Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 16 RJ 1115/04
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 R 36/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Es ist im Überprüfungsverfahren höhere Regelaltersrente ab 1. Januar 1999 unter Anrechnung einer Verfolgungsersatzzeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 streitig.
Der am XX.XXXXXXXX 1924 in Z. (C.), das nach dem Ersten Weltkrieg von Deutschland an Polen gefallen und im 2. Weltkrieg in das Deutsche Reich eingegliedert war (Erlass über die Gliederung und Verwaltung der Ostgebiete vom 8. Oktober 1939, RGBl. I S. 2042), geborene US-amerikanische, früher polnische Kläger ist jüdischer Verfolgter des Nationalsozialismus. Nach der Befreiung (zuletzt KZ Dachau) hielt er sich in München auf, bevor er im April 1949 von B. aus in die USA auswanderte. Dort legte er von 1949 bis Ende 1996 564 Kalendermonate (188 Quartale) Versicherungszeit zurück. Der Kläger wurde nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) für Zeiten der Freiheitsentziehung vom 1. Januar 1940 bis Ende April 1945 (64 Monate) entschädigt (Bescheid vom 11. März 1957). Weitere Zeiten der Freiheitsentziehung/Freiheitsbeschränkung wurden mangels ausreichenden Nachweises einer Freiheitsbeschränkung (Sterntragen) abgelehnt und vom Kläger, der vom Bayerischen Landesentschädigungsamt Rente nach dem BEG für Schaden an Körper und Gesundheit bezieht, nicht weiter verfolgt.
In der notariell beurkundeten Eidesstattlichen Erklärung (Lebenslauf) vom 14. Januar 1955 führte der Kläger zusammen mit seinem Bruder S.A. und seinem Vetter I.A. aus, bei Kriegsausbruch in C. bei ihren Eltern gelebt zu haben. Vom 2. oder 3. Kriegstage hätten sie in ihrem Heimatort arbeiten müssen. Sie seien auf der Straße aufgegriffen worden, wenn immer die Besatzung Arbeitskräfte gebraucht habe, und auch schon gleich zu Anfang oft aus den Betten geholt worden, wenn Arbeitskräfte fehlten. Sie hätten viele polnische Häuser abreißen und auch neue Häuser bauen müssen und außerdem neue Straßen angelegt. Im Anfang seien diese Arbeiten noch nicht so organisiert gewesen. Sie könnten nicht sagen, dass sie in den ersten Wochen nach dem Einzug der Deutschen täglich und regelmäßig hätten arbeiten müssen. Ab 1. Januar 1940 sei die ganze Sache bereits hoch organisiert gewesen.
Am 25. März 1997 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente. Hierbei gab er an, 1939 die 7. Klasse der Schule beendet zu haben. Ein Lehrverhältnis bzw. Ausbildungsverhältnis habe nicht bestanden. Unter dem 19. Juni 1998 gab er an, von 1939 bis 1942 als Schreiner/Handwerker bei den Besatzungstruppen und bei Krupp in Ciechanow beschäftigt gewesen zu sein. Unter dem 24. November 1998 gab er an, dass für ihn von Februar 1938 bis September 1939 ein Lehrverhältnis bzw. ein Ausbildungsverhältnis bestanden und er 12 Zloty die Woche in einer Schreinerei (Möbelbau) verdient habe, deren Namen er nicht mehr erinnere. Von September 1939 bis November 1942 habe er vollschichtig Schreinerarbeit für die Wehrmacht geleistet.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakten bei und lehnte den Rentenantrag nach umfangreichen Ermittlungen durch Bescheid vom 18. Dezember 1998 ab, weil Beitragszeiten zur gesetzlichen deutschen Rentenversicherung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden seien. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den seine jetzige Prozessbevollmächtigte damit begründete, dass er im Ghetto Ciechanow für eine Firma L., die der Kläger bis dahin nicht erwähnt und bei dem S.A. Zwangsarbeit als Klempner verrichtet hatte, tätig gewesen sei. Zu dieser Arbeit sei er durch das jüdische Arbeitsamt eingeteilt worden. Auf verschiedene - die Zeit ab Januar 1940 betreffende - Fragen der Beklagten vom 27. April 2000 antwortete der Kläger mit persönlichem Schreiben vom 22. September 2000. In diesem Schreiben, auf dessen Inhalt verwiesen wird, äußerte er sich u. a. zu seiner Beschäftigung und zu seiner Unterkunft/Wohnung ab Januar 1940 bis November 1942.
Die Beklagte erteilte dem Kläger nach Einsicht in die Akten des I1 (I2) Althaus den Bescheid vom 13. Dezember 2000, mit dem sie, da die Anspruchsvoraussetzungen seit 31. Oktober 1989 erfüllt seien, ab 1. März 1997 Regelaltersrente gewährte. Angerechnet wurden Beitragszeiten vom 1. Januar 1940 bis 6. November 1942 (Leistungsgruppe 3 - Arbeiter außerhalb der Land- und Forstwirtschaft) und Verfolgungsersatzzeiten vom 05. bis 31. Dezember 1939 und vom 07. November 1942 bis 08. Mai 1945. Die laufende monatliche Rentenhöhe betrug ab 1. Februar 2001 276,10 DM. Der Kläger erklärte das Widerspruchsverfahren, indem er der Beklagten für dieses seine außergerichtlichen Kosten am 3. Dezember 2002 in Rechnung stellte, welche sie übernahm, für erledigt.
Zwischenzeitlich hatte der Kläger am 27. November 2001 bei der Beklagten die Anrechnung "weiterer Zeiten der verfolgungsbedingten Arbeitsunfähigkeit bis Dezember 1946" und Zeiten des Auslandsaufenthaltes ab März 1949" geltend gemacht und am 17. Dezember 2001 die Neufeststellung der Rente beantragt, weil die Bewertung der beitragsfreien Zeiten fehlerhaft sei. Die Beklagte erteilte ihm daraufhin den Bescheid vom 25. Januar 2002, mit dem sie die Regelaltersrente ab 1. März 1997 unter Berücksichtigung der Zeit vom 9. Mai 1945 bis 31. Dezember 1949 neu feststellte, wodurch sich eine Erhöhung der monatlichen Rente auf 302,08 EUR und eine Nachzahlung von 9.222,74 EUR ergab. Der seiner Prozessbevollmächtigten unter dem 30. Januar 2002 übermittelte Bescheid vom 25. Januar 2002 blieb unangefochten.
Am 5. Februar 2003 beantragte der Kläger, die Rente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) neu festzustellen; mindestens jedoch die Ghetto-Beitragszeiten in Höhe von 6/6 anzurechnen. Im Übrigen sei der belegungsfähige Gesamtzeitraum fehlerhaft ermittelt.
Nach Durchführung von Vergleichsberechnungen erteilte die Beklagte dem Kläger den Rentenbescheid vom 22. Oktober 2003, mit dem sie die Regelaltersrente ab 1. Januar 1999 neu feststellte, weil sich die rentenrechtlichen Zeiten geändert hätten. Insoweit nahm sie den Bescheid vom 25. Januar 2002 zurück. Die monatliche Rentenhöhe ab 1. Januar 1999 betrug 356,10 EUR, die Nachzahlung 2.542,02 EUR.
Der Kläger erhob unter Bezugnahme auf die gemeinsame eidesstattliche Versicherung vom Januar 1955 Widerspruch. Die Monate September bis November 1939 müssten als Ersatzzeit wegen Verfolgung (Freiheitsbeschränkung, Freiheitsentziehung) angerechnet werden. Im Übrigen sei ihm durch den Einzug der deutschen Truppen der weitere Schulbesuch verwehrt worden. Abgesehen von den unregelmäßigen Zwangsarbeitseinsätzen in dieser Zeit und dem daraus resultierenden Freiheitsentzug sei es ihm nicht möglich gewesen, seine Schulausbildung fortzusetzen oder als Jude eine Beschäftigung aufzunehmen. Mithin liege auch eine Zeit der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2004 zurück. Der Kläger sei nicht vor dem 05. Dezember 1939 Judensternträger gewesen und habe im streitigen Zeitraum auch kein Leben in der Illegalität unter menschenunwürdigen Bedingungen geführt. Eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingter Arbeitslosigkeit scheide aus, weil er im September 1939 Schüler gewesen sei und die Schule auch weiterhin habe besuchen wollen. Eine Bereitschaft des Klägers, Arbeitnehmer zu werden, habe ersichtlich nicht bestanden. Im Übrigen habe er nach den Angaben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2004 auch über den August 1939 hinaus die Schule besuchen wollen.
