Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 255/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 48/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. August 2013 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der im xxxxx 1941 geborene Kläger war vom 1. Dezember 1974 bis 31. August 1984 bei der Firma B1 in H. beschäftigt und dort im so genannten "Rein-Gamma-Betrieb" tätig. Anschließend war er ab 1984 bei der Firma H1 AG tätig.
Nachdem bei dem Kläger erstmals bereits 1977 pathologisch erhöhte Blutfettwerte und im Januar 1982 auffällig erhöhte Leberwerte festgestellt worden, und nachdem bei ihm im Frühjahr 1990 vorübergehend Sehstörungen aufgetreten waren, erstattete der praktische Arzt Dr. V. im Juni 1990 eine Anzeige wegen des Verdachts auf das Vorliegen einer Berufskrankheit. Im Rahmen dieses Verfahrens machte der Kläger neben Sehstörungen als weitere Beschwerden Müdigkeit, Befindlichkeitsstörungen, Fettstoffwechselstörungen sowie erhöhte Leberwerte geltend. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1992 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummern 1302 oder 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Im Widerspruchsverfahren gelangte der Neurologe/Psychiater Dr. R. in seinem Gutach¬ten vom 10. Juli 1993 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine Polyneuropathie nicht festzustellen sei und sich Zeichen einer hirnorganischen Beeinträchtigung – auch bei den testpsychologischen Untersuchungen – nicht fänden. Seinem Vorschlag, dennoch seit zwei Jahren vorliegende, gering ausgeprägte Befindlichkeitsstörungen als Folge der Dio-xineinwirkung mit eine daraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 vom Hundert anzuerkennen, widersprach der Arbeitsmediziner Dr. P1 unter Hinweis da-rauf, dass Befindlichkeitsstörungen erstmals frühestens sechs Jahre nach Ende der Schadstoffexposition aufgetreten seien. Daraufhin erging der Widerspruchsbescheid vom 14. September 1994, der bestandskräftig wurde.
Im Überprüfungsverfahren ermittelte die Beklagte durch Nachfrage beim Werksarzt der Firma H1 AG, dass nach den dort vorhandenen Unterlagen der Kläger weder bei der Einstellungsuntersuchung im Jahre 1984 noch in den folgenden Beschäftigungsjahren bei den regelmäßigen Untersuchungen Kopfschmerzen angegeben hatte (Schreiben vom 13. Oktober 1995). Eine Rücksprache mit dem Kläger am 13. Oktober 1995 ergab, dass er weder bei seinem Hausarzt noch bei dem Werksarzt um eine dementsprechende The-rapie nachgesucht hatte. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Mai 1996 und Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 1997 die Rücknahme des Bescheides vom 22. Dezember 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. September 1994 ab.
Im anschließenden Klageverfahren kam der Arbeitsmediziner und Diplom-Psychologe Dr. P. ausweislich des Gutachtens vom 21. September 1998 u.a. zu dem Ergebnis, dass die geklagten Befindlichkeitsstörungen sich nur dann als Symptome einer leichtgradigen toxischen Enzephalopathie einordnen ließen, wenn davon ausgegangen werden könne, dass die Beschwerden in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition bei der Firma B1 aufgetreten seien. Bei einem Erkrankungsbeginn erst im Jahre 1990 oder später seien die Befindlichkeitsstörungen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich mit der Schadstoffexposition in Verbindung zu bringen.
Das Sozialgericht wies die Klage durch Urteil vom 3. Juni 2004 (Az.: 25 U 40/97) ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, die vom Kläger gemachten Angaben über häufige Kopf-schmerzen während der Tätigkeit bei B1 und die einmalige Eintragung dieser Gesundheitsstörung 1983 in den Unterlagen des behandelnden Arztes würden nicht ausreichen, eine toxische Enzephalopathie zu belegen. Erst mit Einleitung des Berufskrank-heitenverfahrens 1990 seien Befindlichkeitsstörungen erwähnt worden, die zu einer toxi-schen Enzephalopathie passen könnten.
