Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
16 J 979/97
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 6 RJ 115/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Juli 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn und die Höhe der der Klägerin gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die am XX.XXXXX 1954 geborene Klägerin ist aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens von Geburt an behindert. Sie wuchs in der ehemaligen DDR auf und bezog dort seit dem 1. Juli 1973 bis zu ihrer Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland eine Invalidenrente. Nach einer Bestätigung der S. K. GmbH vom 20. März 1991 war die Klägerin in der Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 ohne Arbeitsvertrag in der geschützten Werkstatt dieses Unternehmens zur Vorbereitung für ein festes Arbeitsverhältnis ab 1. April 1971 tätig. In dem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung der Klägerin wird eine beitragspflichtige Beschäftigung in der Zeit vom 1. April 1971 bis 22. Dezember 1987 beim VEB K. Nord in S. bescheinigt. In dem zwischen der Klägerin und dem Kombinat VEB K. O., Werk Nord S., am 22. März 1971 geschlossenen "Rehabilitations-Arbeitsvertrag" wird als Beginn der Beschäftigung in der geschützten Werkstatt des Werkes der 4. Januar 1971 angegeben.
Nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland stellte die Klägerin am 28. Dezember 1987 einen ersten Rentenantrag, der mit Bescheid vom 6. Mai 1988 abgelehnt wurde, da die die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt war.
Ab dem 24. Mai 1988 war die Klägerin in der Behindertenwerkstatt B. in Hamburg versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 2. April 1992 stellte sie bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Diesem Antrag entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 18. August 1993 für die Zeit ab 1. August 1992.
Mit Schreiben vom 1. Juli 1996 beantragte die Klägerin die Neufeststellung dieser Rente und beanstandete insbesondere, dass bei der Ermittlung der Entgeltpunkte zu Unrecht nicht das Recht des Fremdrentengesetzes (FRG) zugrunde gelegt worden sei. Mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 stellte die Beklagte die Rente unter Anerkennung weiterer Zeiten neu fest. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte die Berücksichtigung darüber hinausgehender Zeiten geltend. Unter anderem bemängelte sie, dass der Zeitraum vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 nicht als Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung berücksichtigt worden sei. Außerdem sei bereits ein Versicherungsfall am 31. August 1989 zugrunde zu legen, was zu einem früheren Rentenbeginn und zur Anwendung des FRG führe.
Mit Bescheid vom 8. April 1997 stellte die Beklagte die Rente unter Anerkennung einer weiteren Beitragszeit vom 1. Juli 1974 bis 31. Dezember 1975 neu fest und wies den Widerspruch im Übrigen durch Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 1997 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat dagegen am 10. Juli 1997 Klage erhoben und die Anerkennung weiterer rentenrechtlich relevanter Zeiten, einen früheren Rentenbeginn sowie die Anwendung des FRG geltend gemacht.
Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 5. August 1999 den Rentenbeginn auf den 1. April 1992 vorverlegt und mit Bescheid vom 19. Oktober 2001 die Rente aufgrund veränderter Berechnungsgrundlagen neu berechnet. Schließlich ist mit Bescheid vom 29. Januar 2003 eine Neufeststellung aufgrund der Berücksichtigung einer weiteren Beitragszeit vom 1. Juli 1973 bis 30. Juni 1974 erfolgt.
Das Sozialgericht hat die Klage sodann durch Gerichtsbescheid vom 11. Juli 2003 – zugestellt am 17. Juli 2003 – abgewiesen. Die Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 könne nicht als Beitragszeit anerkannt werden, da die Klägerin in dieser Zeit zwar gearbeitet, aber keinen Arbeitslohn bezogen und keine Beiträge gezahlt habe. Auch eine Berücksichtigung nach § 248 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) scheide aus, da diese Vorschrift nur Anwendung auf Zeiten vom 1. Juli 1975 bis 31. Dezember 1991 finde. Die außerdem beantragte Berücksichtigung eines durchgehenden Rentenbezuges im Beitrittsgebiet komme ebenfalls nicht in Betracht, da ein Rentenbezug für die Zeit vom 1. Januar 1976 bis 31. Oktober 1981 nicht nachgewiesen sei. Auch der festgelegte Rentenbeginn und die Nichtberücksichtigung des FRG seien nicht zu beanstanden.