Hiergegen richtet sich die am 6. August 2004 erhobene Klage, mit welcher der Kläger zunächst die Anrechnung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingter Arbeitslosigkeit vom 1. September bis 4. Dezember 1939 verfolgt hat.
Das Sozialgericht hat die Entschädigungsakten beigezogen und die Klage durch Urteil vom 28. November 2005 abgewiesen. Der Kläger sei nicht infolge Verfolgungsmaßnahmen arbeitslos gewesen. Zwar möge er objektiv arbeitslos gewesen sein. Subjektiv habe Arbeitslosigkeit bei ihm jedoch nicht bestanden, weil er weiterhin zur Schule habe gehen wollen. Der Kläger habe vor dem Einmarsch der deutschen Truppen keine Berufstätigkeit ausgeübt und sei auch nicht aus der Schule entlassen gewesen.
Mit der Berufung vom 16. Februar 2006 gegen das ihm am 25. Januar 2006 zugestellte Urteil verfolgt der Kläger eine Rentenerhöhung ab 1. Januar 1999 durch Anrechnung einer Ersatzzeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939. In dieser Zeit sei er zur Zwangsarbeit herangezogen worden. Diese habe bereits am Tage der Besetzung seines Heimatortes begonnen. Das entspreche den Angaben in der "Encyclopedia of Jewish Life" und den Ausführungen von Prof. Dr. F. G. im Gutachten vom 7. Dezember 2005 zu den Verhältnissen in Regierungsbezirk Zichenau, das die 26. Kammer des Sozialgerichts Hamburg (S 26 RJ 555/04) eingeholt habe. Das Sozialgericht habe lediglich den Aspekt der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit untersucht, nicht jedoch, ob bei ihm eine Freiheitsbeschränkung/Freiheitsentziehung i. S. d. §§ 43, 47 BEG vorgelegen habe. Er habe Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen geleistet, wofür der Umstand ein Indiz hergebe, dass er dafür keinen Lohn erhalten habe und "entwürdigend" behandelt worden sei. Einschlägige Kommentierungen des BEG sprächen für seine Rechtsansicht.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. November 2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter weiterer Zurücknahme des Bescheides vom 25. Januar 2002 und Anrechnung einer Verfolgungsersatzzeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 ab 1. Januar 1999 höhere Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, bezieht sich auf ihren Schriftsatz vom 8. Dezember 2006 und führt aus, bei Anrechnung der streitigen Ersatzzeit ergebe sich eine um weniger als drei DM höhere monatliche Rente (Nachzahlung ca. 150 EUR).
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakten, der Rentenakten der Beklagten und der Entschädigungsakten des Bayerischen Landesentschädigungsamts Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )).
Das Rechtsmittel bedarf nicht nach § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung. Zwar fiele die Erhöhung der Rente bei Anrechnung einer weiteren Ersatzzeit von drei Kalendermonaten nur gering aus und betrüge die sich hieraus ergebende Nachzahlung nicht mehr als 500 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Jedoch betrifft die Berufung laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 22. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2004 ist rechtmäßig.
Streitgegenstand ist allein die Überprüfung des Bescheides vom 25. Januar 2002, mit dem die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers ohne Anrechnung einer Verfolgungsersatzzeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 ab 1. Januar 1999 neu festgestellt hat. Da der Überprüfungsantrag am 5. Februar 2003 gestellt worden ist, zielt das Begehren des Klägers unter Berücksichtigung von § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf die Gewährung höherer Regelaltersrente unter Anrechnung einer solchen Ersatzzeit (Verfolgungszeit) ab 1. Januar 1999 unter entsprechender Zurücknahme des Bescheides vom 25. Januar 2002. Hierzu ist die Beklagte indes nicht verpflichtet.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist, und so weit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn eine Ersatzzeit iSd § 250 Abs. 1 Nr. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) braucht die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 nicht anzurechnen.
Nach dem hier allein in Betracht kommenden § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) SGB VI sind Ersatzzeiten Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43 und 47 BEG) oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind oder infolge Verfolgungsmaßnahmen arbeitslos gewesen sind, auch wenn sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1946, wenn sie zum Personenkreis des § 1 BEG gehören (Verfolgungszeit). Diese Voraussetzungen liegen für den Zeitraum 3. September bis 4. Dezember 1939 nicht vor.
Eine Freiheitsentziehung des Klägers in dieser Zeit vermag der Senat nicht festzustellen. Für die Beurteilung dieser Frage sind die entsprechenden Regelungen des BEG maßgebend. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BEG besteht ein Anspruch auf eine Entschädigung, wenn dem Verfolgten in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis 8. Mai 1945 die Freiheit entzogen worden ist. Dies ist insbesondere bei polizeilicher oder militärischer Haft, Inhaftnahme durch die NSDAP, Untersuchungshaft, Strafhaft, Konzentrationslagerhaft oder Zwangsaufenthalt in einem Ghetto der Fall (§ 43 Abs. 2 BEG). Nach § 43 Abs. 3 BEG werden der Freiheitsentziehung das Leben unter haftähnlichen Bedingungen, Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen und die Zugehörigkeit zu einer Straf- oder Bewährungseinheit der Wehrmacht gleich erachtet. Von den genannten Tatbeständen kommen vorliegend allein die ersten beiden Fallgruppen des § 43 Abs. 3 BEG, also ein Leben unter haftähnlichen Bedingungen oder Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen, in Betracht. Anhaltspunkte für ein Leben unter haftähnlichen Bedingungen liegen nicht vor, da dies voraussetzte, dass der Kläger in der Zeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 erheblich und laufend behördlich streng überwachten Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit unterworfen war und nach den sonstigen sich ergebenden Bedingungen ein Leben führen musste, das dem eines Häftlings sehr nahe kam, er also zwar nicht vollständig, aber sehr weitgehend von der Umwelt abgeschnitten war (Niesel in Kass. Komm, § 250 SGB VI, RdNr. 83; vgl. auch BSG 21.05.1974 - 1 RA 63/73, SozR 2200 § 1251 Nr. 5, S. 15, 17 m. w. N.). Dies war sowohl nach den seinen eigenen Angaben als auch nach den vorliegenden historischen Erkenntnissen jedenfalls in der hier streitigen Zeit beim Kläger nicht der Fall. Die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung von Ciechanow aus ihren Wohnungen und ihre Zusammenfassung in bestimmten Wohngebieten oder Häusern sind für die Zeit vor dem 5. Dezember 1939 nicht dokumentiert. Zwar heißt es in "The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust” (Volume I , A-J, Stichwort Ciechanow, S. 259f, 260): "The Germans entered the city on 3 Sept. 1939. A number of Jews were murdered by the Wehrmacht soldiers, the synagogue was wrecked, fines were imposed, and Jews were ordered to keep off the sidewalks, banned from public places, and prohibited from shopping in non-J stores. The Jews, including women and children above 14, were put to work demolishing mostly J. Houses. Those made homeless were crowed into apartments five families to a room. A Judenrat was set up around the end of 1939. About 300 J. families were expelled to the Nowe Miasto ghetto in Dec. 1941".G. führt hierzu aus, dass die Lage in Zichenau von Unsicherheit geprägt gewesen sei und man jüdische Wohngebiete eingerichtet habe, die gewissermaßen auf Abruf bestanden hätten. Allerdings fehlt es an einem Datum für die Einrichtung solcher jüdischen Wohnbezirke, das sich nach den gutachtlichen Ausführungen von Prof. Dr. G. bisher auch nicht hat ermitteln lassen. Der Kläger hat jedoch in seinem Schreiben vom 22. September 2000 angegeben, seine Familie habe am Anfang der Besetzung noch in der P.-Straße in Ciechanow in einem Appartement gewohnt, das einem polnischen Bürger gehört habe. Erst später habe die deutsche Armee seine Familie in einige kleinere Appartements umgesiedelt, die sie mit fünf anderen Familien geteilt habe. Weder eine Vertreibung des Klägers aus der elterlichen Wohnung noch eine Zusammenfassung seiner Familie und anderer jüdischer Bürger in einem bestimmten Wohnbezirk sind somit für die streitige Zeit belegt. Für die Annahme haftähnlicher Lebensbedingungen des Klägers im streitigen Zeitraum besteht umso weniger Anlass, als er unter dem 22. September 2000 außerdem angegeben hat, während der Zeit, als er Zimmermannsarbeiten verrichtet habe, einen ihm ausgestellten "24 hour pass" besessen zu haben, der ihm erlaubt habe, nachts hinauszugehen, um - wenn notwendig - seine Arbeit fortzusetzen. Nur Zivilisten, die einen solchen Pass nicht besessen hätten, seien gehalten gewesen, sich nach Sonnenuntergang nicht auf die Straße zu begeben. Daraus wird ein vergleichsweise noch großer Bewegungsfreiraum des Klägers ersichtlich, der mit haftähnlichen Bedingungen nicht gleichzusetzen ist. Des Klägers Angaben entsprechen im Übrigen den bei G. wiedergegebenen Ausführungen von G1 und P1, nach denen es, auch nachdem es später zur Einrichtung "offener" und "geschlossene" Ghettos gekommen war, in Zichenau Ausnahmen von dem Verbot, das zugewiesene Stadtviertel zu verlassen, auf der Basis von Straßenscheinen für vom Judenrat zur Arbeit überwiesenen Juden und für Personen (Juden) gab, die bei Deutschen (Handwerkern) beschäftigt waren. Die weitere Angabe im Schreiben vom 22. September 2000, er sei während der Besetzung als Zimmermann beschäftigt gewesen und habe in vielen der Häuser gearbeitet, die von den Deutschen konfisziert worden seien, wobei ein deutscher Zivilist (civilian) seine Arbeit überwacht und ihn dirigiert habe, in verschiedene Häuser zu gehen und Zimmermannsarbeiten zu verrichten, wo immer solche notwendig gewesen seien, spricht auch nicht für haftähnliche Bedingungen des Klägers vor dem 5. Dezember 1939, ab dem er glaubhaft den Judenstern getragen hat.