Im Berufungsverfahren (Az.: L 3 U 51/04) kam der Internist Prof. Dr. O., gegenüber dem der Kläger als Beschwerden eine verminderte Belastbarkeit, einen schnellen Schweißausbruch bei leichten Anstrengungen, häufige Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen alle drei bis vier Wochen, gelegentliche Rücken- und Gliederschmerzen, kalte Füße und Taubheitsgefühl im rechten Bein geklagt hatte, in seinem Gutachten vom 13. April 2005 u. a. zur Diagnose einer psychovegetative Dystonie mit gehäuften Kopf-schmerzen und legte dar, dass die bestehenden Gesundheitsstörungen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch die Exposition gegenüber Schadstoffen am Arbeits-platz wesentlich verursacht oder verschlimmert worden seien.
Der Nervenarzt Dr. T. erstellte das Gutachten vom 22. September 2007, in dem er auch das neuropsychologische Zusatzgutachten vom 15. September 2007 durch Dr. B. auswertete, und nahm in mehreren Verhandlungsterminen ergänzend Stellung. Er führte als Diagnosen ein im klinischen Alltag nicht relevantes sensibles Polyneuropathie-Syndrom an der Grenze der Nachweisbarkeit sowie ein psychisches Krankheitsbild einer eher blande ausgeprägten Dysthymie auf dem Boden einer erhöhten neurotisch-psycho-somatischen Reaktionsbereitschaft an. Eine Enzephalopathie liege beim Kläger nicht vor. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Angaben des Klägers zu der Kopf-schmerzproblematik während der Tätigkeit bei B1 zutreffend seien, lasse sich unter Berücksichtigung der angegebenen Frequenz und den verschiedenen Grundcha-rakteristika der Beschwerdebilder keine in der Vergangenheit bestehende hirnorganische Reaktion auf chemisch-toxische Einflüsse ableiten.
Das Landessozialgericht wies die Berufung mit Urteil vom 31. März 2009 zurück. Hin-sichtlich der vom Kläger geltend gemachten Befindlichkeitsstörungen begründete es seine Entscheidung folgendermaßen: Befindlichkeitsstörungen seien nur dann ursächlich auf die Einwirkungen der grundsätzlich neurotoxisch wirkenden Schadstoffe zurückzuführen, wenn sie sich als Symptome einer hirnorganischen Erkrankung im Sinne einer Enzepha-lopathie (nicht entzündliche Erkrankung des Gehirns) darstellten. Nur insoweit gebe es eine generelle Eignung von sowohl Dioxin als auch HCH, Befindlichkeitsstörungen her-vorzurufen. Eine derartige Hirnerkrankung sei beim Kläger jedoch nicht zu diagnostizie¬ren. Ihr Vorliegen könne aufgrund der Untersuchungen von Dr. T. und Dr. B. ausgeschlossen werden. Auch in der Vergangenheit habe eine derartige Erkrankung nicht mit der erforderlichen Sicherheit vorgelegen. Zu Recht habe bereits das Sozialge¬richt darauf hingewiesen, dass zeitnahe Beschwerden nicht dokumentiert seien. Der Kläger habe erstmals 1993 entsprechende Befindlichkeitsstörungen geltend gemacht. Die von ihm behaupteten Kopfschmerzen bereits während der Tätigkeit bei B1 ließen sich nicht objektivieren. Der von Dr. P. in seiner Beurteilung geforderte Nachweis eines zeitlichen Zusammenhanges ergebe sich entgegen der Auffassung des Klägers aus den Unterlagen seines behandelnden Arztes gerade nicht. Unabhängig davon habe Dr. T. unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers herausarbeiten können, dass die Frequenz und der Charakter der Kopfschmerzen gewechselt hätten. Da¬nach habe es sich um zwei verschiedene Beschwerdebilder gehandelt: Zum einen um eine häufige Kopfschmerzneigung vom Spannungstyp, zum anderen um ein episodisches Unwohlsein alle paar Wochen, überwiegend geprägt durch einen migränoiden Gefäßkopfschmerz. Insbesondere das zweite Beschwerdemuster sei keinesfalls typisch für eine akute oder subakute/chronische hirnorganische Reaktion auf chemisch-toxische Ein¬flüsse, sondern vielmehr bezeichnend für eine psychisch determinierte vegetative An¬spannungs-/Entspannungsreaktion, also psychische Symptombildungen, wie sie sich bereits testpsychologisch in dem Gutachten von Dr. R. gezeigt hätten. Unter Berück¬sichtigung dieser ausführlichen Diagnostik halte das Gericht die Schlussfolgerung des Sachverständigen Dr. T., dass es sich bei dem von Dr. R. und Dr. P. festgestellten Beschwerdebild um eine psychogene Reaktion und nicht um Symptome einer hirnorganischen Störung handele, für plausibel und schließe sich ihr an.
