L 3 U 14/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 494/99
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 14/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. April 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der am XX.XXXXX 1954 geborene Kläger war von 1988 bis 1997 bei der Firma W. GmbH mit dem Eichen von Großwaagen im Außendienst beschäftigt. Er bewegte dabei ca. 2 Stunden täglich Eichgewichte von bis zu 50 kg mit etwa 420 Hebevorgängen. Anschließend war er bis 1999 weiter bei dieser Firma beschäftigt, arbeitete aber in einem Bereich, in dem die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit nicht mehr in dem früheren Umfang anfiel. Er hatte (nur noch) einzelne Maschinen mit Gewichten von ca. 50 kg bei der Abholung bzw. Auslieferung an die Kunden mit etwa 40 bis 60 Tragevorgängen zu transportieren. Ab 6. Januar 1999 war der Kläger arbeitsunfähig und bezog Berufsunfähigkeitsrente auf Dauer und Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit. Nach dem Wegfall der Erwerbsunfähigkeitsrente bezog er neben der Berufsunfähigkeitsrente Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 12. April 2006 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV, weil die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen nach den überzeugenden Ausführungen des Chirurgen M. nicht Folge einer beruflichen Einwirkung seien. Der entgegen stehenden Auffassung des Sachverständigen Dr. A. könne nicht gefolgt werden, denn seine Beurteilung sei nicht nachvollziehbar.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Zu Unrecht sei das Sozialgericht dem Gutachten von M. gefolgt. Während dieser eine relevante Veränderung der Lendenwirbelsäule verneine, sei Dr. A. nach der von ihm zugrunde gelegten Definition einer bandscheibenbedingten Erkrankung zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger die geforderte Erkrankung vorliege. Der MRT-Befund vom 8. November 2002 bestätige eine Bandscheibenvorwölbung L2/3 und eine Lendenwirbelsäulen-Osteochondrose L4/5 und L5/S1. 1996 sei ein Discusprolaps L 4/5 festgestellt worden. Dr. Thoma beschreibe in diesem Abschnitt einen subligamentären Vorfall. Dr. A. beschreibe eine Segmentinstabilität im Lendenwirbelsäulenbereich L3/4 und L4/5. Die Magnetresonanztomographieuntersuchung vom 3. Februar 2006 weise Chondrosen und Osteochondrosen der Lendenwirbelsäule ab Lendenwirbelkörper 2 nach.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. April 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Klagabweisung durch das Sozialgericht für zutreffend.

Der Orthopäde Dr. N. kommt nach Untersuchung des Klägers im Gutachten vom 3. Juli 2007 zu dem Ergebnis, dass neben gesundheitlichen Störungen der Kniee und der rechten Schulter ein sog. chronisch-unspezifischer Rückenschmerz im Sinne eines pseudoradikulären Lumbalsyndroms, ein tiefreichender Rundrücken mit Residuen einer durchgemachten Scheuermann`schen Wachstumsstörung am dorsolumbalen Übergang und hier nachgewiesenen Bandscheibenvorfällen sowie in bildgebenden Verfahren nachgewiesene Bandscheibenvorwölbungen bei L4/5 und L5/S1, jedoch nativröntgenologisch weitgehend unauffällige Verhältnisse an der Lendenwirbelsäule vorliegen. Keine dieser Gesundheitsstörungen falle unter Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Bei dem Kläger liege keine bandscheibenbedingte Erkrankung vor. Ein Lumbalsyndrom könne nur dann als Ausdruck einer solchen Erkrankung verstanden werden, wenn es unmittelbar oder mittelbar durch Bandscheibenschäden verursacht sei. In aller Regel handele es sich dabei jedoch um muskelständige Beschwerden. Bei dem Kläger seien die nativröntgenologischen Befunde an der mittleren und unteren Lendenwirbelsäule außerordentlich gering. Die Beschwerden des Klägers insgesamt deuteten eher auf ein psychosomatisches Bild. Die Verschmälerungen der Zwischenwirbelräume am dorsolumbalen Übergang, welche den Hauptteil der klinischen Beschwerden verursachten, seien Folgen der abgelaufenen Scheuermann`schen Erkrankung. Solche im unteren Brustwirbelsäulenbereich auftretende Veränderungen seien im Übrigen von der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV generell nicht erfasst. Hinsichtlich der Bandscheibenprotrusion L4/5 und des Bandscheibenvorfalls L5/S1 fehle es an einer diesen Veränderungen zuordenbaren Beschwerdesymptomatik. Deswegen sei ihnen kein Krankheitswert zuzumessen. Selbst wenn man eine bandscheibenbedingte Erkrankung annehmen würde, wären die gesundheitlichen Voraussetzungen für Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV zu verneinen, denn es fehle an einem belastungskonformen Schadensbild, der sog. Linksverschiebung, und die degenerativen Veränderungen an Hals- und Brustwirbelsäule seien im Vergleich zu denen an der Lendenwirbelsäule erheblich.

Der Sachverständige Dr. N. ist in der mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2007 ergänzend gehört worden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 16. Oktober 2007 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind weder formell noch materiell zu beanstanden.

Auf den Rechtsstreit finden die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) Anwendung, weil ein Versicherungsfall, der nach dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1997 eingetreten ist, geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).

Der Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit setzt das Vorliegen einer solchen voraus. Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Dies bedeutet, dass die schädigende Einwirkung ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die schädigende Einwirkung die Krankheit wesentlich (mit-)verursacht haben muss. Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung, Gesundheitsschaden) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, genügt für den Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d. h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen. Allerdings reicht die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht aus. Zu den Berufskrankheiten zählen nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auch der Senat hält die Ausführungen des Orthopäden M. für überzeugend, während dem Gutachten von Dr. A. aus den vom Sozialgericht dargelegten Gründen nicht gefolgt werden kann.

Diese Einschätzung hat sich durch die weitere Beweiserhebung im Berufungsverfahren bestätigt. Der Senat folgt dabei den überzeugenden Ausführungen des Orthopäden Dr. N. in seinem schriftlichen Gutachten, ergänzt durch die Äußerungen im Rahmen der Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2007. Danach fehlt es bereits an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Es finden sich weder eine radiokuläre Symptomatik noch sonstige nachweisbare Veränderungen. Ein Segmentbefund im Sinne eines Druckschmerzes ließ sich ebenso wenig wie ein Hartspann der zugehörigen Muskelatur finden. Beim Kläger liegt ein diffuser unspezifischer Rückenschmerz mit Schwerpunkt im Übergangsbereich zwischen Brust- und Lendenwirbelsäule vor. Ein solches Krankheitsbild stellt keine bandscheibenbedingte Erkrankung dar.

Wegen des Fehlens einer bandscheibenbedingten Erkrankung kann dahinstehen, ob – wie Dr. N. ausführt – selbst bei Unterstellung des Vorliegens einer solchen Erkrankung mehr Gründe gegen als für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit sprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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