Für die Annahme einer Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen ergeben sich ebenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte. Zwangsarbeit ist die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichem (hoheitlichen) bzw. gesetzlichem Zwang (BSG 14. 07.1999 - B 13 RJ 61/98 R, SozR 3-5070 § 14 Nr. 2 m. w. N.). Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen liegt vor, wenn der Verfolgte die ihm zugewiesene Arbeit unter Beschränkungen seiner Freiheit verrichten musste, die über das sich aus der Arbeit selbst ergebende Maß hinausgingen (vgl. Blessin/Ehrig/Wilden, BEG, 3. Auflage 1960, § 43 BEG RdNr. 25). Diese liegt insbesondere bei Arbeitsleistung unter militärischer oder polizeilicher Bewachung, bei Absonderung von freien Arbeitern, in Anwendung von Körperstrafen, nicht aber schon bei fehlender oder ungenügender Lohnzahlung vor (vgl. Blessin/Ehrig/Wilden, a. a. O.; van Dam/Loos, BEG, 1957, § 43 BEG Nr. 12 c). Die Haftähnlichkeit muss grundsätzlich Selbstzweck gewesen sein; es genügt nicht, dass sie Begleiterscheinung war (van Dam/Loos, a. a. O.). Von haftähnlichen Begleitumständen seiner in den ersten Wochen nach dem Einmarsch der deutschen Truppen und vor dem 5. Dezember 1939 nicht täglich und regelmäßig, sondern nur ab und zu verrichteten Arbeiten, vornehmlich Häuserabriss- und Straßenarbeiten, kann beim Kläger demnach keine Rede sein. Zwar trifft es zu, dass es Ziel der deutschen Politik war, das ab Oktober 1939 zum Reichsgebiet gehörende Zichenau in der Bausubstanz preußisch umzubauen und dass die bis 1939 vorwiegend von Juden bewohnten Straßen, die diesen Vorstellungen nicht entsprachen, niedergerissen werden sollten, so dass es dazu kam, dass Juden im Wege der Zwangsarbeit ihre eigenen Häuser abreißen mussten (Gutachten G., S. 5). Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diese Arbeiten unter haftähnlichen Bedingungen durchgeführt hat. Der Kläger selbst hat keine Einzelheiten genannt, die diese Annahme stützen. Der Senat teilt nicht die Ansicht, dass über die in § 47 BEG genannten Tatbestände hinaus auch eine unter nicht haftähnlichen Bedingungen geleistete Zwangsarbeit als Freiheitseinschränkung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI anzusehen ist. Dies findet im Gesetz keine Stütze. Der Begriff der Freiheitsbeschränkung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 1. Alt. SGB VI ist einer derartigen Auslegung nicht zugänglich. Die Auslegung einer Norm kommt nur dann in Betracht, wenn ihr Wortlaut einer solchen bedarf, weil er nicht eindeutig ist und verschiedene Auslegungen zulässt. Dies ist jedoch nach Auffassung des Senats nicht der Fall, da die Vorschrift durch den Klammerzusatz "§ 47 BEG" dahingehend konkretisiert ist, dass das Tatbestandsmerkmal ´"in ihrer Freiheit eingeschränkt" nur bei Vorliegen der in den Fallgruppen des § 47 BEG genannten Sachverhalte erfüllt ist. Dies entspricht der ganz herrschenden Meinung in der Kommentarliteratur (vgl. etwa Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 2. Aufl., § 250 RdNr. 36, 38; Niesel, in: Kass. Komm., § 250 SGB VI RdNr. 84; Boeken, in: Wannagat, SGB VI § 250 RdNr. 24; Försterling, in: GK-SGB VI, § 250 RdNr. 483; Maier/Tabert in Berliner Kommentar, § 250 SGB VI RdNr. 125). Für eine ausschließlich am Wiedergutmachungszweck orientierte weite Auslegung ist daher kein Raum. Dass der Klammerzusatz "§ 47 BEG" nicht unmittelbar auf den Begriff Freiheitsbeschränkung folgt, ändert daran nichts. Denn es macht im Ergebnis keinen Unterschied, ob die in Bezug genommene Vorschrift hinter dem jeweiligen Begriff oder zusammenfassend am Ende des Satzes genannt wird. Im Gegenteil ist die bestehende Gesetzesfassung sogar die gesetzestechnisch bessere, weil sie die Verwendung des Wortes ´"Bundesentschädigungsgesetz" lediglich einmal erfordert. Im Übrigen kann auch nicht mit Erfolg argumentiert werden, die Erwähnung des BEG diene allein dem Zweck der Klarstellung, dass jedenfalls die beiden in § 47 BEG genannten Fälle bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen des § 250 SGB VI zur Anrechnung von Ersatzzeiten führten. Einer solchen Klarstellung bedarf es nämlich nicht, da es ohnehin nahe liegt, bei Verfolgten zur Auslegung der Begriffe Freiheitsentziehung und Freiheitseinschränkung die Regelungen des BEG heranzuziehen. Ginge man davon aus, dass der Begriff der Freiheitsbeschränkung der Auslegung zugänglich ist, hätte es mithin des Klammerzusatzes in § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nicht bedurft. Im Übrigen enthielt dessen Vorgängervorschrift (§ 1251 Abs. 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung) die unmissverständliche Formulierung "Zeiten der Freiheitsentziehung und der Freiheitsbeschränkung im Sinne der §§ 43 und 47 BEG" und war mit der Neufassung von § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI keine Rechtsänderung beabsichtigt (vgl. FraktE-RRG 1992, BT-Drucks. 11/4124, S. 200 zu § 245-E: "Absatz 1 entspricht dem geltenden Recht."). Es liegt auch keine unbewusste Regelungslücke vor. Dass der Gesetzgeber nicht nur in der Vorläufervorschrift, sondern auch in der an deren Stelle getretenen Regelung des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI die ausdrückliche Erwähnung der entsprechenden Vorschriften des BEG für erforderlich hielt, belegt, dass eine Ausdehnung auf andere Fälle nicht gewollt war. Zudem hat der Gesetzgeber auch im BEG den per se weiten Begriff der Freiheitseinschränkung ausdrücklich auf zwei Fallgruppen beschränkt, während nach § 43 BEG alle Arten der Freiheitsentziehung entschädigungspflichtig sind (vgl. Blessin-Ehrig-Wilden, Bundesentschädigungsgesetze, Kommentar, § 47 BEG, I. Vorbemerkung). Es wäre nicht nachvollziehbar, weshalb er im zentralen Wiedergutmachungsgesetz eine entsprechende Beschränkung beabsichtigt haben sollte, nicht aber im wiedergutmachungsferneren Rentenrecht. Diese gesetzgeberische Entscheidung kann nicht im Wege einer richterlichen Rechtsfortbildung korrigiert werden. Selbst wenn unter Wiedergutmachungsgesichtspunkten eine Regelungslücke bestünde, wäre es daher allein Sache des Gesetzgebers, diese zu schließen. Davon abgesehen führte die gegenteilige die Auffassung zu einer grenzenlosen Ausweitung des Begriffes der Freiheitsbeschränkung in dem Sinne, dass dieser Verfolgungsmaßnahmen jeder Art umfasste. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des 6. Senats des Landessozialgerichts Hamburg im Urteil vom 15. Juni 2006 (L 6 R 185/05), gegen das die Revision beim Bundessozialgericht (B 13 RJ 20/05 R) anhängig ist.