Während des Laufes des geschilderten Verfahrens erfolgte im Juli 2006 eine weitere An-zeige einer Berufskrankheit durch den behandelnden Arzt Dr. V ... Mit Bescheid vom 10. Oktober 2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Leukopenie sowie von Befind-lichkeitsstörungen als Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der BKV ab. Bei dieser Entscheidung blieb sie auch im Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 18. April 2007). Der im Klageverfahren als Sachverständige tätig gewordene Internist Dr. S. (Gut-achten vom 16. Dezember 2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 20 Mai 2011) ging nicht speziell auf die geltend gemachten Befindlichkeitsstörungen ein, führte im Übrigen aus, eine auf eine Schadstoffeinwirkung durch Benzol hervorgerufene oder verschlim¬merte Erkrankung liege nicht vor. Mit Urteil vom 29. September 2011 wies das Sozialgericht die Klage ab (S 36 U 158/07).
Mit Schreiben vom 6. August 2010 trug der Kläger vor, weil bei ihm die typischen Be-schwerden im Sinne eines Vollbildes einer toxischen Enzephalopathie vorlägen und nach dem Stichtag vom 31. Dezember 1992 eingetreten seien, habe er Anspruch auf Anerken-nung einer Berufskrankheit nach Ziffer 1317 der BKV. Nachdem die staatliche Gewerbeärztin und Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. M. in ihrer Stellungnahme vom 10. November 2010 vorschlug, eine Berufskrankheit nicht anzuerkennen, lehnte die Be¬klagte den Antrag mit Bescheid vom 8. Dezember 2010 ab. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine Stellungnahme von Prof. Dr. F. vom 22. März 2011 vor, in der dieser das Gutachten von Dr. R. aus dem Jahre 1993 kritisierte. Dr. P. führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11. Mai 2011 aus, dass er sich der ausführlichen und plausiblen Argumentation von Dr. Teusch anschließen müsse. Diesem sei hinsichtlich der Beurteilung des Fehlens einer toxischen Enzephalopathie zu¬zustimmen. Seine eigene Bewertung vom 14. April 2011 werde revidiert. Es liege kein begründeter Verdacht für eine Berufskrankheit nach Ziffer 1317 der BKV vor, weil es am Nachweis der dort geforderten Erkrankung fehle. Daraufhin wies die Beklagte den Wider¬spruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2011 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger vor allem das Gutachten von Dr. T. angegriffen. Für die Beklagte hat Dr. P. dargelegt, die Kritik von Prof. Dr. F. am Gutachten von Dr. T. überzeuge nicht.