Mit ihrer am 15. August 2003 eingelegten Berufung macht die Klägerin – nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 2006 die Zeit vom 1. Januar 1976 bis 31. Oktober 1981 als Anrechnungszeit aufgrund eines durchgehenden Rentenbezugs in der DDR anerkannt hat – noch einen früheren Rentenbeginn, die Anwendung des FRG sowie die Anerkennung der Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 als Beschäftigungszeit geltend.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Juli 2003 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 16. Oktober 1996, 8. April 1997 und 9. Mai 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 1997 sowie die Bescheide vom 5. August 1999, 19. Oktober 2001 und 29. Januar 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 18. August 1993 eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 als Beschäftigungszeit sowie der Anwendbarkeit der Regeln des Fremdrentengesetzes zu bewilligen und diese Rente bereits ab einem früheren Zeitpunkt zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Juli 2003 zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung insoweit für zutreffend.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage in den noch streitigen Punkten zu Recht abgewiesen, da die Klägerin insoweit die Abänderung des Bescheides vom 18. August 1993 nicht verlangen kann. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die Berücksichtigung der Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 als Beschäftigungszeit, einen früheren Rentenbeginn oder die Anwendung des FRG, sodass der angegriffene Verwaltungsakt insoweit auch nicht rechtswidrig ist.
Da der Rentenantrag am 2. April 1992 gestellt worden ist, sind die Vorschriften des SGB VI Rechtsgrundlage für die der Klägerin gewährte Rente (§ 300 Abs. 2 SGB VI). Versicherte, die – wie die Klägerin – bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erwerbsunfähig waren und seitdem ununterbrochen erwerbsunfähig sind, haben Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie die Wartezeit von zwanzig Jahren erfüllt haben (§ 44 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung - a.F. -). Hierauf anrechenbar sind Kalendermonate mit Beitragszeiten (§ 51 Abs. 1 SGB VI) und Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 4 SGB VI). Den Beitragszeiten nach Bundesrecht (§ 55 Abs. 1 SGB VI) stehen Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind (§ 248 Abs. 3 S. 1, 1. HS SGB VI).
Die Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 kann hiernach nicht als Beitragszeit aufgrund einer Beschäftigung berücksichtigt werden. Die Klägerin hat nach der vorliegenden Bescheinigung vom 20. März 1991 in dieser Zeit zwar beim VEB K. Nord gearbeitet, sie war jedoch ohne Arbeitsvertrag tätig und hat, wie sie selbst einräumt, kein Arbeitsentgelt erhalten. Auch in ihren Rentenanträgen vom 28. Dezember 1987 und 2. April 1992 hat die Klägerin als Beginn der Beschäftigung jeweils den 1. April 1971 angegeben. Dementsprechend gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass während dieser Zeit Beiträge für sie entrichtet wurden. Ein entgeltliches und beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wurde vielmehr erst ab 1. April 1971 begründet und ist seitdem in ihrem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung dokumentiert. Die Tätigkeit im streitigen Zeitraum sollte nach der vorliegenden Bescheinigung nur zur Vorbereitung für ein festes Arbeitsverhältnis dienen, vermutlich zur Feststellung, ob die Klägerin überhaupt eine verwertbare Arbeitsleistung erbringen konnte.
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem vorgelegten "Rehabilitations-Arbeitsvertrag" vom 22. März 1971, der als Beginn der Beschäftigung den "4.1.1971" benennt. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der übrigen Unterlagen insoweit von einem Zahlendreher (gemeint war der 1.4.1971) auszugehen. Hierfür sprechen neben der Bescheinigung des Kabelwerks vom 20. März 1991 insbesondere die Angaben im Arbeits- und Sozialversicherungsausweis. Dort ist als Beginn der Tätigkeit zunächst ebenfalls der "4.1.1971" eingetragen, später aber – nach der Aufdeckung des Fehlers – mit "1.4.1971" überschrieben worden. Auch der Umstand, dass der Arbeitsvertrag vom 22. März 1971 datiert, spricht gegen einen zeitlich davor liegenden Beschäftigungsbeginn. Schließlich hat die Klägerin selbst zu keinem Zeitpunkt den 4. Januar 1971 als Beschäftigungsbeginn angegeben oder dargelegt, dass sich ihr Status beim VEB K. Nord bereits ab diesem Zeitpunkt verändert habe.
Die Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 kann ferner nicht als fiktive Pflichtbeitragszeit nach § 248 Abs. 2 SGB VI berücksichtigt werden. Für Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erwerbsunfähig waren und seitdem ununterbrochen erwerbsunfähig sind, gelten nach dieser Vorschrift Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet nach Vollendung des 16. Lebensjahres und nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit in der Zeit vom 1. Juli 1975 bis 31. Dezember 1991 als Pflichtbeitragszeiten. Die hier streitige Zeit fällt jedoch nicht in den von der Vorschrift erfassten Zeitraum.