Die Angabe in der "Encyclopedia Of Jewish Life", dass in Ciechanow "Jews were seized off the streets for forced labor" rechtfertigt nicht die Gleichsetzung der vom Kläger zwischen dem 3. September und 4. Dezember 1939 sporadisch verrichteten Zwangsarbeiten mit einer Freiheitsbeschränkung bzw. Freiheitsentziehung iSd §§ 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, 43, 47 BEG. Denn dann käme nahezu jede Zwangsarbeit diesen Tatbeständen gleich. Dies ist vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Dass ausweislich des Aktenvermerks der Hauptabteilung Wirtschaft vom 9. Mai 1941 (III./Gü./Ja.) ein erheblich großer Teil von Juden im Regierungsbezirk Zichenau zu Straßenreinigungs-, Aufräumungs- und Tiefbauarbeiten, auch als Handwerker Schlosser, Schuhmacher, Schneider usw., eingesetzt wurde, spricht nicht für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) SGB VI beim Kläger im streitigen Zeitraum, sondern nur für die Richtigkeit seiner die Zeit ab Januar 1940 betreffenden Angaben. Von haftähnlichen Bedingungen der Zwangsarbeit leistenden Juden beim Abriss von Häusern und bei Straßenarbeiten nach Kriegsanfang ist auch bei G. nicht die Rede. Der Kläger selbst hat davon auch nicht berichtet. Er gehörte, wie ausgeführt, nach seinen Angaben zu den Inhabern von Straßenscheinen, nämlich zu den vom Judenrat zu Arbeiten überwiesenen Juden bzw. zu den Personen (Juden), die bei deutschen (Handwerkern) beschäftigt waren (vgl. auch S. 5 Gutachten G.). Diese Angaben des Klägers mögen sich zwar erst auf eine unbestimmte Zeit ab 1940 beziehen, lassen aber vermuten, dass eine Freiheitseinschränkung, wie sie § 47 BEG verlangt, in der Zeit davor nicht vorgelegen hat, insbesondere dann nicht, wenn es zutrifft, dass der Kläger, wie er unter dem 24. November 1998 einmal angegeben hat, von September 1939 bis November 1942 für die Wehrmacht Schreinerarbeiten geleistet haben sollte. Allein der Umstand, dass die anfangs sporadische Rekrutierung des Klägers zur Zwangsarbeit durch "Aufgreifen auf der Straße" bzw. durch "Herausholen" aus den Betten erfolgt sein mag, lässt keinen Tatbestand erkennen, der über die Freiheitsbeschränkung, die jeder Zwangsarbeit immanent ist, hinaus geht und den Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI erfüllt.
Dieses Ergebnis wird durch den Inhalt der Entschädigungsakten gestützt. Im Entschädigungsverfahren gab der Kläger unter dem 27. Juni 1950 den Beginn seiner Freiheitsberaubung erst mit dem April 1940 an, als er in Ciechanow in ein Zwangsarbeitslager gekommen sei. Der Zeuge J.K. (geb. 14.12.1919 in Ciechanow) bekundete in der eidesstattlichen Erklärung vom 30. September 1955, dass er und der am 17. August 1908 in Ciechanow geborene Zeuge M.L. im Oktober 1939 in ihrem Heimatort angefangen hätten, Zwangsarbeit zu leisten. Die Sache sei zunächst nicht richtig organisiert gewesen. Sie seien auf der Straße oder zu Hause aufgegriffen worden und hätten tageweise arbeiten müssen und hätten den Eindruck gehabt, dass in Ciechanow zunächst nur Wehrmacht gewesen sei und keine oder nicht viele NS-Organisationen. Gegen Ende 1939, als Nazi-Organisationen nach Ciechanow gekommen seien, die sie "Gestapo" genannt hätten, sei das anders geworden. Um diese Zeit hätten sie alle schon die Abzeichen getragen. Ende 1939, allerspätestens Januar 1940, hätten sie ganz regelmäßig jeden Tag zur Arbeit antreten müssen. Damals habe es schon ein deutsches Arbeitsamt gegeben, welches sie über den Judenrat mit Namenslisten zum Arbeiten erfasst habe. Sie könnten bezeugen, dass sie von Ende 1939 an, spätestens aber ab Januar 1940, wie vorgeschrieben Zwangsarbeit verrichtet und dabei die jüdischen Kennzeichen getragen hätten. Während dieser beschriebenen Zeit, d. h. von Beginn der Zwangsarbeit in Ciechanow an, sei auch der Kläger bei ihnen gewesen.
Der am 30. März 1907 in Ciechanow geborene Zeuge N.L. versicherte unter dem 9. Januar 1955 eidesstattlich, dass der Kläger, dessen Bruder und der beiden Vetter "beim Wiederaufbau von Ciechanow in ihren verschiedenen Berufen Zwangsarbeit geleistet" hätten. In der eidesstattlichen Erklärung des Klägers, des am 13. Februar 1921 in Ciechanow geborenen N.K., des I.A. und des S.A. vom 21. September 1956 heißt es, dass sie "vom ersten Tage der entsprechenden gesetzlichen deutschen Vorschrift der Kennzeichenpflicht für Juden unterworfen worden" seien. Soweit sie sich erinnerten, sei diese Kennzeichenpflicht in Ciechanow spätestens am 1. Dezember 1939 eingeführt worden. Anfang 1940 sei die Zwangsarbeit schon stramm organisiert gewesen. Sie hätten aber schon vor der Organisierung der Zwangsarbeit die Sterne tragen müssen. Sie könnten sich gegenseitig bezeugen, dass sie in ihrer Freiheit durch die jüdische Kennzeichenpflicht ab 1. Dezember 1939 beschränkt gewesen seien.
Im Antrag auf Anerkennung eines Schadens an Körper oder Gesundheit vom 5. Februar 1967 gab der Kläger an, bei Beginn der Verfolgung Schüler gewesen zu sein. Sein früherer Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt B1, gab im Schriftsatz vom 28. März 1967 an, dass der Kläger von Ende 1939 an Verfolgungen als Jude ausgesetzt gewesen sei. Im Ärztlichen Gutachten des Dr. S1 vom 19. Januar 1968 heißt es in der vom Kläger unterzeichneten Vorgeschichte, dass er "bis zu seiner Verhaftung in 1940" Schüler gewesen und von Januar 1940 an Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei. Im Gutachten des Dr. H. vom 16. Februar 1968 ist angegeben, der Kläger habe die Schule bis zur siebten Klasse besucht, d. h. bis zum Ausbruch des Krieges. Mit 16 Jahren sei er ins Lager verschickt worden.
Allen diesen Zeugenaussagen und Angaben des Klägers ist kein hinreichender Anhalt, geschweige denn ein Beleg dafür zu entnehmen, dass beim Kläger eine Freiheitseinschränkung/Freiheitsentziehung im streitigen Zeitraum vorgelegen hat. Ihnen lässt sich auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass der Kläger den Judenstern vor dem 5. Dezember 1939 getragen hat. Vielmehr sprechen die Angaben in den Entschädigungsakten dafür, dass der Kläger auch subjektiv den Beginn einer Verfolgungszeit als Jude erst mit dem Monat Dezember 1939 erlebt hat.
Der Kläger ist in der Zeit vom 3. September 1939 bis 4. Dezember 1939 auch nicht infolge Verfolgungsmaßnahmen arbeitslos gewesen. Er hat seine Berufungsschrift vom 22. August 2006 zwar nicht mehr auf diesen Gesichtspunkt gestützt, hat seinen vor dem Sozialgericht vertretenen Rechtsstandpunkt allerdings auch nicht fallen gelassen. Eine verfolgungsbedingte Arbeitslosigkeit lag indes nicht vor. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts an und nimmt darauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Soweit der Kläger vereinzelt - im Widerspruch zu seinen sonstigen Angaben - vorgebracht hat, er habe sich bei Ausbruch des Krieges in einem Ausbildungsverhältnis befunden, ist er darauf nicht zurückgekommen, sondern hat später (und auch früher) behauptet, bei Kriegsausbruch (zum Teil auch noch später) Schüler gewesen zu sein. Für die Annahme einer verfolgungsbedingt eingetretenen Arbeitslosigkeit besteht schon deshalb kein Anhalt.
Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Es ist im Überprüfungsverfahren höhere Regelaltersrente ab 1. Januar 1999 unter Anrechnung einer Verfolgungsersatzzeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 streitig.
Der am XX.XXXXXXXX 1924 in Z. (C.), das nach dem Ersten Weltkrieg von Deutschland an Polen gefallen und im 2. Weltkrieg in das Deutsche Reich eingegliedert war (Erlass über die Gliederung und Verwaltung der Ostgebiete vom 8. Oktober 1939, RGBl. I S. 2042), geborene US-amerikanische, früher polnische Kläger ist jüdischer Verfolgter des Nationalsozialismus. Nach der Befreiung (zuletzt KZ Dachau) hielt er sich in München auf, bevor er im April 1949 von B. aus in die USA auswanderte. Dort legte er von 1949 bis Ende 1996 564 Kalendermonate (188 Quartale) Versicherungszeit zurück. Der Kläger wurde nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) für Zeiten der Freiheitsentziehung vom 1. Januar 1940 bis Ende April 1945 (64 Monate) entschädigt (Bescheid vom 11. März 1957). Weitere Zeiten der Freiheitsentziehung/Freiheitsbeschränkung wurden mangels ausreichenden Nachweises einer Freiheitsbeschränkung (Sterntragen) abgelehnt und vom Kläger, der vom Bayerischen Landesentschädigungsamt Rente nach dem BEG für Schaden an Körper und Gesundheit bezieht, nicht weiter verfolgt.
In der notariell beurkundeten Eidesstattlichen Erklärung (Lebenslauf) vom 14. Januar 1955 führte der Kläger zusammen mit seinem Bruder S.A. und seinem Vetter I.A. aus, bei Kriegsausbruch in C. bei ihren Eltern gelebt zu haben. Vom 2. oder 3. Kriegstage hätten sie in ihrem Heimatort arbeiten müssen. Sie seien auf der Straße aufgegriffen worden, wenn immer die Besatzung Arbeitskräfte gebraucht habe, und auch schon gleich zu Anfang oft aus den Betten geholt worden, wenn Arbeitskräfte fehlten. Sie hätten viele polnische Häuser abreißen und auch neue Häuser bauen müssen und außerdem neue Straßen angelegt. Im Anfang seien diese Arbeiten noch nicht so organisiert gewesen. Sie könnten nicht sagen, dass sie in den ersten Wochen nach dem Einzug der Deutschen täglich und regelmäßig hätten arbeiten müssen. Ab 1. Januar 1940 sei die ganze Sache bereits hoch organisiert gewesen.
Am 25. März 1997 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente. Hierbei gab er an, 1939 die 7. Klasse der Schule beendet zu haben. Ein Lehrverhältnis bzw. Ausbildungsverhältnis habe nicht bestanden. Unter dem 19. Juni 1998 gab er an, von 1939 bis 1942 als Schreiner/Handwerker bei den Besatzungstruppen und bei Krupp in Ciechanow beschäftigt gewesen zu sein. Unter dem 24. November 1998 gab er an, dass für ihn von Februar 1938 bis September 1939 ein Lehrverhältnis bzw. ein Ausbildungsverhältnis bestanden und er 12 Zloty die Woche in einer Schreinerei (Möbelbau) verdient habe, deren Namen er nicht mehr erinnere. Von September 1939 bis November 1942 habe er vollschichtig Schreinerarbeit für die Wehrmacht geleistet.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakten bei und lehnte den Rentenantrag nach umfangreichen Ermittlungen durch Bescheid vom 18. Dezember 1998 ab, weil Beitragszeiten zur gesetzlichen deutschen Rentenversicherung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden seien. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den seine jetzige Prozessbevollmächtigte damit begründete, dass er im Ghetto Ciechanow für eine Firma L., die der Kläger bis dahin nicht erwähnt und bei dem S.A. Zwangsarbeit als Klempner verrichtet hatte, tätig gewesen sei. Zu dieser Arbeit sei er durch das jüdische Arbeitsamt eingeteilt worden. Auf verschiedene - die Zeit ab Januar 1940 betreffende - Fragen der Beklagten vom 27. April 2000 antwortete der Kläger mit persönlichem Schreiben vom 22. September 2000. In diesem Schreiben, auf dessen Inhalt verwiesen wird, äußerte er sich u. a. zu seiner Beschäftigung und zu seiner Unterkunft/Wohnung ab Januar 1940 bis November 1942.
Die Beklagte erteilte dem Kläger nach Einsicht in die Akten des I1 (I2) Althaus den Bescheid vom 13. Dezember 2000, mit dem sie, da die Anspruchsvoraussetzungen seit 31. Oktober 1989 erfüllt seien, ab 1. März 1997 Regelaltersrente gewährte. Angerechnet wurden Beitragszeiten vom 1. Januar 1940 bis 6. November 1942 (Leistungsgruppe 3 - Arbeiter außerhalb der Land- und Forstwirtschaft) und Verfolgungsersatzzeiten vom 05. bis 31. Dezember 1939 und vom 07. November 1942 bis 08. Mai 1945. Die laufende monatliche Rentenhöhe betrug ab 1. Februar 2001 276,10 DM. Der Kläger erklärte das Widerspruchsverfahren, indem er der Beklagten für dieses seine außergerichtlichen Kosten am 3. Dezember 2002 in Rechnung stellte, welche sie übernahm, für erledigt.
Zwischenzeitlich hatte der Kläger am 27. November 2001 bei der Beklagten die Anrechnung "weiterer Zeiten der verfolgungsbedingten Arbeitsunfähigkeit bis Dezember 1946" und Zeiten des Auslandsaufenthaltes ab März 1949" geltend gemacht und am 17. Dezember 2001 die Neufeststellung der Rente beantragt, weil die Bewertung der beitragsfreien Zeiten fehlerhaft sei. Die Beklagte erteilte ihm daraufhin den Bescheid vom 25. Januar 2002, mit dem sie die Regelaltersrente ab 1. März 1997 unter Berücksichtigung der Zeit vom 9. Mai 1945 bis 31. Dezember 1949 neu feststellte, wodurch sich eine Erhöhung der monatlichen Rente auf 302,08 EUR und eine Nachzahlung von 9.222,74 EUR ergab. Der seiner Prozessbevollmächtigten unter dem 30. Januar 2002 übermittelte Bescheid vom 25. Januar 2002 blieb unangefochten.
Am 5. Februar 2003 beantragte der Kläger, die Rente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) neu festzustellen; mindestens jedoch die Ghetto-Beitragszeiten in Höhe von 6/6 anzurechnen. Im Übrigen sei der belegungsfähige Gesamtzeitraum fehlerhaft ermittelt.
Nach Durchführung von Vergleichsberechnungen erteilte die Beklagte dem Kläger den Rentenbescheid vom 22. Oktober 2003, mit dem sie die Regelaltersrente ab 1. Januar 1999 neu feststellte, weil sich die rentenrechtlichen Zeiten geändert hätten. Insoweit nahm sie den Bescheid vom 25. Januar 2002 zurück. Die monatliche Rentenhöhe ab 1. Januar 1999 betrug 356,10 EUR, die Nachzahlung 2.542,02 EUR.
Der Kläger erhob unter Bezugnahme auf die gemeinsame eidesstattliche Versicherung vom Januar 1955 Widerspruch. Die Monate September bis November 1939 müssten als Ersatzzeit wegen Verfolgung (Freiheitsbeschränkung, Freiheitsentziehung) angerechnet werden. Im Übrigen sei ihm durch den Einzug der deutschen Truppen der weitere Schulbesuch verwehrt worden. Abgesehen von den unregelmäßigen Zwangsarbeitseinsätzen in dieser Zeit und dem daraus resultierenden Freiheitsentzug sei es ihm nicht möglich gewesen, seine Schulausbildung fortzusetzen oder als Jude eine Beschäftigung aufzunehmen. Mithin liege auch eine Zeit der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2004 zurück. Der Kläger sei nicht vor dem 05. Dezember 1939 Judensternträger gewesen und habe im streitigen Zeitraum auch kein Leben in der Illegalität unter menschenunwürdigen Bedingungen geführt. Eine Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingter Arbeitslosigkeit scheide aus, weil er im September 1939 Schüler gewesen sei und die Schule auch weiterhin habe besuchen wollen. Eine Bereitschaft des Klägers, Arbeitnehmer zu werden, habe ersichtlich nicht bestanden. Im Übrigen habe er nach den Angaben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2004 auch über den August 1939 hinaus die Schule besuchen wollen.
