Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 58 AS 314/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 B 75/07 ER AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Februar 2007 aufgehoben. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Januar 2007 wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 21. Februar 2007 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 19. Februar 2007, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 11. Januar 2007 angeordnet, mit dem die Antragsgegnerin das dem Antragsteller bewilligte Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 30. April 2007 um 30 vom Hundert der Regelleistung abgesenkt hat.
Das Gericht der Hauptsache kann in den Fällen, in denen der Widerspruch – wie hier gemäß § 39 Nr. 1 SGB II der Widerspruch des Antragstellers vom 5. Februar 2007 – keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Dabei kommt es wesentlich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels an. Ist der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird die aufschiebende Wirkung angeordnet, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist hingegen das Rechtsmittel aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden können (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Auflage, § 86b Rdnr. 12c). Bei offenem Ausgang sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung nicht erginge, der Widerspruch bzw. die Klage aber später Erfolg hätten, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, dem Rechtsmittel aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. Keller a.a.O., Rdnr. 12e; Krodel, NZS 2001, S. 449 ff., 456).
Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier zum Erfolg der Beschwerde; denn der Senat hält – anders als das SG – den angefochtenen Bescheid nach der gebotenen wie ausreichenden summarischen Prüfung für rechtmäßig. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die dort verfügte Absenkung des Arbeitslosengeldes II dürften vorliegen. Die Behandlung des ihm von der Antragsgegnerin am 3. November 2006 übersandten Vorschlags einer Beschäftigung als Küchenhilfe bei der Firma M. P. S. GmbH durch den Antragsteller dürfte den Tatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. d Sozialgesetzbuch Zweites Buch Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) erfüllen. Dieser Bestimmung zufolge wird das Arbeitslosengeld II – unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II – in der ersten Stufe um 30 v. H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn dieser sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II auszuführen. Der Antragsteller hat sich bei der Firma am 7. November 2006 gemeldet und am 16. November 2006 persönlich vorgestellt. Er wurde nach Mitteilung des Unternehmens nicht eingestellt, weil er sich dort nach seiner persönlichen Vorsprache nicht mehr gemeldet hat. Ein wichtiger Grund, der dieses Verhalten rechtfertigen und nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II der Absenkung des Arbeitslosengeldes entgegenstehen würde, ist nicht ersichtlich. Den Angaben des Antragstellers zufolge war ihm im Gespräch am 16. November 2006 aufgegeben worden, Kopien seiner Zeugnisse vorzulegen. Über diese Unterlagen habe er jedoch – so der Antragsteller – infolge einiger Wohnungswechsel nicht verfügt. Es ist nicht nachvollziehbar, nicht einmal von ihm vorgetragen, warum er dem Unternehmen, bei dem er sich bereits vorgestellt hatte, diesen Sachverhalt nicht mitgeteilt hat. Sein Verhalten kann unter diesen Umständen nur als Desinteresse bzw. Ablehnung der angebotenen Beschäftigung gewertet werden.
Zu Unrecht halten der Antragsteller und das SG den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil der Vermittlungsvorschlag zur Firma M. P. S. GmbH nicht bestimmt genug gewesen sei. Auch wenn diese Ansicht zutreffend sein sollte, so könnte sich der Antragsteller darauf nicht mehr berufen, nachdem er ungeachtet dessen Kontakte mit diesem Arbeitgeber aufgenommen hat. Es kann insofern nichts anderes gelten, als das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung zum Eintritt einer Sperrzeit ausgeführt hat (Urteil vom 21. Juli 1981, 7 Rar 2/80, SozR 4100 § 119 Nr. 15 S. 77 f.). Danach kann der Arbeitslose sich im Nachhinein nicht darauf berufen, dass das Angebot unzureichend konkretisiert war, wenn er von dem Recht zur Ablehnung zunächst keinen Gebrauch macht, sondern aufgrund des ihm unterbreiteten Angebots Kontakte mit dem Arbeitgeber aufnimmt und sich dadurch selbst die Gelegenheit verschafft, bisher fehlende Informationen über das Arbeitsangebot zu erhalten. Er hat dann durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass er das Angebot als ausreichend bestimmt akzeptiert und hat sich damit des Rechts begeben, dessen Mangel nachträglich zur Abwendung der gesetzlichen Folgen der Leistungssperre geltend zu machen. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") als Sonderfall des Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) gilt auch im Bereich des öffentlichen Rechts, insbesondere auch des Sozialversicherungsrechts, und kommt in diesem Sinne sowohl für das Handeln der Verwaltungsbehörden bzw. der Versicherungsträger als auch für das Verhalten des Einzelnen in Betracht. Der Arbeitslose kann sich, wenn es aus anderen Gründen nicht zum Vertragsschluss kommt, nicht nachträglich auf eine mangelhafte Konkretisierung des Angebots berufen; denn sein Verhalten lässt auf den Willen schließen, dass er von seinem Recht auf Ablehnung des Angebots wegen nicht ausreichender Bestimmtheit keinen Gebrauch machen will, sodass die – spätere – Berufung auf dieses Recht als treuwidriges Verhalten ("protestatio facto contraria") zu werten ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 21. Februar 2007 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 19. Februar 2007, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt hat, ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 11. Januar 2007 angeordnet, mit dem die Antragsgegnerin das dem Antragsteller bewilligte Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 30. April 2007 um 30 vom Hundert der Regelleistung abgesenkt hat.