Schließlich greift entgegen der Auffassung der Klägerin insoweit nicht die Vermutungsregelung des § 286c SGB VI. Nach dieser Vorschrift wird im Falle der ordnungsgemäßen Bescheinigung von Arbeitszeiten vor dem 1. Januar 1992 in Versicherungsunterlagen des Beitrittsgebiets vermutet, dass während dieser Zeiten Versicherungspflicht bestanden hat und für das angegebene Arbeitsentgelt die Beiträge gezahlt worden sind. Für den streitigen Zeitraum sind im Arbeits- und Sozialversicherungsausweis der Klägerin aber gerade keine Arbeitszeiten bescheinigt worden.
Die Klägerin hat des Weiteren keinen Anspruch darauf, dass bei der Berechnung ihrer Rente die Vorschriften des FRG angewendet werden. Die Entgeltpunkte für die Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8. Mai 1945 sind vielmehr grundsätzlich nach Maßgabe des § 256a SGB VI unter Berücksichtigung der Anlage 10 zum SGB VI zu ermitteln. Die ausnahmsweise Ermittlung der Entgeltpunkte nach den Anlagen 1 bis 16 zum FRG ist in § 259a SGB VI nur für Versicherte vorgesehen, die vor dem 1. Januar 1937 geboren sind, was auf die Klägerin nicht zutrifft.
Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf einen früheren Rentenbeginn. Gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI wird die Rente von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf dieses Monats beantragt wird. Bei späterer Antragstellung wird die Rente vom dem Kalendermonat an geleistet, in dem sie beantragt wird (§ 99 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Die Anspruchsvoraussetzungen waren am 31. März 1991 erfüllt, da die Klägerin nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf (Anlage 2 zum Rentenbescheid vom 29. Januar 2003) zu diesem Zeitpunkt die 20jährige Wartezeit des § 44 Abs. 3 SGB VI a.F. erfüllt hatte. Die erfolgte Anerkennung weiterer Anrechnungszeiten wegen des durchgehenden Rentenbezugs im Beitrittsgebiet ändert hieran nichts, da Anrechnungszeiten auf die 20jährige Wartezeit nicht anzurechnen sind (§ 51 SGB VI). Da die Rente am 2. April 1992 beantragt wurde, ist der Rentenbeginn mit dem 1. April 1992 korrekt festgestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache unter Berücksichtigung des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 2006 abgegebenen Teilanerkenntnisses.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn und die Höhe der der Klägerin gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die am XX.XXXXX 1954 geborene Klägerin ist aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens von Geburt an behindert. Sie wuchs in der ehemaligen DDR auf und bezog dort seit dem 1. Juli 1973 bis zu ihrer Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland eine Invalidenrente. Nach einer Bestätigung der S. K. GmbH vom 20. März 1991 war die Klägerin in der Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 ohne Arbeitsvertrag in der geschützten Werkstatt dieses Unternehmens zur Vorbereitung für ein festes Arbeitsverhältnis ab 1. April 1971 tätig. In dem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung der Klägerin wird eine beitragspflichtige Beschäftigung in der Zeit vom 1. April 1971 bis 22. Dezember 1987 beim VEB K. Nord in S. bescheinigt. In dem zwischen der Klägerin und dem Kombinat VEB K. O., Werk Nord S., am 22. März 1971 geschlossenen "Rehabilitations-Arbeitsvertrag" wird als Beginn der Beschäftigung in der geschützten Werkstatt des Werkes der 4. Januar 1971 angegeben.
Nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland stellte die Klägerin am 28. Dezember 1987 einen ersten Rentenantrag, der mit Bescheid vom 6. Mai 1988 abgelehnt wurde, da die die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt war.
Ab dem 24. Mai 1988 war die Klägerin in der Behindertenwerkstatt B. in Hamburg versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 2. April 1992 stellte sie bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Diesem Antrag entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 18. August 1993 für die Zeit ab 1. August 1992.
Mit Schreiben vom 1. Juli 1996 beantragte die Klägerin die Neufeststellung dieser Rente und beanstandete insbesondere, dass bei der Ermittlung der Entgeltpunkte zu Unrecht nicht das Recht des Fremdrentengesetzes (FRG) zugrunde gelegt worden sei. Mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 stellte die Beklagte die Rente unter Anerkennung weiterer Zeiten neu fest. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte die Berücksichtigung darüber hinausgehender Zeiten geltend. Unter anderem bemängelte sie, dass der Zeitraum vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 nicht als Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung berücksichtigt worden sei. Außerdem sei bereits ein Versicherungsfall am 31. August 1989 zugrunde zu legen, was zu einem früheren Rentenbeginn und zur Anwendung des FRG führe.