Hiergegen richtet sich die am 6. August 2004 erhobene Klage, mit welcher der Kläger zunächst die Anrechnung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingter Arbeitslosigkeit vom 1. September bis 4. Dezember 1939 verfolgt hat.
Das Sozialgericht hat die Entschädigungsakten beigezogen und die Klage durch Urteil vom 28. November 2005 abgewiesen. Der Kläger sei nicht infolge Verfolgungsmaßnahmen arbeitslos gewesen. Zwar möge er objektiv arbeitslos gewesen sein. Subjektiv habe Arbeitslosigkeit bei ihm jedoch nicht bestanden, weil er weiterhin zur Schule habe gehen wollen. Der Kläger habe vor dem Einmarsch der deutschen Truppen keine Berufstätigkeit ausgeübt und sei auch nicht aus der Schule entlassen gewesen.
Mit der Berufung vom 16. Februar 2006 gegen das ihm am 25. Januar 2006 zugestellte Urteil verfolgt der Kläger eine Rentenerhöhung ab 1. Januar 1999 durch Anrechnung einer Ersatzzeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939. In dieser Zeit sei er zur Zwangsarbeit herangezogen worden. Diese habe bereits am Tage der Besetzung seines Heimatortes begonnen. Das entspreche den Angaben in der "Encyclopedia of Jewish Life" und den Ausführungen von Prof. Dr. F. G. im Gutachten vom 7. Dezember 2005 zu den Verhältnissen in Regierungsbezirk Zichenau, das die 26. Kammer des Sozialgerichts Hamburg (S 26 RJ 555/04) eingeholt habe. Das Sozialgericht habe lediglich den Aspekt der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit untersucht, nicht jedoch, ob bei ihm eine Freiheitsbeschränkung/Freiheitsentziehung i. S. d. §§ 43, 47 BEG vorgelegen habe. Er habe Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen geleistet, wofür der Umstand ein Indiz hergebe, dass er dafür keinen Lohn erhalten habe und "entwürdigend" behandelt worden sei. Einschlägige Kommentierungen des BEG sprächen für seine Rechtsansicht.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. November 2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2004 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter weiterer Zurücknahme des Bescheides vom 25. Januar 2002 und Anrechnung einer Verfolgungsersatzzeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 ab 1. Januar 1999 höhere Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, bezieht sich auf ihren Schriftsatz vom 8. Dezember 2006 und führt aus, bei Anrechnung der streitigen Ersatzzeit ergebe sich eine um weniger als drei DM höhere monatliche Rente (Nachzahlung ca. 150 EUR).
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakten, der Rentenakten der Beklagten und der Entschädigungsakten des Bayerischen Landesentschädigungsamts Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )).
Das Rechtsmittel bedarf nicht nach § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung. Zwar fiele die Erhöhung der Rente bei Anrechnung einer weiteren Ersatzzeit von drei Kalendermonaten nur gering aus und betrüge die sich hieraus ergebende Nachzahlung nicht mehr als 500 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Jedoch betrifft die Berufung laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 22. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2004 ist rechtmäßig.
Streitgegenstand ist allein die Überprüfung des Bescheides vom 25. Januar 2002, mit dem die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers ohne Anrechnung einer Verfolgungsersatzzeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 ab 1. Januar 1999 neu festgestellt hat. Da der Überprüfungsantrag am 5. Februar 2003 gestellt worden ist, zielt das Begehren des Klägers unter Berücksichtigung von § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf die Gewährung höherer Regelaltersrente unter Anrechnung einer solchen Ersatzzeit (Verfolgungszeit) ab 1. Januar 1999 unter entsprechender Zurücknahme des Bescheides vom 25. Januar 2002. Hierzu ist die Beklagte indes nicht verpflichtet.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist, und so weit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn eine Ersatzzeit iSd § 250 Abs. 1 Nr. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) braucht die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 nicht anzurechnen.
Nach dem hier allein in Betracht kommenden § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) SGB VI sind Ersatzzeiten Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43 und 47 BEG) oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind oder infolge Verfolgungsmaßnahmen arbeitslos gewesen sind, auch wenn sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1946, wenn sie zum Personenkreis des § 1 BEG gehören (Verfolgungszeit). Diese Voraussetzungen liegen für den Zeitraum 3. September bis 4. Dezember 1939 nicht vor.
Eine Freiheitsentziehung des Klägers in dieser Zeit vermag der Senat nicht festzustellen. Für die Beurteilung dieser Frage sind die entsprechenden Regelungen des BEG maßgebend. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BEG besteht ein Anspruch auf eine Entschädigung, wenn dem Verfolgten in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis 8. Mai 1945 die Freiheit entzogen worden ist. Dies ist insbesondere bei polizeilicher oder militärischer Haft, Inhaftnahme durch die NSDAP, Untersuchungshaft, Strafhaft, Konzentrationslagerhaft oder Zwangsaufenthalt in einem Ghetto der Fall (§ 43 Abs. 2 BEG). Nach § 43 Abs. 3 BEG werden der Freiheitsentziehung das Leben unter haftähnlichen Bedingungen, Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen und die Zugehörigkeit zu einer Straf- oder Bewährungseinheit der Wehrmacht gleich erachtet. Von den genannten Tatbeständen kommen vorliegend allein die ersten beiden Fallgruppen des § 43 Abs. 3 BEG, also ein Leben unter haftähnlichen Bedingungen oder Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen, in Betracht. Anhaltspunkte für ein Leben unter haftähnlichen Bedingungen liegen nicht vor, da dies voraussetzte, dass der Kläger in der Zeit vom 3. September bis 4. Dezember 1939 erheblich und laufend behördlich streng überwachten Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit unterworfen war und nach den sonstigen sich ergebenden Bedingungen ein Leben führen musste, das dem eines Häftlings sehr nahe kam, er also zwar nicht vollständig, aber sehr weitgehend von der Umwelt abgeschnitten war (Niesel in Kass. Komm, § 250 SGB VI, RdNr. 83; vgl. auch BSG 21.05.1974 - 1 RA 63/73, SozR 2200 § 1251 Nr. 5, S. 15, 17 m. w. N.). Dies war sowohl nach den seinen eigenen Angaben als auch nach den vorliegenden historischen Erkenntnissen jedenfalls in der hier streitigen Zeit beim Kläger nicht der Fall. Die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung von Ciechanow aus ihren Wohnungen und ihre Zusammenfassung in bestimmten Wohngebieten oder Häusern sind für die Zeit vor dem 5. Dezember 1939 nicht dokumentiert. Zwar heißt es in "The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust” (Volume I , A-J, Stichwort Ciechanow, S. 259f, 260): "The Germans entered the city on 3 Sept. 1939. A number of Jews were murdered by the Wehrmacht soldiers, the synagogue was wrecked, fines were imposed, and Jews were ordered to keep off the sidewalks, banned from public places, and prohibited from shopping in non-J stores. The Jews, including women and children above 14, were put to work demolishing mostly J. Houses. Those made homeless were crowed into apartments five families to a room. A Judenrat was set up around the end of 1939. About 300 J. families were expelled to the Nowe Miasto ghetto in Dec. 1941".G. führt hierzu aus, dass die Lage in Zichenau von Unsicherheit geprägt gewesen sei und man jüdische Wohngebiete eingerichtet habe, die gewissermaßen auf Abruf bestanden hätten. Allerdings fehlt es an einem Datum für die Einrichtung solcher jüdischen Wohnbezirke, das sich nach den gutachtlichen Ausführungen von Prof. Dr. G. bisher auch nicht hat ermitteln lassen. Der Kläger hat jedoch in seinem Schreiben vom 22. September 2000 angegeben, seine Familie habe am Anfang der Besetzung noch in der P.-Straße in Ciechanow in einem Appartement gewohnt, das einem polnischen Bürger gehört habe. Erst später habe die deutsche Armee seine Familie in einige kleinere Appartements umgesiedelt, die sie mit fünf anderen Familien geteilt habe. Weder eine Vertreibung des Klägers aus der elterlichen Wohnung noch eine Zusammenfassung seiner Familie und anderer jüdischer Bürger in einem bestimmten Wohnbezirk sind somit für die streitige Zeit belegt. Für die Annahme haftähnlicher Lebensbedingungen des Klägers im streitigen Zeitraum besteht umso weniger Anlass, als er unter dem 22. September 2000 außerdem angegeben hat, während der Zeit, als er Zimmermannsarbeiten verrichtet habe, einen ihm ausgestellten "24 hour pass" besessen zu haben, der ihm erlaubt habe, nachts hinauszugehen, um - wenn notwendig - seine Arbeit fortzusetzen. Nur Zivilisten, die einen solchen Pass nicht besessen hätten, seien gehalten gewesen, sich nach Sonnenuntergang nicht auf die Straße zu begeben. Daraus wird ein vergleichsweise noch großer Bewegungsfreiraum des Klägers ersichtlich, der mit haftähnlichen Bedingungen nicht gleichzusetzen ist. Des Klägers Angaben entsprechen im Übrigen den bei G. wiedergegebenen Ausführungen von G1 und P1, nach denen es, auch nachdem es später zur Einrichtung "offener" und "geschlossene" Ghettos gekommen war, in Zichenau Ausnahmen von dem Verbot, das zugewiesene Stadtviertel zu verlassen, auf der Basis von Straßenscheinen für vom Judenrat zur Arbeit überwiesenen Juden und für Personen (Juden) gab, die bei Deutschen (Handwerkern) beschäftigt waren. Die weitere Angabe im Schreiben vom 22. September 2000, er sei während der Besetzung als Zimmermann beschäftigt gewesen und habe in vielen der Häuser gearbeitet, die von den Deutschen konfisziert worden seien, wobei ein deutscher Zivilist (civilian) seine Arbeit überwacht und ihn dirigiert habe, in verschiedene Häuser zu gehen und Zimmermannsarbeiten zu verrichten, wo immer solche notwendig gewesen seien, spricht auch nicht für haftähnliche Bedingungen des Klägers vor dem 5. Dezember 1939, ab dem er glaubhaft den Judenstern getragen hat.