Mit Urteil vom 15. August 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe in den angegriffenen Bescheiden die Feststellung des Vorliegens einer Berufs-krankheit nach Nr. 1317 der BKV zu Recht abgelehnt. Weder eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie sei bei dem Kläger nachweisbar. Dies ergebe sich überzeugend aus den medizinischen Feststellungen von Dr. R. im Gutachten vom 10. Juli 1993, von Dr. P. im Gutachten vom 21. September 1998, ergänzt durch seine beratungs¬ärztliche Stellungnahme vom 11. Mai 2011, und von Dr. T. im Gutachten vom 22. September 2007. Der Kritik von Prof. Dr. F. könne nicht gefolgt werden. Im Übrigen habe dieser den Kläger nicht untersucht und sei nicht in der Lage, Gesichtspunkte für das Vorliegen einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie darzulegen. Weil die für das Vorliegen der geltend gemachten Berufskrankheit erforderliche Erkrankung fehle, komme es nicht darauf an, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen geeignet gewesen wären, derartige Erkrankungen zu verursachen.
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. August 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2011 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine Berufskrankheit nach Ziffer 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend ihre Bescheide als rechtmäßig angesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Prozessakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwie¬sen. Sie sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats und im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 und § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet.
Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind weder formell noch materiell zu bean-standen. Bei dem Kläger liegt keine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV vor. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewie-sen, denn weder kann eine Veränderungen des Gehirns als Organ im Sinne einer Enze-phalopathie noch eine Polyneuropathie festgestellt werden. Dies ergibt sich überzeugend aus den medizinischen Feststellungen von Dr. R. im Gutachten vom 10. Juli 1993, von Dr. P. im Gutachten vom 21. September 1998, ergänzt durch seine beratungsärztliche Stellungnahme vom 11. Mai 2011, und von Dr. T. im Gutachten vom 22. September 2007. Der Kritik von Prof. Dr. F. kann nicht gefolgt werden. Im Übrigen hat dieser den Kläger nicht untersucht und ist nicht in der Lage, Gesichtspunkte für das Vorliegen einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie darzulegen. Weil die für das Vorliegen der geltend gemachten Berufskrankheit erforderliche Erkrankung fehlt, kommt es nicht darauf an, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen geeignet gewesen wären, derartige Erkrankungen zu verursachen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Berufungsgericht Bezug auf die zutref-fende Begründung des sozialgerichtlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der im xxxxx 1941 geborene Kläger war vom 1. Dezember 1974 bis 31. August 1984 bei der Firma B1 in H. beschäftigt und dort im so genannten "Rein-Gamma-Betrieb" tätig. Anschließend war er ab 1984 bei der Firma H1 AG tätig.
Nachdem bei dem Kläger erstmals bereits 1977 pathologisch erhöhte Blutfettwerte und im Januar 1982 auffällig erhöhte Leberwerte festgestellt worden, und nachdem bei ihm im Frühjahr 1990 vorübergehend Sehstörungen aufgetreten waren, erstattete der praktische Arzt Dr. V. im Juni 1990 eine Anzeige wegen des Verdachts auf das Vorliegen einer Berufskrankheit. Im Rahmen dieses Verfahrens machte der Kläger neben Sehstörungen als weitere Beschwerden Müdigkeit, Befindlichkeitsstörungen, Fettstoffwechselstörungen sowie erhöhte Leberwerte geltend. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1992 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummern 1302 oder 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Im Widerspruchsverfahren gelangte der Neurologe/Psychiater Dr. R. in seinem Gutach¬ten vom 10. Juli 1993 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine Polyneuropathie nicht festzustellen sei und sich Zeichen einer hirnorganischen Beeinträchtigung – auch bei den testpsychologischen Untersuchungen – nicht fänden. Seinem Vorschlag, dennoch seit zwei Jahren vorliegende, gering ausgeprägte Befindlichkeitsstörungen als Folge der Dio-xineinwirkung mit eine daraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 vom Hundert anzuerkennen, widersprach der Arbeitsmediziner Dr. P1 unter Hinweis da-rauf, dass Befindlichkeitsstörungen erstmals frühestens sechs Jahre nach Ende der Schadstoffexposition aufgetreten seien. Daraufhin erging der Widerspruchsbescheid vom 14. September 1994, der bestandskräftig wurde.
