Pflegedienste benannt hätte, mit denen sie in dem hier streitigen Zeitraum ebenfalls Vergütungsvereinbarungen zu niedrigeren Sätzen abgeschlossen hatte, und wenn sie zudem nachgewiesen hätte, dass dadurch die Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungen der ambulanten häuslichen Krankenpflege gesichert gewesen wäre". Anders als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall ist eben dies hier vorgetragen und zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.
Rechtskraft
Aus
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