Für die Annahme einer Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen ergeben sich ebenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte. Zwangsarbeit ist die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichem (hoheitlichen) bzw. gesetzlichem Zwang (BSG 14. 07.1999 - B 13 RJ 61/98 R, SozR 3-5070 § 14 Nr. 2 m. w. N.). Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen liegt vor, wenn der Verfolgte die ihm zugewiesene Arbeit unter Beschränkungen seiner Freiheit verrichten musste, die über das sich aus der Arbeit selbst ergebende Maß hinausgingen (vgl. Blessin/Ehrig/Wilden, BEG, 3. Auflage 1960, § 43 BEG RdNr. 25). Diese liegt insbesondere bei Arbeitsleistung unter militärischer oder polizeilicher Bewachung, bei Absonderung von freien Arbeitern, in Anwendung von Körperstrafen, nicht aber schon bei fehlender oder ungenügender Lohnzahlung vor (vgl. Blessin/Ehrig/Wilden, a. a. O.; van Dam/Loos, BEG, 1957, § 43 BEG Nr. 12 c). Die Haftähnlichkeit muss grundsätzlich Selbstzweck gewesen sein; es genügt nicht, dass sie Begleiterscheinung war (van Dam/Loos, a. a. O.). Von haftähnlichen Begleitumständen seiner in den ersten Wochen nach dem Einmarsch der deutschen Truppen und vor dem 5. Dezember 1939 nicht täglich und regelmäßig, sondern nur ab und zu verrichteten Arbeiten, vornehmlich Häuserabriss- und Straßenarbeiten, kann beim Kläger demnach keine Rede sein. Zwar trifft es zu, dass es Ziel der deutschen Politik war, das ab Oktober 1939 zum Reichsgebiet gehörende Zichenau in der Bausubstanz preußisch umzubauen und dass die bis 1939 vorwiegend von Juden bewohnten Straßen, die diesen Vorstellungen nicht entsprachen, niedergerissen werden sollten, so dass es dazu kam, dass Juden im Wege der Zwangsarbeit ihre eigenen Häuser abreißen mussten (Gutachten G., S. 5). Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diese Arbeiten unter haftähnlichen Bedingungen durchgeführt hat. Der Kläger selbst hat keine Einzelheiten genannt, die diese Annahme stützen. Der Senat teilt nicht die Ansicht, dass über die in § 47 BEG genannten Tatbestände hinaus auch eine unter nicht haftähnlichen Bedingungen geleistete Zwangsarbeit als Freiheitseinschränkung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI anzusehen ist. Dies findet im Gesetz keine Stütze. Der Begriff der Freiheitsbeschränkung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 1. Alt. SGB VI ist einer derartigen Auslegung nicht zugänglich. Die Auslegung einer Norm kommt nur dann in Betracht, wenn ihr Wortlaut einer solchen bedarf, weil er nicht eindeutig ist und verschiedene Auslegungen zulässt. Dies ist jedoch nach Auffassung des Senats nicht der Fall, da die Vorschrift durch den Klammerzusatz "§ 47 BEG" dahingehend konkretisiert ist, dass das Tatbestandsmerkmal ´"in ihrer Freiheit eingeschränkt" nur bei Vorliegen der in den Fallgruppen des § 47 BEG genannten Sachverhalte erfüllt ist. Dies entspricht der ganz herrschenden Meinung in der Kommentarliteratur (vgl. etwa Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 2. Aufl., § 250 RdNr. 36, 38; Niesel, in: Kass. Komm., § 250 SGB VI RdNr. 84; Boeken, in: Wannagat, SGB VI § 250 RdNr. 24; Försterling, in: GK-SGB VI, § 250 RdNr. 483; Maier/Tabert in Berliner Kommentar, § 250 SGB VI RdNr. 125). Für eine ausschließlich am Wiedergutmachungszweck orientierte weite Auslegung ist daher kein Raum. Dass der Klammerzusatz "§ 47 BEG" nicht unmittelbar auf den Begriff Freiheitsbeschränkung folgt, ändert daran nichts. Denn es macht im Ergebnis keinen Unterschied, ob die in Bezug genommene Vorschrift hinter dem jeweiligen Begriff oder zusammenfassend am Ende des Satzes genannt wird. Im Gegenteil ist die bestehende Gesetzesfassung sogar die gesetzestechnisch bessere, weil sie die Verwendung des Wortes ´"Bundesentschädigungsgesetz" lediglich einmal erfordert. Im Übrigen kann auch nicht mit Erfolg argumentiert werden, die Erwähnung des BEG diene allein dem Zweck der Klarstellung, dass jedenfalls die beiden in § 47 BEG genannten Fälle bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen des § 250 SGB VI zur Anrechnung von Ersatzzeiten führten. Einer solchen Klarstellung bedarf es nämlich nicht, da es ohnehin nahe liegt, bei Verfolgten zur Auslegung der Begriffe Freiheitsentziehung und Freiheitseinschränkung die Regelungen des BEG heranzuziehen. Ginge man davon aus, dass der Begriff der Freiheitsbeschränkung der Auslegung zugänglich ist, hätte es mithin des Klammerzusatzes in § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nicht bedurft. Im Übrigen enthielt dessen Vorgängervorschrift (§ 1251 Abs. 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung) die unmissverständliche Formulierung "Zeiten der Freiheitsentziehung und der Freiheitsbeschränkung im Sinne der §§ 43 und 47 BEG" und war mit der Neufassung von § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI keine Rechtsänderung beabsichtigt (vgl. FraktE-RRG 1992, BT-Drucks. 11/4124, S. 200 zu § 245-E: "Absatz 1 entspricht dem geltenden Recht."). Es liegt auch keine unbewusste Regelungslücke vor. Dass der Gesetzgeber nicht nur in der Vorläufervorschrift, sondern auch in der an deren Stelle getretenen Regelung des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI die ausdrückliche Erwähnung der entsprechenden Vorschriften des BEG für erforderlich hielt, belegt, dass eine Ausdehnung auf andere Fälle nicht gewollt war. Zudem hat der Gesetzgeber auch im BEG den per se weiten Begriff der Freiheitseinschränkung ausdrücklich auf zwei Fallgruppen beschränkt, während nach § 43 BEG alle Arten der Freiheitsentziehung entschädigungspflichtig sind (vgl. Blessin-Ehrig-Wilden, Bundesentschädigungsgesetze, Kommentar, § 47 BEG, I. Vorbemerkung). Es wäre nicht nachvollziehbar, weshalb er im zentralen Wiedergutmachungsgesetz eine entsprechende Beschränkung beabsichtigt haben sollte, nicht aber im wiedergutmachungsferneren Rentenrecht. Diese gesetzgeberische Entscheidung kann nicht im Wege einer richterlichen Rechtsfortbildung korrigiert werden. Selbst wenn unter Wiedergutmachungsgesichtspunkten eine Regelungslücke bestünde, wäre es daher allein Sache des Gesetzgebers, diese zu schließen. Davon abgesehen führte die gegenteilige die Auffassung zu einer grenzenlosen Ausweitung des Begriffes der Freiheitsbeschränkung in dem Sinne, dass dieser Verfolgungsmaßnahmen jeder Art umfasste. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des 6. Senats des Landessozialgerichts Hamburg im Urteil vom 15. Juni 2006 (L 6 R 185/05), gegen das die Revision beim Bundessozialgericht (B 13 RJ 20/05 R) anhängig ist.