Mit Bescheid vom 8. April 1997 stellte die Beklagte die Rente unter Anerkennung einer weiteren Beitragszeit vom 1. Juli 1974 bis 31. Dezember 1975 neu fest und wies den Widerspruch im Übrigen durch Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 1997 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat dagegen am 10. Juli 1997 Klage erhoben und die Anerkennung weiterer rentenrechtlich relevanter Zeiten, einen früheren Rentenbeginn sowie die Anwendung des FRG geltend gemacht.
Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 5. August 1999 den Rentenbeginn auf den 1. April 1992 vorverlegt und mit Bescheid vom 19. Oktober 2001 die Rente aufgrund veränderter Berechnungsgrundlagen neu berechnet. Schließlich ist mit Bescheid vom 29. Januar 2003 eine Neufeststellung aufgrund der Berücksichtigung einer weiteren Beitragszeit vom 1. Juli 1973 bis 30. Juni 1974 erfolgt.
Das Sozialgericht hat die Klage sodann durch Gerichtsbescheid vom 11. Juli 2003 – zugestellt am 17. Juli 2003 – abgewiesen. Die Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 könne nicht als Beitragszeit anerkannt werden, da die Klägerin in dieser Zeit zwar gearbeitet, aber keinen Arbeitslohn bezogen und keine Beiträge gezahlt habe. Auch eine Berücksichtigung nach § 248 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) scheide aus, da diese Vorschrift nur Anwendung auf Zeiten vom 1. Juli 1975 bis 31. Dezember 1991 finde. Die außerdem beantragte Berücksichtigung eines durchgehenden Rentenbezuges im Beitrittsgebiet komme ebenfalls nicht in Betracht, da ein Rentenbezug für die Zeit vom 1. Januar 1976 bis 31. Oktober 1981 nicht nachgewiesen sei. Auch der festgelegte Rentenbeginn und die Nichtberücksichtigung des FRG seien nicht zu beanstanden.
Mit ihrer am 15. August 2003 eingelegten Berufung macht die Klägerin – nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 2006 die Zeit vom 1. Januar 1976 bis 31. Oktober 1981 als Anrechnungszeit aufgrund eines durchgehenden Rentenbezugs in der DDR anerkannt hat – noch einen früheren Rentenbeginn, die Anwendung des FRG sowie die Anerkennung der Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 als Beschäftigungszeit geltend.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Juli 2003 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 16. Oktober 1996, 8. April 1997 und 9. Mai 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 1997 sowie die Bescheide vom 5. August 1999, 19. Oktober 2001 und 29. Januar 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 18. August 1993 eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 als Beschäftigungszeit sowie der Anwendbarkeit der Regeln des Fremdrentengesetzes zu bewilligen und diese Rente bereits ab einem früheren Zeitpunkt zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Juli 2003 zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung insoweit für zutreffend.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage in den noch streitigen Punkten zu Recht abgewiesen, da die Klägerin insoweit die Abänderung des Bescheides vom 18. August 1993 nicht verlangen kann. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die Berücksichtigung der Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 als Beschäftigungszeit, einen früheren Rentenbeginn oder die Anwendung des FRG, sodass der angegriffene Verwaltungsakt insoweit auch nicht rechtswidrig ist.
Da der Rentenantrag am 2. April 1992 gestellt worden ist, sind die Vorschriften des SGB VI Rechtsgrundlage für die der Klägerin gewährte Rente (§ 300 Abs. 2 SGB VI). Versicherte, die – wie die Klägerin – bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erwerbsunfähig waren und seitdem ununterbrochen erwerbsunfähig sind, haben Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie die Wartezeit von zwanzig Jahren erfüllt haben (§ 44 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung - a.F. -). Hierauf anrechenbar sind Kalendermonate mit Beitragszeiten (§ 51 Abs. 1 SGB VI) und Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 4 SGB VI). Den Beitragszeiten nach Bundesrecht (§ 55 Abs. 1 SGB VI) stehen Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind (§ 248 Abs. 3 S. 1, 1. HS SGB VI).
Die Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 kann hiernach nicht als Beitragszeit aufgrund einer Beschäftigung berücksichtigt werden. Die Klägerin hat nach der vorliegenden Bescheinigung vom 20. März 1991 in dieser Zeit zwar beim VEB K. Nord gearbeitet, sie war jedoch ohne Arbeitsvertrag tätig und hat, wie sie selbst einräumt, kein Arbeitsentgelt erhalten. Auch in ihren Rentenanträgen vom 28. Dezember 1987 und 2. April 1992 hat die Klägerin als Beginn der Beschäftigung jeweils den 1. April 1971 angegeben. Dementsprechend gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass während dieser Zeit Beiträge für sie entrichtet wurden. Ein entgeltliches und beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wurde vielmehr erst ab 1. April 1971 begründet und ist seitdem in ihrem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung dokumentiert. Die Tätigkeit im streitigen Zeitraum sollte nach der vorliegenden Bescheinigung nur zur Vorbereitung für ein festes Arbeitsverhältnis dienen, vermutlich zur Feststellung, ob die Klägerin überhaupt eine verwertbare Arbeitsleistung erbringen konnte.