Das Gericht der Hauptsache kann in den Fällen, in denen der Widerspruch – wie hier gemäß § 39 Nr. 1 SGB II der Widerspruch des Antragstellers vom 5. Februar 2007 – keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG). Dabei kommt es wesentlich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels an. Ist der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird die aufschiebende Wirkung angeordnet, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist hingegen das Rechtsmittel aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden können (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Auflage, § 86b Rdnr. 12c). Bei offenem Ausgang sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung nicht erginge, der Widerspruch bzw. die Klage aber später Erfolg hätten, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, dem Rechtsmittel aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. Keller a.a.O., Rdnr. 12e; Krodel, NZS 2001, S. 449 ff., 456).
Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier zum Erfolg der Beschwerde; denn der Senat hält – anders als das SG – den angefochtenen Bescheid nach der gebotenen wie ausreichenden summarischen Prüfung für rechtmäßig. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die dort verfügte Absenkung des Arbeitslosengeldes II dürften vorliegen. Die Behandlung des ihm von der Antragsgegnerin am 3. November 2006 übersandten Vorschlags einer Beschäftigung als Küchenhilfe bei der Firma M. P. S. GmbH durch den Antragsteller dürfte den Tatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. d Sozialgesetzbuch Zweites Buch Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) erfüllen. Dieser Bestimmung zufolge wird das Arbeitslosengeld II – unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II – in der ersten Stufe um 30 v. H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn dieser sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II auszuführen. Der Antragsteller hat sich bei der Firma am 7. November 2006 gemeldet und am 16. November 2006 persönlich vorgestellt. Er wurde nach Mitteilung des Unternehmens nicht eingestellt, weil er sich dort nach seiner persönlichen Vorsprache nicht mehr gemeldet hat. Ein wichtiger Grund, der dieses Verhalten rechtfertigen und nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II der Absenkung des Arbeitslosengeldes entgegenstehen würde, ist nicht ersichtlich. Den Angaben des Antragstellers zufolge war ihm im Gespräch am 16. November 2006 aufgegeben worden, Kopien seiner Zeugnisse vorzulegen. Über diese Unterlagen habe er jedoch – so der Antragsteller – infolge einiger Wohnungswechsel nicht verfügt. Es ist nicht nachvollziehbar, nicht einmal von ihm vorgetragen, warum er dem Unternehmen, bei dem er sich bereits vorgestellt hatte, diesen Sachverhalt nicht mitgeteilt hat. Sein Verhalten kann unter diesen Umständen nur als Desinteresse bzw. Ablehnung der angebotenen Beschäftigung gewertet werden.
Zu Unrecht halten der Antragsteller und das SG den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil der Vermittlungsvorschlag zur Firma M. P. S. GmbH nicht bestimmt genug gewesen sei. Auch wenn diese Ansicht zutreffend sein sollte, so könnte sich der Antragsteller darauf nicht mehr berufen, nachdem er ungeachtet dessen Kontakte mit diesem Arbeitgeber aufgenommen hat. Es kann insofern nichts anderes gelten, als das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung zum Eintritt einer Sperrzeit ausgeführt hat (Urteil vom 21. Juli 1981, 7 Rar 2/80, SozR 4100 § 119 Nr. 15 S. 77 f.). Danach kann der Arbeitslose sich im Nachhinein nicht darauf berufen, dass das Angebot unzureichend konkretisiert war, wenn er von dem Recht zur Ablehnung zunächst keinen Gebrauch macht, sondern aufgrund des ihm unterbreiteten Angebots Kontakte mit dem Arbeitgeber aufnimmt und sich dadurch selbst die Gelegenheit verschafft, bisher fehlende Informationen über das Arbeitsangebot zu erhalten. Er hat dann durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass er das Angebot als ausreichend bestimmt akzeptiert und hat sich damit des Rechts begeben, dessen Mangel nachträglich zur Abwendung der gesetzlichen Folgen der Leistungssperre geltend zu machen. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") als Sonderfall des Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) gilt auch im Bereich des öffentlichen Rechts, insbesondere auch des Sozialversicherungsrechts, und kommt in diesem Sinne sowohl für das Handeln der Verwaltungsbehörden bzw. der Versicherungsträger als auch für das Verhalten des Einzelnen in Betracht. Der Arbeitslose kann sich, wenn es aus anderen Gründen nicht zum Vertragsschluss kommt, nicht nachträglich auf eine mangelhafte Konkretisierung des Angebots berufen; denn sein Verhalten lässt auf den Willen schließen, dass er von seinem Recht auf Ablehnung des Angebots wegen nicht ausreichender Bestimmtheit keinen Gebrauch machen will, sodass die – spätere – Berufung auf dieses Recht als treuwidriges Verhalten ("protestatio facto contraria") zu werten ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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