Die Angabe in der "Encyclopedia Of Jewish Life", dass in Ciechanow "Jews were seized off the streets for forced labor" rechtfertigt nicht die Gleichsetzung der vom Kläger zwischen dem 3. September und 4. Dezember 1939 sporadisch verrichteten Zwangsarbeiten mit einer Freiheitsbeschränkung bzw. Freiheitsentziehung iSd §§ 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, 43, 47 BEG. Denn dann käme nahezu jede Zwangsarbeit diesen Tatbeständen gleich. Dies ist vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Dass ausweislich des Aktenvermerks der Hauptabteilung Wirtschaft vom 9. Mai 1941 (III./Gü./Ja.) ein erheblich großer Teil von Juden im Regierungsbezirk Zichenau zu Straßenreinigungs-, Aufräumungs- und Tiefbauarbeiten, auch als Handwerker Schlosser, Schuhmacher, Schneider usw., eingesetzt wurde, spricht nicht für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) SGB VI beim Kläger im streitigen Zeitraum, sondern nur für die Richtigkeit seiner die Zeit ab Januar 1940 betreffenden Angaben. Von haftähnlichen Bedingungen der Zwangsarbeit leistenden Juden beim Abriss von Häusern und bei Straßenarbeiten nach Kriegsanfang ist auch bei G. nicht die Rede. Der Kläger selbst hat davon auch nicht berichtet. Er gehörte, wie ausgeführt, nach seinen Angaben zu den Inhabern von Straßenscheinen, nämlich zu den vom Judenrat zu Arbeiten überwiesenen Juden bzw. zu den Personen (Juden), die bei deutschen (Handwerkern) beschäftigt waren (vgl. auch S. 5 Gutachten G.). Diese Angaben des Klägers mögen sich zwar erst auf eine unbestimmte Zeit ab 1940 beziehen, lassen aber vermuten, dass eine Freiheitseinschränkung, wie sie § 47 BEG verlangt, in der Zeit davor nicht vorgelegen hat, insbesondere dann nicht, wenn es zutrifft, dass der Kläger, wie er unter dem 24. November 1998 einmal angegeben hat, von September 1939 bis November 1942 für die Wehrmacht Schreinerarbeiten geleistet haben sollte. Allein der Umstand, dass die anfangs sporadische Rekrutierung des Klägers zur Zwangsarbeit durch "Aufgreifen auf der Straße" bzw. durch "Herausholen" aus den Betten erfolgt sein mag, lässt keinen Tatbestand erkennen, der über die Freiheitsbeschränkung, die jeder Zwangsarbeit immanent ist, hinaus geht und den Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI erfüllt.
Dieses Ergebnis wird durch den Inhalt der Entschädigungsakten gestützt. Im Entschädigungsverfahren gab der Kläger unter dem 27. Juni 1950 den Beginn seiner Freiheitsberaubung erst mit dem April 1940 an, als er in Ciechanow in ein Zwangsarbeitslager gekommen sei. Der Zeuge J.K. (geb. 14.12.1919 in Ciechanow) bekundete in der eidesstattlichen Erklärung vom 30. September 1955, dass er und der am 17. August 1908 in Ciechanow geborene Zeuge M.L. im Oktober 1939 in ihrem Heimatort angefangen hätten, Zwangsarbeit zu leisten. Die Sache sei zunächst nicht richtig organisiert gewesen. Sie seien auf der Straße oder zu Hause aufgegriffen worden und hätten tageweise arbeiten müssen und hätten den Eindruck gehabt, dass in Ciechanow zunächst nur Wehrmacht gewesen sei und keine oder nicht viele NS-Organisationen. Gegen Ende 1939, als Nazi-Organisationen nach Ciechanow gekommen seien, die sie "Gestapo" genannt hätten, sei das anders geworden. Um diese Zeit hätten sie alle schon die Abzeichen getragen. Ende 1939, allerspätestens Januar 1940, hätten sie ganz regelmäßig jeden Tag zur Arbeit antreten müssen. Damals habe es schon ein deutsches Arbeitsamt gegeben, welches sie über den Judenrat mit Namenslisten zum Arbeiten erfasst habe. Sie könnten bezeugen, dass sie von Ende 1939 an, spätestens aber ab Januar 1940, wie vorgeschrieben Zwangsarbeit verrichtet und dabei die jüdischen Kennzeichen getragen hätten. Während dieser beschriebenen Zeit, d. h. von Beginn der Zwangsarbeit in Ciechanow an, sei auch der Kläger bei ihnen gewesen.
Der am 30. März 1907 in Ciechanow geborene Zeuge N.L. versicherte unter dem 9. Januar 1955 eidesstattlich, dass der Kläger, dessen Bruder und der beiden Vetter "beim Wiederaufbau von Ciechanow in ihren verschiedenen Berufen Zwangsarbeit geleistet" hätten. In der eidesstattlichen Erklärung des Klägers, des am 13. Februar 1921 in Ciechanow geborenen N.K., des I.A. und des S.A. vom 21. September 1956 heißt es, dass sie "vom ersten Tage der entsprechenden gesetzlichen deutschen Vorschrift der Kennzeichenpflicht für Juden unterworfen worden" seien. Soweit sie sich erinnerten, sei diese Kennzeichenpflicht in Ciechanow spätestens am 1. Dezember 1939 eingeführt worden. Anfang 1940 sei die Zwangsarbeit schon stramm organisiert gewesen. Sie hätten aber schon vor der Organisierung der Zwangsarbeit die Sterne tragen müssen. Sie könnten sich gegenseitig bezeugen, dass sie in ihrer Freiheit durch die jüdische Kennzeichenpflicht ab 1. Dezember 1939 beschränkt gewesen seien.
Im Antrag auf Anerkennung eines Schadens an Körper oder Gesundheit vom 5. Februar 1967 gab der Kläger an, bei Beginn der Verfolgung Schüler gewesen zu sein. Sein früherer Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt B1, gab im Schriftsatz vom 28. März 1967 an, dass der Kläger von Ende 1939 an Verfolgungen als Jude ausgesetzt gewesen sei. Im Ärztlichen Gutachten des Dr. S1 vom 19. Januar 1968 heißt es in der vom Kläger unterzeichneten Vorgeschichte, dass er "bis zu seiner Verhaftung in 1940" Schüler gewesen und von Januar 1940 an Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei. Im Gutachten des Dr. H. vom 16. Februar 1968 ist angegeben, der Kläger habe die Schule bis zur siebten Klasse besucht, d. h. bis zum Ausbruch des Krieges. Mit 16 Jahren sei er ins Lager verschickt worden.
Allen diesen Zeugenaussagen und Angaben des Klägers ist kein hinreichender Anhalt, geschweige denn ein Beleg dafür zu entnehmen, dass beim Kläger eine Freiheitseinschränkung/Freiheitsentziehung im streitigen Zeitraum vorgelegen hat. Ihnen lässt sich auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass der Kläger den Judenstern vor dem 5. Dezember 1939 getragen hat. Vielmehr sprechen die Angaben in den Entschädigungsakten dafür, dass der Kläger auch subjektiv den Beginn einer Verfolgungszeit als Jude erst mit dem Monat Dezember 1939 erlebt hat.
Der Kläger ist in der Zeit vom 3. September 1939 bis 4. Dezember 1939 auch nicht infolge Verfolgungsmaßnahmen arbeitslos gewesen. Er hat seine Berufungsschrift vom 22. August 2006 zwar nicht mehr auf diesen Gesichtspunkt gestützt, hat seinen vor dem Sozialgericht vertretenen Rechtsstandpunkt allerdings auch nicht fallen gelassen. Eine verfolgungsbedingte Arbeitslosigkeit lag indes nicht vor. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts an und nimmt darauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Soweit der Kläger vereinzelt - im Widerspruch zu seinen sonstigen Angaben - vorgebracht hat, er habe sich bei Ausbruch des Krieges in einem Ausbildungsverhältnis befunden, ist er darauf nicht zurückgekommen, sondern hat später (und auch früher) behauptet, bei Kriegsausbruch (zum Teil auch noch später) Schüler gewesen zu sein. Für die Annahme einer verfolgungsbedingt eingetretenen Arbeitslosigkeit besteht schon deshalb kein Anhalt.
Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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