Im Überprüfungsverfahren ermittelte die Beklagte durch Nachfrage beim Werksarzt der Firma H1 AG, dass nach den dort vorhandenen Unterlagen der Kläger weder bei der Einstellungsuntersuchung im Jahre 1984 noch in den folgenden Beschäftigungsjahren bei den regelmäßigen Untersuchungen Kopfschmerzen angegeben hatte (Schreiben vom 13. Oktober 1995). Eine Rücksprache mit dem Kläger am 13. Oktober 1995 ergab, dass er weder bei seinem Hausarzt noch bei dem Werksarzt um eine dementsprechende The-rapie nachgesucht hatte. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Mai 1996 und Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 1997 die Rücknahme des Bescheides vom 22. Dezember 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. September 1994 ab.
Im anschließenden Klageverfahren kam der Arbeitsmediziner und Diplom-Psychologe Dr. P. ausweislich des Gutachtens vom 21. September 1998 u.a. zu dem Ergebnis, dass die geklagten Befindlichkeitsstörungen sich nur dann als Symptome einer leichtgradigen toxischen Enzephalopathie einordnen ließen, wenn davon ausgegangen werden könne, dass die Beschwerden in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition bei der Firma B1 aufgetreten seien. Bei einem Erkrankungsbeginn erst im Jahre 1990 oder später seien die Befindlichkeitsstörungen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich mit der Schadstoffexposition in Verbindung zu bringen.
Das Sozialgericht wies die Klage durch Urteil vom 3. Juni 2004 (Az.: 25 U 40/97) ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, die vom Kläger gemachten Angaben über häufige Kopf-schmerzen während der Tätigkeit bei B1 und die einmalige Eintragung dieser Gesundheitsstörung 1983 in den Unterlagen des behandelnden Arztes würden nicht ausreichen, eine toxische Enzephalopathie zu belegen. Erst mit Einleitung des Berufskrank-heitenverfahrens 1990 seien Befindlichkeitsstörungen erwähnt worden, die zu einer toxi-schen Enzephalopathie passen könnten.
Im Berufungsverfahren (Az.: L 3 U 51/04) kam der Internist Prof. Dr. O., gegenüber dem der Kläger als Beschwerden eine verminderte Belastbarkeit, einen schnellen Schweißausbruch bei leichten Anstrengungen, häufige Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen alle drei bis vier Wochen, gelegentliche Rücken- und Gliederschmerzen, kalte Füße und Taubheitsgefühl im rechten Bein geklagt hatte, in seinem Gutachten vom 13. April 2005 u. a. zur Diagnose einer psychovegetative Dystonie mit gehäuften Kopf-schmerzen und legte dar, dass die bestehenden Gesundheitsstörungen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch die Exposition gegenüber Schadstoffen am Arbeits-platz wesentlich verursacht oder verschlimmert worden seien.
Der Nervenarzt Dr. T. erstellte das Gutachten vom 22. September 2007, in dem er auch das neuropsychologische Zusatzgutachten vom 15. September 2007 durch Dr. B. auswertete, und nahm in mehreren Verhandlungsterminen ergänzend Stellung. Er führte als Diagnosen ein im klinischen Alltag nicht relevantes sensibles Polyneuropathie-Syndrom an der Grenze der Nachweisbarkeit sowie ein psychisches Krankheitsbild einer eher blande ausgeprägten Dysthymie auf dem Boden einer erhöhten neurotisch-psycho-somatischen Reaktionsbereitschaft an. Eine Enzephalopathie liege beim Kläger nicht vor. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Angaben des Klägers zu der Kopf-schmerzproblematik während der Tätigkeit bei B1 zutreffend seien, lasse sich unter Berücksichtigung der angegebenen Frequenz und den verschiedenen Grundcha-rakteristika der Beschwerdebilder keine in der Vergangenheit bestehende hirnorganische Reaktion auf chemisch-toxische Einflüsse ableiten.
