L 3 R 79/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 20 R 1540/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 79/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.

Die am 23. April 1957 in der Türkei geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war zunächst als Stationshelferin bei der Firma C. und nach Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber im Jahr 2002 im Altenpflege-Zentrum S. in H. als Stationshelferin tätig. In dieser Tätigkeit erkrankte sie 2010 arbeitsunfähig und beantragte bei der Beklagten aus dem Krankengeldbezug heraus am 19. April 2010 die Gewährung einer Rente. Zur Begründung gab sie an, an einer psychischen Erkrankung in Gestalt einer Depression, an Asthma, Allergien und Lungenstörungen zu leiden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach Durchführung einer medizinischen Untersuchung auf dem internistischen und auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet mit Bescheid vom 9. Februar 2011 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2012 zurück. Das Sozialgericht hat die daraufhin fristgerecht erhobene Klage nach einer weiteren medizinischen Begutachtung auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet durch Prof. Dr. M., der das Gutachten vom 23. April 2014, auf welches Bezug genommen wird, erstattet hat, durch Urteil vom 22. Mai 2014 abgewiesen. Dabei hat es für möglich gehalten, dass die Klägerin psychisch erkrankt ist, sich jedoch mit Blick auf das bei den Untersuchungen an den Tag gelegte Verhalten außerstande gesehen, Feststellungen zum Leistungsvermögen zu treffen. Auf die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14. Juli 2014 zugestellte Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.

Mit ihrer am 4. August 2014 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter. Sie verweist erneut auf den Entlassungsbericht der Klinik S., welcher ihr ein aufgehobenes Leistungsvermögen bescheinige. Die von Prof. Dr. M. geäußerten Zweifel an der Authentizität des von ihr – der Klägerin – während der Untersuchung gezeigten Verhaltens könnten nicht automatisch dazu führen, dass trotz Feststellung erheblicher Gesundheitsstörungen eine Rente versagt werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Mai 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbs¬minderung ab 1. Mai 2010 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt ihren Bescheid und das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich dieser Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatter allein entscheidet, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Vielmehr hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten lässt nämlich Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin nicht erkennen.

Nach § 43 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1) bzw. voller (Abs. 2) Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs (im Falle teilweiser Erwerbsminderung) bzw. drei (im Falle voller Erwerbsminderung) Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) vermochte das Berufungsgericht – ebenso wie zuvor bereits das Sozialgericht – nicht festzustellen, dass die Klägerin erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist. Hierbei geht es ebenfalls davon aus, dass die Klägerin psychisch erkrankt ist. Nachdem es die Klägerin jedoch unternimmt, das – wirkliche – Ausmaß der bei ihr insbesondere auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen zu verschleiern, indem sie Verhaltensauffälligkeiten an den Tag legt, die eine bewusst-seinsnahe Aggravation oder gar Simulation zur Durchsetzung eines Renten¬begehrens nahelegen, macht sie es dem Gericht unmöglich, eine Aussage zu ihrem (tatsächlichen) Leistungsvermögen zu treffen. Jedoch bedarf es einer solchen Aussage. Denn nicht jede Erkrankung schränkt das Leistungsvermögen derart ein, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwersbminderung erfüllt sind. Insoweit stellt sich der Sachverhalt im Berufungsrechtszug nicht anders dar, als im Verwaltungsverfahren. Wenn die Berufung demgegenüber darauf hinweist, der Entlassungsbericht der Klinik S. vom 24. Februar 2012 belege ein aufgehobenes Leistungsvermögen, so weist dieser Entlassungs-bericht lediglich aus, dass die Versicherte "auf den Wunsch nach Berentung fixiert" war. Dass diese Fixierung ihrerseits von Krankheitswert ist und bereits hierdurch das Leistungsvermögen aufgehoben ist, bildet der Bericht indessen befundlich nicht ab. Vielmehr ist die Behandlung dort mit Blick auf die fehlende Bereitschaft der Patientin zur Mitarbeit in der Therapie abgebrochen worden, ohne dass eine abschließende Einschätzung gegeben werden konnte. Demgemäß kommt der Beurteilung durch die dortigen Behandler in dem vorliegenden Verfahren kein durchgreifender Beweiswert zu. Hiervon ausgehend hat auch bereits der medizinische Sachverständige Prof. Dr. M. zutreffend darauf hingewiesen, dass sich wegen des in allen bisher durchgeführten Untersuchungen und auch während des Klinikaufenthalts an den Tag gelegte, mit Blick auf die angestrebte Berentung zielgerichtete Verhalten nicht gutachtlich abschätzen lasse, inwieweit die Erwerbsfähigkeit tatsächlich gemindert sei. Es ist auch nicht erkennbar, dass ein neuerliches Gutachten hier zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts beitragen könnte.

Hiernach ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin gemindert ist. Jedoch müssen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbs-minderungsrente im Vollbeweis feststehen und es bestehen hieran nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens so gewichtige Zweifel, dass das Gericht sich die hierfür erforderliche Überzeugung in Gestalt einer vernünftige Zweifel ausschließenden Gewissheit nicht bilden kann. Da die Klägerin die objektive Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Erwerbsminderung trägt, geht dies zu seinen Lasten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Das Gericht hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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