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem vorgelegten "Rehabilitations-Arbeitsvertrag" vom 22. März 1971, der als Beginn der Beschäftigung den "4.1.1971" benennt. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der übrigen Unterlagen insoweit von einem Zahlendreher (gemeint war der 1.4.1971) auszugehen. Hierfür sprechen neben der Bescheinigung des Kabelwerks vom 20. März 1991 insbesondere die Angaben im Arbeits- und Sozialversicherungsausweis. Dort ist als Beginn der Tätigkeit zunächst ebenfalls der "4.1.1971" eingetragen, später aber – nach der Aufdeckung des Fehlers – mit "1.4.1971" überschrieben worden. Auch der Umstand, dass der Arbeitsvertrag vom 22. März 1971 datiert, spricht gegen einen zeitlich davor liegenden Beschäftigungsbeginn. Schließlich hat die Klägerin selbst zu keinem Zeitpunkt den 4. Januar 1971 als Beschäftigungsbeginn angegeben oder dargelegt, dass sich ihr Status beim VEB K. Nord bereits ab diesem Zeitpunkt verändert habe.
Die Zeit vom 1. September 1969 bis 31. März 1971 kann ferner nicht als fiktive Pflichtbeitragszeit nach § 248 Abs. 2 SGB VI berücksichtigt werden. Für Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erwerbsunfähig waren und seitdem ununterbrochen erwerbsunfähig sind, gelten nach dieser Vorschrift Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet nach Vollendung des 16. Lebensjahres und nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit in der Zeit vom 1. Juli 1975 bis 31. Dezember 1991 als Pflichtbeitragszeiten. Die hier streitige Zeit fällt jedoch nicht in den von der Vorschrift erfassten Zeitraum.
Schließlich greift entgegen der Auffassung der Klägerin insoweit nicht die Vermutungsregelung des § 286c SGB VI. Nach dieser Vorschrift wird im Falle der ordnungsgemäßen Bescheinigung von Arbeitszeiten vor dem 1. Januar 1992 in Versicherungsunterlagen des Beitrittsgebiets vermutet, dass während dieser Zeiten Versicherungspflicht bestanden hat und für das angegebene Arbeitsentgelt die Beiträge gezahlt worden sind. Für den streitigen Zeitraum sind im Arbeits- und Sozialversicherungsausweis der Klägerin aber gerade keine Arbeitszeiten bescheinigt worden.
Die Klägerin hat des Weiteren keinen Anspruch darauf, dass bei der Berechnung ihrer Rente die Vorschriften des FRG angewendet werden. Die Entgeltpunkte für die Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8. Mai 1945 sind vielmehr grundsätzlich nach Maßgabe des § 256a SGB VI unter Berücksichtigung der Anlage 10 zum SGB VI zu ermitteln. Die ausnahmsweise Ermittlung der Entgeltpunkte nach den Anlagen 1 bis 16 zum FRG ist in § 259a SGB VI nur für Versicherte vorgesehen, die vor dem 1. Januar 1937 geboren sind, was auf die Klägerin nicht zutrifft.
Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf einen früheren Rentenbeginn. Gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI wird die Rente von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf dieses Monats beantragt wird. Bei späterer Antragstellung wird die Rente vom dem Kalendermonat an geleistet, in dem sie beantragt wird (§ 99 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Die Anspruchsvoraussetzungen waren am 31. März 1991 erfüllt, da die Klägerin nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf (Anlage 2 zum Rentenbescheid vom 29. Januar 2003) zu diesem Zeitpunkt die 20jährige Wartezeit des § 44 Abs. 3 SGB VI a.F. erfüllt hatte. Die erfolgte Anerkennung weiterer Anrechnungszeiten wegen des durchgehenden Rentenbezugs im Beitrittsgebiet ändert hieran nichts, da Anrechnungszeiten auf die 20jährige Wartezeit nicht anzurechnen sind (§ 51 SGB VI). Da die Rente am 2. April 1992 beantragt wurde, ist der Rentenbeginn mit dem 1. April 1992 korrekt festgestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache unter Berücksichtigung des von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 2006 abgegebenen Teilanerkenntnisses.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
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