Das Landessozialgericht wies die Berufung mit Urteil vom 31. März 2009 zurück. Hin-sichtlich der vom Kläger geltend gemachten Befindlichkeitsstörungen begründete es seine Entscheidung folgendermaßen: Befindlichkeitsstörungen seien nur dann ursächlich auf die Einwirkungen der grundsätzlich neurotoxisch wirkenden Schadstoffe zurückzuführen, wenn sie sich als Symptome einer hirnorganischen Erkrankung im Sinne einer Enzepha-lopathie (nicht entzündliche Erkrankung des Gehirns) darstellten. Nur insoweit gebe es eine generelle Eignung von sowohl Dioxin als auch HCH, Befindlichkeitsstörungen her-vorzurufen. Eine derartige Hirnerkrankung sei beim Kläger jedoch nicht zu diagnostizie¬ren. Ihr Vorliegen könne aufgrund der Untersuchungen von Dr. T. und Dr. B. ausgeschlossen werden. Auch in der Vergangenheit habe eine derartige Erkrankung nicht mit der erforderlichen Sicherheit vorgelegen. Zu Recht habe bereits das Sozialge¬richt darauf hingewiesen, dass zeitnahe Beschwerden nicht dokumentiert seien. Der Kläger habe erstmals 1993 entsprechende Befindlichkeitsstörungen geltend gemacht. Die von ihm behaupteten Kopfschmerzen bereits während der Tätigkeit bei B1 ließen sich nicht objektivieren. Der von Dr. P. in seiner Beurteilung geforderte Nachweis eines zeitlichen Zusammenhanges ergebe sich entgegen der Auffassung des Klägers aus den Unterlagen seines behandelnden Arztes gerade nicht. Unabhängig davon habe Dr. T. unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers herausarbeiten können, dass die Frequenz und der Charakter der Kopfschmerzen gewechselt hätten. Da¬nach habe es sich um zwei verschiedene Beschwerdebilder gehandelt: Zum einen um eine häufige Kopfschmerzneigung vom Spannungstyp, zum anderen um ein episodisches Unwohlsein alle paar Wochen, überwiegend geprägt durch einen migränoiden Gefäßkopfschmerz. Insbesondere das zweite Beschwerdemuster sei keinesfalls typisch für eine akute oder subakute/chronische hirnorganische Reaktion auf chemisch-toxische Ein¬flüsse, sondern vielmehr bezeichnend für eine psychisch determinierte vegetative An¬spannungs-/Entspannungsreaktion, also psychische Symptombildungen, wie sie sich bereits testpsychologisch in dem Gutachten von Dr. R. gezeigt hätten. Unter Berück¬sichtigung dieser ausführlichen Diagnostik halte das Gericht die Schlussfolgerung des Sachverständigen Dr. T., dass es sich bei dem von Dr. R. und Dr. P. festgestellten Beschwerdebild um eine psychogene Reaktion und nicht um Symptome einer hirnorganischen Störung handele, für plausibel und schließe sich ihr an.
Während des Laufes des geschilderten Verfahrens erfolgte im Juli 2006 eine weitere An-zeige einer Berufskrankheit durch den behandelnden Arzt Dr. V ... Mit Bescheid vom 10. Oktober 2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Leukopenie sowie von Befind-lichkeitsstörungen als Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der BKV ab. Bei dieser Entscheidung blieb sie auch im Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 18. April 2007). Der im Klageverfahren als Sachverständige tätig gewordene Internist Dr. S. (Gut-achten vom 16. Dezember 2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 20 Mai 2011) ging nicht speziell auf die geltend gemachten Befindlichkeitsstörungen ein, führte im Übrigen aus, eine auf eine Schadstoffeinwirkung durch Benzol hervorgerufene oder verschlim¬merte Erkrankung liege nicht vor. Mit Urteil vom 29. September 2011 wies das Sozialgericht die Klage ab (S 36 U 158/07).
Mit Schreiben vom 6. August 2010 trug der Kläger vor, weil bei ihm die typischen Be-schwerden im Sinne eines Vollbildes einer toxischen Enzephalopathie vorlägen und nach dem Stichtag vom 31. Dezember 1992 eingetreten seien, habe er Anspruch auf Anerken-nung einer Berufskrankheit nach Ziffer 1317 der BKV. Nachdem die staatliche Gewerbeärztin und Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. M. in ihrer Stellungnahme vom 10. November 2010 vorschlug, eine Berufskrankheit nicht anzuerkennen, lehnte die Be¬klagte den Antrag mit Bescheid vom 8. Dezember 2010 ab. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine Stellungnahme von Prof. Dr. F. vom 22. März 2011 vor, in der dieser das Gutachten von Dr. R. aus dem Jahre 1993 kritisierte. Dr. P. führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11. Mai 2011 aus, dass er sich der ausführlichen und plausiblen Argumentation von Dr. Teusch anschließen müsse. Diesem sei hinsichtlich der Beurteilung des Fehlens einer toxischen Enzephalopathie zu¬zustimmen. Seine eigene Bewertung vom 14. April 2011 werde revidiert. Es liege kein begründeter Verdacht für eine Berufskrankheit nach Ziffer 1317 der BKV vor, weil es am Nachweis der dort geforderten Erkrankung fehle. Daraufhin wies die Beklagte den Wider¬spruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2011 zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger vor allem das Gutachten von Dr. T. angegriffen. Für die Beklagte hat Dr. P. dargelegt, die Kritik von Prof. Dr. F. am Gutachten von Dr. T. überzeuge nicht.
Mit Urteil vom 15. August 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe in den angegriffenen Bescheiden die Feststellung des Vorliegens einer Berufs-krankheit nach Nr. 1317 der BKV zu Recht abgelehnt. Weder eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie sei bei dem Kläger nachweisbar. Dies ergebe sich überzeugend aus den medizinischen Feststellungen von Dr. R. im Gutachten vom 10. Juli 1993, von Dr. P. im Gutachten vom 21. September 1998, ergänzt durch seine beratungs¬ärztliche Stellungnahme vom 11. Mai 2011, und von Dr. T. im Gutachten vom 22. September 2007. Der Kritik von Prof. Dr. F. könne nicht gefolgt werden. Im Übrigen habe dieser den Kläger nicht untersucht und sei nicht in der Lage, Gesichtspunkte für das Vorliegen einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie darzulegen. Weil die für das Vorliegen der geltend gemachten Berufskrankheit erforderliche Erkrankung fehle, komme es nicht darauf an, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen geeignet gewesen wären, derartige Erkrankungen zu verursachen.
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. August 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2011 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine Berufskrankheit nach Ziffer 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend ihre Bescheide als rechtmäßig angesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Prozessakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwie¬sen. Sie sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Berufung konnte die Berichterstatterin an Stelle des Senats und im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 und § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet.
Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind weder formell noch materiell zu bean-standen. Bei dem Kläger liegt keine Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV vor. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewie-sen, denn weder kann eine Veränderungen des Gehirns als Organ im Sinne einer Enze-phalopathie noch eine Polyneuropathie festgestellt werden. Dies ergibt sich überzeugend aus den medizinischen Feststellungen von Dr. R. im Gutachten vom 10. Juli 1993, von Dr. P. im Gutachten vom 21. September 1998, ergänzt durch seine beratungsärztliche Stellungnahme vom 11. Mai 2011, und von Dr. T. im Gutachten vom 22. September 2007. Der Kritik von Prof. Dr. F. kann nicht gefolgt werden. Im Übrigen hat dieser den Kläger nicht untersucht und ist nicht in der Lage, Gesichtspunkte für das Vorliegen einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie darzulegen. Weil die für das Vorliegen der geltend gemachten Berufskrankheit erforderliche Erkrankung fehlt, kommt es nicht darauf an, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen geeignet gewesen wären, derartige Erkrankungen zu verursachen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Berufungsgericht Bezug auf die zutref-fende Begründung des sozialgerichtlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Rechtskraft
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